Lebensdaten
1487 – 1530
Geburtsort
Avignon
Sterbeort
Frankenberg/Eder
Beruf/Funktion
evangelischer Theologe
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118726080 | OGND | VIAF: 212072839
Namensvarianten
  • Lambert, Franz
  • Lambert, François
  • Franciscus Lambertus, Avenionensis
  • mehr

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Zitierweise

Lambert, Franz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118726080.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N. (früh †), aus Orgelet (Franche-Comté), vermutl. Jurist, päpstl. Legations- u. Palastsekr. in A.;
    M N. N.;
    Wittenberg 15.7.1523 Christine ( 1530), Bäckers-T aus Herzberg;
    K (alle 1530).

  • Biographie

    L. trat im 15. Lebensjahr in den Minoritenorden ein und forderte strikte Observanz, vermochte sich aber nicht durchzusetzen. Sein Plan, die Franziskanerobservanten zu verlassen und Kartäuser zu werden, zerschlug sich. Statt dessen reiste er als Prediger durch die Gemeinden und hatte offenbar Erfolg, denn 1517 wurde ihm der Titel eines „Praedicator apostolicus“ verliehen. Eine gedruckte Schrift aus dieser Zeit erweist ihn als einen Theologen, der sich um die Erneuerung der Kirche bemühte.

    Im Sommer 1522 predigte L. in Genf. Anschließend hielt er sich in Lausanne auf, wo er Bischof Sebastian de Montfaucon kennenlernte und wieder, wie auch später in Fribourg, Predigten hielt. Anfang Juli finden wir ihn in Bern, wo er vier lat. Sermone vortrug, die Berchtold Haller veranlaßten, ihn Ulrich Zwingli zu empfehlen. Auch in Zürich durfte er lat. Predigten halten, in denen er die Heiligenverehrung verteidigte. Dies führte zu einer Disputation mit Zwingli am 16.7.1522, durch die sich L. nicht zur Aufgabe seiner Meinung veranlaßt sah. Aber möglicherweise wirkte die Diskussion nach. Zunächst reiste er nach Basel, legte jedoch bald nach dem Verlassen dieser Stadt sein Mönchsgewand ab und reiste unter einem Pseudonym nach Eisenach, wo er im November eintraf.

    L. will bereits in Avignon Luther-Schriften besessen haben, die aber gefunden und verbrannt worden seien. Offenbar wollte er nun die neuen theologischen Gedanken dort kennenlernen, wo sie zentral vertreten wurden: in Wittenberg. Georg Spalatin setzte sich für ihn ein, und L. schrieb auch selbst an Luther, der sich nach einigem Zögern bereit erklärte, ihn zu empfangen, und ihn dann sogar in sein Haus aufnahm. L. begründete 1523 seinen Austritt aus seinem Orden in einer Schrift, in der er seinen Weg von der Reform zur Reformation schilderte. In Wittenberg durfte er Vorlesungen halten, obwohl Luther ihn nicht für besonders begabt hielt. Im Juli 1523 heiratete L. eine Herzberger Bäckerstochter. Er schrieb über die Ordensregel der Minoriten sowie Kommentare über Lukas und Hosea und übersetzte reformatorische Schriften ins Französische, hatte aber mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, so daß er 1524 eine neue Wirkungsstätte suchte. L. wollte die Reformation in Frankreich fördern und zog deshalb nach Metz. Da er dort aber nicht Fuß fassen konnte, wandte er sich nach Straßburg. Hier publizierte er mehrere Schriften; durch eine von ihnen machte er sich bei den Humanisten unbeliebt: er lehnte nämlich Rhetorik und Dialektik ab und forderte das unmittelbare Bibelstudium der Christen. Dennoch unterstützte der Rat der Stadt den Bedürftigen, der biblische Schriften in lateinischer Sprache öffentlich auslegte.

    Es war für L. eine Befreiung, daß er nach Hessen berufen wurde, wo wir ihn im Herbst 1526 in Kassel finden. Von dort nahm ihn Landgf. Philipp mit zu einer Disputation in Homberg/Efze, durch die über die Wahrheit der ev. Lehre entschieden werden sollte. L. stellte dafür Thesen auf („Paradoxa“) und verteidigte sie als wichtigster Vertreter der reformatorischen Lehre. Er arbeitete auch in dem Ausschuß mit, der eine Kirchenordnung erarbeitete, nachdem die hess. Stände die Einführung der Reformation beschlossen hatten. Als Luther diese „Reformatio ecclesiarum Hassiae“ ablehnte, wurde L. dennoch weiter beschäftigt, und zwar als einer der beiden Theologieprofessoren an der 1527 gegründeten Marburger Universität. Er hat dort nicht nur Vorlesungen gehalten, sondern auch über Thesen des Schotten Patrick Hamilton, der wegen seines Glaubens 1528 in St. Andrews verbrannt werden sollte, die erste Universitätsdisputation durchgeführt. Im selben Jahr erschien sein umfangreichstes Werk, eine Auslegung der Offenbarung des Johannes, die er Landgf. Philipp widmete. Diese ist aus Vorlesungen erwachsen, die er in Frankreich, Straßburg und Marburg gehalten hat. Von seiner „Summa“, die er als seine wichtigste Arbeit betrachtete und an der er in Marburg arbeitete, sind lediglich drei Bücher postum erschienen, während seine Karl V. gewidmete „Somme chrestienne“ 1529 gedruckt und im Auftrag Philipps dem Kaiser in Italien übergeben wurde. Allerdings mißlang der Versuch, mit Hilfe dieser Schrift den Kaiser von der Wahrheit der ev. Lehre zu überzeugen. L. durfte wie andere Theologen, die in hess. Diensten standen, im Okt. 1529 am Marburger Religionsgespräch als Zuhörer teilnehmen und erklärte sich danach in einer postum gedruckten Schrift als Anhänger Zwinglis. Kurz vor seinem Tod bat er Martin Bucer, ihm eine Pfarrstelle in der französischsprachigen Schweiz zu vermitteln, aber die Pest raffte ihn und seine ganze Familie in Frankenberg/Eder hinweg, wohin die Universität wegen der Seuche verlegt worden war.

    L.s zahlreiche Schriften waren während seines Lebens weit verbreitet. Jedoch hat sein Schwanken zwischen den verschiedenen reformatorischen Gruppen seinen Einfluß begrenzt. Während er sich in der Willensfrage auf die Seite Luthers geschlagen und sich gegen Erasmus ausgesprochen hatte, betonte er gegen Ende seines Lebens, daß er „die drei Sprachen“ getrieben, sich also humanistisch gebildet hatte. Seine Hinwendung zur Abendmahlslehre Zwinglis und seine|Kontaktaufnahme mit Bucer zeitigten wegen seines frühen Todes keine Wirkung.

  • Literatur

    ADB 17;
    J. W. Baum, F. L. V. A., 1840 (W-Verz.);
    W. Maurer, F. L. v. A. u. d. Vfg.ideal d. „Reformatio ecclesiarum Hassiae“, in: Zs. f. KG 48, 1929, S. 208-60 (= ders., Kirche u. Gesch. I, 1970, S. 319-64);
    R. L. Winters, F. L. of A., 1938;
    E. Kurten, F. L. v. A. u. N. Herborn, 1950;
    W. Bernoulli, Das Diakonenamt b. F. L., 1955;
    G. Müller, F. L. v. A. u. d. Ref. in Hessen, 1958 (erg. W-Verz., L);
    ders., Die Anfänge d. Marburger Theolog. Fak., in: Hess. Jb. f. Landesgesch. 6, 1956, S. 164-81;
    ders., Die Synode als Fundament d. ev. Kirche in Hessen, Homberg 1526-1976, in: Jb. d. Hess. Kirchengeschichtl. Vereinigung 27, 1976, S. 129-46;
    A. Moser, F. L.s Reise durch d. Schweiz im J. 1522, in: Zwingliana 10, 1957, S. 467-71;
    M. Schoch, Verbi divini ministerium I, 1968;
    R. Haas, La Corone de nostre saulueur, in: Zs. f. KG 84, 1973, S. 287-301 (W, L);
    ders., F. L. u. Patrick Hamilton, Diss. Marburg 1973;
    RGG³;
    LThK².

  • Autor/in

    Gerhard Müller
  • Zitierweise

    Müller, Gerhard, "Lambert, Franz" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 435-437 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118726080.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lambert: Franz L., geb. 1485—87, 1530. Er war der — wahrscheinlich uneheliche — Sohn eines päpstlichen „Legations- und Pallast-Secretärs“ zu Avignon. Kurz nach seines Vaters Tode trat er. 15 Jahre alt, in das|Barfüßerkloster seiner Vaterstadt. Da er sich dort als Kanzelredner hervorthat, wurde er 1517 zum Wanderprediger bestimmt, in welcher Eigenschaft er Italien und Frankreich besuchte. Später erregten jedoch seine Predigten bei seinen Ordensgenossen Anstoß. Deren hergebrachte Weise verlassend, begann er nämlich die hl. Schrift und namentlich ihre mystischen Bücher in seinen Vorträgen auszulegen. Zugleich arbeitete er sich im Kampfe gegen Scrupel und gegen eine sehr lebhafte Sinnlichkeit, welche er vergebens durch die strengsten Bußübungen zu ersticken suchte, zu Anschauungen durch, welche ihn das äußerliche Kirchenthum geringer schätzen und die rein mechanische Auffassung der Heilswirkung, den Ablaßhandel u. dgl. mißbilligen ließen, und auch diese Anschauungen gab er auf der Kanzel kund. Obendrein kannte sein zelotischer Eifer keine Rücksicht und griff sogar Standesgenossen und kirchliche Würdenträger vor der Oeffentlichkeit an. Neid über seine Erfolge einerseits, sein anmaßendes und unverträgliches Wesen anderseits verschärften den Zwiespalt. Es kam dahin, daß L. in den Karthäuserorden übertreten wollte, doch wußten ihn die Minoriten zu beschwichtigen. Bald danach erhielt er einen Auftrag vom Orden nach Rom. Er beschloß, denselben, wie es die in seinem Orden herrschende Zuchtlosigkeit ermöglichte, zu benutzen, um zunächst die Schweiz und Deutschland predigend zu durchwandern. Zu Genf, Lausanne, Freiburg i. U. und Bern predigte er längere Zeit. Seine theologischen Ansichten hatten sich inzwischen — wol nicht ohne den Einfluß von Schriften Luther's, welche ihm zugekommen waren — weiter entwickelt. Er trat zu Bern in Verkehr mit Berchtold Haller und ließ sich von diesem an Zwingli empfehlen. Indeß hatte er sich doch noch so wenig von der römischen Lehre entfernt, daß er es in Zürich am 17. Juli 1522 unternahm, gegen Zwingli und zwar über die Heiligenverehrung zu disputiren. Er unterlag dabei völlig und wurde so einen Schritt weiter geführt. In Basel scheint er dann durch Pellican und Andere vollends für die reformatorischen Lehren gewonnen worden zu sein: er ließ sich nun Empfehlungen an Luther geben. Von da an verschwindet seine Spur. Erst vier Monate später, im November 1522, taucht er unter dem Namen Johann Serranus zu Eisenach wieder auf. Das Ordenskleid hatte er inzwischen abgelegt. Er bemühte sich von dort aus, den Schutz und die Unterstützung des Kurfürsten von Sachsen und die Erlaubniß zu einem Besuche in Wittenberg zu erhalten. Luther fürchtete jedoch, daß L. ein Sendling seiner Feinde sei. Um dieses Mißtrauen zu beseitigen, hielt L. zu Eisenach Vorträge über das Johannesevangelium und stellte, zur Disputation herausfordernd, Thesen auf, die er öffentlich erläuterte. Dadurch gelang es ihm, die Erlaubniß und die Mittel zur Reise nach Wittenberg zu erhalten. Mitte Januar 1523 langte er dort an und nahm nun seinen wahren Namen wieder an. Er beabsichtigte in Wittenberg zu bleiben. Vergeblich bemühte er sich jedoch, durch Vorlesungen über die Bibel und durch Schriftstellerei seinen Unterhalt zu gewinnen, und eine Unterstützung, welche ihm der Kurfürst nach langem Zögern auf Verwendung Luther's gewährte, reichte nicht aus, weil L. sich am 13. Juli mit einer Magd, Christine, einer Bäckerstochter aus Herzberg, verheirathete. Deshalb zog er, einer an ihn ergangenen Einladung folgend, im Februar 1524 nach Metz und als er sich dort durch die Geistlichkeit gefährdet glaubte, nach Straßburg, wo er Mitte April ankam Bald betheiligte er sich hier an Vorlesungen über die hl. Schrift, durch welche Bucer und Capito den Barfüßerguardian Thomas Murner bekämpften. Auch später setzte er diese Thätigkeit fort. Nebenher predigte er den nach Straßburg kommenden Franzosen. Vornehmlich aber beschäftigte er sich, wie schon zu Wittenberg, damit, Briefe und Bücher zu verfassen, welche der Reformation in den Ländern französischer Zunge Bahn brechen sollten. Seine anmaßenden und schroffen Mahnungen zur Duldung und zur Annahme der evangelischen Lehre mißfielen indeß bald auch seinen Glaubensgenossen. Tossanus verwahrte sich schon Ende 1524 gegen die „dummen“ und lediglich Schaden stiftenden Bücher und Briefe, welche L. an die Metzer und Andere sende, und der Rath von Straßburg verbot ihm 1526, ferner noch Etwas ohne seine Genehmigung drucken zu lassen. Seit Mitte 1525 zerfiel L. überhaupt mit den Predigern zu Straßburg und den dorthin geflüchteten französischen Vorkämpfern der Reformation. Den Hauptanlaß hierzu gab vermuthlich das durch den Streit über die Abendmahlslehre herbeigeführte Zerwürfniß jener mit Luther. Zu diesem blieb nämlich L., obgleich er sich der zwinglischen Auffassung zugewandt hatte, in engen Beziehungen und er berichtete ihm fort und fort in aufreizender Weise über Alles, was in Straßburg geschah. Sein Hochmuth steigerte die dadurch hervorgerufene Feindseligkeit; sogar mit Gerbel, dem eifrigen Anhänger Luther's, überwarf er sich durch seine fanatische Verdammung weltlicher Wissenschaft. Die Bürger endlich ärgerte sein und seiner Frau „protziges Thun“ und sie murrten darüber, daß der Rath ihm, nachdem er das Bürgerrecht angenommen hatte, eine Unterstützung von jährlich 50 Gulden gewährte, weshalb ihm jener Anfang 1526 bedeutete, er möge sich bis übers Jahr selbst eine Versorgung suchen. All das mußte L. den Aufenthalt verleiden. Wahrscheinlich kehrte er nach Wittenberg zurück und wurde dann von Luther, um ihn zu versorgen, dem Landgrafen Philipp von Hessen zugesandt, der die von ihm beschlossene Einführung der Reformation durch eine Synode und ein Glaubensgespräch einzuleiten gedachte. Zu diesem forderte L., als die Synode am 21. October 1526 zu Hornberg zusammentrat, durch eine lange Reihe von Thesen heraus. Der Wortführer der Katholiken. Nicolaus v. Herborn, Barfüßerguardian zu Marburg. lehnte jedoch das Zwiegespräch ab, weil er den Landgrafen nicht als Glaubensrichter anerkennen könne, und ließ sich weder durch die Mahnungen Philipps und seiner Räthe, noch durch die bis zur Rohheit ausschreitende Heftigkeit Lambert's bewegen, in eine Erörterung einzutreten, welche er von vornherein für ein Trugspiel erachten mußte. Ein Landpfarrer, Johann Sperber, welcher sich dann gegen L. erhob, wurde von diesem rasch niedergedonnert. Schon am 23. ging die Synode auseinander, nachdem sie drei Pfarrer mit der Abfassung einer Reformationsordnung beauftragt hatte. Der Entwurf, welcher als solche nach drei Tagen vorgelegt wurde, war im wesentlichen das Werk Lambert's. Er ist nicht aus den Anschauungen und Kirchenbildungsversuchen Zwingli's, der Straßburger oder der französischen Reformatoren hervorgegangen, sondern suchte lediglich in Lambert's die äußersten Folgerungen ziehender und schematisirender Weise das Ideal einer Gemeinde, welches Luther in seinem Büchlein von der deutschen Messe aufgestellt hatte, zu verwirklichen. Nur in Einzelheiten gibt sich der Einfluß der Oberländer und der eigenthümlichen Anschauungen Lambert's kund. Als erster Versuch einer reformirten Kirchenbildung kann der Entwurf nur insofern bezeichnet werden, als die ursprüngliche Auffassung Luther's von der Kirche im Kern dieselbe ist wie die reformirte. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Hornberger Kirchenordnung und den reformirten liegt jedoch darin, daß diese eine Gemeinde der Heiligen zu erziehen bezwecken, während jene eine solche aus der Masse der Sünder ausscheiden will. Zur Einführung der Hornberger Ordnung wurde, da Luther dieselbe auf Anfrage des Landgrafen für unmöglich erklärte, kein Versuch gemacht und sie hat auf die Gestaltung der hessischen Kirche nicht den mindesten Einfluß geübt. Ebensowenig scheint L. persönlich an dieser Antheil gehabt zu haben. Er blieb zunächst in Kassel und trat am 23. Januar 1527 nochmals bei einem Religionsgespräche auf, welches die Aufhebung der Klöster vorbereiten sollte. Dann erhielt er, nachdem am 30. Mai des gedachten Jahres die Hochschule zu Marburg eröffnet worden war, an dieser als Professor Primarius der Theologie eine Anstellung und hielt in der Folge vermuthlich exegetische Vorlesungen. Seine schriftstellerische Thätigkeit ließ nun bedeutend nach. Predigten hielt er wol nur noch in Frankfurt, wohin er gewöhnlich zu den Messen ging, vor seinen dorthin kommenden Landsleuten. Seine Kenntniß der französischen Sprache ließ ihn der Landgraf mitunter in Uebersetzungen zu politischen Zwecken verwenden. Zufriedenheit fand L. auch in Marburg nicht dauernd. Seine Vorlesungen wurden, wie es scheint, nur spärlich — vornehmlich von Ausländern — besucht und bei seinen Amtsgenossen stand er wol nicht sehr in Ansehen; von dem Humanisten Hermann von dem Busche wenigstens wird berichtet, wie er L. wegen seiner Neigung für gute Mahlzeiten auf Kosten Anderer, wegen seiner Geldliebe und wegen seiner geschwätzigen Leichtgläubigkeit zu hänseln pflegte. Bitteren Haß und tiefe Verachtung athmen die zahlreichen Epigramme, in welchen der Mediciner Euricius Cordus den kurzsichtigen, langnasigen Gallier als aufgebläht von maßloser Eitelkeit, als voll von Heuchelei. Streitsucht, Unbeständigkeit, Schwatzhaftigkeit, Neugier und Habsucht und als den unwissendsten Feind des Humanismus schildert. Auch mit seinen Fachgenossen, Adam Kraft und Erhard Schnepf verfeindete sich L., als er nach dem Marburger Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli zu des letzteren Ansicht über die Abendmahlslehre zurückkehrte, welche er nach seiner Entfernung aus Straßburg noch vor der Hornberger Synode mit einer der lutherischen Auffassung nahestehenden vertauscht hatte. Dazu kam endlich, daß er, der immer Zelot blieb, unter den Anhängern der Reformation Gottlosigkeit und Lasterhaftigkeit in wachsendem Maße Platz greifen sah. Im März 1530 sprach er daher gegen Bucer den Wunsch aus, eine Pfarrei in der Schweiz zu erhalten. Schon am 18. April raffte jedoch ihn und seine ganze Familie zu Frankenberg an der Eder der englische Schweiß hinweg, vor welchem er aus Marburg geflohen war. — L. verfaßte eine Reihe meist exegetischer oder polemischer Schriften in lateinischer Sprache, von welchen manche wiederholt aufgelegt oder nachgedruckt, einzelne ins Deutsche und in andere Sprachen übersetzt wurden. Während seines ersten Aufenthaltes in Wittenberg übersetzte er auch einige kleine Schriften ins Französische und ebenso übertrug er 1529 ein Büchlein auf Befehl des Landgrafen Philipp. Daß er außerdem französische und italienische Schriften oder Uebersetzungen fertigte., ist nicht nachzuweisen. Seine erhaltenen Bücher sind in schlechtem Latein, flüchtig und ohne strengen Zusammenhang geschrieben, aber einfach, leichtverständlich, lebhaft und leidenschaftlich in der Polemik. In seinen Ausführungen ist er oberflächlich und nicht selten kleinlich und sophistisch. Seine Anschauungen sind von vornherein auffallend schroff und er liebt es, die Dinge auf die Spitze zu treiben. Auf dogmatische Fragen geht er selten tiefer ein und zeigt da bisweilen Unklarheit, besonders in der Abendmahlslehre. Ueberhaupt ragt er weder durch Gedankentiefe, noch durch Innigkeit des religiösen Gefühles, noch durch Gelehrsamkeit hervor. Gegen alle nicht theologische Wissenschaft und namentlich gegen die Philosophie, trägt er heftigen Haß. Sein Charakter war, soweit sich urtheilen läßt, lauter, wenn auch nicht ohne große Fehler und Schwächen. Seine Bedeutung für die Reformation ist in neuerer Zeit weit überschätzt worden.

    • Literatur

      J. W. Baum, Lambert von Avignon, 1840; F. W. Hassenkamp, desgl. 1860; Pressel, Franz Lambert in Herzogs Encyklopädie für Theologie s. v.; F. Stieve, De Francisco Lamberto Avenionensi, 1867; F. W. Hassenkamp, Hessische Kirchengeschichte im Zeitalter d. Reformation; F. C. Vilmar, Gesch. des Confessionsstandes der evangel. Kirche in Hessen; W. Ebert, Gesch. der evangel. Kirche in Kurhessen.

  • Autor/in

    Stieve.
  • Zitierweise

    Stieve, "Lambert, Franz" in: Allgemeine Deutsche Biographie 17 (1883), S. 548-551 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118726080.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA