Lebensdaten
1593 – 1650
Geburtsort
Basel
Sterbeort
Bad Schwalbach
Beruf/Funktion
Kupferstecher ; Verleger
Konfession
reformiert?
Normdaten
GND: 118581090 | OGND | VIAF: 32000392
Namensvarianten
  • Merian, Matthäus der Ältere
  • Merian, Matthäus
  • Merian, Matthaeus
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Zitierweise

Merian, Matthaeus der Ältere, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118581090.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Walther (1558–1617), Bes. e. Sägemühle u. Dielenhändler, Ratsherr in B., S d. Burkhard (1518-|62) aus Lüttelsdorf, seit 1553 Bürger v. B., Säger u. Dielenhändler, u. d. Anna S(a)ur (1534–1606) aus B.; M Margaretha Barbara (1557–1629), T d. Beat Falkner, Ratsherr in B. u. Landvogt zu Münchenstein, u. d. Barbara Schweitzer; 1) Oppenheim 1617 Maria Magdalena (1598–1645), T d. Kupferstechers Johann Theodor de Bry (1561–1623, s. NDB II), 2) Frankfurt/M. 1646 Johanna Sibylla (um 1620–90, 2] 1651 Jacob Marrell, s. Gen. 2), T d. Rent- u. Kellermeisters Gangolf Heim zu Runkel; 4 S (1 jung †), 4 T (1 jung †) aus 1), u. a. Matthaeus d. J., Kaspar (beide s. Einl.), 1 S, 1 T aus 2), u. a. Maria Sibylla (s. 2); E Johann Matthaeus v. M. (1659-1716), Maler, kurmainz. GR (s. ADB 21; ThB); Ur-E Katharina Margaretha Gleditsch (1684–1732, Johann Burchard Mencke, 1675–1732, Historiograph, s. NDB 17).

  • Biographie

    M. wurde: religiös erzogen und erhielt eine gute Allgemeinbildung. Da sich bei ihm schon früh ein ausgeprägter Kunstsinn zeigte, kam er um 1606 bei einem Glasmaler in die Lehre, die er möglicherweise schon bald aufgab, um in Zürich bei einem namhaften Lehrmeister weiter zu arbeiten. Scheibenrisse im Zürcher Stil kennt man von ihm seit 1607. Spätestens 1610 erlernte M. beim Kupferstecher Dietrich Meyer das Radieren in weichem Ätzgrund und erlangte darin bald große Geschicklichkeit. M. ist bei dieser Kunst bis an sein Ende geblieben. Von 1610 sind gut 30 radierte Blätter überliefert, dazu drei Handzeichnungen. In diesen Arbeiten offenbart sich bereits die für ihn charakteristische Vorliebe für identifizierbare Landschaften und Städteansichten.

    Im Herbst 1610 kehrte M. für kurze Zeit nach Basel zurück, begab sich aber bald nach Straßburg, wo er bei Dietrich Brentel am Obsequienwerk für Hzg. Karl III. von Lothringen (hrsg. von Claude de la Ruelle in Nancy 1610/11) tätig wurde. Über Nancy zog er 1612 weiter nach Paris und arbeitete dort für die Verleger Nicolas de Mathonière, Luc Lamiel, Jean Le Clerc und wohl auch bereits auf eigene Rechnung. Die Palette der Themen reicht von emblematischen Darstellungen über Feste und Porträts bis zu Stadtansichten und -plänen. Im Bereich der Topographie hielt er sich u. a. an Vorlagen von Claude Chastillon, so bei einer Ansicht des Leuchtturms von Cordouan, das meiste stach er aber nach eigener Anschauung. Am eindrücklichsten zur Geltung kommen seine Pariser Veduten Jahre später in den Hintergründen der nach Crispin de Passe d. J. kopierten Reitschule des Antoine de Pluvinel (1628). Im Frühjahr 1615 weilte M. wieder in Basel und zeichnete den großen Basler Stadtplan. Vermutlich hielt er sich an den inzwischen verloren gegangenen Plan von Hans Bock von 1580, führte diesen aber mit letzter Genauigkeit auf den Stand seiner Zeit. Ob er der Autor der gleichzeitigen Basler Ansicht in Öl ist, wird neuerdings angezweifelt. Im Jahr darauf versuchte M. nach Italien zu kommen, änderte jedoch wegen der seuchenpolizeilichen Schließung der Pässe in Chur sein Ziel. Über Stuttgart, evtl. auch Nürnberg, gelangte er nach Frankfurt und Oppenheim, wo er beim Verleger Johann Theodor de Bry in Dienst trat und dessen Tochter heiratete. Sein Anteil an den Verlagswerken de Brys, vor allem an den sog. „Großen“ und „Kleinen Reisen“, war bedeutend. Zu erwähnen sind daneben seine Illustrationen zu Robert Fludds „Cosmologie“ (1617-21) und Michael Maiers „Atalanta fugiens“ (1617/18). Die fürde Bry radierten Kupfer gehen in die Hunderte. Als eigenes Verlagswerk stach er den Basler Stadtplan.

    Von Oppenheim aus verkehrte M. in der niederländ. Malerkolonie von Frankenthal und lernte seinen späteren Hauptautor Johann Ludwig Gottfried kennen. Zeitweise hielt er sich in Frankfurt und besonders in Heidelberg auf, wo er mit seinem Schwiegervater vergeblich versuchte, das akademische Bürgerrecht zu erwerben. Die Illustrationen zu den Emblemen von J. W. Zincgref (1619) stellen die reifste Frucht dieser Zeit dar. Wahrscheinlich ist er auch nach Köln gekommen, wogegen sich für eine Reise nach den Niederlanden kein Nachweis erbringen läßt.

    Um sich selbständig zu machen, zog M. 1620 mit seiner Familie nach Basel. Dort schuf er bis 1623/24 den künstlerisch eigenständigsten und wertvollsten Teil seines Œuvres. Es sind rund 250 Blätter meist kleinen Formats, in denen er die romantische Schönheit der Basler Umgebung festhielt. Die fläm. Vedutenmanier wird von ihm ins Lieblich-Oberdeutsche gewandelt. Zwei Stichfolgen unter dem Titel „Novae Regionum aliquot amoenissimarum Delineationes“ geben von dieser Produktion das beste Zeugnis. Wiederholt ließ er sich auch für historische Serien und Tierdarstellungen nach Antonio Tempesta vom Straßburger Verleger Jacob von der Heyden, wohl auch schon von Peter Aubry gewinnen. Die glückliche Basler Zeit, aus der uns auch eine Anzahl qualitätvoller Handzeichnungen erhalten ist, wurde durch den Tod des Schwiegervaters jäh unterbrochen. Die Witwe rief den 30jährigen im Herbst zur Verwaltung der Verlagsgeschäfte nach Frankfurt, wo er 1624 die Niederlassung und 1626 das Bürgerrecht erhielt. In diesen zwei Übergangsjahren erweiterte er das de Brysche Verlagssortiment zusammen mit seiner Schwiegermutter und den Schwägern Johann Amnion und William Fitzer, von denen er sich|aber bald – offenbar im Unfrieden – trennte, um einen Teil des Verlages selbst weiterzuführen. Seit 1626 war er sein eigener Verleger. Die geschickte Wahl der Themen seiner Hauptwerke bescherte ihm einen schnellen und angesichts der Ungunst der Zeit erstaunlichen Erfolg. Die von ihm in rascher Folge auf den Markt gebrachten neuen Illustrationswerke legten den Grund dazu. Zuerst vollendete er die „Icones biblicae“, erschienen in vier Heften 1625-27 als Vorläufer der „Merianbibel“ (1630); 1628 gab er den großen Frankfurter Stadtplan heraus, und unmittelbar darauf begann er mit der Herausgabe der Weltchronik des Johann Ludwig Gottfried in acht Heften von 1629-34 (erste Folioausg. 1642). 1633 folgte das als Fortsetzung von Gottfrieds Chronik gedachte „Theatrum Europaeum“, eine umfassende Bildergeschichte Deutschlands und Europas seit 1618 (Nachdr. 1969). Dieses Unternehmen wuchs bis 1738 auf 21 Bände an, von denen M. die Bände 1-5 betreute. Es hat als zeitgenössische Geschichte des Dreißigjährigen Krieges bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt. Als eigentliches Opus magnum gilt die nach den Ortsbeschreibungen von Martin Zeiller gestaltete „Topographia Germaniae“ (1642-55, Faks.-Ausg. 1960–65), die er mit der Schweiz beginnen ließ und entsprechend den einzelnen Reichskreisen weiterführte. Seine Erben brachten sie mit dem 16. Band über die Niederlande zu einem vorläufigen Abschluß. Die Ausweitung des Programms auf die übrigen europ. Länder ließ sich nur zum Teil realisieren; erschienen sind noch „Frankreich“, „Italien“, „Rom“, „Kreta“. In weit über 2000 Ortsansichten haben M. und seine Erben das damalige Deutsche Reich im Aussehen unmittelbar vor den Verheerungen des Dreißigjährigen Kriegs objektiv festgehalten. Mit der „Archontologia Cosmica“ nach dem Text von Pierre Davity lieferte M. 1637/38 auch eine geographisch-historische Darstellung Europas und der überseeischen Gebiete, ferner als Kompendium der de Bryschen Reisen eine „Historia Antipodum“ (1630/31).

    Neben diesen umfangreichen Folianten publizierte M. eine bedeutende Zahl naturwissenschaftlicher, medizinischer und theologischer Bücher, darunter die Werke von J. Betke, Ch. Hoheburgk, H. Lohmann, J. Permaier und D. Sudermann. Mit diesen Publikationen, die er z. T. geheim und mit fiktiven Verlagsangaben erscheinen ließ, stellte er sich als Verleger in den Dienst des mystisch angehauchten Frühpietismus. Er bewegte sich dabei in der Anhängerschaft von Valentin Weigel, zu dessen subjektivistischer Erkenntnislehre er sich hingezogen fühlte. Sein Werk verstand er als eine Ankündigung des verdienten und kurz bevorstehenden Weltgerichts, das sich in den Kriegsläuften abzuzeichnen schien. In den Vorworten zu mehreren seiner Publikationen läßt er den Leser an seiner düsteren Lebensauffassung teilhaben.

    Nach Jahren körperlicher Schwäche, die ihn in seiner Produktivität allerdings kaum beeinträchtigte, starb M. in Bad Schwalbach, wo er für sein Leiden wiederholt Heilung gesucht hatte. Der Verlag wurde von einer Erbengemeinschaft weitergeführt, in der zuerst der älteste Sohn Matthaeus d. J. federführend war, dann der sehr produktive Kupferstecher Kaspar. Die Leistung M.s als Zeichner und Kupferstecher wie auch als Verleger grenzt in ihrem Ausmaß ans Gigantische. Er vollbrachte sein immenses Lebenswerk nicht nur als Künstler und Geschäftsmann, sondern auch als Kritiker seiner aufgewühlten Zeit. Aus den zahlreich erhaltenen Briefen ergibt sich das Bild einer starken und aktiven Persönlichkeit von zugleich kultureller, kommerzieller und prophetisch-philosophischer Ausrichtung.

  • Werke

    Weitere W u. a. Verlagswerke: A. de Pluvinel, Reitkunst, 1628;
    Fruchtbringende Ges., 1629 (erw. 1646, Faks. 1970);
    Th. Garzoni, Piazza Universale, 1641;
    J. A. v. Werdenhagen, De Rebus publicis Hanseaticis, 1641. – Illustrierungen: J. W. Zincgref, Emblemata, 1619;
    Todten Tantz, 1621;
    D. Meissner, Thesaurus philo-politicus, 1623-32;
    Musaeum Hermeticum, 1625;
    T. Tasso, Gottfried v. Bulljon, 1626.

  • Literatur

    ADB 21;
    J. v. Sandrart, L'Academia Todesca II, 1675, S. 359 f.;
    F. Gwinner. Kunst u. Künstler in Frankfurt a. M., 1862;
    J. H. Eckart, M. M., ²1892;
    ders., Neues u. Altes üb. d. Arbeiten d. Merians, in: Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 68, 1901, Nr. 239, 240, 255, 260;
    D. Burckhardt-Werthemann, M. M.s Jugendj. (1593–1625), M. M.s Frankfurter Aufenthalt (1625–50), Des alten M. Kinder u. Enkel, in: Basler Kunstver., Berichterstattungen üb. d. J. 1906, 1907, 1908, 1907-09;
    A. Dietz, Frankfurter Handelsgesch., Bd. 3, 1921, S. 92, 120-29;
    Th. Wotschke, in: Neue kirchl. Zs. 42, 1931, S. 57-64, 185-92;
    M. Sondheim, Die De Bry, M. M. u. W. Fitzer, in: Philobiblon 6, 1933, S. 9-34;
    W. K. Zülch, Frankfurter Künstler 1223-1700, 1935, S. 500-02;
    F. Bachmann, Die alten Städtebilder, 1936, ²1965, S. 23-41;
    G. F. Hartlaub, M. als Illustrator, in: Zs. d. dt. Ver. f. Kunstwiss. 6, 1939, S. 29-49;
    L. H. Wüthrich, Nachworte z. Faks.-Ausg. d. Topographia Germaniae, Bd. 16, 1965;
    ders., J. Burckhardt u. M. M., in: Basler Zs. f. Gesch. u. Altertumskde. 60, 1960, S. 78-96;
    ders., Der Chonist J. L. Gottfried, in: Archiv f. Kulturgesch. 43, 1961, S. 188-216;
    ders., Die Handzeichnungen v. M. M. d. Ä., 1963;
    ders., M. M., Bibelbilder, Icones Biblicae (Nachw. z. Faks. Ausg.), 1965;
    ders., M. u. Oppenheim, in: 1200 J. Oppenheim am Rhein, 1966, S.|129-46;
    ders., Das druckgraph. Werk v. M. M. d. Ä., I, Einzelbll. u. Blattfolgen, 1966, II. Die weniger bekannten Bücher u. Buchillustrationen, 1972;
    ders., M. M.s Jugendj. in Basel, in: Basler Stadtbuch 1966, S. 34-49;
    ders., Register zu M.s Topographia Germaniae, 1967;
    J. Geyrhalter, Icones biblicae M. M.s d. Ä., Diss. Graz 1971 (ungedr.);
    St. Strohm, Die Kupferbibel M. M.s v. 1630, 1985;
    M. M. d. Ä., Ausst.kat. d. Mus. f. Kunsthandwerk, Frankfurt/Main 1993;
    SKL;
    ThB.

  • Porträts

    Gem. mit Fam. v. M. M. d. J., 1641 (Basel, Kunstmus.);
    Kupf v. R. Meyer, R. Custos u. Ph. Kilian, Abb. in: J. v. Sandrart, L'Academia Todesca II, 1675.

  • Autor/in

    Lucas Wüthrich
  • Zitierweise

    Wüthrich, Lucas, "Merian, Matthaeus der Ältere" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 135-138 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118581090.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA