Lebensdaten
1812 – 1887
Geburtsort
Essen
Sterbeort
Hügel bei Essen
Beruf/Funktion
Stahlindustrieller
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118567241 | OGND | VIAF: 22933554
Namensvarianten
  • Krupp, Alfried
  • Krupp, Alfred
  • Krupp, Alfried
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Orte

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Zitierweise

Krupp, Alfred, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118567241.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich (s. 1);
    B Hermann (s. 6), Friedrich (1820–1901), Vt Friedrich v. Müller (1804–74), Teilh. 1835–44;
    - Köln 1853 Bertha (1831–88, ev.), T d. August Eichhoff (1785–1861), Rheinzollinsp. in Köln, u. d. Ernestine Böcking (T d. Großhändlers u. Bankiers Adolf B., 1800, s. NDB II);
    1 S Friedrich Alfred (s. 3).

  • Biographie

    K. wurde zunächst gemeinsam mit den Kindern von Franz Dinnendahl von deren Privatlehrer unterrichtet und besuchte dann das Gymnasium. Krankheit und Tod des Vaters zwangen ihn, nach drei Jahren den Schulbesuch abzubrechen und den Plan einer Lehre in der Düsseldorfer Münze aufzugeben. Friedrich Krupp hatte die Gußstahlfabrik testamentarisch seiner Frau und seinen Kindern hinterlassen. Wegen der hohen|Schulden nahm die Witwe das Erbe jedoch nur für ihre Person an. Sie führte die Fabrik weiter, unterstützt von ihren Verwandten und dem damals 13jährigen K., den der Vater noch in die Grundlagen der Gußstahlherstellung eingeführt hatte. Mit zunächst nur sieben Arbeitern wurde die Fabrikation von Werkzeugstahl, Feilen, Lohgerbergeräten und später Walzen aufgenommen. Langwierige Versuche waren nötig, um Sicherheit in der Herstellung von qualitativ hochwertigem Stahl zu gewinnen. Umsatz und Belegschaft stiegen nur langsam. 1830 entschloß sich K., bei der Herstellung von Walzen zur Endfabrikation überzugehen, da die gelieferten Walzenrohlinge bei dem unsachgemäßen Drehen, Polieren und Härten durch die Kunden häufig gesprungen waren. Für Fertigfabrikate konnte dagegen – und dies hatte K. bei den Gerbergeräten bereits Ende der 1820er Jahre getan – eine Qualitätsgarantie übernommen werden. Zugleich ermöglichte die Fertigfabrikation eine rationellere Ausnutzung des Materials und der Arbeitskräfte. Bahnbrechend wurde bei der Gußstahlerzeugung vor allem der Übergang zu Güssen aus mehreren Tiegeln: 1832 gelang ein Guß von 75 kg aus vier Tiegeln, 1834 ein Guß von 200 kg aus acht Tiegeln. Die Verfeinerung der Technik des Drehens, Polierens und Härtens (hier erwarb sich K. selbst umfassende Kenntnisse) ermöglichte die Herstellung von glasharten, hochpräzisen und praktisch unzerstörbaren Walzen, die vor allem in Münzen, Gold- und Silberschmieden benötigt wurden.

    Die Aufhebung der Zollschranken 1834 nutzte K., um durch ausgedehnte Reisen den süddeutschen Kundenkreis zu erweitern. Der so erhöhte Auftragsbestand verschärfte jedoch ein altes Problem: die Abhängigkeit des Schmiedehammerbetriebes von der ungleichmäßig verfügbaren und auch häufig zu schwachen Wasserkraft. Um dem abzuhelfen, wurde 1834/35 eine Dampfmaschine erworben. K. versuchte vergeblich, die Mittel dafür als Darlehen von der preuß. Regierung zu erhalten. Den Ankauf ermöglichte sein Vetter Carl Friedrich v. Müller, der sich zugleich mit einem Drittel an der Gußstahlfabrik beteiligte. Mit dem Einsatz der Dampfmaschine konnten sämtliche Arbeitsgänge, das Schmelzen und Gießen, das Ausschmieden und die abschließende Bearbeitung an einem Ort vereinigt werden. Das Unternehmen expandierte daraufhin deutlich: Die Zahl der Beschäftigten stieg von 30 (1824) auf 67 (1835), der Umsatz in denselben Jahren von 6 244 auf 11 049 Taler. In der Leitung wurde K. durch seinen 1831 eingetretenen jüngeren Bruder Hermann, im maschinentechnischen Bereich seit 1834 von einem Ingenieur unterstützt. In der Fabrik führte Arbeitsteilung zur Heranbildung von Spezialisten für die einzelnen Arbeitsvorgänge. Hauptproblem war, die Beschäftigung für die erweiterten Betriebseinrichtungen auch langfristig zu sichern. Dies erreichte K. zum einen durch Fortentwicklung und Ausweitung im Produktionsbereich: Die seit 1835 hergestellten Spezialwalzen für das Auswalzen hochfeiner, in der Brokat- und Tressenindustrie benötigter Gold- und Silberfäden erreichten einen bis dahin ungekannten Grad von Präzision, verbunden mit großer Haltbarkeit. Zum anderen wurde mit der planmäßigen Erschließung von Auslandsmärkten begonnen; die Reisen unternahmen K. und sein Bruder sowie ein 1836 eingestellter „Reisender“. Der Auslandsumsatz stieg von 6 303 Talern 1836 auf 18 439 Taler 1837. 1838/39 bereiste K. 15 Monate lang Frankreich und England; er gewann neue Abnehmer in Frankreich und erweiterte in England seine Kenntnisse über Stahlherstellung und Arbeitsorganisation.

    1839 wurde in der Gußstahlfabrik ein deutlicher Auftragsrückgang spürbar. Die Ursachen lagen in der von Frankreich ausgehenden Wirtschaftskrise sowie in der fortschreitenden Mechanisierung des Edelmetallgewerbes: Zahlreiche kleine Handwerksbetriebe, bisher Hauptabnehmer der K.schen Walzen und Walzmaschinen, gingen allmählich dazu über, ihre Halbfabrikate vorgefertigt von großen Edelmetallwerken zu beziehen. Schließlich führte die nahezu unbegrenzte Haltbarkeit der Walzen langfristig dazu, daß die Zahl der Aufträge zurückging, weil kaum Ersatzkäufe notwendig wurden. K. versuchte, diese Schwierigkeiten dadurch zu beheben, daß er 1840 mit der Herstellung von kompletten Walzwerken, Justierwerken und Vorstreckanlagen begann. Die 1841 in Paris eingerichtete erste Krupp-Auslandsvertretung dehnte das Absatzgebiet für Walzen nach Südfrankreich aus. Bis 1843 entwickelten die drei Krupp-Brüder – seit 1839 war der technisch sehr begabte Friedrich mit in der Fabrik tätig – gemeinsam die Besteckwalze, mit der Löffel und Gabeln gleichzeitig gewalzt und geprägt werden konnten. Die Anregung dazu hatten sie von einem Münchener Graveur erhalten. Aber für Besteckwalzwerke gab es, ebenso wie für die übrigen Walzwerke, Justier- und Vorstreckanlagen, nur einen relativ kleinen Kundenkreis. Die Aufträge waren nicht zahlreich, dann aber von großem Volumen. Dadurch konnten sie schwer einkalkuliert werden. Es fehlten als tragfähige Grundlage Produkte, für die eine stetige Nachfrage bestand.

    Deshalb bemühte sich K. in den 1840er Jahren um die Gründung von Besteckfabriken, um selbst die kontinuierliche Besteckfabrikation aufzunehmen. Weder in Deutschland, noch später in England und Rußland, gelang ihm das. Dagegen gründete er 1843 in Österreich (Berndorf) mit Alexander Schoeller als Kapitalgeber eine Metallwarenfabrik für die Herstellung von Eßbestecken. Diese Fabrik wurde seit 1844 von Hermann Krupp geleitet. Ihre Ausstattung mit Besteckmaschinen und Prägewalzen brachte der Essener Gußstahlfabrik lohnende Aufträge.

    Gleichzeitig bemühten sich K. und vor allem Friedrich Krupp darum, neue Anwendungsbereiche für den Gußstahl zu finden. Es mußten stark beanspruchte Stücke sein, damit die Verwendung von qualitativ hochwertigem und strapazierfähigem, aber auch teurem Gußstahl sich lohnte. Produkte dieser Art waren: Klavierdraht, Werkzeug, Maschinenteile, Brustpanzer, hohlgeschmiedete Gewehrläufe und ein Probegeschützrohr. Es blieb jedoch bei Versuchen und Einzellieferungen. Die zu diesen Aktivitäten notwendige finanzielle Bewegungsfreiheit gewann K. 1844 durch die Kapitaleinlagen des neuen Teilhabers Fritz Sölling; der bisherige Teilhaber v. Müller war 1844 ausgeschieden. Insgesamt folgte nun ein kurzer geschäftlicher Aufschwung. Der Umsatz stieg von 48 160 Talern 1844 auf 79 601 Taler 1846.

    Die 1846/47 einsetzende allgemeine Wirtschaftskrise führte zu einem drastischen Auftragsrückgang. Dieser Rückgang sowie Belastungen durch die Anfangsverluste der Berndorfer Fabrik und durch betriebliche Schwierigkeiten infolge der häufigen Abwesenheit K.s führten zu Verlusten des Essener Unternehmens, zu deren Deckung keine Rücklagen zur Verfügung standen. Im Frühjahr 1848 übertrug Therese Krupp ihrem Sohn das Unternehmen, um eine einheitliche Leitung zu gewährleisten. Die Situation verschärfte sich jedoch und führte im April 1848 zur Zahlungsunfähigkeit. Um eine, wenn auch reduzierte Arbeiterschaft halten und ihr die Löhne zahlen zu können, griff K. auf seinen Privatbesitz zurück. Durch einen großen Besteckmaschinenauftrag aus Rußland konnte dieser Tiefpunkt überwunden werden. Der allmählich einsetzende Konjunkturaufschwung brachte weitere Aufträge. 1849 wurde die damals noch selbst um ihren Fortbestand ringende Berndorfer Metallwarenfabrik von dem Essener Unternehmen gelöst. Zugleich verschaffte sich K. durch die Aufnahme von Verbindungen zum Bankhaus Oppenheim und später zum Schaaffhausenschen Bankverein finanziellen Bewegungsspielraum.

    Eine Phase der Expansion setzte ein, die etwa bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise 1857 währte und durch die Entwicklung neuer Produkte für den Verkehrsbereich sowie neue Verfahren bei der Erzeugung von Tiegelgußstahl geprägt war. Mit dem weiteren Ausbau der Eisenbahnen wuchs der Bedarf an Achsen und Federn. Darüber hinaus erschloß die stetig fortentwickelte Fähigkeit, größere Güsse herzustellen, neue Anwendungsbereiche, z. B. große Kurbelwellen für Dampfschiffe sowie besonders strapazierte Großteile für den Maschinenbau. Hinzu kamen seit 1853 die nahtlos geschmiedeten, später gewalzten Eisenbahnradreifen (Bandagen). K. hatte sie in jahrelangen Versuchen aus den kleinen, ebenfalls nahtlos gefertigten Walzenringen entwickelt und hielt sie für seine bedeutendste Erfindung. In Anlehnung daran wurden 1875 die drei aufeinandergelegten Ringe zum Firmenzeichen bestimmt. K. ging auch zur Fertigung von Rädern und Radsätzen über. Für den erhöhten Bedarf erwies sich das bisher praktizierte Verfahren, Tiegelgußstahl aus selbst hergestelltem Zementstahl zu erschmelzen, als zu kostspielig. Deshalb begann K. 1853, Puddelstahl als Tiegeleinsatz zu verwenden. Er bezog ihn zunächst von verschiedenen kleinen Hütten, seit 1855 aus dem neu errichteten eigenen Puddelstahlwerk. Das Verfahren, nicht nur Eisen, sondern auch Stahl im Puddelofen herzustellen, war in den 1840er Jahren in Deutschland entwickelt worden. Die Belegschaft stieg von 109 (1849) auf 365 (1854); der Umsatz betrug 1849 68 300 Taler, 1854 303 308 Taler.

    Die Wirtschaftskrise von 1857 traf K. nicht so schwer wie seine Konkurrenz, da er die Beschäftigung durch Staatsbahnaufträge, Vorratsproduktion und eigene Bauvorhaben aufrechterhalten und die dazu notwendigen Finanzmittel durch die Aufnahme stiller Teilhaber sichern konnte. 1859 gelang ihm mit dem Auftrag der preußischen Militärbehörden über 300 vorgearbeitete Rohrblöcke für Geschützrohre der Durchbruch in einen neuen Anwendungsbereich für Qualitätsgußstahl. Diesem ersten Großauftrag waren langwierige Versuche und eine Reihe von kleineren, im Verhältnis zum Aufwand|jedoch letztlich erfolglosen Aufträgen vorausgegangen. Erst die Entscheidung der preußischen Militärbehörden für die Einführung des Hinterladesystems und für Geschütze aus Gußstahl anstelle von Gußeisen oder Bronze brachte die Wende. Dazu kam das persönliche Mitwirken des damaligen Prinzregenten Wilhelm am Zustandekommen dieses Auftrags. K. begann bald mit der Herstellung vollständiger Geschütze und baute neue Werkstätten, um die gewünschte Zahl liefern zu können.

    Die sprunghafte Expansion des Unternehmens in den 1860er Jahren ist daneben auch der Aufnahme der Stahlproduktion nach dem Bessemerverfahren zuzuschreiben. Mit diesem Verfahren konnte man in derselben Zeit die siebzigfache Stahlmenge herstellen. K. hatte bereits 1855 Kontakte zu Bessemer aufgenommen und erwarb als erster das Patent für Deutschland. 1862 nahm das Krupp-Bessemerwerk als erstes dauerbetriebenes auf dem europ. Festland die Produktion auf: Das war der Schritt zur Massenproduktion. Es zeigte sich allerdings, daß der Bessemerstahl die Qualität des Tiegelgußstahls nicht erreichte. Er eignete sich jedoch für andersartig beanspruchte Erzeugnisse wie Schienen und Stahlbleche, die in den folgenden Jahren einen umfangreichen Teil der Gesamtproduktion darstellten. Parallel dazu gelangen beim Tiegelgußstahl immer größere Güsse (z. B. 1865 ein Guß von 35 000 kg aus 1184 Tiegeln), die mit Hilfe des 1861 erbauten, als technisches Wunderwerk bestaunten, von K. selbst entworfenen 50-t-Dampfhammers „Fritz“ geschmiedet werden konnten. Um 1865 wurde zudem die Herstellung von Eisenbahnrädern im Stahlformguß aufgenommen. Die Belegschaft war von 2 108 (1861) auf 8 248 (1865), der Bruttoumsatz in den gleichen Jahren von umgerechnet 4,1 Mill. auf 15,7 Mill. Mark angewachsen. In diesen Jahren der Belegschaftserweiterung baute K. die ersten – damals noch verhältnismäßig kleinen – Arbeiterfamiliensiedlungen. Für unverheiratete Arbeiter hatte er seit 1856 Wohnheime errichtet, die Kost und Unterkunft boten. Die bereits 1836 eingerichtete freiwillige Hilfskasse für Krankheits- und Todesfälle war 1853 in eine Kranken- und Sterbekasse mit Beitrittspflicht umgewandelt worden, zu deren Kostendeckung das Unternehmen seit 1855 einen jährlichen Zuschuß in Höhe von 50 % der Mitgliederbeiträge zur Verfügung stellte. 1855 hatte K. eine Pensionskasse und 1858 eine werkseigene Bäckerei errichtet, aus der später die Konsumanstalt hervorging.

    Die Jahre bis 1873 brachten eine weitere starke Expansion, die durch die Wirtschaftskrise von 1867/68 nur geringfügig unterbrochen, dagegen stark gefördert wurde durch den allgemeinen Aufschwung der Gründerjahre nach dem deutsch-franz. Krieg: Die Belegschaft des Gesamtkonzerns stieg allein von 1871 bis 1873 von 10 400 auf 16 000, der Bruttoumsatz von etwa 29 Mill. auf 40,8 Mill. Mark. Neue Lösungen gab es in dieser Zeit vor allem in den Bereichen der Rohstoffsicherung und der Stahlerzeugung. 1865 erwarb K. vom preuß. Fiskus die Saynerhütte mit der Mülhofener Hütte, in den folgenden Jahren weitere Hütten sowie Hunderte von Erzgruben an der Lahn und im Westerwald. Er pachtete oder kaufte Kohlenzechen und gewann mit der Beteiligung an einer spanischen Erzgrube den Zugang zu phosphorarmen und damit für das Bessemerverfahren geeigneten Erzen. Für deren Transport gründete er eine eigene Reederei in Rotterdam. Damit war der Schritt zum vertikalen Konzern getan. Im metallurgischen Bereich wurde bereits 1869 bei Krupp das Siemens-Martin-Verfahren eingeführt, bei dem mit Einsätzen von Schrott und Roheisen Stahl hergestellt werden konnte, der dem Bessemerstahl qualitativ überlegen war. Er eignete sich für Eisenbahnräder, Achsen, schwere Kurbelwellen u. ä. und ersetzte damit den teuren Tiegelgußstahl in einigen Anwendungsbereichen.

    Relativ schwächstes Glied dieser gesamten Expansion, die neben den genannten Investitionen im Rohstoff- und Produktionsbereich auch den Bau von Arbeiterkolonien umfaßte, war die Finanzierung: K. hatte in hohem Maße Bankkredite aufgenommen, ohne dabei für ausreichende Sicherheiten zu sorgen. So kam es in der Wirtschaftskrise 1874 fast zum finanziellen Zusammenbruch des Unternehmens. K. mußte der Verpfändung der Gußstahlfabrik an ein Bankenkonsortium unter Führung der preußischen Seehandlung zustimmen. Der Berliner Krupp-Vertreter Carl Meyer wurde als Vertrauensmann der Banken in die „Procura“ eingesetzt. Meyer gelang es in den folgenden Jahren, die Finanzen des Unternehmens neu zu ordnen und dabei vor allem Kostensenkungen zu erreichen. Wichtiges Instrument hierfür wurde das 1874 als interne Prüfungsinstanz eingerichtete Rechnungsrevisionsbüro. K., dem das Ausmaß der Gefahr wohl erst nachträglich ganz bewußt wurde, zog sich seitdem noch stärker vom Unternehmen zurück. Dieser Trennungsprozeß war schon in den 1860er Jahren eingeleitet worden, räumlich durch den Umzug der Familie aus dem Fabrikgelände auf den südlich von Essen liegenden „Hügel“, organisatorisch durch das Einsetzen der „Kollektiv-Procura“ als einer von der Person des Inhabers losgelösten Werksleitung. 1872 erließ K. das von ihm selbst entworfene „Generalregulativ“, das umfassende Richtlinien für die Unternehmensführung und -verwaltung enthielt und gewährleisten sollte, daß das Unternehmen auch ohne ihn in seinem Sinn fortgeführt würde.

    Die weitere Entwicklung des Unternehmens bis 1887 verlief ruhiger. Es erholte sich nur langsam von den Folgen der schweren Wirtschaftskrise. Erst 1886 wurde die Belegschaftsstärke von 1874 wieder erreicht. Im Geschützbereich arbeiteten Artilleriefachleute an der Weiterentwicklung von Feld-, Belagerungs- und Schiffsgeschützen. Die Einrichtung firmeneigener Schießplätze ermöglichte ihre von Militärbehörden unabhängige Erprobung. Die Bereiche Maschinenteile, Schiffs- und Eisenbahnmaterial wurden ausgebaut, 1886 das Asthöwersche Stahlwerk in Annen bei Witten angegliedert. Damit war auch der Schritt zum horizontal gegliederten Konzern getan. Im Todesjahr K.s (1887) umfaßte die Belegschaft des Gesamtkonzerns 20 200 Mitarbeiter, davon etwa 13 000 in der Gußstahlfabrik, der Bruttoumsatz betrug im Geschäftsjahr 1887/88 47,5 Mill. Mark. K.s Führungsverhalten hatte mit zunehmendem Alter an Klarheit verloren. So wies er auf der einen Seite unter Berufung auf das Generalregulativ die „Procura“ an, selbständig zu handeln, auf der anderen Seite aber schrieb er ungezählte Notizen an seine leitenden Mitarbeiter, um ihnen seine Gedanken und Anweisungen zur weiteren Entwicklung des Unternehmens, oft auch nur zu Detailfragen, mitzuteilen. Zwar sind die wichtigsten Entscheidungen dieser Jahre nicht ohne seine Zustimmung getroffen worden, zu anderen dringend anstehenden Entscheidungen konnte er sich jedoch nicht mehr durchringen. Das gilt z. B. für die Einführung des Thomasverfahrens, nachdem das von Kruppschen Metallurgen entwickelte Verfahren zur Stahlgewinnung aus phosphorhaltigen Erzen sich als nicht wirtschaftlich erwies. Das gilt auch für die aus wirtschaftlichen Gründen dringend notwendig gewordene standortmäßige Verbindung von Verhüttung und Stahlerzeugung. K. hat persönlich die Gewinnung fähiger Staatsbeamter wie Wilhelm Gußmann (1839–1906), Ludwig Klüpfel (1843–1910) und Hanns Jencke für das Unternehmen angeregt. Auf der anderen Seite aber hat er sich in zunehmendem Maße bei seinen Aktivitäten innerhalb des Werkes und nach außen des Verhandlungs- und Vermittlungsgeschicks seines Sohnes Friedrich Alfred bedient. In seinem Testament wirkte er mit der Festlegung des ungeteilten Übergangs des Unternehmens an jeweils einen Erben über drei Generationen (Fideikommiß) und mit der Verpflichtung, die Erträgnisse nicht zur persönlichen Bereicherung, sondern „zur Erweiterung des Werkes und zum Wohle des Ganzen“ zu nutzen, bestimmend auf die Zukunft des Unternehmens ein.

    Insgesamt gesehen hat K. ein in hohem Maße wettbewerbsfähiges Unternehmen geschaffen. Dieser Erfolg wurde zum einen durch die für die industrielle Entwicklung günstigen allgemeinen Bedingungen im 19. Jh. ermöglicht. Eine weitere Erfolgsbedingung war die unternehmerische Leistung, die die Marktsituation zu nutzen verstand und die Einflußfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit in den Bereichen Produktion, Beschaffung von Produktionsfaktoren und Absatz erfolgreich zu gestalten vermochte. Im Produktionsbereich hat K. entscheidendes Gewicht auf Verfahrens- und Produktinnovation gelegt. Insbesondere bei der Stahlerzeugung hat er überwiegend die jeweils neueste Entwicklung aufgegriffen. Er fand differenzierte Anwendungsmöglichkeiten für die unterschiedlichen Stahlqualitäten. Es gelang ihm, immer neue Erzeugnisse in sein Fertigungsprogramm aufzunehmen und dabei häufig bis zu den in der Regel ertragreicheren Endprodukten vorzustoßen. Damit verfügte er letztlich über eine Produktpalette, die – abgesehen von konjunkturbedingten Schwankungen – eine relativ gleichmäßige Beschäftigung erlaubte. Die Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses wurde erreicht durch die Verwendung moderner Technologien und durch den systematischen Ausbau der Arbeitsorganisation.

    K. hat die Beziehung zwischen wirtschaftlicher Großfertigung und einem – auch aufgrund der intensiven Konkurrenz notwendigen – weiträumigen Absatzgebiet frühzeitig erkannt. Unter den Kunden gewannen dabei seit Ende der 1840er Jahre die Eisenbahngesellschaften im In- und Ausland besondere Bedeutung. Mit den ersten größeren militärischen Lieferungen an Preußen begann eine Entwicklung, die einen Teil der Produktion des Unternehmens für viele Jahrzehnte prägen sollte. Zu diesen militärischen Aufträgen Preußens und später des Deutschen Reichs|kamen – mit Wissen der deutschen Behörden – Lieferungen auch an ausländische Staaten. – Die Erfolge im Absatzbereich sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: Eine bereits früh garantierte hohe Produktqualität, werbewirksame Repräsentation auf den Industrieausstellungen im In- und Ausland sowie bewußt gepflegte Beziehungen insbesondere zum preußisch-deutschen Herrscherhaus.

    Bei der Sicherung und optimalen Gestaltung der Produktionsfaktoren Rohstoffe und Energie, Arbeitskraft und Kapital ist K. nicht immer gleichermaßen erfolgreich gewesen. Gelungen sind ihm seine Bemühungen im Rohstoff- und Energiebereich, vor allem durch die Übernahme von Kohle- und Erzgruben. Gelungen ist ihm auch die Sicherung der Arbeitskräfte. K. hat sich von Anfang an um die Schaffung und Erhaltung einer festen und hochqualifizierten Stammarbeiterschaft bemüht, ohne die er die angestrebte hohe Produktqualität nicht garantieren konnte. Er hat – mit Erfolg – versucht, die Arbeiter in den Betrieb zu integrieren, um so eine „Gemeinschaft der Kruppianer“ mit beiderseitiger Verpflichtung zu schaffen. Die Maßnahmen im sozialen und im Arbeitsbereich sind – hauptsächlich ihrer Motive wegen – oft kritisiert worden; K. bezweckte mit ihnen in erster Linie die Sicherung des Unternehmenserfolgs. Wichtiger als die Motive sind für die Beurteilung der sozialen Maßnahmen aber deren Wirkungen. K. hat seine Arbeiter durch das Verbot gewerkschaftlicher und sozialdemokratischer Betätigung sowie – in den Krupp-Siedlungen – der Lektüre sozialdemokratischer Zeitungen auch außerbetrieblich reglementiert und dadurch ihren politischen und privaten Bewegungsspielraum eingeengt. Auf der anderen Seite hat er den Arbeitern ein nur durch den Unternehmenserfolg ermöglichtes überdurchschnittliches Maß an materieller Sicherheit gegeben und dadurch auch ihre Integration in die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung erleichtert. Die Zahl der Streiks blieb daher bei Krupp auch verhältnismäßig niedrig. Die hauptsächlichen Maßnahmen zur materiellen Sicherung der Belegschaft waren: Die Zahlung überdurchschnittlicher Löhne; die Beschäftigung der Stammarbeiterschaft auch in Krisenzeiten und selbst dann, wenn dies sehr große – zuweilen auch private – finanzielle Anstrengungen erforderte; ein umfassendes, für die betriebliche und z. T. auch die staatliche Sozialpolitik beispielgebendes System betrieblicher Sozialeinrichtungen.

    Die Beschaffung von Kapital war wohl das schwächste Glied innerhalb der unternehmerischen Leistung K.s. Die Finanzierungsprobleme bei Krupp waren z. T. deshalb so groß, weil sich im 19. Jh. erst allmählich ein Kapitalmarkt entwickelte, der den Bedürfnissen einer stark expandierenden Wirtschaft auch in Krisenzeiten gewachsen war. Hinzu kam aber bei K. in besonderem Maße ein Hang zu sehr risikoreichen Finanzierungen ohne Rücksicht darauf, ob Teilhaber und Banken diese Politik in Krisenzeiten stützen würden. Zur Finanzierung der umfangreichen Investitionen in Produktionsanlagen und in soziale Einrichtungen sowie für den Erwerb anderer Unternehmungen standen in der Regel nur verhältnismäßig geringe Eigenmittel zur Verfügung. Die restliche Finanzierung sicherte K. teils durch die Aufnahme stiller Teilhaber, teils durch kurzfristige Bankkredite. In Krisenzeiten erwiesen sich diese Quellen häufig als nicht erweiterungsfähig. Da auch größere Rücklagen fehlten, kam es mehrfach zu Engpässen, die den Bestand des Unternehmens ernsthaft gefährdeten.

    Seinen Erfolg verdankt K. seiner Risikobereitschaft und Zähigkeit, dem Blick für erfolgversprechende technische Entwicklungen und Märkte sowie für qualifizierte Mitarbeiter. Er hat sich nahezu ausschließlich seinem Unternehmen gewidmet und niemals Funktionen im öffentlichen oder Verbandsbereich übernommen. Er lehnte die ihm von den nationalen Parteien angetragene Kandidatur für den Reichstag mit den Argumenten ab, daß er kein Politiker sei, sondern durch „Wort, Tat und Beispiel der Wohlfahrt des Landes“ dienen wolle.|

  • Auszeichnungen

    KR (1858), GKR (1861);
    Ehrenmitgl. d. VDI u. d. Londoner „Iron and Steel Institute“;
    Roter Adler-Orden 2. Kl. mit Eichenlaub, Orden d. Ehrenlegion.

  • Literatur

    (s. a. L zur Einl.) ADB 55;
    E. Schröder, in: Rhein.-Westfäl. Wirtsch.biogrr. V, 1953, S. 46-78 (P);
    A. K.s Briefe, hrsg. v. W. Berdrow, 1928 (P);
    ders., A. K., 2 Bde., 1927 (P);
    A. K., d. Treuhänder e. dt. Fam.unternehmens, Jb. d. Arbeitsgemeinschaft rhein. Gesch.ver., hrsg. v. G. Kallen IV, 1938 (P);
    W. Boelcke (Hrsg.), K. u. d. Hohenzollern, Aus d. Korr. d. Fam. Krupp 1850-1916, 1Berlin (DDR) 1956, ²u. d. T.: Krupp u. d. Hohenzollern in Dokumenten, Krupp-Korr. mit Kaisern, Kabinettschefs u. Ministern 1850-1918, hrsg. u. eingel. v. W. A. Boelcke, Frankfurt/M. 1970.

  • Autor/in

    Renate Köhne-Lindenlaub
  • Zitierweise

    Köhne-Lindenlaub, Renate, "Krupp, Alfred" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 130-35 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118567241.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Krupp *)Zu Bd. LI, S. 410.: Alfred K., der große Stahlindustrielle, wurde als ältester Sohn des Folgenden am 26. April 1812 in Essen geboren. Das Geburtshaus ist Flachsmarkt Nr. 3. Die Geburt des Sohnes fällt in die Zeit, da Friedrich K. „alle Sorten feinen Stahl, auch Guß-, Rund- und Triebstahl“ anzufertigen begann. So günstig die Zeit durch die von Napoleon verhängte Continentalsperre auch war, ebenso schwierig gestalteten sich die Jugendjahre für Alfred K., da die Versuche des Vaters fehlschlugen und alles Vermögen verzehrt wurde. Mit der Uebersiedelung der Familie von Essen nach der „Gußstahlfabrik“ wurden die Zeiten am schwersten. Im J. 1873 schrieb K. unter das Bild der damaligen Wohnung, das er unter seine Arbeiter vertheilen ließ:

    „Vor fünfzig Jahren war diese ursprüngliche Arbeiterwohnung die Zuflucht meiner Eltern. Möchte jedem unserer Arbeiter der Kummer fern bleiben, den die Gründung dieser Fabrik über uns verhängte. 25 Jahre lang blieb der Erfolg zweifelhaft, der seitdem allmählich die Entbehrungen, Anstrengungen, Zuversicht und Beharrlichkeit der Vergangenheit endlich so wunderbar belohnt hat. Möge dieses Beispiel Andere in Bedrängniß ermuthigen, möge es die Achtung vor kleinen Häusern und das Mitgefühl für die oft großen Sorgen darin vermehren. Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein, dann bringt Arbeit Segen, dann ist Arbeit Gebet. Möge in unserem Verbande Jeder vom Höchsten zum Geringsten mit gleicher Ueberzeugung sein häusliches Glück dankbar und bescheiden zu begründen und zu befestigen streben; dann ist mein höchster Wunsch erfüllt.

    Essen, Februar 1873. Alfred Krupp.

    25 Jahre nach meiner Besitzübernahme.“

    In den ersten Jahren seiner Schulzeit hatte Alfred K. noch ein Reitpferd, dann aber ging es mit den Verhältnissen des Vaters immer mehr abwärts. Schon am 4. October 1825, als Alfred 13½ Jahr alt war, nahm ihn der Vater zu sich ins Geschäft, nachdem ihn sein Buchhalter und sein Factor verlassen hatten. Tagsüber ging der Junge auf die Quarta des Gymnasiums zu Essen. Es war beabsichtigt, Alfred eine Lehre auf der Düsseldorfer Münze durchmachen zu lassen, doch die zunehmende Kränklichkeit des Vaters und die|immer größer werdenden Geldsorgen verhinderten das Vorhaben. Zu Ostern 1826 mußte Alfred das Gymnasium ganz verlassen, um die Leitung des Werkes zu übernehmen. Vier ständige Arbeiter zählte damals die Fabrik. Nach dem Tode von Friedrich K. erließ dessen thatkräftige Wittwe in einigen rheinischen Zeitungen folgende Empfehlung:

    „Den geschätzten Handlungsfreunden meines verstorbenen Gatten beehre ich mich die Anzeige zu machen, daß durch sein frühes Hinscheiden das Geheimniß der Bereitung des Gußstahls nicht verloren gegangen, sondern durch seine Vorsorge auf unseren ältesten Sohn, der unter seiner Leitung schon einige Zeit der Fabrik vorgestanden, übergegangen ist, und daß ich mit demselben das Geschäft unter der früheren Firma 'Friedrich Krupp' fortsetzen und in Hinsicht der Güte des Gußstahls, sowie auch der in meiner Fabrik daraus gefertigten Waaren nichts zu wünschen übrig lassen werde. Die Gegenstände, welche in meiner Fabrik gefertigt werden, sind folgende: Gußstahl in Stangen von beliebiger Dicke, desgl. in gewalzten Platten, auch in Stücken, genau nach Abzeichnungen oder Modellen geschmiedet, z. B. Münzstempel, Stangen, Spindeln, Tuchscheerblätter, Walzen u. dergl., wie solche nur verlangt und aufgegeben werden, sowie auch fertige Lohgerberwerkzeuge.

    Gußstahlfabrik bei Essen, im October 1826.

    Wittwe Therese Krupp, geb. Wilhelmi.“

    In einer späteren Kundgebung an seine Arbeiter schrieb Alfred K.: „Vor 45 Jahren stand ich in den ursprünglichen Trümmern dieser Fabrik, dem väterlichen Erbe, mit wenigen Arbeitern in einer Reihe. Der Tagelohn war damals von 18 Stüber auf 7½ Groschen erhöht, der ganze Wochenlohn betrug 1 Thaler 15 Silbergroschen. Fünfzehn Jahre lang habe ich gerade so viel erworben, um den Arbeitern ihren Lohn ausbezahlen zu können, für meine eigene Arbeit und Sorgen hatte ich weiter nichts, als das Bewußtsein der Pflichterfüllung.“ Weiter berichtet er über jene schlimmste Zeit seines Lebens: „In das kleine Häuschen zogen wir, als mein Vater sein großes Vermögen durch die erstrebte Fabrikation verloren hatte, als ich zehn Jahre alt war und seit dem siebenten mein Reitpferd hatte. 1826, als mein Vater, 39 Jahre alt, von Kummer gebrochen starb, als meine Kameraden nach Tertia kamen und ich vierzehn Jahre alt war, sollte ich laut Testament für Rechnung meiner Mutter die Fabrik fortsetzen, ohne Kenntniß, Erfahrung, Kraft, Mittel, Credit. Bei schwerer Arbeit, oft Nächte hindurch, lebte ich bloß von Kartoffeln, Kaffee, Butter und Brot, ohne Fleisch, mit dem Ernst eines bedrängten Familienvaters, und 25 Jahre lang habe ich ausgeharrt, bis ich endlich bei allmählich steigernder Besserung der Verhältnisse eine leidliche Existenz errang. Meine letzte Erinnerung der Vergangenheit ist diese lange dauernde, drohende Gefahr des Unterganges und die Ueberwindung durch Ausdauer, Entbehrung und Arbeit, und das ist es, was ich jedem jungen Manne zur Aufmunterung sagen möchte, der nichts hat, nichts ist und was werden will.“

    1832 hatte K. es bis auf zehn Arbeiter gebracht. Aber er mußte noch, um seinen Fabrikaten Absatz zu verschaffen, persönlich die Reckhämmer der Umgegend besuchen, und um schnell Geld zu bekommen, brachte er seine Münzstempel meist persönlich nach Düsseldorf zur Münze; denn die Fabrikcasse war so schwach, daß sie nicht immer das Porto der einlaufenden Briefe zu zahlen vermochte. Im J. 1838—39 erfand K. eine Gußstahlwalze, um Löffel aus Gold, echtem oder unechtem Silber herzustellen, doch erst Anfang der 40 er Jahre konnte er sich mit der Erfindung ernstlich beschäftigen. Nicht nur in den deutschen Staaten, sondern auch in England, Frankreich und Oesterreich|bekam er Patente darauf. Der Verkauf des englischen Patentes brachte ihm so viel ein, daß er nicht allein die alten Schulden, die auf dem Werk hafteten, zum größten Theil abtragen konnte, sondern daß er auch den Betrieb auszudehnen vermochte. Um seine Erfindung in Deutschland einzuführen, trat das angesehenste Bankhaus seiner Gegend, die Elberfelder Firma von der Heydt, Kersten & Co. an ihn heran, um sich mit ihm zu vereinigen, machte jedoch zur Bedingung, daß die Fabrikation nach Elberfeld verlegt werde. Hierein konnte K. nicht willigen, denn er hätte das Essener Werk aufgeben müssen. Später beklagte K. sich, daß der Theilhaber des Elberfelder Bankhauses, der preußische Finanz- und nachherige Handelsminister August von der Heydt, ihm in Berlin so wenig entgegengekommen sei, als es sich um die Einführung der Gußstahlgeschütze handelte, weil er zeitlebens nachgetragen habe, daß aus der gemeinsamen Verwerthung der Löffelwalze damals nichts geworden sei. In dem Kaufmann Alexander Schöller, einem geborenen Dürener, der seit 1833 in Wien eine Großhandlung betrieb, fand K. einen Theilhaber zur Verwerthung seiner Löffelwalze. Aus dieser Vereinigung entstammt die heutige Metallwaarenfabrik zu Berndorf, die Krupp's jüngerer Bruder Hermann leitete.

    Das Wachsen des Essener Werkes seit den vierziger Jahren ist am Schluß dieses Artikels aus der Statistik zu ersehen. Im Verkehr mit den bedeutendsten Technikern und Industriellen und auf Reisen, die ihn bis nach England führten, erweiterte Alfred K. seine Kenntnisse. Auf die Erfindung der Gußstahlgeschützrohre kam K. durch Anfragen und Versuche zu Gußstahlgewehrläufen. Bedenkt man, daß K. der bedeutendste deutsche Industrielle war und daß sein Werk eine große nationale Bedeutung hat, so ist es kaum zu verstehen, daß, was ich hier aussprechen muß, die verschiedenen Krupp-Biographien inbezug auf die Einführung der Gußstahlgeschütze gänzlich versagen und nur widersprechende und mit den Acten nicht übereinstimmende Daten geben.

    Aus den Acten, die ich benutzte, konnte ich feststellen, daß eine Anfrage auf Probesendung von Gewehrläufen aus Gußstahl an Stelle der bisherigen eisernen bereits 1836 aus München erfolgte. Doch erst 1843 wandte K. sich mit von ihm gefertigten Gewehrläufen aus Gußstahl nach Saarn und darauf nach Suhl, Potsdam und im J. 1844 an das Deutzer Artilleriedepot. Am 1. März 1844 wandte K. sich an den preußischen Kriegsminister in Berlin um Einführung gußstählerner Flintenläufe. Von Berlin aus wurde K. abschlägig beschieden. Ob ihm aber eine Mustersendung von Flintenläufen, wie man allgemein liest, uneröffnet zurückgeschickt wurde, konnte ich nicht feststellen. Ende 1843 oder Anfang 1844 wandte K. sich nach Paris und soll beim dortigen Kriegsminister gute Resultate mit den neuen Läufen erzielt haben. Sehr zu bedauern ist es, daß im königlichen Zeughaus zu Berlin ein Geschütz als Krupp’sche Kanone vom Jahre 1843 bezeichnet ist. In der That ist sie ein etwa dreipfündiger glatter Hinterlader der Firma Wahrendorff aus Schweden. Ihr Material ist Gußeisen und nicht Gußstahl.

    Aus dem ersten Briefe Krupp's an den Kriegsminister vom 1. März 1844 geht hervor, daß K. von dem Gedanken ausging, an Stelle des Schmiedeeisens der Gewehrläufe und der Bronce der Kanonen ein einziges Material, den Gußstahl zu setzen. „Es ist mir dann gelungen“, berichtet K. in der Eingabe, „einen Gußstahl herzustellen, der die Eigenschaften der Festigkeit, Reinheit und Dehnbarkeit vereinigt im höheren Grade besitzt, als irgend ein anderes Metall, und daraus Gewehrläufe mit Mündung versehen, aus einem massiven Körper, ohne Schweißen, anzufertigen.“ Diesem Schreiben an den Kriegsminister lag ein Gewehrlauf, „der nach obiger Angabe ausgeschmiedet und dann im erkalteten Zustande krumm geschlagen wurde“, bei. K. stellte dem Kriegsminister anheim, den Lauf zur Prüfung der Güte des Materials wieder kalt zu strecken und versichert, daß derselbe nicht brechen werde. K. stützt sich dabei auf die Thatsache, daß bereits in der königlichen Artillerie-Werkstatt zu Deutz ein solcher Lauf versucht und für gut befunden worden sei. Auch habe die königliche Gewehrfabrik zu Saarn einen seiner Gußstahlläufe fertig gemacht; „zum strengeren Versuch der Festigkeit des Materials ist derselbe bis auf die Hälfte der vorschriftsmäßigen Metallstärke abgefeilt und die gewöhnliche Schießprobe bis zu 6 Loth Pulverladung erhöht worden. Endlich erhielt der Lauf stellenweise Erweiterungen, jedoch ohne zu zerreißen“. K. berechnete „das rohe Metall pr. Pfd. auf 7½ Sgr.; geschmiedete Läufe bei großer Production auf 12½ Sgr. pr. Pfd. und geschmiedete Kanonen auf 14 bis 15 Sgr. pr. Pfd.“. Ein Prüfungsbericht über das Krupp’sche Material, datirt Deutz, den 10. Jan. 1844, sagt, daß „zu Gewehr- und namentlich zu Büchsenläufen dieser Stahl (abgesehen von den Kosten) unbedingt den Vorzug haben“ würde.

    Nach längeren Verhandlungen mit dem königlichen Kriegsdepartement unterbreitete K. diesem 1847 den weiteren Vorschlag, einen 3-Pfünder zur eingehenden Prüfung zur Verfügung zu stellen, der aus einem dünnwandigen gußstählernen Kernrohr bestand, das in einem gußeisernen Schaft (Mantel) eingelagert war, um das Rohr schwerer zu machen und mit Schildzapfen versehen zu können. Zur Verbindung beider diente eine stählerne Bodenschraube, deren Kopf sich in Form einer bei glatten Kanonen üblichen Traube gegen die Bodenfläche des Mantels legte. Gegen seitliche Verschiebungen sicherte eine Stiftschraube, die in den Boden des Kernrohres eingriff. Das Kernrohr der fertigen Kanone wog 299, das Gesammtgewicht einschließlich Bodenschraube betrug 490 Pfund.

    Die Versuche, 1848 wegen Kriegsgefahr verschoben, fanden im Juni 1849 statt. „Bei 200 scharfen Schüssen (Kugelgewicht 2 Pfd. 21 Lth., Ladung 1¼ Pfd. Gesch. P.) tadelloses Verhalten des Materials; bei Gewaltsprengversuchen Rohr schließlich bei 3 Kugeln und 8 facher Ladung zu Bruch gegangen. Vorzüge des Gußstahls gewürdigt; aber Zweifel erhoben, ob Fabrik im Stande sein würde, Stahl von gleichartiger Beschaffenheit in größeren Mengen herzustellen.“ Erst am 4. September 1849 erfolgte seitens Krupp's an die Artillerie-Prüfungscommission das Angebot, einen 6-Pfünder nach derselben Construction, aber mit Broncemantel zu liefern. Veranlassung zu diesem Angebot war wohl die besonders kräftige Zerlegung des Gußeisenmantels beim Springen des Geschützes.

    Im J. 1850 stellte K. ein Geschütz her, das aus gußstählernem Kernrohr mit gußeiserner Ummantelung gebildet war. Es erregte im folgenden Jahr auf der Londoner Weltausstellung großes Aufsehen. Gegenwärtig steht es als „blanker Gußstahl-Sechspfünder in Lafette von braun polirtem Holz“ im Berliner Zeughaus. Auf der erwähnten Londoner Weltausstellung konnte K. auch einen Gußstahlblock von 4300 Pfund zum Staunen der ganzen Stahlindustrie zeigen.

    Die Londoner Ausstellung machte K. bekannt und es liefen Bestellungen auf Eisenbahn-, Schiffs- und Maschinenmaterial ein. Am 21. März 1853 wurde K. ein achtjähriges preußisches Patent auf nahtlos geschweißte Radreifen für Eisenbahnräder ertheilt. Aus diesem Patent schöpfte K. jahrelang die Mittel zu seinen artilleristischen Versuchen. Am 16. Juni des Jahres 1853 besuchte der Prinz von Preußen, nachmaliger Kaiser Wilhelm I., die Krupp’sche Fabrik. Auf den 17. Februar des folgenden Jahres fällt die Geburt des Friedrich Alfred Krupp, mit dessen Tod (1902) die männliche Linie erlosch. Damals trat besonders der bairische Oberst Weber, Director der Geschützgießerei|zu Augsburg, in Dingler's Polytechnischem Journal (1855) für die Einführung der Krupp’schen Gußstahlgeschütze auf, und auf der im gleichen Jahre zu Paris stattfindenden Weltausstellung kam eine zwölfpfündige Granatkanone zur Geltung. Gleichzeitig konnte K. einen Gußstahlblock vorführen, der 5000 kg wog. Napoleon III. aber ernannte K. zum Ritter der Ehrenlegion. Daß sogar eine Bestellung auf 300 Stück Geschütze seitens Frankreichs erfolgte, die aber wegen einer herrschenden Geldkrisis zurückgezogen worden und dadurch nicht zur Ausführung gekommen sei, ist nicht richtig. Ruhland, Holland, Württemberg, die Schweiz, Hannover, Spanien, Oesterreich und England machten Versuche mit Geschützen. Aegypten aber war das erste Land, das Bestellungen machte: in den Jahren 1856—59 kamen 36 Geschütze dorthin zur Ablieferung. Nach Versuchen mit Sechspfündern von K. wurden am 7. Mai 1859 300 Feldgeschütze von Preußen bestellt. Ob der damalige Prinzregent, spätere Kaiser Wilhelm I., die ursprüngliche Zahl „einhundert“ in „dreihundert“ geändert hat, wie man allgemein liest, möchte ich auf Grund des eingesehenen Actenmaterials hier als zweifelhaft hinstellen, ohne daß ich in der Lage wäre, die Frage endgültig zu entscheiden. Die 300 Geschütze (9 cm-Geschütz c/61) kamen 1861 zur Ablieferung an Berliner Fabriken, die mit der Fertigstellung der von K. geschmiedeten und vorgedrehten Rohre beauftragt waren.

    Am 19. September 1861 kam der berühmte Dampfhammer „Fritz“ bei K. zur Aufstellung. Anfänglich hatte er ein Fallgewicht von 42 500 kg, später wurde es auf 50 000 kg erhöht. Die Kosten hatten 1800 000 Mk. betragen. Am 9. October desselben Jahres konnte K. diese riesenhafte Maschine dem preußischen König vorführen. Im folgenden Jahr stellte K. auf der zweiten Londoner Weltausstellung aus, und dem preußischen Kriegsministerium sandte er eine Sammlung seiner neu construirten Keilverschlüsse, die heute noch im Berliner Zeughaus vorhanden ist. Neben der Geschützfabrikation, die von jetzt ab ständig an Umfang zunahm, wurden auch die übrigen Werkbetriebe vergrößert. 1862 entstammt das Bessemer Werk, 1864 das Schienen- und Blechwalzwerk, und im folgenden Jahre wurden die ersten Gruben- und Hochöfen gekauft, sowie in der Fabrik in Essen der erste Schießstand angelegt. 1868 kaufte K. die erste Zeche, „Hannover“, und im folgenden Jahre wurde der Martin-Proceß zur Stahlbereitung eingeführt. Der Meppener Schießplatz wurde 1876—78 angelegt.

    Zwischen der Einführung des prismatischen Pulvers im J. 1867 und der des rauchschwachen Pulvers im J. 1889 liegt die bedeutendste Zeit der Entwicklung des Krupp’schen Werkes in Essen. An auswärtigen Besitzungen kamen hinzu: 1886 das Gußstahlwerk in Annen, 1893 das Grusonwerk in Magdeburg, 1896 die Schiffswerft und Maschinenfabrik „Germania“ in Kiel und Berlin, 1897 Inbetriebnahme der Hochofenanlage „Rheinhausen", 1899 die Zeche „Hannibal“, 1901 Erwerb des Alleineigenthums der Zeche „Vereinigte Sälzer-Neuack“.

    Im dänischen Krieg (1864) waren acht 8-cm-Gußstahlgeschütze im Feld, außerdem 30 Krupp’sche 9-cm-Geschütze. Insgesammt hatte Preußen damals 110 Geschütze mit in den Feldzug genommen, worunter also 72 glatte Broncekanonen. An der Alsener Föhrde bei Fridericia und vor Düppel standen die Krupp’schen Geschütze im Feuer. Diese Geschütze sowohl wie die im deutschösterreichischen Krieg von 1866 verwendeten Krupp’schen Rohre waren in Berliner Werkstätten aus Krupp’schem Rohmaterial angefertigt worden. Die geringe Entfaltung der Artillerie in dem Feldzug gegen Oesterreich hatte Bedenken gegen den gezogenen Hinterlader aufkommen lassen, und sie schwanden erst vollständig, als sich das Krupp’sche Rohmaterial im deutsch-französischen|Kriege bewährt hatte. Denn auch in diesem Feldzug war die Artillerie nur mit Fabrikaten versehen, die K. vorgearbeitet und die Berliner Werkstätten fertiggestellt hatten. Als Merkwürdigkeiten galten zwei auf Karren montirte Ballongeschütze, die K. ins Feld geschickt hatte und die sich heute im Berliner Zeughause befinden.

    Am 24. Februar 1873 feierte K. das 25jährige Jubiläum als Fabrikinhaber. Er zählte damals 11671 Köpfe seiner Untergebenen, d. i. ⅙ der Einwohnerzahl von Essen. Als sein Sohn Friedrich Alfred am 29. April 1882 in die oberste Verwaltung des Werkes eingetreten war, zog Alfred K. sich immer mehr von der Leitung zurück. Im Frühjahr 1887 machte sich ein Verfall der Kräfte bemerkbar und am 14. Juli erreichte ihn auf seiner Villa Hügel der Tod. Es ist wohl kaum eine Zeitung, noch eine Fachzeitschrift der Metallindustrie, die damals nicht eingehende Würdigungen des Lebens dieses großen Industriellen gebracht hat, der aus geringen Anfängen und unter den schwierigsten Verhältnissen eine kleine Fabrik zu einem der größten Werke der ganzen Erde erhoben. —

    Statistik: Nach den letzten von der Firma Friedrich Krupp Actien-Gesellschaft (Inhaberin der Actien ist seit dem 1. Juli 1903 die älteste Tochter von Friedrich Alfred K., Bertha, vermählte Krupp von Bohlen und Halbach) herausgegebenen statistischen Angaben zeigt das Werk bis heute folgende Entwicklung:

    Das Werk gliedert sich in folgende Einzelbetriebe: 1. die Gußstahlfabrik in Essen mit Schießplätzen in Meppen und Tangerhütte, mit Kohlenzechen „Vereinigte Sälzer und Neuack“ in Essen, „Hannover“ bei Bochum, „Hannibal“ bei Bochum, mit zahlreichen Eisensteingruben in Deutschland, darunter 10 mit größeren Tiefbauanlagen, mit der Eisensteingrube bei Bilbao in Spanien, mit den Hüttenwerken „Friedrich-Alfred-Hütte“ in Rheinhausen, „Mülhofener Hütte“ bei Engers, „Hermannshütte“ bei Neuwied, mit der Eisengießerei und Maschinenfabrik in Sann und mit einer Rhederei für Seedampfer in Rotterdam; 2. das Stahlwerk in Annen; 3. das Grusonwerk in Magdeburg; 4. die Germaniawerft in Kiel.

    Die Arbeiterzahl betrug 1832 10 Mann, 1833 nur 9 Mann, 1843 waren es 99, im folgenden Jahre 107, 1845 zählte man 122. Im letzteren Jahre zählte die Stadt Essen erst 7840 Einwohner. 1847 zählte die Arbeiterschaft nur 93 Köpfe und sank im Nevolutionsjahr bis auf 72 hinab. 1850 konnte man wieder 237 Mann zählen. 1851 waren es aber nur 192. 1852 war der Ruf des Essener Werkes infolge der Londoner Weltausstellung so bekannt geworden, daß 340 Arbeiter Beschäftigung fanden. Seit dieser Zeit stieg die Zahl der Arbeiter ununterbrochen. Am 1. Juli 1906 betrug die Gesammtzahl der auf den Krupp’schen Werken beschäftigten Personen einschließlich 5290 Beamte: 62 963 Köpfe. Von diesen entfallen auf die Gußstahlfabrik in Essen 35 122 Mann. In der Woche vom 15.—20. Mai 1905 betrug die Gesammtzahl der Krupp’schen Werksangehörigen einschließlich der Frauen und Kinder 182 721. Auf der Essener Gußstahlfabrik findet man 5700 Werkzeug- und Arbeitsmaschinen, 21 Walzenstraßen, 165 Dampfhämmer von 100—50 000 kg Fallgewicht mit zusammen 254 400 kg Fallgewicht, 74 hydraulische Pressen, darunter 2 Biegepressen zu je 7000 t, 1 Schmiedepresse zu 5000 t und 1 zu 2000 t Druckkraft, 356 Dampfkessel, 532 Dampfmaschinen von 2—3500 PS mit zusammen 55 250 PS, 1197 Elektromotore von zusammen 17 809 PS, 684 Kräne von 400—150 000 kg Tragfähigkeit mit zusammen 6 842 850 kg Tragfähigkeit. Der Gesammtverbrauch der Krupp’schen Werke, soweit sie von der Gußstahlfabrik versorgt wurden, betrug|1905 an Kohlen 1 184 136 t (davon die Gußstahlfabrik allein 780 679 t), an Koks 584 354 t, an Briketts 17 160 t. Dies ergibt — Koks und Briketts in Kohle umgerechnet — einen Gesammtverbrauch der Krupp’schen Werke, soweit sie von Essen versorgt werden, von 2 019 392 t. In der Steinkammer und Tiegelkammer der Gußstahlfabrik werden für den eigenen Bedarf täglich etwa 204 100 kg feuerfeste Steine und durchschnittlich 2800—2900 Schmelztiegel hergestellt. Die Wasserversorgung der Gußstahlfabrik mit den dazu gehörigen Colonien und der Besitzung Hügel erfolgt durch 4 getrennte Anlagen, und zwar durch 2 Pumpwerke an der Ruhr, eine Centralwasserstation und einen Wasserschacht in der Gußstahlfabrik. Die Förderung dieser 4 Anlagen betrug im J. 1905 12 888 627 cbm; außerdem wurden der Wasserleitung der Stadt Essen zu Genuß- und Betriebszwecken entnommen 2 690 322 cbm, mithin Verbrauch im J. 1905 15 578 959 cbm. Der jährliche Gesammtverbrauch erreicht nahezu den Wasserverbrauch der Stadt Dresden. Länge der Leitungen zur Vertheilung des Wassers: 231 km Erdleitungen, 153 km Leitungen innerhalb der Gebäude mit 2010 Wasserschiebern innerhalb der Leitung, 521 Hydranten, 565 Feuerhähnen. Das Gaswerk der Gußstahlfabrik lieferte im J. 1905 18 462 700 cbm Leuchtgas (Verbrauch der Stadt Elberfeld in der gleichen Periode 17 552 650 cbm, der Stadt Stuttgart 17 702 120 cbm) für 2 323 Straßenflammen, für 37 062 Flammen in Werkstätten, Bureaus, Wohnungen von Werksangehörigen u. s. w. Gesammtlänge der Erdleitungen etwa 114,6 km, der inneren Leitungen etwa 279 km. Das Gaswerk der Gußstahlfabrik nimmt seiner Production nach die zweite Stelle unter den Gasanstalten des deutschen Reiches ein. Zur Erzeugung und Vertheilung von Elektricität verfügt die Gußstahlfabrik über: 3 Elektricitätswerke mit 3 Maschinenhäusern und 5 Umformer- und 2 Vertheilungsstationen, etwa 50 km unterirdisch verlegte Kabel und etwa 50 km oberirdisch verlegte Lichtkabel zur Speisung von 1651 Bogenlampen, 15 304 Glühlampen und 763 Elektromotoren. Die Elektricitätswerke leisteten im J. 1904/05 9 974 795 Kilowattstunden.

    Zur Vermittelung des Verkehrs auf der Gußstahlfabrik dienen u. a.: 1. ein normalspuriges Eisenbahnnetz mit etwa 68 km Gleise, 17 Tender-Lokomotiven und 716 Wagen; 2. ein schmalspuriges Eisenbahnnetz mit etwa 49 km Gleise, 29 Lokomotiven, 1350 Wagen. Die Gußstahlfabrik hat directen Gleisanschluß an die Stationen der Staatsbahn Essen Hauptbahnhof, Essen Nord und Berge-Borbeck. Die Zu- und Abfuhr der Wagen erfolgt durch diese 3 Stationen mit täglich etwa 50 Zügen. Das Telegraphennetz der Gußstahlfabrik umfaßt 21 Stationen mit 37 Morse-Apparaten und 81 km Leitung und ist in Verbindung mit dem Kaiserlichen Telegraphenamt Essen. Der telegraphische Verkehr zwischen diesem und der Fabrik belief sich im J. 1904/05 auf 24 630 abgegebene und angekommene Depeschen.

    Das Fernsprechnetz umfaßt zur Zeit ca. 500 Anschlüsse mit 460 km Leitung. Durchschnittlich finden täglich 2600 bis 2700 Telephongespräche statt.

    Die Berufsfeuerwehr der Gußstahlfabrik besteht zur Zeit aus 3 Officieren und 119 Chargirten und Mannschaften und ist in drei Wachen eingetheilt. Es befinden sich im Fabrikbezirk und in den Colonien insgesammt 83 Leiterstationen und 574 Hydranten; überdies sind 49 Nothbrunnen vorhanden. In der Probiranstalt der Gußstahlfabrik, sowie in den Versuchsanstalten des Blechwalzwerks, Schienenwalzwerks und der Lafettenwerkstätten wurden im J. 1905 rund 336 000 Proben ausgeführt. In dem chemischen Betriebslaboratorium der Gußstahlfabrik wurden im J. 1905 etwa 54 000 Analysen ausgeführt mit etwa 278 000 erforderlichen Einzelbestimmungen. In der chemischphysikalischen Versuchsanstalt mit chemischer und physikalischer Abtheilung (Metallographie) wurden Untersuchungen wissenschaftlicher und technischer Art ausgeführt. In einem dritten chemischen Laboratorium wird täglich Gas und Wasser untersucht. Auf dem Schießplatz bei Meppen, der eine Ausdehnung von 25 km Länge und 4 km Breite hat, wurden im J. 1905 1038 Versuche ballistischer Art durchgeführt. Hierzu wurden aus 286 Geschützen 11 423 Schuß abgegeben und 42 610 kg rauchschwaches Pulver, sowie 259 173 kg Geschoßmaterial verbraucht. Das beschossene Panzerplattenmaterial repräsentirte ein Gesammtgewicht von 884 451 kg. Die Zahl der auf dem Schießplatz beschäftigten Personen betrug am 1. Juli 1906 240. Auf dem Schießstand in der Gußstahlfabrik selbst wurden im J. 1905 rund 16 000 Schuß theils zu Versuchszwecken, theils zum Anschießen abnahmebereiter Geschütze abgegeben, und dazu verbraucht rund 23 000 kg Pulver und 135 000 kg Geschoßmaterial. Ferner wurden etwa 17000 Stück Gewehrpatronen gegen Specialnahlbleche für Lafettenschilde, Munitionswagen u. s. w. verfeuert. Auf dem Schießplatz Tangerhütte, der 8,1 km lang ist, eine Breite von 52 m im Anfange und eine solche von 121 m am Ende hat, wurden im J. 1905 112 Versuche ballistischer Art durchgeführt. Hierzu wurden aus 265 verschiedenen Geschützen 5681 Schuß abgegeben und 4 554 kg rauchloses Pulver, sowie 125 269 kg Geschoßmaterial verbraucht. Ferner wurden 11 030 Schuß aus Gewehren und Maschinengewehren verfeuert. Auf den drei Schießplätzen zusammen wurden also im J. 1905 33 100 Schuß abgegeben und dazu verbraucht rund 70 000 kg Pulver und 519 400 kg Geschoßmaterial.

    An Wohlfahrtseinrichtungen besitzt die Gußstahlfabrik Krupp folgende: 70 Verkaufsstellen (davon 43 in Essen) für Fleisch, Brot, Colonial-, Manufactur-, Kurz-, Schuh-, Eisenwaaren und Hausgeräthe, 21 Ausgabestellen für Kartoffeln, Kohlen, Stroh u. s. w.; ferner 2 Schlächtereien, 1 Dampfbäckerei, 1 Bäckerei (Handbetrieb), 1 Mühle, 1 Eisfabrik, 1 Bürstenfabrik, 1 Tütenfabrik, 1 Kaffeebrennerei, 2 Schneiderwerkstätten, 1 Schuhmacherwerkstatt, 1 Plättanstalt, 1 Gasthof, 2 Beamtencasinos, 1 Werkmeistercasino, 10 Bierhallen, 8 Bierausgabestellen, 3 Kaffeeschenken. Die Zahl der bei der Consumanstalt Beschäftigten betrug am 1. Juli 1906 über 1000 Personen. Neben der Consumanstalt der Gußstahlfabrik bestehen noch besondere Consumeinrichtungen für das Grusonwerk in Magdeburg und die Germaniawerft in Kiel.

    Die zum Bereich der Gußstahlfabrik in Essen gehörigen Arbeitercolonien sind folgende: Westend, Nordhof, Baumhof, Schederhof, Cronenberg, Alfredshof, Friedrichshof, Altenhof (für invalide und pensionirte Arbeiter) mit zusammen 4491 Wohnungen, einschließlich der in Essen zerstreut liegenden Wohnhäuser. Außerhalb Essens befinden sich Arbeitercolonien: „Am Brandenbusch“ in Bredeney (für die auf der Besitzung Hügel beschäftigten Arbeiter), „Margaretenhof“ für die Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen, auf den Zechen Hannover und Ver. Hannibal, in der Weddau für die frühere Johanneshütte, in Annen für das dortige Stahlwerk, in Gaarden für die Germaniawerft. Die Gesammtzahl der Familienwohnungen der Firma Friedrich Krupp Actiengesellschaft betrug am 1. Januar 1906 6227. Nach der letzten im Mai 1905 vorgenommenen Generalaufnahme wohnten in Krupp’schen Häusern im Bereiche der Gußstahlfabrik: 9614 Angehörige der Firma mit 21 530 Familienangehörigen, zusammen 31 144 Personen. Für unverheirathete Arbeiter bestehen: bei der Gußstahlfabrik: 1 Arbeitermenage mit Wohnung für 613 und Speisung für etwa 2200 Personen täglich (eine Vermehrung der Schlafräume für weitere 550 Personen ist im Gange); 2 Logirhäuser für je 30 Facharbeiter; auf der Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen: 1 Speisehaus mit|Dampfkochapparaten und 3 Schlafhäuser mit zusammen 547 Betten; auf der Hermannshütte und bei der Germaniawerft: je 1 Logirhaus für 112 bezw. 80 Personen. Außer den gesetzlichen Krankencassen bestehen bei der Firma noch eine Reihe von Hülfscassen sowie ähnliche Unterstützungen, so 2 Arbeiterpensionscassen: diejenige der Gußstahlfabrik mit einem Vermögen von annähernd 17¼ Millionen Mk., diejenige auf der Friedrich-Alfred-Hütte und früheren Johanneshütte mit einem Vermögen von 377 700 Mk.; beide Cassen gewähren auch Pensionen an Hinterbliebene. 2 Beamtenpensionscassen: diejenige für die Gußstahlfabrik und ihre Außenwerke mit einem Vermögen von über 7¼ Millionen Mk., diejenige für das Grusonwerk mit einem Vermögen von 1½ Millionen Mk.; 1 Arbeiterhülfscasse und 1 allgemeine Vorschuß- und Unterstützungscasse des Grusonwerkes. Erstere, mit einem Vermögen von 130 000 Mk., gewährt invaliden Arbeitern sowie deren Wittwen laufende Unterstützungen. Aus der letzteren, deren Capital 30 000 Mk. beträgt, erhalten Beamte der Firma in Nothfällen zinsfreie Vorschüsse und Unterstützungen. Weiter folgende vom verstorbenen letzten Inhaber der Firma errichtete Stiftungen: die Arbeiterstiftung und die Invalidenstiftung zur Ergänzung der verschiedenen Cassenleistungen, mit einem Stiftungscapital von zusammen 4,7 Millionen Mk. Die Kaiserin-Augusta-Victoria-Stiftung zur Erleichterung der Aufnahme von Arbeitern im Krupp’schen Erholungshause mit einem Capital von 300 000 Mk. Die F. A. Krupp-Stiftung zur Erleichterung der Aufnahme von Angehörigen der Arbeiter im Krupp’schen Krankenhause mit einem Capital von 40 000 Mk. Endlich noch für die Arbeiter des Grusonwerks: Grusons-Arbeiterstiftung mit einem Capital von 200 000 Mk., und Grusons-Arbeiter-Prämienstiftung mit einem Capital von 100 000 Mk. Auf Grund der Reichsversicherungsgesetze wurden im J. 1904 von der Firma (einschließlich der Außenwerke) bezahlt für die: Krankenversicherung 953 738,96 Mk., Unfallversicherung 1162 058,77 Mk., Invalidenversicherung 373 673,73 Mk., zusammen 2 489 471,46 Mk. Die statutarischen Leistungen der Firma zu gesetzlich nicht vorgeschriebenen Cassen betrugen in demselben Jahre: zu den Unterstützungs- und Familiencassen 12 726,67 Mk., zu den Arbeiter-Pensionscassen 896 055,55 Mk., zu den Beamten-Pensionscassen 220 427,63 Mk., zusammen 1 129 209,85 Mk. Die aus den besonderen Stiftungen und Fonds der Firma geleisteten Unterstützungen einschließlich der Zuschüsse zu verschiedenen Werkscassen und der Aufwendungen zur Förderung allgemeiner Wohlfahrtseinrichtungen und Interessen betrugen im J. 1904 5694 606,15 Mk. Als sonstige Wohlfahrtseinrichtungen der Firma sind zu nennen: bei der Gußstahlfabrik in Essen 1 Krankenhaus, 2 Barackenlazarethe für Epidemien, 1 Erholungshaus für Reconvalescenten, 2 Pfründhäuser in der Colonie Altendorf, 1 Badeanstalt in der Colonie Friedrichshof, 1 für medicinische Bäder eingerichtete Badeanstalt, 1 Dampfwaschanstalt für das Krankenhaus, 6 Speisesäle (einschließlich einer Speiseanstalt in der Arbeitermenage), 1 Beamten-Casino, 1 Werkmeister-Casino, 1 Haushaltungsschule, 1 Industrieschule für Erwachsene, 3 Industrieschulen für schulpflichtige Mädchen, 1 Bücherhalle, 1 Lesehalle in der Colonie Friedrichshof, 1 Spareinrichtung, 1 Lebensversicherungsverein, 1 Zahnklinik; bei dem Grusonwerk: 1 Cantine, 1 Beamten-Casino, 1 Arbeiterküche mit 3 Speisesälen für 1000 Personen. Endlich noch: 1 Speiseanstalt auf der Germaniawerft, sowie 1 Speisesaal auf der Hermannshütte.

    • Literatur

      Benutzte Quellen: Briefliche Mittheilungen der Essener Firma. — Diedrich Baedecker, Alfred Krupp und die Entwicklung der Gußstahlfabrik zu Essen. Essen 1889. — Hermann Frobenius, Alfred Krupp. Dresden|1898. —
      Gust. Koepper, Das Gußstahlwerk Friedrich Krupp und seine Entstehung. Essen o. J. (1897). — Wilhelm Kley, Bei Krupp. Leipzig 1899. —
      Friedrich C. G. Müller, Krupp's Gußstahlfabrik. Düsseldorf o. J. —
      Acten des Kriegsministeriums und der Artillerie-Prüfungscommission zu Berlin. —
      Wo man gegenüber meinen Angaben Widersprüche findet, namentlich in anderen Schriften über Krupp, dürfte diese Biographie ausschlaggebend sein, da sie auf Veranlassung von Frau Geheimrath F. A. Krupp auf dem litterarischen Bureau der Gußstahlfabrik vor dem Druck gelesen und ergänzt wurde. Leider fehlt es noch an einem Quellenwerk über Krupp und seine nationale und technologische Bedeutung. — Eine Krupp-Bibliographie enthält das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ Nr. 34 und 35, 1903 aus der Feder von T. Kellen, Redacteur der Essener Volkszeitung.

  • Autor/in

    F. M. Feldhaus.
  • Zitierweise

    Feldhaus, Franz Maria, "Krupp, Alfred" in: Allgemeine Deutsche Biographie 55 (1910), S. 528-537 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118567241.html#adbcontent

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