Lebensdaten
1866 – 1933
Geburtsort
Elbingerode (Harz)
Sterbeort
Sankt Georgen/Stiefing (Steiermark)
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118530909 | OGND | VIAF: 100225035
Namensvarianten
  • Ernst, Karl Friedrich Paul
  • Ernst, Paul
  • Ernst, Karl Friedrich Paul
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Zitierweise

Ernst, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118530909.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1833–1911), Gruben- und Pochsteiger, aus einer bis ins späte 17. Jahrhundert nachweisbaren Andreasberger Bergmannsfamilie;
    M Emma (1840–1904), T des Lehrers und Kantors Paul Dittmann (1808–88) in Uftrungen im Südharz u. der Friederike Fessel aus Roßla im Harz;
    1) Tomaschow (Russisch-Polen) 1890 Wera ( 1891), T des russischen Generals u. Verwaltungsbeamten Kossenko, 2) Rudow b. Berlin 1899 ( 1916) Lilli (Louise Elis.) (1860-1918), T des nationallib. Politikers Robert v. Benda ( 1899, s. NDB II*), 3) Berlin-Schmargendorf 1916 Else (Elisabeth) verw. v. Schorn (1874–1946), Erzählerin, Übersetzerin u. Kunstgewerblerin (s. Kosch, Lit.-Lex.), T des Platon-Übers. Otto Apelt, E des Philosophen Ernst Frdr. Apelt ( 1859, s. NDB I);
    1 S aus 1), 1 S, 2 T aus 2), 1 S aus 3).

  • Biographie

    E. ist in Clausthal aufgewachsen. Als Theologiestudent traf er in Berlin unvorbereitet auf die revolutionären Bestrebungen in Politik und Literatur und gab, von Zweifeln gequält, sein Studium auf. Er geriet sozialreligiös in den Bann Tolstois, politisch in den von Marx, literarisch in den des Naturalismus (Freundschaft mit A. Holz), überwand jedoch die ihm im Grunde fremden Positionen durch Einsicht der Absurdität ihrer radikalen Konsequenz. Der Aufenthalt in Berlin wurde durch die Promotion in Volkswirtschaft (Bern 1892) sowie Tätigkeit in Landwirtschaft und Verwaltung bis 1895 unterbrochen. Die Zeit des Suchens zwischen 1896 und 1900, unter stärkerem Einfluß Dostojewskys, spiegelt sich in quälerischer Selbstanalyse und in einer Angst, die Kafka ankündigt (unveröffentlichter Roman „Wie die Flügel brechen“; „Sechs Geschichten“, darin „Das Grauen“). Seit 1900 wurde Dostojewsky durch Nietzsches tragisch-aristokratisches Weltbild verdrängt; der Haß gegen das Christentum jedoch von E. kritisiert (Nietzsche, 1901). In Italien erlebte E. 1900 an den Fresken Giottos und den streng gebauten altitalienischen Novellen das Geheimnis der „Form“. Seitdem dienten E.s eigene etwa 270 Novellen wie seine 7 Lustspiele ihm nach Zeiten größter tragischer Spannung als „Befreiung“ (so aus der Welt der comedia dell'arte: „Komödiantengeschichten“, 1913-16, und Lustspiel „Pantalon“, 1916). 1903 zog er nach Weimar, das ihm, zwischen langen Reisen in Italien und Frankreich, Dramaturgentätigkeit bei L. Dumont in Düsseldorf (1905/06) und erneutem Aufenthalt in Berlin, bis 1915 Refugium blieb. In der frühen Weimarer Zeit verband ihn Freundschaft mit W. von Scholz und S. Lublinski, die zu der mißverständlichen Bezeichnung „Neuklassiker“ für die drei unter sich so verschiedenen Geister führte. 1918 zog E. auf das Bauerngut Sonnenhofen (Isartal), 1925 auf das alte Schloß Sankt Georgen bei Graz.

    Schon zu Lebzeiten mehr geachtet als geschätzt und als „erratischer Block“ (Ermatinger) allen literarischen Strömungen entgegengesetzt, geriet E. fast in Vergessenheit, abgesehen von den Würdigungen anläßlich seines Todes. Zu jener Zeit – 1933 – wurde seine konservative Gebundenheit an volkhafte, aber auch übernationale Ordnungen vereinzelt politisch mißbraucht, in falscher Gleichsetzung von „konservativ“ und „nationalistisch“. Bei aller Ablehnung des bindungslosen Kosmopolitismus suchte E. den deutschen Geist, der dem griechischen wahlverwandt ist und germanische Tiefe mit romanischer Formenstrenge vereint. Für ihn war die große Zeit die der mittelalterlichen Kaiser, in der deutsche und europäische Geschichte zusammenfiel. Trotz seiner Achtung vor dem Alt-Preußentum, „das noch Stil hatte“, sah er in ihm die Gefahr der Verengung (Auseinandersetzung mit Kant und Kleist). Bald nach 1933 wurden seine Dramen als „blutleer“ und abstrakt angegriffen. Mag in einigen die gedankliche Tiefe sprachlich nicht immer völlig umgeschmolzen sein, so zeichnen sich doch andere durch dramatische Wucht und „lyrische“ Ruhepunkte aus. – Seine Dramen und Novellen sind abstrakt nicht im Sinne des Rational-Begrifflichen, sondern dadurch, daß E. wie in der griechischen und mittelalterlich romanischen Darstellung von allen naturalistischen und psychologischen Zufälligkeiten abstrahiert, das heißt durch die konkrete Figur zum Urbildlichen durchstößt. „Form“ ist für E. mit Platons εἶδος und den mittelalterlichen Universalien identisch, bedeutet das formende Prinzip der Seele: anima forma corporis est. Unsinnlichkeit und Starrheit E.s erweisen sich selbst dem Andersgearteten als nichtige Einwände, als notwendige Folgerung seines Grundprinzips (Faesi). Die „abstrakten“ – durchaus nicht immer gegenstandsfreien – Maler übernahmen den Begriff aus der „Abstraktion und Einfühlung“ (1910) W. Worringers, der sich noch im Vorwort 1948 auf E. bezieht. Strawinsky und andere Musiker treffen sich mit E. in der „Kälte des großen Kunstwerkes“, in Front gegen sinnlichen Lyrismus und Espressivo. In der Dichtung steht wohl nur der späte George neben ihm.

    Im Drama und in der anekdotisch zugespitzten Novelle E.s – der „Schwester des Dramas“ – geht es dort um eine transzendente, hier um eine menschlich-sittliche Entscheidung. Beide sind „von einem Punkt aus gestaltet“, im Gegensatz zu dem E. fremderen „Epischen“, wozu er neben dem Roman alles auch episch Darstellbare (Hofintrigen zum Beispiel der tragédie classique, klassizistisches Historiendrama zum Beispiel des späten Schiller, bürgerliches Trauerspiel) rechnet. E.s Dramen zeigen den Konflikt zwischen höchster menschlicher Freiheit und göttlicher Notwendigkeit; in dem Kreuzpunkt zweier Notwendigkeiten steht der tragische Held. Nach E. haben Schiller, da „zu sehr Rationalist und Optimist“, und Hebbel „die Verzweiflung nicht als Dauerzustand kennengelernt“. Anknüpfung im 19. Jahrhundert findet E. bei Hölderlin, Nietzsche, Dostojewsky und einzelnen ihnen verwandten tragisch gestalteten Szenen (Großinquisitor – Philipp – Posa). Mit dem Großinquisitor-Problem bei Dostojewsky hat E. immer wieder gerungen. In der religiösen Spannung zwischen Antik-Tragischem und Christlich-Metatragischem (Hölderlin) wendet E. Nietzsches Konflikt (Dionysos – Christus) in eine adventistische Schau des Gottes am Kreuz.

    Nach der zunächst „gottlosen“ Verzweiflung in seinen „reinen Tragödien“ (Dometrios, 1903; Gold, 1904; Canossa, 1905; Brunhild, 1908) wird, sich schon in „Childerich“ (1911, Uraufführung 1959) ankündigend, in den „Gnadendramen“ (Ariadne auf Naxos, 1912; Manfred und Beatrice, 1913; Kassandra, 1915) die Tragik des Helden durch den göttlichen Willen aufgehoben – verwandt dem Weg des Sophokles. Die diskursive Fassung dieses Weltbildes (Der Weg zur Form, 1906, ³1928; Ein Credo, 1912, veränderte Neuauflage 1935; Zusammenbruch des deutschen Idealismus, entstanden 1916/17, vermehrt 1930; und andere) erscheint aus seiner dialektischen Spannung nicht ohne Widersprüche und ist daher in der Dialogform der „Erdachten Gespräche“ (1912–21) besonders gelungen. – Nach der letzten Tragödie (Chriemhild, 1918) formt der „meta-tragische“ Dichter in der äußeren Gestalt eines Epos, voll innerer dramatischer Spannung und in strengem Aufbau, die im Transzendenten begründeten Kämpfe zwischen Kaisern und Päpsten um die Herrschaft über die Christenheit (Das Kaiserbuch, 1918-28, zuletzt 3 Bände, 1943). Wird hier die hohe Tragik gerade der Kirche als notwendiger Institution sichtbar, so versucht er im „Heiland“ (1930) den mystischen Kern des Evangeliums vor jedem institutionellen Christentum zu verkündigen. Von der polaren Stellung zwischen hierarchischem Ordo und mystischer Freiheit her, hat E. in beiden Konfessionen Widerspruch, aber auch|Zustimmung (unter anderem Reinh. Schneider) gefunden.

  • Werke

    Weitere W Bibliogr. v. W. Frels, in: Die schöne Lit., 1926, S. 102-05, fortges. v. K. Koch, ebd., Mai 1938, Sonderbeil. – Ges. Werke, 12 Bde., 1916-22; Ges. Werke, 21 Bde., 1928-42 (ohne Lyrik, Versepik, Erinnerungen, Nachlaß);
    Ausgew. Werke in Einzelausgg. 1951 ff. (bisher 4 Bde.);
    Romane: Der schmale Weg z. Glück, 1903, 93. Tsd. 1943 (dän. 1912, finn. 1925, holl. 1904 u. 1907, amerikan.);
    Die selige Insel, 1909;
    Saat auf Hoffnung, 1916, 6.-9. Tsd. 1928 (ital. Übers.);
    Der Schatz im Morgenbrotstal, 1926, 162. Tsd. 1950 (schwed. 1935, lit., ungar.;
    engl. u. amerikan. Schulausgg.);
    Das Glück v. Lautenthal, 1933, 88. Tsd. 1950 (ital. 1934, amerikan. Schulausgg.);
    zahlr. Novellen u. Geschichten (z. T. in in- u. ausländ. Slgg. u. Schulausgg.), u. a. Geschichten v. dt. Art, 1928;
    Romant. Geschichten, 1930;
    Selbstbiogr.: Jugenderinnerungen, 1930;
    Jünglingserinnerungen, 1931;
    Lustspiele; Tragödien, darunter
    Brunhild, 1909, zuletzt 1936 (franz. Schulausg. 1948);
    Erdachte Gespräche. 1921, zuletzt 1951, Ausw. 140. Tsd. 1958 (f. engl. Schulen 1958);
    Beten u. Arbeiten, Gedichte, 1932;
    – Briefwechsel mit Frdr. Engels, in: Literaturnoje Nasledstro I, Moskau 1932;
    Brief an M. Wachler, in: Euphorion 1938, S. 488-93 (üb. Nibelungendramen);
    Späte Briefe, in: Neue Dt. Hh., März 1956, S. 922-28. – Biogr. in Briefen in Vorbereitung;
    Veröff. aus d. Nachlaß in d. Jbb. d. P. E.-Ges. 1934-39 (u. a. Biographisches; Chronik, Lit. u. Register z. d. theor. Schrr.; unvoll. letzter Roman; Btrr. z. Kaiserbuch); – Theor. Schrr.:
    Zusammenbruch u. Glaube, 1922;
    Grundlagen d. neuen Ges., 1930;
    Völker u. Zeiten Im Spiegel ihrer Dichtung, 2 Bde., 1940/42;
    Gedanken z. Weltlit., hrsg. v. K. A. Kutzbach, 1959. – Hrsg. u. a.: Des Knaben Wunderhorn, 1905;
    Eichendorff, Ges. Werke, 1909 ff.;
    Grimms Märchen, 1910;
    Die dt. Volksbücher, 1911, 1927; Tiecks Märchen, 1918. – Übers.: Altital. Novellen, 2 Bde., 1902, ²1907.

  • Literatur

    G. v. Lukács, in: Die Seele u. d. Formen, 1911, S. 327-73;
    ders., Ariadne auf Naxos, in: P. E. z. 50. Geburtstag, hrsg. v. W. Mahrholz, 1916, S. 11-28 (ferner Btrr. u. a. v. R. Faesi, W. Schäfer, K. Scheffler, J. Schlaf, W. v. Scholz;
    P);
    R. Faesi, P. E. u. d. neuklass. Bestrebungen im Drama, 1913;
    P. E.-Gedenkbuch, hrsg. v. K. A. Kutzbach, 1933;
    P. E. u. d. Drama, Jb. d. P. E.-Ges. 1939 (mit Chron. u. Register);
    W. v. Scholz, An Ilm u. Isar, Lebenserinnerungen, 1939, S. 69 f., 111-34;
    Reinh. Schneider, Macht u. Gnade, 1940 (S. 25-31: Drama u. Königtum, z. Gedächtnis P. E.s);
    ders., Verhüllter Tag, 1954, S. 89 f.;
    E. Ermatinger, Jahre d. Wirkens, 1945, S. 269-72;
    M. Dessoir, Buch d. Erinnerung, 1946, S. 247-51 u. ö.;
    P. Fechter, An der Wende d. Zeit, 1949, S. 201-17;
    W. W. Chambers, P. E.s conception of the nature and role of the poet, in: Modern Language Review, London 1949, S. 78-85;
    J. W. Mac Farlane, An unpublished Novel by P. E., in: Publications of the Modern Language Association of America, Menasha 1951, S. 96-106;
    H. J. Meessen, „Kassandra“ als Endform in P. E.s rel. Dramatik, in: Mhh. f. d. dt. Unterricht, Madison 1951, S. 187-92;
    W. Haußmann, P. E. im Unterricht, in: Der Deutschunterricht, 1957, H. 1;
    K. A. Kutzbach, Autorenlex. d. 20. Jh., kl. Ausg. 1952 (W);
    Körner;
    Eppelsheimer;
    Kosch, Lit.-Lex.;
    ders., Theater-Lex.;
    ca. 30 in- u. ausländ. Diss.;
    Der Wille zur Form, Mitt. d. erneuerten P. E.-Ges., 1957 ff.

  • Porträts

    Bronzebüste v. K. Jaeckle, ca. 1923 (Basel, Mus., Abguß Weimar, Landesbibl.), Abb. b. G. v.Wilpert, Dt. Lit. in Bildern, 1957;
    Radierung v. M. Slevogt, 1927 (in zahlr. graph. Slgg.), Abb. b. P. Wiegler, Gesch. d. dt. Lit., 1930.

  • Autor/in

    Wolfgang Heilmann
  • Zitierweise

    Heilmann, Wolfgang, "Ernst, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 629-631 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118530909.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA