Lebensdaten
1786 – 1855
Geburtsort
Freiberg (Sachsen)
Sterbeort
Bex (Kanton Waadt)
Beruf/Funktion
Geologe ; Glazialforscher ; Mineraloge
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 10201227X | OGND | VIAF: 95170138
Namensvarianten
  • Charpentier, Hanns von
  • Charpentier, Hans von
  • Charpentier, Jean de
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Porträt(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Charpentier, Johann von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd10201227X.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Frdr. Wilh. s. (1);
    Fr. v. der Gablenz;
    1 T.

  • Biographie

    Charpentier war an der Bergakademie Freiberg Schüler G. A. Werners und begann seine bergmännische Tätigkeit mit seinem Bruder Toussaint in Oberschlesien. In Frankreich|übernahm er die Erschließung von Eisenerzgruben in den Pyrenäen (1808–12), über deren Bau er mehrere kleinere Arbeiten und 1823 seinen grundlegenden „Essai sur la constitution géologique des Pyrénées“ verfaßt hat, dem gute Profile und eine geologische Karte beigegeben sind. Er erkannte, daß die Sediment-Formationen des Gebirges überall dachförmig von seiner granitischen Achse abfallen, daß eine bedeutsame horizontale Verschiebung die Ostpyrenäen nach Norden rückt, womit das Gebirge an einer Querdislokation in zwei Hauptteile zerlegt wird. - Das Salzvorkommen von Bex, wo er die Salzwerke von 1813 bis zu seinem Tode leitete, erklärte er eigenartig als durch Sublimation in einer Spalte entstanden.

    Im Wallis wurde Charpentier, durch J. Venetz angeregt, zum größten Glazialforscher seiner Zeit, dessen Forschungen durch genaue Beobachtung, Fülle neuer Tatsachen und Schärfe der Beweisführung zu den Fundamenten der modernen Glazialforschung zählen. In einem stark beachteten, 1834 gehaltenen Vortrag in Luzern (Sur la cause probable du transport de bloc erratique de la Suisse, 1835) vertrat er die - zunächst von Venetz geäußerte - Ansicht, daß die erratischen Blöcke nicht durch Wasser (wie meist angenommen wurde) verfrachtet, die häufigen Felsschliffe im Wallis Gletscherarbeit seien; er führte die gesamten glazialen Erscheinungen auf eine vergangene, weit ausgedehnte Vergletscherung zurück, die selbst durch die größere Höhe der Alpen zu erklären sei. - In dem „Essai sur les glaciers du bassin du Rhône“ (1841), einem Standardwerk der Geologie trotz seines geringen Umfanges, summierte Charpentier seine glazialen Forschungen. In unbestreitbarer Argumentation wies er nach, daß Gletscher allein das Moränenmaterial an seinen Ablagerungsplatz brachten. Diese großen Gletscher entstanden erst nach Bildung der Alpen: sie formten keinen zusammenhängenden, das Land verkleidenden Eispanzer, sondern bestanden aus einzelnen Strömen, deren Auftreten abhängig war von den großen Alpentälern. Nicht erkannt wurde die Art der Grundmoränen. Zur Bildung der Eismassen der Diluvialzeit nahm er ungewöhnlich hohe Niederschlagsmengen an. - Charpentier zeichnete sich vor dem ebenso berühmten Glazialisten seiner Zeit, L. Aggasiz, durch sehr viel bessere Geländebeobachtung und klarere Fundamentierung seiner Glazialtheorie aus. - Obwohl alle seine Arbeiten französisch geschrieben sind, blieb er stets Deutscher.

  • Werke

    Weitere W Aufsätze, v. a. in: Journal, später Ann. des mines, Paris 1813 ff.

  • Literatur

    M. Lugeon, in: Bull, de la Société vaudoise des sciences naturelles 53, Lausanne 1920, S. 465 bis 481;
    E. Wilczek, ebenda, S. 483-94;
    M. Gabbud, ebenda, S. 495-99.

  • Literatur

    zum Gesamtartikel: ADB IV;
    K. A. v. Zittel, Gesch. d. Geol. u. Paläontol., 1899;
    Lambrecht-Quenstedt, S. 79 f.;
    Pogg. I (W).

  • Autor/in

    Erich Krenkel
  • Zitierweise

    Krenkel, Erich, "Charpentier, Johann von" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 193-194 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd10201227X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Charpentier: Johann v. Ch., geb. 7. Dec. 1786 zu Freiberg, 12. Sept. 1855 zu Bex im Canton Waadt. Sohn des berühmten sächsischen Berghauptmanns Joh. Friedr. Wilh. Ch. (s. o.), empfing er schon als Knabe durch den in seiner Vaterstadt Freiberg blühenden Bergbau und Hüttenbetrieb so mächtige Eindrücke, daß diese für seine Lebensrichtung entscheidend waren. Nach Beendigung seiner Vorbildung in Freiberg und auf dem Gymnasium zu Schulpforta bezog Ch. die Freiberger Bergakademie, wo er mit Vorliebe sich dem Studium der Physik und Mechanik zuwandte. Mit seinem älteren Bruder Toussaint, dem später gleichfalls berühmten Berghauptmann in Schlesien, begann er seine bergmännische Laufbahn auf den preußischen Bergwerken in Schlesien. Für die Befriedigung eines kaum zu beherrschenden Dranges zu Reisen bot sich ihm bald eine passende Gelegenheit durch einen Antrag zur Uebernahme der Einrichtungen von Eisenwerken in den Pyrenäen. Kaum 20 Jahre alt, folgte er diesem Rufe nach Frankreich und kehrte von da nicht mehr zu seinem deutschen Vaterlande zurück; daher denn seine sämmtlichen wissenschaftlichen Arbeiten beinahe ausnahmslos in französischer Sprache verfaßt sind. In seiner neuen Stellung erwarb Ch. sich durch seine Kenntnisse, durch seine unermüdliche Thätigkeit sowol, wie durch seine persönliche Liebenswürdigkeit in hohem Grade Achtung. Während eines ersten fünfjährigen Aufenthaltes in den Pyrenäen sammelte er das Material zu seinem erst später erschienenen größeren Werke, publicirte damals aber nur kleinere Aufsätze wie: „Mém. sur la nature et le gisem. du Pyroxène en roches-Lherzolith“, Paris 1812, worin er den jetzt so berühmt gewordenen Olivinfels vortrefflich schilderte, dann: „Observ. s. l. terr. granitique des Pyrénées“ (Journ. d. mines 1813). Ein längerer Aufenthalt in Paris (seit 1811) brachte ihn in die Kreise der ersten Geologen der Weltstadt. Doch folgte Ch. schon 1813 einem Antrag zur Uebernahme der Leitung der Salzwerke von Bex in der Schweiz, welchen er als Director während 42 Jahren bis zu seinem Tode' mit dem besten Erfolge vorstand. In Bex beschäftigte Ch. sich zunächst mit der Hebung der dortigen Salzwerke, welche bis dahin nur Soole zur Herstellung von Kochsalz benützt hatten, durch Aufsuchen von Steinsalz und berichtete über die hierbei sich ergebenden wissenschaftlich wichtigen Verhältnisse in den Abhandlungen „Sur la nat. et le gisement du Gypse de Bex“ (Annal. d. min. 1820) und „Sur la découverte d'une masse d'anhydrite salée à Bex“ (das. Jahrg. XXV.), weiter: „Sur la posit. géogn. d. terr. salifère de Wimpfen“ (Annal. d. min. 1823). Auch betheiligte er sich mit Escher v. d. Linth an den Arbeiten zur Abwendung der drohenden Verheerungen des Getrozgletschers und des Gebirgsflusses Gryonne (Bericht mit Escher und Trechsel 1821), sowie an den Vorkehrungen zur Eindämmung der Rhone und für die Urbarmachung der angeschlossenen Niederung.

    Nach wiederholten Besuchen der Pyrenäen kam er endlich 1823 zur Veröffentlichung seines bedeutendsten Werkes: „Essai sur l. constitut. géol. d. Pyrénées“, ein mustergültiges Werk in Bezug auf Schärfe und Treue der Beobachtung, sowie Klarheit der Darstellung, welches, wie Saussure's berühmtes Werk für die Alpen, für die Pyrenäen selbst jetzt noch, nachdem die geognostische Wissenschaft so großartige Fortschritte gemacht hat, als der Ausgangspunkt für alle weiteren Arbeiten über dieses Gebirge zu gelten hat. In Frankreich wurde es von dem Institut royal des Preises würdig erklärt. Etwas später fällt seine Entdeckung des Jodgehaltes des Salzes von Bex („Découv. de l'Jode dans lasal. d. Bex“ (Annal. d. min. 1825) und das Auffinden einer warmen Quelle im Flußbette der Rhone, welches dem jetzt so berühmten Bade Lavey das Dasein gab („Sur l. nouv. Source thermale de Lavey“ 1832 und „Essai d'une explic. d. phén. que présente la source therm. d. Lavey“ 1853 (Mittheil. d. naturf. Gesellschaft). Um diese Zeit verheirathete Ch. sich mit Fr. v. Gablenz aus Dresden, die ihm aber nach drei Jahren wieder durch den Tod entrissen wurde; doch hinterließ sie ihm als treue Pflegerin seines Alters eine Tochter.

    Mächtig wurde Ch. durch die unter seiner lebhaftesten Betheiligung rasch Wurzel schlagende Gletscherhypothese erregt, an deren Ausbildung er sich so erfolgreich betheiligte, daß sein Name für alle Zeiten mit dieser bestbegründeten geologischen Theorie verknüpft bleiben wird. Hierher gehören die Schriften: „Sur la cause probable d. transport d. bloc errat. d. l. Suisse“ 1835 und „Essai sur l. glaciers d. bass. d. Rhone“ 1841, in welch' letzterem er ein Fundamentalwerk über Gletschererscheinungen schuf und darin in höchst lichtvoller und geistreicher Weise die damals neue Lehre überzeugend begründete. Ch. war aber nicht blos Geolog und Salinist, sondern ein Naturforscher von allgemeinem und umfassendem Wissen; seine Leistungen in den Gebieten der Botanik, Conchyliologie und Entomologie, namentlich in Bezug auf die Gegend seines Wohnortes, sind von hervorragender Bedeutung; seine Sammlungen, von denen er einen großen Theil dem Museum in Lausanne hinterließ, enthalten höchst wichtige Beiträge zur Flora und Fauna der Schweiz. In einem sorgfältig ausgearbeiteten Katalog der in der Schweiz vorkommenden Mollusken (Act. d. schweiz. naturf. Gesellsch.) theilte er auch höchst interessante Beobachtungen über die Verbreitung der verschiedenen Arten und ihre Abänderungen in Beziehung auf die natürlichen Bedingungen, unter welchen sie vorkommen, mit. An seine letzte Publication von ganz allgemeinem Interesse: „Ueber das Sehen der Sterne aus tiefen Schächten“ (Mitth. d. naturf. Gesellsch. 1857) sollte sich eine Vervollständigung seines Mollusken-Katalogs anreihen, bei dieser Arbeit ereilte ihn der Tod.

    Obwol Ch. seine Publicationen fast ausschließlich in französischer Sprache verfaßte, gehörte er nicht blos nach Geburt, sondern nach seinem ganzen Wesen der deutschen Nation an, so daß Wolf in seiner Biographie ihn selbst nicht unter die Schweizer zählen zu dürfen glaubte, weil nach eingezogenen Nachrichten Ch. selbst in Lausanne erklärte, er habe sich nie in der Schweiz eingebürgert. Auch sagt Ch. selbst (Préface p. XI. in Essai sur l. cons. géogn. d. Pyr.), daß die französische Sprache nicht seine Muttersprache sei. Ch. war Mitglied vieler gelehrter Gesellschaften und Akademien. Anspruchslos und liebenswürdig im Umgange war Ch. geehrt und geliebt von Allen, die ihn näher kannten. Der Canton Waadt, dem er seine besten Dienste geleistet hat, widmete seinem Andenken in sinniger Weise einen erratischen Block, auf dem der Name des großen Gelehrten eingegraben ist. (Vergl. Wolf, Biogr. d. Schweiz.)

  • Autor/in

    Gümbel.
  • Zitierweise

    Gümbel, Wilhelm von, "Charpentier, Johann von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 4 (1876), S. 107-108 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd10201227X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA