Lebensdaten
um 1470 – 1533
Geburtsort
Kleinkötz bei Günzburg
Sterbeort
Leutershausen
Beruf/Funktion
Prediger ; Volksschriftsteller
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118681540 | OGND | VIAF: 175256456
Namensvarianten
  • Eberlin, Johann
  • Eberlein, Johann
  • Eberl, Johann
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Eberlin von Günzburg, Johann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118681540.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Eltern unbek.; Onkel Sittich in Lauingen;
    Vt Hans Jacob Wehe, Pfarrer in Leipheim;
    Wittenberg Martha von Aurach;
    4 K.

  • Biographie

    Nach harter Jugend (und Studium in Ingolstadt?) Priester in der Diözese Augsburg, studierte E. seit Sommer 1489 in Basel, wo er 1490 magister artium wurde, 1493 in Freiburg. Später trat er in das Franziskanerkloster Heilsbronn ein und schloß sich strenger Observanz an. Um 1519 begegnete er als Lektor und wirkungsvoller Minoritenprediger in Tübingen, dann in Ulm und Freiburg, wo er um 1520 (als Novizenmeister?) mit Luthers Schriften bekannt wurde. Wieder in Ulm, wandte er sich der Reformation zu und hielt hier, im Zusammenhang mit einem von Nuntius Aleander und dem kaiserlichen Beichtvater Glapio veranlaßten Vorgehen gegen ihn aus dem Kloster vermutlich ausgestoßen, am 29.6.1521 seine Abschiedspredigt, „durch Doktor Luthers Büchlein gelehrter und gefertigter, die Wahrheit zu predigen“. E. ging dann zu seinem Onkel nach Lauingen, nach Baden (Aargau) und nach Augsburg. In dieser Zeit schrieb er seine berühmten „Fünfzehn Bundesgenossen“, Flugschriften, die anonym in Basel zusammengedruckt, die Motive der sozialpolitischen Gravamina wie der Reformation, Huttens wie Luthers, volkstümlich propagieren, mit herber Kritik an Mönchtum und Zölibat und mit einer sozial-nationalen Utopie, dem Zukunftsstaat „Wolfaria“, auf betont feudal-agrarischer Grundlage. 1522 begab E. sich nach Wittenberg, als Student und Prediger in näherem Umgang mit Luther, Melanchthon und Karlstadt, reiste wiederum nach Ulm, Basel, Rheinfelden und Rottenburg und ließ eine Anzahl religiöser und sozialer Reformschriften erscheinen, jetzt mit gemäßigten, zum Teil naiven Forderungen („Vom Mißbrauch christlicher Freiheit“), von seinen Ordensbrüdern Th. Murner und K. Schatzgeyer bekämpft. Nach der Rückkehr heiratete er und erlangte im Mai 1524 eine Predigerstelle in Erfurt, wo er für soziale Reform („Mich wundert, daß kein Geld im Lande ist“) und konservative Reformation eintrat und 1525 auch Unruhen erfolgreich niederpredigte. Nach kurzer Zeit in Ilmenau bemühte er sich vergeblich um eine Stelle in Rothenburg/Tauber und wurde wohl Ende 1525 vom Grafen Georg II. als erster Prediger nach Wertheim geholt. Hier entstanden seine letzten Flugschriften und eine Übersetzung der Germania des Tacitus (1526). Am 6.5.1530 wurde er nach dem Tod Georgs II. von dessen wieder katholisierendem Vater Michael II. entlassen und kam, schwer an Gicht leidend, am 18.10. als Pfarrverweser in das halbreformierte Leutershausen, wo er sofort, weithin schuldlos, in eine Fülle persönlicher Konflikte geriet, aber auch mit seiner harten Predigt und strengen Kirchenzucht fast nur Widerstand fand. Er starb enttäuscht durch den Niedergang der Reformation. Die an H. J. Wehe gerichtete pastoraltheologische Schrift „Wie sich ein Diener Gottes in all seinem Tun halten soll…“ hat A. H. Francke noch 1741 seinem Collegium pastorale angefügt.

  • Werke

    Ausgew. (sämtl.) Schrr., hrsg. v. L. Endres, 3 Bde., 1896-1902;
    A. E. Berger, Die Sturmtruppen d. Ref., Ausgew. Flugschrr. d. J. 1520-25, 1931, S. 51 ff., 125 ff.

  • Literatur

    ADB V;
    B. Riggenbach, J. E. v. G. u. s. Reformprogramm, 1874;
    M. Radlkofer, J. E. v. G. u. s. Vetter H. J. Wehe v. Leipheim, 1887;
    ders., Die älteste Verdeutschung d. Germania d. Tacitus durch J. E., in: Bll. f. d. Bayer. Gymnasialschulwesen 23, 1887, S. 1-16;
    J. Werner, J. E. v. G., 1889;
    J. Schmidt, Die 15 Bundesgenossen d. J. E.|v. G., Diss. Leipzig 1900;
    W. Lücke, Die Entstehung d. „15 Bundesgenossen“ d. J. E. v. G., Diss. Halle 1902;
    K. Schornbaum, Leutershausen b. Beginn d. Ref. u. d. Ende E.s v. G., in: Btrr. z. bayer. KG 11, 1904, S. 5-34, 78-92;
    K. Wulkau, Das kirchl. Ideal d. J. E. v. G., Diss. Halle 1921 (ungedr.);
    E. Deuerlein, in: Lb. Bayer. Schwaben V, 1956, S. 70-93;
    PRE;
    Schottenloher I, Nr. 5144-67, 10720 b, V, Nr. 45991-96.

  • Autor/in

    Ernst Wolf
  • Zitierweise

    Wolf, Ernst, "Eberlin von Günzburg, Johann" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 247-248 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118681540.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Eberlin: Johann E., reformatorischer Prediger und Volksschriftsteller, geb. ca. 1465 zu Günzburg in Baiern, gest. bald nach 1530 zu Wertheim am Main. Ueber seine frühere Jugendzeit fehlt uns jede irgend nennenswerthe Nachricht. Daß er Universitätsstudien gemacht, erfahren wir aus der Basler Matrikel von 1489, wo er als presbyter Augustensis dioeces. eingetragen ist. Wann er in den Franciscanerorden eintrat, ist ebenfalls unbekannt. Im Jahre 1519 finden wir ihn als weit und breit geschätzten Prediger des Barfüßerklosters zu Tübingen. Durch seinen agitatorischen Eifer für den Orden wurde er mit dem Landvogt und mit den Häuptern der Universität in Streit verwickelt und daraufhin nach Ulm versetzt. Hier kam es bei ihm durch Luther's Schriften zu einem innern Bruch mit Rom und durch einen dem Jetzerischen Handel ähnlichen Scandal auch zur äußern Entscheidung. Die compromittirten Obern drohten dem angehenden Reformator mit einer abermaligen Strafversetzung. Vergebens versuchte der Rath von Ulm, von den zahlreichen Anhängern des populären Predigers gedrängt, den klösterlichen Intriguen Hindernisse in den Weg zu legen. E. selbst war entschlossen, den Orden gänzlich zu verlassen, und begab sich im Laufe des Sommers 1521 nach der Schweiz. Wie tief er Luther's Reformgedanken erfaßt und wie selbständig er zumal die Vorschläge der Schrift „An den christlichen Adel“ verarbeitet, bewies er sofort durch sein noch im J. 1521 zu Basel gedrucktes Erstlingswerk „Die fünfzehn Bundesgenossen“. Das Aufsehen, welches dieses glänzend geschriebene, Karl V. zugeeignete kirchliche und social-politische Reformprogramm erregte, wird uns durch Murner's und Saßger's erbitterte Polemik am besten bestätigt. Nach kurzen Aufenthalten in der Schweiz, in seiner engern Heimath und in Leipzig, von wo aus er verschiedene in Karlstadt’schem Sturm und Dranggeist gehaltene Flugschriften hatte ausgehen lassen, treffen wir E. in dem Centrum der reformatorischen Bewegung, in Wittenberg. Hier nahmen unter dem Einfluß Luther's und Melanchthon's seine Anschauungen bald eine gemäßigtere Richtung an.

    Ungefähr ein Jahr lang verweilte er bei den Häuptern der Reformation, das, was er im täglichen Umgang mit ihnen gewann, sofort in die gangbare Münze plastisch, ja oft derb geschriebener Tractate umprägend. Doch scheint ihm eine blos litterarische Thätigkeit auf die Dauer nicht genügt zu haben. Er wandte sich aufs neue nach Basel, wo gerade damals, im Sommer 1523, die Fluthen der Bewegung hoch gingen und für einen so begabten und energischen Genossen der Reformation ein reiches Arbeitsfeld sich aufthat. Als er jedoch von Basel aus, ohne irgend welche reformatorische Absicht, gesundheitshalber nach dem benachbarten Rheinfelden kam, hielten ihn Freunde der Reformation dort fest. Bald hatte er einen namhaften Theil der Bürgerschaft für die Sache|des Evangeliums gewonnen, bald aber auch durch seine naive Unerschrockenheit allerlei Intriguen gegen sich heraufbeschworen. Er ward genöthigt, die junge Gemeinde sich selbst zu überlassen, bezeugte ihr jedoch im Jahre darauf durch einen kraftvollen Tractat seine fortwährende theilnehmende Anhänglichkeit. Es ist überhaupt charakteristisch für E., daß er mit all den vielen einmal von ihm besuchten und evangelisirten Orten fortwährend durch schriftstellerischen Verkehr in belebendem Contact zu bleiben sucht. Diese Pietät führte ihn denn auch von Rheinfelden aus zunächst nach Rottenburg und dann nach Ulm. In beiden Städten hatten die evangelisch Gesinnten, von Wittenberg her durch E. aufgemuntert, Fortschritte gemacht. In Rottenburg waren dieselben bescheiden; wenigstens hielt E. seine später gedruckte Predigt über die Principien der Reformation, und zwar in einem zwischen Luther und den Schweizern vermittelnden Sinne, blos in einem Privathaus. In Ulm dagegen war ein Kampf auf Leben und Tod entbrannt, und als E. im Herbst 1523 aufs neue persönlich in denselben eintrat, ward den Altgläubigen ernstlich bange. Sie reichten auf Eberlin's erste Predigt hin dem Rath eine Bittschrift ein, er möge den entlaufenen Mönch gefänglich einziehen. E. sah das Schwanken der Behörde und bat deshalb noch am nämlichen Tage um die Erlaubniß einer öffentlichen Disputation. Als diese nicht gewährt wurde, verließ er die Stadt und reiste zu Konrad Som nach Brackenheim, um denselben zu bestimmen, die ihm von den Evangelischen in Ulm angebotene Predigerstelle anzunehmen.

    Durch Som's Einwilligung beruhigt, hatte E. weiter keinen Grund, sich den Verfolgungen der österreichischen Statthalterschaft auszusetzen. Er kehrte nach Wittenberg zurück. Dort setzte er seine litterarische Thätigkeit so lange fort, bis der Bauernkrieg ihm aufs neue eine praktische Aufgabe anwies, die Aufgabe nämlich, zwischen den „großen Haufen“ und den „großen Hansen“ eine ebenso schwierige als lohnende Mittelstellung einzunehmen. Vermöge seiner ungewöhnlichen Beredsamkeit gelang es ihm zuerst in Erfurt und dann an verschiedenen andern Orten Thüringens, die gefährlichen Geister zu bannen. Seine höchst wirkungsvolle, auf einer in ihrer Art unvergleichlich klaren Erkenntniß der Zeitbedürfnisse beruhende Methode hat er bei Ausbruch des süddeutschen Bauernaufstandes in einer sehr bemerkenswerthen „Warnung“ an seine Landsleute niedergelegt. Er war inzwischen, wol in Folge seiner weithin bekannt gewordenen conciliatorischen Thätigkeit, vom Grafen Georg II. von Wertheim, dem energischen Anhänger Luther's, als geistliches Factotum berufen worden. In dieser Stellung beschloß E. sein reichbewegtes Leben.

    • Literatur

      Vgl. Johann Eberlin von Günzburg und sein Reformprogramm, von Dr. Bernh. Riggenbach, Tübingen 1874, woselbst auch die ältere Litteratur über E. und ein Verzeichniß seiner zahlreichen Schriften zu finden ist; ferner die gehaltvollen Recensionen dieser Schrift in den Gött. gelehrten Anzeigen, 30. Juni 1875, und in der Jenaer Litteraturzeitung 1876.

  • Autor/in

    Riggenbach.
  • Zitierweise

    Riggenbach, "Eberlin von Günzburg, Johann" in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), S. 575-576 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118681540.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA