Lebensdaten
1899 – 1981
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Dettenhausen bei Tübingen
Beruf/Funktion
Trickfilmerin
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118599445 | OGND | VIAF: 22177280
Namensvarianten
  • Reiniger, Charlotte
  • Reiniger, Lotte
  • Reiniger, Charlotte
  • mehr

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Zitierweise

Reiniger, Lotte, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118599445.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 17. Jh. im Böhmerwald nachweisbarer Försterfam.;
    V Karl (* 1863), aus Marienbad, Bankkaufm. in B., S d. Heinrich Karl (1839–1905), Forstmeister, u. d. Elisabeth Antonia Merker (1842–70);
    M Eleonore Rakette (Raquette) (* 1866), aus hugenott. Fam.;
    Berlin 1921 Carl (1892–1963), aus Nümbrecht, Filmtechniker u. Dokumentarfilmer (s. L), seit 1948 in London, S d. Wilhelm Koch (um 1864–1958) u. d Caroline Koch, aus Nümbrecht; kinderlos.

  • Biographie

    1916/17 besuchte R. die Schauspielschule von Max Reinhardt in Berlin und arbeitete als Statistin am Theater. Durch Silhouetten, die sie von bekannten Schauspielern der Reinhardt-Bühnen anfertigte, gewann sie die Aufmerksamkeit des Schauspielers Paul Wegener (1874–1948), der ihr Interesse an der Filmarbeit weckte. Er betraute sie 1918 mit den Titelumrahmungen für seinen Film „Rattenfänger von Hameln“. Durch Wegener kam R. auch in Kontakt mit Hans Cuerlis und ihrem späteren Ehemann Carl Koch vom Berliner „Institut für Kulturforschung“, das sich künstlerisch und wissenschaftlich mit dem experimentellen Film beschäftigte. Hier realisierte sie 1919 ihren ersten eigenen Film „Das Ornament des verliebten Herzens“. 1920-24 drehte sie Werbefilme, vier kurze Silhouettenfilme und entwarf Kostüme und Dekorationen für das Theater. Der Bankier Louis Hagen (1855–1932), dessen Kinder R. unterrichtete, finanzierte ihr 1923-26 die Produktion des ersten abendfüllenden Silhouettenfilms „Die Abenteuer (urspr. Die Geschichte) des Prinzen Achmed“, den R. in Zusammenarbeit mit Koch, Walther Ruttmann und Berthold Bartosch in einer von ihr selbst entwickelten Technik herstellte. Handgeschnittene Figuren aus Pappe und gewalztem Blei mit beweglichen, durch Draht verbundenen Gliedern lagen auf einer von unten beleuchteten Glasplatte; jede Bewegungsänderung wurde in einer Einzelaufnahme von der über dem selbstgebauten Tricktisch fixierten Kamera erfaßt. Erst nach dem erfolgreichen Start des Films in Frankreich fand er auch in Deutschland einen Verleih. In dieser Zeit schloß R. Freundschaft mit Jean Renoir; für dessen Film „La Marseillaise“ lieferte sie eine Schattenspielsequenz. 1929 entstand der Stummfilm „Die Jagd nach dem Glück“ nach einem Drehbuch von R. und Koch, der nachträglich synchronisiert wurde. Bis 1935 entstanden sechs Musikfilme nach Musik u. a. von Mozart und Bizet. 1935 übersiedelte R. nach London, kehrte aber nach Aufenthalten in Frankreich und Italien (Zusammenarbeit mit Renoir und Koch) 1943 aus familiären Gründen nach Deutschland zurück. 1946/47 arbeitete R. für das Märchentheater der Stadt Berlin. 1949 zog R. endgültig nach England, wo sie 1962 auch die brit. Staatsangehörigkeit erhielt. R. drehte Filme für die BBC und das amerikan. Fernsehen; nach dem Tod ihres Mannes widmete sie sich verstärkt auch der Theorie des Schattenspiels. 1974/75 und 1978 drehte sie ihre letzten zwei Silhouettenfilme in Kanada und vermittelte in Workshops und Vorträgen in Europa und Amerika ihre einzigartige Kunst. Kurz vor ihrem Tod kehrte sie nach Deutschland zurück.

    R.s Bedeutung liegt in der von ihr geschaffenen Verbindung der traditionellen Kunst des Scheren- bzw. Silhouettenschnitts und des Schattenspiels mit dem damals neuen Medium Film, lange vor Walt Disney (1928 erster Trickfilm). Hierfür entwickelte sie nicht nur die technischen und künstlerischen Voraussetzungen, sondern schrieb auch ihre Drehbücher selbst, wie gelegentlich auch für die Filme anderer Regisseure, an denen sie mitarbeitete. Ihrer phantasievollen, graziösen und humorvollen Kunst kamen besonders Märchenstoffe und Opernlibretti, v. a. von Mozart, entgegen, die sie kongenial mit Schere und Kamera in ein anderes Medium umsetzte.|

  • Auszeichnungen

    Silber-Delphin (1. Preis f. Kurzfilme) d. Internat. Filmfestspiele Venedig (1955);
    Filmband in Gold (1972);
    Internat. Animation Film Festival Ottawa, Sonderpreis (1976);
    Gr. BVK (1979).

  • Werke

    Weitere W Silhouettenfilme: Der Stern v. Bethlehem, 1921;
    Aschenputtel, 1922;
    Doktor Doolittle u. seine Tiere (mit Musik v. Dessau, Weill u. Hindemith), 1928;
    Zehn Minuten Mozart, 1930;
    Carmen, 1933;
    The King's Breakfast, 1936;
    Werbefilme f. d. Gen. Post Office, 1937 u.1949;
    The Tocher, 1937 (Musik B. Britten);
    Aladin, 1953;
    Märchenfilme nach Motiven d. Gebr. Grimm u. W. Hauff, 1954;
    Aucassin and Nicolette, 1975;
    Einl. zu:
    Don Quichotte, v. G. W. Pabst, 1932/33;
    Carmen, 1933;
    The King's Breakfast, 1936;
    Schrr.:
    Wie ich meine Silhouettenfilme mache, in: E. Beyfuss, A. Kossowsky (Hg.), Das Kulturfilmbuch, 1924, S. 205-09 (mehrfach nachgedr.);
    Die Abenteuer d. Prinzen Achmed, 32 Bilder aus d. Silhouettenfilm mit e. Erz. d. Inhalts, 1926, Nachdrr. 1972 u. 1995;
    Lebende Schatten, in: E. Bucher u. A. Kindt (Hg.), Film-Photos wie noch nie, 1929, S. 45 f.;
    Das Papier als Filmdarsteller, in: Das Papier, eingel. v. M. Jungnickel, 1935, S. 96 f. (mit Abb.);
    Film as Ballet, in: Life and Letters To-Day, 1936, S. 157-63;
    Shadow Theatres and Shadow Films, 1970, dt. u. d. T: Schattentheater, Schattenpuppen, Schattenfilm, 1981;
    Wie macht man e. Silhouettenfilm?, in: Jugend, Film, Fernsehen, Nr. 2, 1973, S. 90-104;
    Buchill:
    G. Hochstetter, Venus in Seide, 1919;
    H. Krüger, Das Loch im Vorhang, 1920;
    H. Lofting, Der böse Gutsherr u. d. guten Tiere, 1929;
    E. W. White, Wander Birds, 1934;
    K. Otten, Der ewige Esel, 1949;
    E. Mörike, Mondscheingärten, 1962 (?);
    R. L. Green, King Arthur and his knights of the round table, 1953;
    H. C. Andersen, Die kl. Seejungfrau, 1980;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: Stadtmus. Tübingen/Lotte-Reiniger-Mus. u. Archiv (u. a. Stammtafel, Korr., Tagebücher, Silhouetten); Filmmus. Düsseldorf (u. a. R.s Tricktisch u. Kamera, Silhouetten zu Märchenfilmen, Scherenschnitte, Entwürfe); Filmmus. Frankfurt (v. a. Filme).

  • Literatur

    B. E. Werner, Die Abenteuer d. Prinzen Achmed: L. R.s Silhouettenfilm, in: Die Kunst 57, Jg. 29, 1927/28, S. 155-60;
    L. R., Eine Dok., hg. v. d. Dt. Kinemathek, 1969;
    W. Schobert, Die Kunst d. L. R., in: Kommunales Kino 1: L. R., D. W. Griffith, Harry Langdon, 1972;
    M. Downar u. a., L. R., Silhouettenfilm u. Schattentheater, Kat. d. Puppentheatermus. München 1979 (P);
    A. Happ, L. R., Schauspieler, Silhouetten, Mozart-Opern, Andersen-Märchen, 1982;
    ders. (Hg.), Mozart, Die gr. Opern in Scherenschnitten v. L. R., 1987;
    ders., L. R., hg. v. Stadtmus. Tübingen (in Vorbereitung);
    Ch. Strobel u. H. Strobel, L. R., Materialien zu ihren Märchen u. Musikfilmen, 1988 (P);
    Licht u. Schatten, Scherenschnitt u. Schattenspiel im 20. Jh., Ausst.kat. Puppentheatermus. im Stadtmus., München 1982 (P);
    H. Gassen u. C. Pachnicke (Red.), L. R. – Carl Koch – Jean Renoir, Szenen e. Freundschaft, 1994;
    C. Ferber u. A. Ströhl (Hg.), Hommage an L. R. – L. R. – Filme (Goethe-Inst.), 1999 (P);
    C. Pachnicke u. W. Setzler (Red.), Die Hochzeit d. Figaro, 1999;
    M. Ackermann, SchattenRisse, Silhouetten u. Cutouts, hg. v. H. Friedel, 2001;
    Cinegraph (Filmogr., L).Mitt. v. Alfred Happ (Dettenhausen);
    Dokumentarfilm:
    Die Frau hinter den Schatten, v. B. Ashoff (BRD 1980);
    Ein Scherenschnittfilm entsteht – The art of L. R., London 1953/1971.

  • Porträts

    Fotogr. v. C. Stone, in: L. Brieger, Das Frauengesicht d. Gegenwart, 1930.

  • Autor/in

    Eva Chrambach
  • Zitierweise

    Chrambach, Eva, "Reiniger, Lotte" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 370-371 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118599445.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA