Lebensdaten
1793 – 1872
Geburtsort
Freiburg (Breisgau)
Sterbeort
Freiburg (Breisgau)
Beruf/Funktion
katholischer Theologe ; Freiburger Historiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118610694 | OGND | VIAF: 9838313
Namensvarianten
  • Schreiber, Johann Nepomuk Heinrich
  • Schreiber, Heinrich
  • Schreiber, Johann Nepomuk Heinrich
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Schreiber, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118610694.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph (1750- nach 1817), aus Biederthal (Sundgau), Kammerdiener;
    M Anna Veronika (1757–1811), T d. N. N. Konig, Stadtbaurat in Mengen b. Sigmaringen;
    Schw Anna Katharina (1797–1869), Lehrerin am Lehrinst. Adelhausen d. Dominikanerinnen in F.;
    1) Freiburg (Br.) 1846 Anna Fuchs (1801–53), aus F., S.s ehem. Haushälterin, 2) Freiburg (Br.) 1854, getrennt 1855, Ernestine Röger, aus Karlsruhe, Lehrerin; kinderlos.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Freiburger Gymnasiums nahm der von der tiefen Frömmigkeit seiner Mutter geprägte S. 1808 an der dortigen Universität das Studium der Philosophie und Theologie auf. Die Begeisterung für die Literatur der Aufklärung und Klassik sowie die Freundschaft zu Johann Georg Jacobi (1740–1814) öffneten ihm Bildungshorizonte jenseits der Wertorientierungen eines klerikal verengten Katholizismus. Auf den Eintritt in das Meersburger Priesterseminar 1814 folgte 1815 in Weingarten die Priesterweihe, bevor S. eine Professorenstelle am reorganisierten Freiburger Gymnasium übernahm (seit 1822 Präfekt). Nebenbei betreute er das Freiburger „Unterhaltungs- und Wochenblatt“, ordnete die Bestände des Stadtarchivs und begann 1819 als Kustos der Universitätsbibliothek eine vielbeachtete lokal- und regionalhistorische Publikationstätigkeit. 1821 in Freiburg zum Dr. phil. promoviert und hier kurz darauf habilitiert, las S. seit 1821/22 als Privatdozent mit großer Resonanz über Literatur- und Sprachwissenschaften sowie Ästhetik.

    1826 auf den Lehrstuhl für Moraltheologie in Freiburg berufen, profilierte sich S. als Repräsentant eines Reformkatholizismus, der Positionen ‚moderner' Philosophie nach Kant und neuhumanistische Ideale freier Persönlichkeitsbildung mit theol. Deutungstraditionen zu verbinden suchte. In engem Kontakt zu Ignaz Heinrich v. Wessenberg (1774–1860) warb S. mit wachsender Öffentlichkeitswirkung für eine ökumenische Verständigung zwischen den Konfessionskirchen, die Freiheit theol. Forschung, eine Enthierarchisierung der Kirche und größere Partizipationsrechte der Laien. Als exponierter Vertreter einer „vernünftigen Moraltheologie“ geriet er zumal nach massiver Zölibatskritik (Lehrb. d. Moraltheol., 2 Bde., 1831/34) fakultätsintern in zunehmende Isolation und wurde 1836 auf Betreiben des Freiburger Erzbischofs in die Phil. Fakultät (Lehrstuhl f. Hist. Hilfswiss.) versetzt.

    S.s hohes akademisches Prestige (Prorektor 1830/31, 1842/43), seine enorme literarische Produktivität und sein Engagement für die religiös fundierte Formierung eines dt. Nationalstaats sorgten für immer neue Eskalationen im Dauerkonflikt mit dem lokalen Klerus. Ostern 1845 trat S. zum Deutschkatholizismus über und wurde daraufhin exkommuniziert. Gegen den Willen des akademischen Senats untersagte die bad. Kultusverwaltung ihm jegliche Lehrtätigkeit und versetzte ihn 1846 in den Ruhestand. Fortan widmete sich S., der Mentor und Freund Jacob Burckhardts (1818–97), thematisch breitgefächerten regionalhistorischvolkskundlichen Forschungen und legte so das Fundament seines Nachruhms als Vorkämpfer einer Verwissenschaftlichung der Landesgeschichte. Der Moraltheologe S., seine Reformambitionen und sein nationalreligiöses Integrationsprogramm gerieten rasch in Vergessenheit. Erst in jüngster Zeit fand S. wieder Interesse als Wegbereiter eines Katholizismus, der Prinzipien der politischen und kulturellen Moderne als legitime Transformationen christlicher Traditionsbestände anerkennt.

  • Auszeichnungen

    Dr. theol. h. c. (Freiburg 1829);
    Geistl. Rat (1830;
    Titel 1845 entzogen);
    Denkmal in Freiburg (Br.) (1893).

  • Werke

    Weitere W Gesch. u. Beschreibung d. Münsters zu Freiburg im Breisgau, 1820, ²1825;
    Die Wiss. vom Schönen, Grundzüge zu akad Vorlesungen, 1823;
    Grundsätze d. dramat. Dichtung, 1824;
    Freiburg im Breisgau mit seinen Umgebungen, 1825, ³1840, Neudr. 1970;
    Das Prinzip d. Moral in phil., theol., christl. u. kirchl. Bedeutung, 1827;
    Urkk.buch d. Stadt Freiburg im Breisgau, 2 Bde., 1828/29;
    Das Princip d. dt.-kath. Kirche, 1845;
    Denkbll. aus d. Tageb. e. Hochschullehrers, 1849;
    Gesch. d. Stadt Freiburg im Breisgau, 4 Bde., 1857/58;
    Gesch. d. Albert-Ludwigs-Univ. zu Freiburg im Breisgau, 3 Bde., 1857–60, ²1868;
    Der dt. Bauernkrieg, Gleichzeitige Urkk., 3 Bde., 1863-66;
    Korr.:
    Briefwechsel Jacob Burckhardts mit d. Freiburger Hist. H. S., hg. v. G. Münzel, in: Basler Zs. f. Gesch. u. Altertumskunde 22, 1924, S. 1-85;
    H. S.s Briefwechsel mit seinem Jugendfreund Ferdinand Stein, in: Zs. d. Breisgau-Gesch.ver. „Schauins-Land“ 112, 1993, S. 141-70;
    Hg.:
    Tb. f. Gesch. u. Alterthum in Süddtld. 1-5, 1839-46;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: StadtA Freiburg (Br.); Bad. GLA Karlsruhe.

  • Literatur

    ADB 32;
    J. Rauch, in: Zs. d. Ges. f. Beförderung d. Gesch.kunde v. Freiburg 3, 1873/74, S. 209-65 (W);
    R. W. Rieke, H. S. 1793-1872, 1956 (W, L);
    Ch. Keller, Das Theologische in d. Moraltheol., 1976;
    Adolf Schmid, in: Bad. Heimat 73, 1993, H. 3, S. 87-94 (P);
    A. Hölzern, „Kirchenreform“ u. „Sektenstiftung“, 1994;
    H.-O. Mühleisen u. H.|Schadek (Hg.), H. S. 1793-1872, Ein Freiburger Gel.schicksal, 1995;
    ders., „Vielleicht d. beste Lokalhist. Dtld.s“, H. S. u. d. Anfänge d. krit. Gesch.-forsch., in: Zs. d. Breisgau-Gesch.ver. „Schau-ins-Land“ 114, 1995, S. 163-211 (P);
    D. Speck, ebd. 115, 1996, S. 71-117;
    F. W. Graf, Die Utopie d. nat. Ökumene, H. S. als Theol. d. Dt.katholizismus, ebd. 116, 1997, S. 227-52;
    J. Fleckenstein, H. S. als Mentor Jacob Burckhardts, in: Wirkungen europ. Rechtskultur, hg. v. G. Köbler u. H. Nehlsen, 1997, S. 259-73;
    N. Heckeler, Gefeuert u. gefeiert, Das Denkmal f. H. S., in: Skulptur in Freiburg, hg. v. M. Klant, II, 2000, S. 79-81 (P);
    W. Hug, in: Lb. Baden-Württ. 19, 1998, S. 204-34 (W, L, P, Qu);
    Bad. Biogrr. II;
    Freiburger Biogrr. (P);
    ÖBL (W, L);
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    BBKL (W, L).

  • Porträts

    Bronzebüste, 1898, nach e. Marmororiginal v. 1893, beides v. G. A. Knittel (Freiburg, Br., Ecke Ks.brücke/Schreiberstr.);
    Lith. v. „Engelmann & Cie“, 1892, beide abgeb. in: N. Heckeler (s. L).

  • Autor/in

    Friedrich Wilhelm Graf
  • Zitierweise

    Graf, Friedrich Wilhelm, "Schreiber, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 532-533 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118610694.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schreiber: Johann Heinrich S., Geschichtsforscher, geb. zu Freiburg am 14. Juli 1793, daselbst am 29. November 1872. Nach Beendigung seiner Studien am Gymnasium und an der Universität zu Freiburg empfing S. 1815 die Priesterweihe, widmete sich jedoch nicht der Seelsorge, sondern dem Lehrfach, zunächst als Professor an dem Gymnasium seiner Vaterstadt, dessen Direction ihm 1822 übertragen wurde, nachdem er inzwischen auch die Stelle eines Bibliothekars an der Universitätsbibliothek bekleidet und sich 1821 als Privatdocent in der philosophischen Facultät habilitirt hatte. 1826 vertauschte er die Stelle des Gymnasialdirectors mit der Professur der Moraltheologie an der Freiburger Hochschule. In dieser Stellung brachte ihn seine freisinnige Haltung und die Abweichung von den Kirchengesetzen (Opposition gegen den Cölibat, gegen lebenslänglich bindende Gelübde u. a.) in Conflict mit dem Erzbischof, auf dessen Beschwerde die Regierung S. 1836 aus der theologischen in die philosophische Facultät versetzte. In dieser hielt er unter großem Zulaufe der Studentenschaft Vorlesungen über deutsche Litteratur und Ethik. 1845 schloß sich S. der Ronge’schen Bewegung an, schrieb eine Broschüre über „Das Princip der deutschkatholischen Kirche“ und trat förmlich dem „Deutschkatholicismus“ bei. Als er selbst hiervon dem Erzbischof Anzeige erstattete, wurde er excommunicirt. Daraufhin verbot die Regierung die Abhaltung seiner schon angekündigten Vorlesungen, sogar in seiner Privatwohnung, und versetzte ihn im Januar 1846 in den Ruhestand. Bald darauf verheirathete sich S. und zog sich völlig vom öffentlichen Leben zurück, indem er sich fortan nur noch geschichtlichen Studien, insbesondere der Erforschung und Darstellung der Geschichte der Stadt und Universität Freiburg widmete. Diese Thätigkeit führte zu Ergebnissen von bleibendem Werthe. Während seine theologischen Arbeiten nur insofern von Bedeutung sind, als sie für eine Zeitströmung charakteristisches Zeugniß ablegen, die es einem katholischen Priester und Theologieprofessor zulässig scheinen ließ, im offenen Widerspruch mit den Lehren der Kirche zu dociren und zu schreiben, während seine ästhetischen und litterarischen Schriften weder nach Form noch nach Inhalt sich über das Maaß der Mittelmäßigkeit erheben, zeichnen sich seine historischen Publicationen, die alle auf die Geschichte seines heimathlichen Bodens Bezug haben, durch die Zuverlässigkeit in der Behandlung des urkundlichen Materials, durch die Schärfe der Kritik und die sorgfältige Darstellung vortheilhaft vor der Mehrzahl der vor 30 Jahren erschienenen localgeschichtlichen Arbeiten aus. Seine Geschichte der Stadt und Universität Freiburg ist eine musterhafte Arbeit von bleibendem Werthe. Aus seiner an interessanten Mittheilungen reichen Selbstbiographie ist ein Theil als „Denkblätter aus dem Tagebuche eines Hochschullehrers“ Frankfurt, Heyer 1849 und ein Auszug in der Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichte u. s. w. von Freiburg 1873 Bd. 3, S. 209 ff. veröffentlicht worden.

    • Literatur

      Hauptwerke: Urkundenbuch der Stadt Freiburg. 2 Bde. Freiburg, Herder 1828/29. — Geschichte der Stadt Freiburg 4 Bde. Freiburg, Wangler 1857/58. —
      Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg. 3 Bde. Freiburg, Wangler 1857—60. —
      Der deutsche Bauernkrieg. Gleichzeitige Urkunden, 3 Bde. Freiburg, Wangler 1863—66. — Außerdem eine große Menge von Abhandlungen in der oben angeführten Zeitschrift, dem Taschenbuch für Geschichte und Alterthum in Süddeutschland, und in dem Adreßkalender der Stadt Freiburg, akademische Programme und polemische Schriften. Deren vollständiges Verzeichniß in der angeführten Freiburger Zeitschrift 1873, Bd. 3, S. 258—265.

  • Autor/in

    v. Weech.
  • Zitierweise

    Weech, Friedrich von, "Schreiber, Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 32 (1891), S. 473 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118610694.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA