Lebensdaten
1390 – 1426
Beruf/Funktion
Lehrer an der Domschule in Speyer ; hussitischer Märtyrer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 138806039 | OGND | VIAF: 95430209
Namensvarianten
  • Turno, Peter
  • Turnow, Peter
  • Peter Turnau
  • mehr

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Zitierweise

Turnau, Peter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd138806039.html [18.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Turnau: Peter T., Schulrector in Speyer, wurde um des Glaubens willen im J. 1426 daselbst hingerichtet. Er begegnet uns in den Quellen als Gesinnungs- und Leidensgenosse von Johann v. Schlichen, genannt Drändorf (s. A. D. B. V, 373). und war offenbar Mitglied derselben Religionsgemeinschaft, innerhalb deren Schlieben das Amt eines Wanderpredigers oder „Apostels“ verwaltete; die Gegner nannten diese Gemeinschaft bald Hussiten, bald Taboriten, bald Waldenser; da Schlieben, wie er selbst vor dem Inquisitionsgericht erklärt, am Rhein in den sogenannten Waldensergemeinden gepredigt hat (dieser Name war im 15. Jahrhundert von den Gemeinden, die man so nannte, noch nicht als Parteibezeichnung in Gebrauch genommen, vielmehr nannten sie sich einfach „Christen" und „Brüder“, auch „Gemeinden Christi“ und „evangelische Christen"), so ist es wahrscheinlich, daß er nicht den Calixtinern zugezählt werden darf. Joh. v. Drändorf stammte aus dem Meißnischen. Die Grenzländer Böhmens waren ja damals von der religiösen Bewegung stark mit ergriffen und es ist nicht unmöglich, daß Peter T. aus einem der verschiedenen Orte gleichen Namens stammt (Turnow, Turnowo), die es in Schlesien und Böhmen gab. Dann würde sich die gemeinsame Wirksamkeit und der gemeinsame Märtyrertod am ehesten erklären. Joh. v. Schlieben war im J. 1390 als reicher Eltern Kind geboren. Er hatte, wir wissen nicht wann und wo, den Waldenser Peter v. Dresden kennen gelernt, auf dessen Veranlassung im Jahre 1414 die öffentliche Austheilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt zu Prag ihren Anfang genommen hatte. Um das J. 1409 scheint es gewesen zu sein, wo Schlieben die Universität Leipzig bezog, um sich in der Theologie auszubilden. Nach siebenjähriger Vorbereitungszeit wurde er zum Priester geweiht. Die Weihe vollzog ums Jahr 1416 ein Suffragan des Erzbischofs von Prag (Konrad v. Vechta). Wir wissen nicht, wie lange er im Verbande der römischen Kirche geblieben ist; doch hat er nie ein kirchliches Beneficium angenommen und ist wohl schon um 1420 zu den „Waldensern“ übergetreten.

    Daß er in das Collegium der „Apostel" Aufnahme fand erhellt aus dem Umstand, daß er gemäß der „Regel Christi“, wie sie für die Wanderprediger der „Waldenser“ bestand, sich seines unbeweglichen Vermögens zu Gunsten der Armen entäußerte und von nun an ein Wanderleben als Sendbote Christi begann. Er fand als solcher zunächst genug Beschäftigung in seiner engeren Heimath, in Sachsen, Meißen und besonders im Vogtland. Später finden wir ihn in der Gegend von Würzburg, Basel, Straßburg, am Mittelrhein und in Württemberg. Am Mittelrhein war es nun T., der ihn unter den heimlichen Gemeinden dieser Gegend einführte und bekannt machte. Er predigte hier, wie er erzählt, gegen den Eid und gegen manche Irrlehren, die sich in seine Gemeinschaft eingeschlichen hatten. Es erhellt hieraus, daß es um jene Zeit auch nach der großen Verfolgung, die unter dem „Pfaffenkaiser Karl“ seit 1370 hereingebrochen war, nicht bloß einzelne Waldenser, sondern organisirte Gemeinden gab. Die Universität Heidelberg erhielt im J. 1405 ein Schreiben von dem Bischof Humbert von Basel, in dem auf die starke Ausbreitung der „Begharden und Lollharden“ in jenen Gegenden hingewiesen wurde (Hautz, Gesch. d. Univ. Heidelberg II, 364 ff.) und der Ausbruch der böhmischen Kämpfe hat diese unterdrückten Männer zweifellos gestärkt. Drändorf war einer der böhmischen Abgesandten und die Pflicht seines Apostelamtes brachte es mit sich, das Evangelium auch denen zu bringen, die noch außerhalb der Gemeinden standen. Bei einem der Versuche, die er in dieser Richtung machte, ging es ihm wie so vielen|seiner Amtsbrüder: er fiel den Inquisitoren in die Hände und wurde vor Gericht gebracht. Die zur Diöcese Würzburg gehörigen Städte Heilbronn und Weinsberg befanden sich damals im Banne, den ihr Landesherr und Bischof Johann II. wegen einer rein weltlichen Frage über sie verhängt hatte. Hier war nach Drändorf's Ueberzeugung der Boden für seine Wirksamkeit gut vorbereitet; er knüpfte dort mit dem Magistrat Beziehungen an und erhielt darauf eine Einladung nach Weinsberg. Wir besitzen die Briefe, die er an die Stadt schrieb, und sie bilden ein interessantes Denkmal aus den Religionskämpfen jener Zeit. Sie sind auch deshalb bemerkenswerth, weil die darin enthaltenen Citate zum Theil nicht mit den landläufigen Angaben der Vulgata, wohl aber mit der Ueberlieferung der Waldenser-Bibel übereinstimmen und weil einer der Inquisitoren ausdrücklich auf ein „falsches Citat“ hingewiesen hat, das aber dem griechischen Urtext entspricht, also in Wirklichkeit richtig ist. Auf dem Wege nach Weinsberg ward Drändorf ergriffen und zunächst nebst seinen Begleitern, einem Weber aus Sachsen, Namens Martin, und einem Schneider aus Franken, Namens Hänflin, nach Heidelberg ins Gefängniß abgeführt. Unter dem Vorsitz des Bischofs von Worms begann am 13. Februar 1425 die Gerichtsverhandlung gegen Drändorf. Richter und Beisitzer waren mehrere Professoren der Universität Heidelberg. Drändorf zeigte sich hier, wie die erhaltenen Proceßacten trotz der Verstümmelung ergeben, als ein Edelmann von hervorragender Bildung, Bibelkenntniß und Gelehrsamkeit. Das Urtheil lautete auf Hinrichtung durch den Scheiterhaufen und ward zu Worms vollstreckt. Schon vor ihm war T. in Speyer verhaftet worden; Drändorf bezeichnet ihn ausdrücklich als seinen Freund und wir können daraus auf seine Ansichten schließen. Leider sind die Acten über Turnau's Proceß und Hinrichtung nicht erhalten; wir wissen nur, daß er im J. 1426 ebenfalls seinen Glauben mit seinem Blut besiegelte. Man scheint aus den Aussagen der damals verhafteten „Ketzer“ Material für weitere Processe gewonnen zu haben; denn in den nächsten Jahren fetzte einer der Heidelberger Ketzerrichter die Thätigkeit in Franken fort und ließ am 4. Juli 1429 in Lauda a. d. Tauber den Johannes Fuyger (Fugger?) den Flammen überliefern. Die Hinrichtung Drändorf's und Turnau's lebte noch hundert Jahre später im Gedächtniß vieler Personen; auch die Reformatoren hatten davon Kenntniß. Flacius Illyricus nahm 1555 beide in den Catalogus testium veritatis auf und in den Märtyrerbüchern der Taufgesinnten erscheint (s. Tilemann van Braght, Het bloedig Tooneel etc. Amsterdam 1685 I, 378) Petrus T., der zu Speyer im J. 1425 (soll heißen 1426) gerichtet worden sei; Joh. Drändorf wird hier nicht erwähnt.

    • Literatur

      J. E. Kapp, Kleine Nachlese reformatorischer Urkunden. Lpz. 1730 III, 1—60. — Veesenmeyer, Theol. Stud. u. Kritiken 1828, Heft 2, S. 399. —
      Krummel, Johannes Drändorf in den Stud. u. Krit. 1869. S. 130—144. —
      J. Keller, Die Reform. und die älteren Reformparteien. Lpz. 1885. S. 244 ff. — H. Haupt, Die relig. Sekten in Franken. Würzb. 1887. S. 32 ff.

  • Autor/in

    Ludw. Keller.
  • Zitierweise

    Keller, Ludwig; Haupt, Herman, "Turnau, Peter" in: Allgemeine Deutsche Biographie (), S. [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138806039.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Turnow: Peter T., Schulrector in Speyer, Anhänger des Hussitismus, stammte aus Tolkemit in Westpreußen und wurde in seiner Heimath zum Priester geweiht; zur Zeit der hussitischen Wirren studirte er in Prag und erwarb sich dort den Grad eines Baccalar des Kirchenrechts. Alsdann unternahm er eine Reise nach Griechenland, die vielleicht mit dem im Verlauf der hussitischen Bewegung öfter auftauchenden Plane in Verbindung gebracht werden darf, eine Vereinigung zwischen dem Hussitismus und der griechischen Kirche herbeizuführen. Um das Jahr 1425 finden wir T. als Schulrector in der Reichsstadt Speyer, die damals mit dem Speyerer Bischof um ihre Reichsstandschaft im heftigsten Kampfe lag. Mit dem ihm von Prag her enge befreundeten meißnischen Edelmanne Johann v. Drändorf zusammen arbeitete T. damals in Speyer ein Manifest aus, das sich in heftiger Weise gegen die weltliche Herrschaft der Geistlichkeit und deren frivole Excommunicationen richtete und dazu aufforderte, der Herrschaft des Clerus ein Ende zu machen. Auch mit der Reichsstadt Weinsberg, die im Kampfe um ihre Reichsunmittelbarkeit mit der Reichsacht und dem Interdicte belegt worden war, setzten sich die|beiden Hussiten von Speyer aus in Verbindung, in der Hoffnung, die Weinsberger, und durch sie vielleicht auch deren Verbündete, für den Hussitismus zu gewinnen. Diesen hochfliegenden Plänen setzte die Verhaftung Turnow's zu Speyer im Januar 1425 und die kurz darauf folgende Gefangennahme Drändorf's in Heilbronn ein Ziel. Während Drändorf schon am 17. Februar 1425 in Heidelberg den Feuertod erlitt, wurde das Urtheil gegen T. erst ein volles Jahr später erlassen. Vermuthlich hatte man in der Zwischenzeit versucht, von dem Schulrector Geständnisse über seine Speyerer Gesinnungsgenossen zu erhalten. Da T. standhaft an der hussitischen Lehre von der Communion unter beiderlei Gestalten und seinem Widerspruch gegen die Unfehlbarkeit des Constanzer Concils und gegen die weltliche Herrschaft und Jurisdiction der Geistlichen festhielt, wurde er am 3. April 1426 von dem Inquisitionsgerichte als unbußfertiger Ketzer dem weltlichen Arm zur Bestrafung übergeben. Seine Verbrennung ist wohl unmittelbar darauf gefolgt.

    • Literatur

      H. Haupt, Hussitische Propaganda in Deutschland, im Historischen Taschenbuch, 6. Folge, Bd. VII, S. 263 ff. und die dort angeführten Quellen.

  • Autor/in

    Herman Haupt.
  • Zitierweise

    CC-BY-NC-SA