Lebensdaten
1788 – 1871
Beruf/Funktion
Philosoph ; Literaturhistoriker ; Politiker ; Professor der Philosophie in Gießen ; Präsident der hessischen Abgeordnetenkammer ; hessischer Oberstudienrat
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 116811919 | OGND | VIAF: 20441432
Namensvarianten
  • Hillebrand, Josef
  • Hillebrand, Joseph
  • Hillebrand, Josef
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Hillebrand, Joseph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116811919.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Hillebrand: Joseph H., Philosoph und Litteratur-Aesthetiker, geb. 1788 in Großdüngen bei Hildesheim, am 25. Januar 1871 in Soden, Sohn eines Landmannes, wurde als talentvoller Junge von seinen Eltern zum katholischen Geistlichen bestimmt und somit in die Lateinschule und das Klerikalseminar zu Hildesheim gebracht, worauf er, unterstützt von der damaligen westphälischen Regierung, die Universität Göttingen bezog, wo er classische Philologie und orientalische Sprachen studirte. Bon dort zurückgekehrt empfing er die Priesterweihe und wurde alsbald (1815) als Lehrer am Josephinum zu Hildesheim angestellt. Zur selben Zeit aber faßte er eine stets wachsende Abneigung gegen das Dogma seiner Kirche und trat zum Protestantismus über, womit von selbst der Verlust jener Lehrstelle verbunden war. Er nahm nun eine Hofmeisterstelle bei einer belgischen Familie an, und während er sich mit seinen Zöglingen in Würzburg aufhielt, empfing er von Heidelberg aus den Antrag, dort eine außerordentliche Professur zu übernehmen. Im November 1817 hielt er daselbst seine Antritts-Vorlesung, und als nach Jahresfrist (Herbst 1818) Hegel von Heidelberg nach Berlin abging, wurde H. zum Ordinarius ernannt. Im J. 1822 folgte er einem Rufe nach Gießen als ordentlicher Universitätslehrer der Philosophie und zugleich Director des dortigen Gymnasiums mit dem Titel eines Pädagogiarchen: die Thätigkeit am Gymnasium mußte er einigermaßen beschränken, als er (1834) zum hessischen Oberstudienrathe ernannt wurde. An der Universität wirkte er als ein beliebter und einflußreicher Lehrer und stand auch in lebhaftem persönlichen Verkehre mit Studirenden und jüngeren Docenten. Seine Vorlesungen über deutsche Litteratur machten ihn auch in weiteren Kreisen bekannt, sowie ihm zugleich die Ehrenhaftigkeit seines Charakters das allgemeine Vertrauen erwarb. So kam es, daß er 1847 in Gießen als Abgeordneter in die hessische Kammer gewählt wurde und dort bald den Präsidentenstuhl einnahm. In den mannigfachen Wirren und Schwierigkeiten der sehr bewegten politischen Verhältnisse stand er fest und entschieden auf Seite der Liberalen, worin die Veranlassung lag, daß er von dem Minister Dalwigk, durch welchen seit Juli 1850 eine Periode der schärfsten Reaction begonnen hatte, baldigst seiner Professur enthoben und in Ruhestand versetzt wurde. Von der Stadt Mainz abermals|in die Kammer gewählt, mühte er sich noch einige Zeit in dem damals vergeblichen Kampfe für Erhaltung freiheitlicher Einrichtungen ab, zog sich aber dann ins Privatleben nach Rödelheim bei Frankfurt und schließlich nach Soden zurück, wo er hochbetagt starb. 30 Jahre hindurch hatte er als ein äußerst fruchtbarer Schriftsteller in verschiedenen Richtungen gearbeitet, und wenn er auch in philosophischer Beziehung seine Selbständigkeit in einer überwiegend eklektischen Weise verwerthete, sowie durchweg eine Neigung zu formell schablonenmäßiger Gliederung des Stoffes und zu capriciöser Terminologie bethätigte, so ist doch zuzugestehen, daß er nicht nur mit ehrlichem Fleiße nach umsichtiger Bewältigung des Materials und der einschlägigen Litteratur strebte, sondern auch frei von religiösdogmatischer Befangenheit in edler warmer Gesinnung einen wohlgemeinten festgewurzelten Idealismus vertrat. Schon seine Erstlingsschrift (auf deren Grund er die Professur in Heidelberg erhielt), „Versuch einer allgemeinen Bildungslehre, wissenschaftlich dargestellt aus dem Principe der Weisheit“ (1816) sollte dem Nachweise dienen, daß der Mensch in dem ganzen Umfange seines Daseins durch Erziehung und Selbstbildung in fortschreitender Veredlung das allgemeine ideale Menschenwesen verwirklichen könne, und bereits damals lag ihm das Grundprincip in einer psychischen Anthropologie. Als lebendigen Commentar des genannten Thema's veröffentlichte er dann „Germanikus“ (2 Bde. 1817), d. h. einen historischen Roman, welcher an hervorragenden Persönlichkeiten der beginnenden römischen Kaiserzeit eine Darstellung der reinen Menschlichkeit geben sollte: und wieder eine anderartige Specialisirung der allgemeinen Bildungslehre bot er in der Schrift „Ueber Deutschlands National-Bildung“ (1818) dar, aus welcher er während des Druckes einen theilweisen Auszug zum Behufe seiner Antritts-Vorlesung machte (unter dem Titel „Ueber die Einheit der Zeit und den Zusammenhang der Ereignisse in derselben"). Zu gleicher Zeit erschien „Deutschland und Rom, oder über das Verhältniß der deutschen Nation zum römischen Stuhle“ (1818), eine durch das baierische Concordat veranlaßte Arbeit, in deren erstem Theile er eine ebenso gelehrte als freisinnige Darstellung der curialistischen Ränke gab, während der zweite Theil die Forderung einer von Rom unabhängigen, aber unter Oberaufsicht des Staates stehenden deutschen Kirche entwickelt. Hierauf gab er in dem Romane „Eugenius Severus" (1819) eine dichterisch ausgeschmückte Erzählung seiner eigenen Erlebnisse bis zu seinem Confessionswechsel und seiner Verheirathung, wobei er eine Exemplificirung des Grundsatzes beabsichtigte, daß der Mensch in allen Bedrängnissen sein besseres Selbst bewahren soll und hierdurch sich in Harmonie mit weisen Schicksalsfügungen fühlen kann; desgleichen entwickelte sein etwas späterer philosophischer Roman „Paradies und Welt" (1822, 2. Aufl. 1823) den Sieg des Idealismus des Herzens über die realistische Prosa gewöhnlicher Menschen. Unterdessen hatte er zugleich auch die Reihe seiner systematisch-philosophischen Schriften eröffnet mit „Propädeutik der Philosophie" (1819), d. h. einer Encyclopädie, welche vom unmittelbaren Gefühle beginnend die Entfaltung des Menschenwesens durch die Stufen der Pneumatologie, der Kosmologie und der Humanistik zur höheren Vernunfteinheit des philosophischen Wissens geleitet, um mit einem kurzen Abrisse der Geschichte der Philosophie zu schließen. Tann folgte „Grundriß der Logik“ (1820), worin ein Auszug der Propädeutik und hierauf ein an Schelling erinnernder Versuch einer realen Fassung der Logik gegeben ist. In einer zuweilen lästigen Breite, durch welche aber keineswegs die wünschenswerthe Klarheit erreicht wird, bewegt sich „Die Anthropologie als Wissenschaft“ (3 Bde. 1822 f.), welche zur Somatologie und Psychologie auch die Entwickelung der Culturgeschichte hinzufügt und den grundsätzlichen Idealismus mit manchem phantastischen Gewande umkleidet. Einen abermaligen Anlauf machte er in der Schrift „Lehrbuch|der theoretischen Philosophie und philosophische Propädeutik“ (1826), in welcher er mehr als früher sich zu einem Dualismus wendete und schließlich zu einem Standpunkte gelangte, welcher zur Kennzeichnung des inneren Conflictes ein pantheistischer Theismus genannt werden dürfte. Daneben aber hatte er auf einem anderen Einzelngebiete eingehende Studien gemacht, deren Ergebnisse er veröffentlichte als „Lehrbuch der Litterar-Aesthetik oder Theorie und Geschichte der schönen Litteratur mit besonderer Berücksichtigung der deutschen“ (2 Bde. 1827), woselbst nach allgemeinen Erörterungen über das Schöne zuerst die Poetik und hierauf die Rhetorik mit Einschluß der Lehre vom Stile und vom Vortrage ihre wissenschaftliche Entwickelung finden; das Ganze ist reich an einzelnen trefflichen Bemerkungen, während die Systematik wohl vielfach angefochten werden kann. In Zusammenhang damit stand „Aesthetica literaria antiqua classica“ (1828), d. h. eine nach systematischen Gesichtspunkten geordnete Sammlung der Aussprüche der antiken Autoren über Gegenstände der litterarischen Aesthetik. Hierauf wieder zur speculativen Philosophie zurückkehrend, veröffentlichte er „Universalphilosophische Prolegomena oder encyclopädische Grundzüge der gesammten Philosophie" (1830), worin er in ähnlicher Denkweise wie in dem Lehrbuche der theoretischen Philosophie zuerst die Erkenntnißlehre, dann die Metaphysik und schließlich die pragmatische Anthropologie nebst Culturgeschichte behandelte. Von nun an aber ist in seiner eklektischen Richtung ein stärkerer Einfluß Hegel's bemerklich, so daß er in seinen zwei letzten philosophischen Hauptwerken zu der zahlreicheren Gruppe derjenigen gehörte, welche eine Mittelstellung zwischen dem Herbart’schen Psychologismus und dem Hegel’schen Systeme einnehmen. So beginnt seine „Philosophie des Geistes oder Encyclopädie der gesammten Geisteslehre" (1835) mit einer Ontologie des Geistes, worauf die Anthropologie folgt, welche von einer Metaphysik der Seele und einer Physik derselben zur Pragmatologie (Logik, Ethik, Aesthetik) übergeht, um mit Philosophie der Geschichte zu schließen und von hier aus den Uebergang zur Theologie des Geistes zu ermöglichen. In der Schrift „Der Organismus der philosophischen Idee in wissenschaftlicher und geschichtlicher Hinsicht“ (1842) ist bezüglich der äußeren Form die Hegel’sche Dreitheilung in Dialectik, Naturphilosophie und Geistesphilosophie zu Grunde gelegt, während inhaltlich die pragmatische Psychologie überwiegt, welche ihren Abschluß in der Theologie findet; der zweite Haupttheil dieses Werkes enthält eine philosophische Construction der Geschichte der Philosophie. Den Schluß seiner litterarischen Thätigkeit machte „Die deutsche National-Litteratur seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts, besonders seit Lessing bis auf die Gegenwart“ (3 Bde. 1845, 2. Aufl. 1850, 3. Aufl. besorgt von seinem Sohne Karl H. 1875), ein vom Publikum mit steigendem Beifalle aufgenommenes Werk, in welchem er grundsätzlich die Individualitäten der Autoren in den Vordergrund stellte, um dieselben in scharfer Charakterisirung kritisch durch den Maßstab des Ideales zu beleuchten, ein Standpunkt, welcher ihm herbe Worte über Schiller entlockte, während Goethe als alleiniges Ideal erscheint.

    • Literatur

      Einige Notizen in d. Allg. Zeitung 1871, Beilage Nr. 46 und hieraus in Noack's Philosophie-geschichtlichem Lexicon, S. 384 ff., woselbst auch eine Charakteristik der letzten Gestaltung der Philosophie Hillebrand's.

  • Autor/in

    Prantl.
  • Zitierweise

    Prantl, Carl von, "Hillebrand, Joseph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 415-417 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116811919.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA