Lebensdaten
1815 – 1901
Geburtsort
Cottbus
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Daguerreotypistin ; Photographin
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Wehnert Beckman, Bertha (in den USA)
  • Beckmann, Bertha Ernestine Henriette (geborene)
  • Wehnert-Beckmann, Bertha
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Zitierweise

Wehnert-Beckmann, Bertha, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz139623.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Dietrich Beckmann, Schneidermeister in C., S d. Christoph Carl;
    M Johanne Christiane Rietschel;
    B Robert Beckmann, Photogr. in L., Rudolph Beckmann (* um 1830, Adolphine Grünewald, Schw d. Ferdinand Cornelius Grünewald, s. u.), Photogr. in Leipzig, 1850 / 51 in New York, danach wieder in L.;
    Leipzig 1845 Eduard Wehnert (1811–47), Mechaniker, Wanderdaguerreotypist in Sachsen, Böhmen u. Schlesien, eröffnete 1842 e. Atelier in Leipzig, entwickelte e. Verfahren z. Kolorierung v. Daguerreotypien u. befaßte sich ab 1845 mit d. Photogr. auf Papier (s. L, P);
    kinderlos;
    Schwager Ferdinand Cornelius Grünewald (* 1828), Maler (s. P).

  • Biographie

    Über W.s Schulbildung ist nichts bekannt. Nach eigenen Angaben befaßte sie sich „sofort nach Erfindung des Daguerreotypierens“ mit der praktischen Ausübung. Im Herbst 1842 war sie bei Wilhelm Horn (1809–91) in Prag tätig, einem der wichtigsten Daguerreotypisten Böhmens. Im Dez. 1842 arbeitete sie selbständig in Dresden, danach drei Jahre als Wanderdaguerreotypistin, wobei sie den ebenfalls als Photograph umherziehenden Eduard Wehnert aus Leipzig kennenlernte. 1845 betrieben sie dort gemeinsam ein Atelier in Leipzig, das als das beste seiner Art in der Stadt galt. Mit ihrem Mann arbeitete W. ab 1845 auch im Bereich der damals noch sehr jungen Papierphotographie (Kalotypie). Nach dem frühen Tod ihres Mannes 1847 führte sie unter Mithilfe ihrer beiden Brüder das Atelier als Prinzipalin weiter.

    1849 entschloß sich W. zu einer Studienreise in die USA. Anfang Aug. in New York angekommen, eröffnete sie noch im selben Jahr auf der White Street, einer Nebenstraße des Broadways, ein kleines Atelier „Mme. Bertha Wehnert Beckman & Brothers“. Hier arbeitete sie ausschließlich in der Technik der Kalotypie. Mit Unterstützung von William Ehrmann und Victor Frey, zweier in New York ansässiger dt. Maler, wurden die Bildnisse mit Pinsel und Stift überarbeitet, nach W.s Verständnis also „künstlerisch vollendet“. W.s Studio war das erste, das in New York die dort fast unbekannte Papierphotographie in Form eines Atelierbetriebes anbot. Zwar befaßten sich auch die Gebrüder Frederick (1809–79) und William (1807–74) Langenheim mit dieser Technik, wohl aber noch nicht in diesem Umfang. Die vielen Arbeiten, die W. aus New York mitbrachte, beweisen, daß sie schon bald die amerik. Eliten zum Porträtieren empfing. Unter den zahlreichen identifizierten Personen befinden sich Musiker und Politiker, v. a. Mitglieder der regierenden Whig Party bis hin zum Präsidenten der USA Millard Fillmore (1800–74) und seiner Ehefrau Abigail (1798–1853). Im Febr. 1850 eröffnete W. ein Atelier auf der Pennsylvania Avenue in Washington sowie eine Ausstellung mit Porträtaufnahmen in der Library of Congress im Kapitol. Damit war W. die erste Photographin, die in den USA eine eigene Ausstellung|vorweisen konnte. Im Sommer 1850 ließ sie ihren Bruder Rudolph nachkommen, vielleicht in der Absicht, das New Yorker Atelier dauerhaft zu betreiben. Im Frühling 1851 verlagerte W. das Atelier direkt auf den Broadway in das Haus Nr. 385. 1850 nahm sie an der 23. und 1851 an der 24. Annual Fair des American Institute of the City of New York teil, wobei sie ein Diplom und eine Silbermedaille für ihre Papierphotographien erhielt.

    Sie selbst nannte die Arbeiten „Phototypien“, wohl um sich aus patentrechtlichen Gründen gegenüber dem Verfahren William Henry Fox Talbots (1800–77) abzugrenzen.

    Im Sommer 1851 kehrte W. nach Europa zurück, zunächst mit einem kurzen Aufenthalt in England. Vermutlich empfing sie hier Anregungen für die Stereophotographie. Im Sept. 1851 übernahm sie wieder die Leitung im Leipziger Atelier, das während ihrer Abwesenheit von ihrem Bruder Robert geführt worden war. Im Okt. 1851 erhielt sie das Bürgerrecht der Stadt Leipzig. Nachdem ihr Bruder Rudolph nach geschäftlicher Schieflage im März 1852 aus New York zurückgekehrt war, erweiterte W. gemeinsam mit ihren Brüdern nach und nach den Leipziger Atelierbetrieb. Bald begann sie auch in der Technik des Nassen Kollodiumverfahrens zu arbeiten. Die entstehenden Salzpapierabzüge wurden ab 1853 mittels einer sehr minutiösen Mal- und Zeichentechnik von dem aus Dresden stammenden Kunstmaler Ferdinand Cornelius Grünewald überarbeitet. Bis zur offiziellen Geschäftsauflösung 1882 blieb das Nasse Kollodiumverfahren die bestimmende Technik in W.s Atelier. Auch die Stereophotographie spielte zunehmend eine Rolle. W. kaufte Stereoaufnahmen in Paris und eröffnete im Mai 1854 in Leipzig eine der ersten Stereoskopen-Ausstellungen im dt.sprachigen Raum – sie betätigte sich somit als „photographische Schaustellerin“. Sie ist auch die einzige bekannte Photographin weltweit, die Akt-Daguerreotypien fertigte (drei erhaltene Arbeiten im Stadtgeschichtl. Mus. Leipzig). Die um 1860 gestartete Bemühung, auch in Wien eine Dependance zu etablieren, blieb im Versuchsstadium stecken. 1865 begannen die Bauarbeiten für ein prachtvolles Wohnhaus an der Leipziger Elsterstraße sowie einen Atelieranbau, der 1866 eröffnet wurde. In diesem bis heute erhaltenen Gebäudekomplex lebte und arbeitete W. bis 1883.

    W. gilt als Ausnahmeerscheinung in der Photographie des 19. Jh. In Deutschland war sie die erste, die ihren regelmäßigen Unterhalt mit der damals ganz neuartigen Technik der Daguerreotypie verdiente. Weitab vom durchschnittlichen Atelierbetrieb schuf sie mit großem Einfühlungsvermögen und künstlerischer Sensibilität charismatische Bildnisse namhafter Künstler, Musiker, Schauspieler, Wissenschaftler, Literaten, Verleger, Ärzte, Politiker und Angehöriger des Adels. Sie verzichtete auf die gebauten Scheinwelten damaliger Photoateliers und rückte stattdessen die Persönlichkeit der Porträtierten in den Mittelpunkt. Dies betrifft auch die zahlreichen Kinderbildnisse. Trotz einiger Landschafts-, Architektur- und Aktaufnahmen ist W. in erster Linie als Porträtphotographin zu werten. Ihre malerisch überarbeiteten Photographien, die einen wesentlichen Anteil am Gesamtwerk ausmachen, nahmen den Charakter von Unikaten an, ignorierten jedoch dadurch auch wesentliche Merkmale von Photographie. W.s ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, Neugier und Abenteuerlust ließen sie mit vielen Größen ihrer Zeit zusammentreffen. Ihre Ateliers in Leipzig, New York und Washington wurden zu Treffpunkten der Gesellschaft. Als Daguerreotypistin und Kalotypistin gehört W. zu den Pionieren dieser Techniken in Deutschland, in letzterer Disziplin auch in den USA.

  • Auszeichnungen

    |Bertha-Beckmann-Weg in Leipzig (seit 2000);
    Tafel am Eingang zum Wohn-/ Atelierhaus (heute Elsterstr. 38) in Leipzig (seit März 2015).

  • Werke

    |u. a. im Dt. Mus. München (110 Daguerreotypien), Stadtgeschichtl. Mus. Leipzig (56 Daguerreotypien, 46 größtenteils malerisch überarb. Papierphotogrr., 3400 Kollodiumnegative), Mus. f. Angewandte Kunst Grassimus. Leipzig (35 Daguerreotypien), Nat.mus. Breslau (mehrere fälschlich Hermann Krone zugeschr. Daguerreotypien), Staatl. Kunstslgg. Dresden, Kupf.kab. (5 Daguerreotypien, 22 Papierabzüge, 6 Papiernegative).

  • Literatur

    |I. Hecht, B. W.-B., e. Bahnbrecherin d. Berufsphotogr., in: Schrr. d. Ver. f. Gesch. 23, 1939, S. 79–81;
    dies., Die Einf. d. Photographie in Leipzig, in: Leipziger Jb. 15, 1940, S. 71–75 (P);
    R.-M. Frenzel, B. W.-B., die erste Leipziger Fotografin, Urkk., Dok. u. Bemm. zu ihrem Leben u. Wirken, in: Leipzig, Aus Vergangenheit u. Gegenwart, Btrr. z. Stadtgesch. Nr. 3, 1984, S. 239–47;
    W. G. Schröter, B. W.-B., Die erste Berufsphotographin in Leipzig, in: Kölner Mus.-Bulletin, 1993, S. 4–14;
    J. Voigt, Eduard Wehnert u. B. W.-B., Daguerreotypistenkarrieren in Leipzig, in: Der gefrorene Augenblick, Daguerreotypie in Sachsen 1839–1860, hg. v. dems., 2004, S. 98–127;
    ders., A German Lady, B. W.-B., Leben & Werk e. Fotografiepionierin, 2014;
    K. Schumann, „Alles in Licht u. Schatten verkehrt herum erscheint“, Kalotypien aus d. Atelier W.-B., in: W. Hesse u. K. Schumann (Hg.), Mensch! Photographien aus Dresdner Slgg., 2006, S. 165 ff.;
    dies. u. U. Müller, Empfindliche Inkunabeln d. photogr. Frühgesch., Gesch. u. Technik d. Salzpapiernegative v. B. W.-B., in: Dresdner Kunstbll., Nr. 1, 2007, S. 43–51;
    A. Matthias (Hg.), KunstFotografie, Kat. d. Foto|grafien v. 1839 bis 1945 aus d. Slgg. d Dresdner Kupf.kab., 2010, S. 285–89;
    Leipzig, Fotogr. seit 1839, Ausst.kat. Leipzig 2011, S. 14–22;
    D. R. Hanlon, Illuminating Shadows, The Calotype in Nineteenth Century America, 2013, S. 101–04;
    Die Fotografin B. W.-B. 1815–1901, hg. v. V. Rodekamp, Ausst.kat. Stadtgeschichtl. Mus. Leipzig 2015 (P).

  • Porträts

    |Daguerreotypie „W.-B. vor Vulkankulisse“, Eduard Wehnert zugeschr., um 1844 (Mus. f. Angewandte Kunst Grassimus. Leipzig), Abb. in: J. Voigt, 2014 (s. L), S. 17;
    Daguerreotypie „W.-B. im Profil“, Atelier W.-B., ca. 1848 / 49, ebd., Abb. ebd., S. 31;
    Daguerreotypie „W.-B. lesend“, Atelier W.-B., ca. 1848 / 49 (Dt. Mus. München), Abb. ebd., S. 79;
    Salzpapiernegative „W.-B. im Profil“ u. „W.-B. mit Objektiven“, beide Rudolph Beckmann zugeschr. 1850 / 51 (Staatl. Kunstslgg. Dresden, Kupf.kab.), Abb. in: J. Voigt, 2014 (s. L), S. 52 u. 266;
    Salzpapiernegativ „W.-B. stehend am Tisch“, dems. zugeschr. 1850 / 51 (Privatbes.), Abb. in: J. Voigt, 2014 (s. L), S. 268;
    Daguerreotypie „W.-B. sitzend am Tisch“, Samuel Root zugeschr., 1850 / 51 (Mus. f. Angewandte Kunst Grassimus. Leipzig), Abb. ebd., S. 254;
    Öl/ Lwd. „W.-B. mit Pelzstola“, v. F. C. Grünewald, 1858 (Stadtgeschichtl. Mus. Leipzig), Abb. in: I. Hecht, Die Einf. (…) (s. L), S. 73, u. in: Die Fotografin (…) (s. L), S. 107.

  • Autor/in

    Jochen Voigt
  • Zitierweise

    Voigt, Jochen, "Wehnert-Beckmann, Bertha" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 560-562 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139623.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA