Lebensdaten
1805 – 1872
Geburtsort
Stuttgart
Sterbeort
Tübingen
Beruf/Funktion
Botaniker
Konfession
lutherisch?
Normdaten
GND: 118830538 | OGND | VIAF: 44415429
Namensvarianten
  • Mohl, Hugo (bis 1843)
  • Mohl, Hugo von
  • Mohl, Hugo (bis 1843)
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Mohl, Hugo von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118830538.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Benjamin Ferdinand v. M. (württ. Personaladel 1811, 1767-1845), Dr. iur., Reg.rat, später Staatsmin. d. Innern u. Präs. d. württ. ev. Oberkonsistoriums (s. ADB 22), S d. Gottlob (1727–1812), Geh. Hofrat in St., u. d. Christiana Moser v. Filseck (1735–1809);
    M Louise (1776–1843), T d. Jakob Friedrich Autenrieth (1740–1800), WGR, Rentkammerdir. in St. (s. NDB I);
    Ur-Gvv Johann Jakob Moser v. Filseck (1701–85), Jurist (s. ADB 22);
    Groß-Ov Friedrich Carl Frhr. v. Moser (1723–98), Staatsmann (s. ADB 22);
    Om Ferdinand v. Autenrieth (1772–1835), Mediziner u. Kanzler d. Univ. Tübingen (s. NDB I);
    B Robert v. M. (s. 3), Julius M. (1800-76), Orientalist (s. ADB 22), Moriz M. (s. 2); – ledig.

  • Biographie

    Bereits als Gymnasiast in Stuttgart beschäftigte sich M. mit Botanik, Mineralogie und Physik, hier insbesondere der Optik. 1823 begann er das Studium der Medizin an der Univ. Tübingen, das er 1828 mit dem medizinischen Staatsexamen und der Promotion abschloß. Anschließend arbeitete M. in München, wo ihm Carl v. Martius das reichhaltige Material seiner Brasilien-Expedition für anatomische Untersuchungen der Baumfarn- und Palmenstämme zur Verfügung stellte. 1832 folgte M. einem Ruf an die Univ. Bern als Professor der Physiologie und 1835 an die Univ. Tübingen auf die Professur für Botanik, die er, mehrere Berufungen ablehnend, bis zu seinem Tode innehatte. Hier war er 1863 an der Gründung der Naturwissenschaftlichen Fakultät – der ersten in Deutschland – maßgeblich beteiligt und wurde ihr erster Dekan.

    M.s Forschungen reichten von der Zellen- und Gewebelehre über die Physiologie bis zur Morphologie und Floristik, wobei das Schwergewicht auf den beiden erstgenannten Gebieten lag. Von der Schellingschen Naturphilosophie blieb er, ebenso wie seine Zeitgenossen F. Meyen und M. Schleiden, unberührt. M. lebte ganz seinen Studien; er hat keine wissenschaftliche Schule etabliert.

    Bereits als Medizinstudent veröffentlichte M. eine umfangreiche Abhandlung „Über den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen“ (1827), die sich durch sorgfältige Beobachtungen und scharfsinnige Darlegungen auszeichnet und erst durch Darwin (1865) inhaltlich weitergeführt wurde. Seine Dissertation (1828) behandelt die Poren der Pflanzenzellen. Bald folgten die mit zahlreichen selbstgezeichneten Tafeln illustrierten Publikationen über den anatomischen Bau der Stämme von Palmen, Cycadeen und Baumfarnen. M. beobachtete als erster das Phänomen der Zellteilung, und zwar zunächst an der Alge Cladophora (1835) sowie an den Spaltöffnungen der Blütenpflanzen (1838). Seine Befunde wurden bestätigt durch Unger, Hofmeister, Nägeli u. a. und von Virchow 1858 in den Worten zusammengefaßt „omnis cellula e cellula“. Damit wurde die Zellbildungstheorie von Schleiden widerlegt, der, den seltenen Sonderfall einer freien Zellbildung bei der Ausbildung des Endosperms verallgemeinernd, die Vorstellung vertrat, daß Zellen aus einer schleimigen Grundmasse entstehen, in der sich um jeden Zellkern eine Zellmembran ausbildet. Weiter beschrieb M. die Tetradenteilung von Pollen- und Sporenmutterzellen und wies nach, daß alle pflanzlichen Fasern aus unterschiedlichen Arten von Zellen bestehen. Er erkannte ferner, daß die Tracheen der Blütenpflanzen aus Zellreihen entstehen, deren Querwände ganz oder teilweise aufgelöst werden, und daß beim Dickenwachstum der Zellwände sich neue Schichten auf die dünne Primärwand auflagern, wobei die Tüpfel ausgespart bleiben. Für den lebenden Inhalt der Zelle prägte M. 1846 den Ausdruck „Protoplasma“. Das sekundäre Dickenwachstum der Bäume führte er darauf zurück, daß aus dem Meristem des Vegetationspunktes unmittelbar der Kambiumring entsteht, eine Auffassung, die nach langer Diskussion erst 1922 von S. Kostytschew für die meisten Bäume bestätigt wurde. In seinem Buch „Grundzüge der Anatomie und Physiologie der Zelle“ (1851) faßte M. das damalige Wissen über diesen Gegenstand kritisch zusammen. M. beschäftigte sich auch mit dem Bau und der Herstellung von Mikroskopen; er konnte selbst Linsen schleifen und fassen. 1843 begründete er zusammen mit D. v. Schlechtendal die „Botanische Zeitung“ und war deren Mitherausgeber bis 1872.|

  • Auszeichnungen

    Maximilians-Orden f. Wiss. u. Kunst (1853).

  • Werke

    Weitere W Bau u. Formen d. Pollenkörner, 1834;
    Vermischte Schrr. botan. Inhalts, 1845;
    Mikrographie od. Anleitung z. Kenntnis u. z. Gebrauch d. Mikroskops, 1846.

  • Literatur

    ADB 22;
    A. de Bary, in: Botan. Ztg. 30, 1872, S. 561-79;
    W. Thomson, in: Transactions of the Botanical Society Edinburgh 11, 1873, S. 416-26;
    W. Behn, in: Leopoldina 10, 1874, S. 34-39;
    J. Sachs, Gesch. d. Botanik, 1875, S. 315-35;
    E. Bünning, in: H. Freund u. A. Berg, Gesch. d. Mikroskopie I, 1963, S. 273-80 (P);
    K. Ulshöfer, in: Lb. aus Schwaben u. Franken X, 1966, S. 375-87 (P);
    F. Stafleu u. R. Cowan, Taxonomic Literatur III, 1981, S. 541-43;
    K.-P. Müller, Der Btr. M.s z. Entwicklung d. Zellenlehre, Diss. München 1984 (P);
    W. Pelz, Der Einfluß H. v. M.s auf d. Entwicklung d. Zellenlehre, 1987;
    Pogg. III;
    DSB IX.

  • Porträts

    V. B. Wittrock, Catalogus illustratus iconothecae botanicae horti Bergiani 2, 1905, tab. 62;
    Ölgem. v. E. Kornbeck, 1858 (Univ. Tübingen), Abb. in: Hundert J. math.-naturwiss. Fakultät d. Univ. Tübingen, 1963, u. in: Lb. aus Schwaben u. Franken X, s. L.

  • Autor/in

    Karl Mägdefrau
  • Zitierweise

    Mägdefrau, Karl, "Mohl, Hugo von" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 690-691 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118830538.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Mohl: Hugo M. wurde am 8. April 1805 zu Stuttgart geboren als Sohn des damaligen württembergischen Regierungsraths, späteren Staatsministers, Oberconsistorialpräsidenten etc. Benjamin Ferdinand v. M. Er war der vierte von fünf hochbegabten Brüdern, von denen der jüngste nach eben vollendetem Universitätsstudium einen frühen Tod fand, die drei älteren, Robert, Julius und Moriz in hervorragende Stellungen gelangten. Die Jugenderziehung wurde vorwiegend von der Mutter, einer Schwester des Tübinger Mediciners Autenrieth, geleitet, welche als vorzüglich tüchtige Dame gerühmt wird. Nachdem M. das Stuttgarter Gymnasium 12 Jahre lang besucht hatte, bezog er in seinem 19. Lebensjahre, im Herbst 1823, die Tübinger Universität, um sich dem Studium der Medicin zu widmen. Er verbrachte dort die ganze Zeit seiner Studien und schloß diese im August 1828 mit einem glänzenden Staats- und Doctorexamen ab. Eine zur weiteren Ausbildung geplante mehrjährige Reise führte ihn zuerst nach München, und hier wurde er durch das für die damalige Zeit bevorzugt reiche wissenschaftliche Material und durch den Verkehr mit gleichstrebenden Männern festgehalten, so daß aus dem beabsichtigten Besuch ein mehrjähriger, nur durch Alpenreisen unterbrochener Aufenthalt wurde. Die Münchener Arbeiten sollten 1831 unterbrochen werden durch eine Berufung als erster Adjunct an den kaiserlichen botanischen Garten in Petersburg. M. trat in diese Stelle jedoch nicht ein, sondern Zog es vor, im J. 1832 einem Rufe als Professor der Physiologie an die damalige Akademie zu Bern zu folgen. 1834 an die neu begründete Berner Universität übergegangen, kehrte er schon im Frühjahr 1835 als Professor der Botanik an die Tübinger Hochschule zurück. In dieser Stellung verblieb er, manche an ihn im Laufe der späteren Zeit ergangene glänzende Berufung ausschlagend, bis zu seinem Lebensende, hochgeachtet als Gelehrter, als Lehrer und College, ausgezeichnet durch die höchsten wissenschaftlichen und socialen Ehrenbezeugungen, von welchen ihm die Verleihung des württembergischen Kronordens 1843 den Personaladel ertheilte. Er starb plötzlich. Am Abend des ersten Ostertags 1872 verkehrte er munter mit Bekannten; am folgenden Morgen, den 1. April, fand man ihn todt im Bette. Von der Jugendzeit an führte M. ein stilles Gelehrtenleben, während der Studienzeit blieb er allem studentischen Treiben fern, in den späteren Lebensstellungen hielt er sich einsam, zurückgezogen, in einfachsten und streng regelmäßigen Gewohnheiten. Er blieb unverheirathet. Geselligen Verkehr mied er nicht gerade, und im Freundeskreise und in den regelmäßigen Erholungsstunden, die er nach schwäbischer Sitte im Wirthshause zubrachte, ließ er gerne an Stelle des ernsten Gelehrten den heiteren, anregenden, vielbelesenen Gesellschafter treten, der die Unterhaltung in die Hand nahm und beherrschte. Seine Thätigkeit concentrirte sich lediglich auf den Beruf des Universitätslehrers und Forschers.

    In ersterer Beziehung widmete er zunächst den Angelegenheiten der Tübinger Universität lebhaftes Interesse und Theilnahme. Er war es z. B. vorzugsweise, der die Begründung der dortigen naturwissenschaftlichen Facultät betrieb, und die im Druck erschienene Eröffnungsrede derselben, welche er als ihr erster Decan im J. 1863 hielt, gibt seiner Befriedigung über das erreichte Ziel Ausdruck. — Die eigentliche Lehrthätigkeit hatte sich in Bern auf die Physiologie des Menschen und die Botanik erstreckt, in Tübingen blieb sie auf letztere beschränkt. Ueber die gewissenhafte Abhaltung der Collegien dehnte sich dieselbe kaum je aus; Schüler heranzuziehen und zum eigenen Arbeiten anzuleiten hat M. stets vermieden und verweigert, mit der einzigen Ausnahme, daß er in späteren Lebensjahren einmal einen schwedischen Botaniker bei sich als Praktikanten zuließ. Freundliche Förderung und Unterstützung jüngerer Forscher war durch jene Abstinenz nicht ausgeschlossen.

    Mohl's Hauptbedeutung liegt auf dem Gebiete der streng wissenschaftlichen Forschung und zwar erstreckte sie sich über die gesammte Botanik und die in Beziehung zu derselben stehende, zumal mikroskopische Technik. Seine Thätigkeit ist dadurch charakterisirt, daß er mit äußerster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit an den Arbeiten und Fortschritten, welche Andere brachten, Antheil und dabei dunkel gebliebene Fragen zur Bearbeitung in die Hand nahm. Das gewonnene Resultat wurde dann in klarster, sorgfältigster Darstellung publicirt, mit fast ängstlicher Vermeidung aller über die strengen Grenzen des Sachlichen gehenden Ausschreitungen, und nur Fertiges wurde publicirt. Daher denn auch fast jede seiner Arbeiten einen dauernden Fortschritt brachte, neues Licht verbreitete auf dem Specialgebiete, welches sie behandelte. Neue, ungeahnte Dinge, sogenannte glänzende Entdeckungen, hat M. kaum zu Tage gefördert. Eine Menge Gegenstände seiner Arbeiten waren vor ihm von Anderen längst gefunden, untersucht und weitläufig besprochen, erst die vollendete Beobachtung und Darstellung Mohl's brachte aber die klare, sichere Kenntniß. Aus dem angegebenen Gang des Arbeitens erklärt sich die Art der Publication Mohl's. Fast alle seine Arbeiten wurden, sowie sie fertig und reif waren, in Form monographischer Aufsätze veröffentlicht; die meisten als Dissertationen und in Zeitschriften, zumal in der seit 1843 bestehenden „Botanischen Zeitung“, deren Mitherausgeber er bis an sein Ende war. Nur zwei zusammenfassende kleine Bücher hat er geschrieben, die „Mikrographie“, eine Anleitung zur Kenntniß und zum Gebrauche des Mikroskops (1846), und die „Anatomie und Physiologie der vegetabilischen Zelle“, eine aus R. Wagner's Handwörterbuch der Physiologie abgedruckte klassische Uebersicht der pflanzenphysiologischen Kenntnisse jener Zeit (1851). — Andere geplante größere Bücher blieben unausgeführt, theils wol aus Bequemlichkeit, anderentheils aber auch, weil er sich in die Nothwendigkeit nicht finden mochte, unerledigte Fragen als solche darzustellen oder gar das Gebiet hypothetischer Erledigung zu betreten. — Von den Einzelaufsätzen, welche bis 1845 erschienen waren, sind die meisten in den im besagten Jahre erschienenen „Vermischten Schriften“ vereinigt.

    Mohl's Arbeiten erstrecken sich über fast alle Specialgebiete der Botanik. Die meisten und hervorragendsten liegen aber auf jenem der Anatomie und Physiologie. Diese Disciplinen waren zur Zeit, als M. zu arbeiten anfing, mehr als andere unfertig und der Förderung in klare Fragestellung und Bearbeitung bedürftig, und mehr hierin als in rein persönlichem Geschmack dürfte der Grund liegen, daß er sie vorwiegend in die Hand nahm und darin behielt. Die erste klassische Arbeit auf diesen Gebieten ist die Schrift über den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen, welche der 22jährige Student in Beantwortung einer von der Tübinger medicinischen Facultät gestellten Preisfrage (1827)|lieferte. Eine gleich tüchtige Bearbeitung der Frage hatte Palm geleistet und diesem wurde durch das Loos der Preis zu Theil. Die physiologischen Resultate jener Arbeit wurden von den Fachgenossen meist erst 30 Jahre später, manche erst in der allerjüngsten Zeit, richtig verstanden und gewürdigt. Während der Münchener Zeit erschienen sodann die epochemachenden stattlichen Arbeiten „De Palmarum structura“ (1831); „Ueber den Bau des Cycadeenstammes“ (1832) und „Ueber den Bau des Farnstammes“ (1833). Dieselben wurden zum Theil auf Martins' Veranlassung unternommen, die erste und dritte auch als Theile Martius’scher Werke veröffentlicht. Sie waren es vorwiegend, welche Mohl's Ruf begründeten.

    Wenn diese Jugendarbeiten ihre Entstehung zum Theil von außen empfangener Anregung verdankten, so ging M. bei seinen übrigen hierher gehörigen Hauptarbeiten ganz seinen eigenen Weg. Die Ermittelung der „Structur der Pflanzensubstanz“, wie er es nannte, die Histologie der Pflanzen und die Vervollkommnung der zu ihrer Bearbeitung erforderlichen mikroskopischen Technik bilden den Gegenstand derselben. Sie beginnen mit der im J. 1828 erschienenen Doctordissertation „Ueber die Poren der Pflanzenzellen“ und gehen durch sein Leben fort, die letzten fanden sich unvollendet in seinem Nachlasse. Sie haben zwar nicht die Zelle entdeckt, aber die heutige Zellenlehre fest begründet, das mag am besten dadurch veranschaulicht werden, daß das Protoplasma von M. zuerst erkannt und benannt wurde.

    Ein ferneres Eingehen auf die Details von Mohl's Leistungen wäre hier wol nicht am Platze und möge daher, mit Verweisung auf Sachs' Geschichte der Botanik, unterbleiben. Ein vollständiges Verzeichniß seiner Arbeiten findet sich in Nr. 31 der Botanischen Zeitung, Jahrgang 1872.

  • Autor/in

    de Bary.
  • Zitierweise

    Bary, Anton de, "Mohl, Hugo von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 22 (1885), S. 55-57 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118830538.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA