Lebensdaten
1646 – nach 1674
Geburtsort
Oldenswort (Eiderstedt)
Beruf/Funktion
Religionskritiker ; Freigeist
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118777564 | OGND | VIAF: 27867499
Namensvarianten
  • Knuzen, Matthias
  • Knutsen, Matthias
  • Knutzen, Matthias
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Knutzen, Matthias, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118777564.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Berend ( 1646), Organist in O.;
    M Elisabeth (Elsebe), aus Dithmarschen;
    B Johann ( n. 1666), Organist in Königsberg; - ledig.

  • Biographie

    K. besuchte die Schule in Oldenswort und kam dann zu seinem Bruder nach Königsberg, wo er zunächst auf das Altstädtische Gymnasium ging und 1664 mit dem Theologiestudium begann. Im Sommer 1668 immatrikulierte er sich in Kopenhagen erneut. Wie schon vorher schlug er sich auch danach an verschiedenen Orten als Hauslehrer durch. Ende 1673 kehrte er mittellos in seine Heimat zurück. Er erhielt eine Stelle als Dorfschullehrer und Hilfsprediger in der Kremper Marsch, wurde aber Ende Dezember schon wieder entlassen, weil er in seinen Predigten die kirchliche Obrigkeit angegriffen hatte. Ende Februar 1674 war er angeblich in Rom. Im folgenden September kam er nach Jena, verbreitete dort unerkannt einige handgeschriebene Flugschriften, ging dann nach Coburg und Altdorf und wurde am 22.10.1674 ein letztes Mal in Jena gesehen. Dann verliert sich seine Spur. Einer nicht überprüfbaren Nachricht zufolge soll er in einem italienischen Kloster gestorben sein. – Daß K., den spärlichen Quellen nach zu urteilen, schon früh in das akademische Proletariat abgesunken ist, erklärt sich weitgehend aus der Radikalität seiner Ansichten. In seinen drei erhaltenen Flugschriften machte er sich zum Sprecher einer angeblich in den großen Städten Europas weit verbreiteten Gemeinschaft der „Gewissener“ (Conscientiarii), die es aber als Sekte wohl nie gegeben hat. Was K. ihnen zuschreibt, ist seine eigene Lehre. Er nutzt die Widersprüche der Bibel zu radikaler Kritik an der Schriftautorität; nicht die Offenbarung, sondern die natürliche Vernunft und das Gewissen sind ihm Maßstab des Glaubens. Kirche und weltliche Obrigkeit sind zu beseitigen; das Gewissen ersetzt Bibel, Prediger und Obrigkeit. Der positive Gehalt der Lehre ist in eine Formel aus dem römischen Recht gekleidet:|Ehrlich leben, niemanden beleidigen und jedem das Seine geben. Woher K. seine Anregungen bekommen hat, ist nicht bekannt, doch sind Einflüsse der Sozinianer zu vermuten. Wegen ihrer für das damalige Deutschland ungewöhnlichen Radikalität erregten die Flugschriften zunächst heftige Abwehr bei den Theologen und später das Interesse der Aufklärer.

  • Werke

    Flugschrr. gedr. b. J. Musaeus, Ableinung d. ausgesprengten abscheul. Verleumbdung, ob wäre in … Jena e. neue Secte d. so gen. Gewissener entstanden …: nebenst umbständl. Ber. v. etlichen … daselbst ausgestreueten gotteslästerl. u. auffrühr. Chartequen, v. welchen solche Calumnia ihren Ursprung genommen, ²1675, danach in: M. K. Ein dt. Atheist u. revolutionärer Demokrat d. 17. Jh., hrsg. v. W. Pfoh, 1965.

  • Literatur

    ADB 16;
    F. Mauthner, Der Atheismus u. s. Gesch. im Abendlande III, 1922, S. 161-67;
    RGG (unter Gewissener);
    Schleswig-Holstein. Biogr. Lex. IV, 1976.

  • Autor/in

    Dieter Lohmeier
  • Zitierweise

    Lohmeier, Dieter, "Knutzen, Matthias" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 232-233 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118777564.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Knutsen: Matthias K. (Knutzen), fahrender Candidat und Freigeist des 17. Jahrhunderts, geboren zu Oldenswort im Eiderstedtischen (Schleswig-Holstein) ums Jahr 1645, kam auf die altstädtische Schule zu Königsberg, entlief von da als 15jähriger Junge und bettelte sich nach Haus. Nachdem er sodann 1664 ff. in Königsberg Theologie studirt, wurde er Hauslehrer in Kurland und zuletzt nach langem Umherirren 1673 Hülfsprediger im Holsteinischen. Aber schon 1674 wurde ihm von dem Superintendenten Hudemann wegen falscher Lehre die Kanzel verboten, worauf er eine Zeitlang in großer Armuth bei einem Bruder in Tönning sich aufhielt. Dann zog er „als fahrender Bachant“ in seltsamem Aufzug (in grauem Reitrock und braunem Mantel, einen Knotenstock in der Hand) unter dem angemaßten Titel eines Magisters oder Licentiaten bettelnd und brandschatzend umher und streute atheistische Schriften und Flugblätter aus, in denen er die Lehre einer angeblichen neuen Secte „der Gewissener, conscientarii“ vortrug: „kein Gott als das eigene Gewissen, das die Natur Allen eingepflanzt; das Christenthum eine Fabel von Christo; die Bibel der christliche Koran; Obrigkeit und Geistlichkeit unnütz oder schädlich; zwischen Ehe und Hurerei kein Unterschied“. Er rühmte sich in verschiedenen Ländern, z. B. in Amsterdam, Paris, London, Stockholm, Kopenhagen, Rom unzählige Anhänger zu besitzen, insbesondere aber auch auf den beiden deutschen Universitäten Altorf und Jena einen Anhang von 700 Studenten und Bürgern zu haben. Dies veranlaßte in Jena eine gerichtliche Untersuchung, die das Ungegründete jener Behauptung ans Licht stellte, worauf K. für gut fand sich zu entfernen. Seine ferneren Schicksale sind unbekannt. Die Universität Jena aber glaubte es ihrem Ruf schuldig zu sein, sich in einer eigenen, von Musäus verfaßten Druckschrift zu vertheidigen unter dem Titel „Ablehnung der ausgesprengten abscheulichen Verleumdung, als wäre in Jena eine neue Secte der Gewissener entstanden“,|Jena 1674, 4°; 2. Ausg. 1675. — Knutsen's Schriften oder „Scharteken“ hatten die Titel: „Epistola amici ad amicum“, Rom 1674, abgedruckt bei la Croze in seinen entretiens etc., S. 400; „Gespräch zwischen einem Gastgeber und drei Gästen ungleicher Religion"; „Gespräch zwischen einem Feldprediger und einem Musterschreiber“, 1673; „Schediasma de lacrimis Christi“, 1674.

    • Literatur

      Vgl. Valentin Grüßing, Exercitationes acad. II de atheismo Cartesii et M. Knutzen. Wittenberg 1677; Fr. Damii Relation, was mit M. K. und Lohrmann vorgegangen. Flensburg 1706, 8°; Moller, Cimbria lit.; Bayle, dict.; Arnold, K.-u. K.-Hist. III, 18; Schelhorn, Am. lit. II, 1; H. Rossel in Stud. u. Krit. 1844, Hft. 4, S. 969 ff.; Lipsius in der Hall. Encykl. LXVI u. d. A. Gewissener; Hagenbach in der theol. R. E. V, 142; Frank, Gesch. der prot. Theol. II, 113 ff.

  • Autor/in

    Wagenmann.
  • Zitierweise

    Wagenmann, Julius August, "Knutzen, Matthias" in: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 335-336 unter Knutsen [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118777564.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA