Lebensdaten
1905 – 1964
Geburtsort
Preßnitz bei Komotau (Böhmen)
Sterbeort
Berlin-Charlottenburg
Beruf/Funktion
Raketentechniker ; Raumfahrtpionier
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 124000940 | OGND | VIAF: 69849791
Namensvarianten
  • Sänger, Eugen Albert
  • Sänger, Eugen
  • Sänger, Eugen Albert
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Sänger, Eugen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd124000940.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Anton (1869–1920), Kaufm. in P., S d. Johann (1834–89), Schönfärbermeister u. Kaufm. in P., u. d. Josefa Hofmann (1840–76);
    M Therese (1875–1963), T d. Schlossermeisters Johann Kempf (1842–1923) u. d. Therese Hofmann (1842–1918);
    1) St. Oswald (Steiermark) 1929 Maria Theresia Hasslinger, 2) Gif-sur-Yvette (Essonne, Frankreich) 1951 Irene (1911–83), aus Bonn, Dr. (Diss. 1936 in Bonn über d. Röntgenspektren seltener Erden), Physikerin, 1936-42 an d. Raketenforschungsstelle in Trauen tätig, 1941 Leiterin d. physikal. Abt. ebd., 1946-54 b. d. „Direction Technique et Industrielle du Ministère de l'Armament“ in Paris tätig, 1954-62 stellv. Leiterin d. „Forsch.inst. f. Physik d. Strahlantriebe“ in Stuttgart (s. Munzinger; Pogg. VII a; W, L), T d. Curt Bredt, Chemiker in Bonn, u. d. Anne Rothe;
    1 S aus 2) Hartmut (* 1952), Dipl.-Ing. (s. W); Verwandte d. Ehefrau Johann Viktor Bredt (1879–1940), Prof. d. Staats-, Verw., Völker- u. Kirchenrechts in Marburg, Reichsmin. d. Justiz im Kab. Brüning, Julius Bredt (1855–1937), Prof. d. Chemie an d. TH Aachen (beide s. NDB II).

  • Biographie

    S. besuchte 1916-23 die Erste Staatsrealschule in Graz. Durch den Roman „Auf zwei Planeten“ (1897) von Kurd Laßwitz und Hermann Oberths „Die Rakete zu den Planetenräumen“ (1923) angeregt, wandte er sich der Raumfahrt zu und spezialisierte sich bei seinem Ingenieurstudium an der TH Wien auf die Luftfahrt, insbes. Flugzeugbau, Statik und Konstruktion. 1930 wurde er mit der Arbeit „Die Statik des vielholmig-parallelstetigen, ganz- und halbfreitragenden, mittelbar und unmittelbar belasteten Fachwerkflügels“ zum Dr. techn. promoviert. Anschließend befaßte er sich als Assistent von Franz Rinagl (1888–1964) am Institut für Baustoffkunde an der TH Wien systematisch mit der Berechnung von Raketentriebwerken. Entsprechend der von der sog. „Wiener Schule“ (Max Valier, Franz Hoefft u. Guido Pirquet) vertretenen Lehre war S. davon überzeugt, daß der beste Weg zur Raumfahrt über das Flugzeug führe. Er beschäftigte sich deshalb intensiv mit der Idee des Raketenflugzeugs, stellte Triebwerksberechnungen an, suchte nach geeigneten Treibstoffen und richtete 1932 im alten Bauhof der TH einen Triebwerksprüfstand ein. Dort experimentierte er mit selbstgebauten, zwangslaufgekühlten Flüssigkeitsraketentriebwerken und verfaßte zahlreiche Aufsätze über Aerodynamik und Raketentechnik. Mit seinen Versuchen wies er nach, daß Raketentriebwerke mit Ausströmgeschwindigkeiten bis zu 3000 m/s und Brenndauern von über 20 min. realisierbar waren. Darüber hinaus gewann er wesentliche Erkenntnisse über die Kühlung von Brennkammern, die Temperaturen von über 3000 K aushalten mußten. 1933 veröffentlichte er das Buch „Raketen-Flugtechnik“ (engl. 1945, russ. 1947, japan. 1959), das die wissenschaftliche Untersuchung des Raketenflugzeugs einleitete. Seit 1936 setzte S. seine Arbeiten zunächst bei der Dt. Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Berlin-Adlershof und seit 1937 bei der Dt. Forschungsanstalt für Luftfahrt (DFL) in Braunschweig fort. Dort wurde er mit der Planung eines raketentechnischen Forschungsinstituts und eines Forschungsprogramms für Flüssigkeitstriebwerke beauftragt. Nach der 1937 erfolgten Umsiedlung nach Faßberg bei Trauen arbeitete er an der Entwicklung von Flüssigkeitsraketen mit Flüssigsauerstoff/Kerosin als Antrieb und einer Schubkraft von mindestens 1 t (10 kN). Nach Einstellung der Großversuche am Raketenprüfstand in Trauen wegen kriegsbedingter Treibstoffknappheit arbeitete er von Sept. 1942 bis Kriegsende an der Dt. Forschungsanstalt für Segelflug in Ainring (Bayern) an der Entwicklung von Staustrahltriebwerken.

    Gleichzeitig reiften Ideen für Hyperschallflugzeuge. Sein 1944 unter Mitwirkung seiner späteren Ehefrau, Irene Bredt, entstandener Geheimbericht „Über einen Raketenantrieb für Fernbomber“ betraf das Projekt eines erdumkreisenden, einstufigen Raketenflugzeugs mit 100 t Startmasse (Antipodenbomber). Nachdem dieser Bericht nach Kriegsende in die Hände der Alliierten gelangte, wurde er zur Grundlage für das US-Projekt „Dyna Soar“ sowie für die Entwicklung des Forschungsraketenflugzeuges X-15 und des US-Raumtransporters Space Shuttle. Nach Kriegsende bemühte sich Stalin, S. in die Sowjetunion zu holen, doch dieser entschied sich für ein Angebot des Arsenal de Aeronautique (später: Nord Aviation) und ging im Juli 1946 nach Frankreich. Dort war er bis 1954 bei der franz. „Direction Technique et Industrielle du Ministère de l'Armament“, bei der „Société MATRA“ und der „Nord Aviation“ in Paris überwiegend mit Entwicklungsfragen von Raketen- und großen Staustrahltriebwerken beschäftigt. 1953 veröffentlichte S. seine ersten Untersuchungen über einen hypothetischen Photonenantrieb mit vollständiger Umwandlung von Materie in Energie, wobei die Treibstoffmassen eines Raumfahrzeugs mit Lichtgeschwindigkeit ausgestoßen würden. Die technische Realisierbarkeit einer derartigen Photonenrakete wurde in Fachkreisen stark bezweifelt.

    Im Herbst 1954 ging S. an das „Forschungsinstitut für Physik der Strahlantriebe“ (FPS) in Stuttgart, das auf Initiative u. a. der „Gesellschaft für Weltraumforschung“ (GfW) gegründet worden war. Aufgabe dieses ersten|Raumfahrt-Forschungsinstitutes in Europa war es, den Übergangsbereich zwischen Luft- und Raumfahrt näher zu untersuchen, wobei die Entwicklung der Heißwasserrakete als Starthilfe für Flugzeuge im Vordergrund stand. 1954 nahm er außerdem einen Lehrauftrag an der TH Stuttgart an (1957 Hon.prof.). Nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Kuratorium des FPS war S. seit 1961 als Berater mehrerer Firmen der Luft- u. Raumfahrtindustrie tätig. Er beriet u. a. die „Junkers Flugzeug- u. Motorenwerke AG“ 1961-64 bei Studien zur Entwicklung eines europ. Raumflugzeugs mit einer Startmasse von etwa 250 t und ca. 3 t Nutzlast für Transporte in eine 300 km hohe Umlaufbahn. 1963 wurde S. zum o. Professor an der TH Berlin auf den ersten Lehrstuhl für Raumfahrttechnik in Deutschland berufen, wo er bis zu seinem Tod wirkte. In seinem Hauptwerk „Raumfahrt – heute, morgen, übermorgen“ (1963) faßte S. die Erkenntnisse aus seinen Forschungsarbeiten zusammen.|

  • Auszeichnungen

    Ehrenmitgl. zahlr. astronaut. Ges. im In- u. Ausland;
    Mitbegr. (1950) u. Präs. (1951/52) d. Internat. Astronaut. Föderation;
    Hermann-Oberth-Medaille d. Ges. f. Weltraumforschung (1951);
    1. Vors. d. DGLR (1955–58);
    Österr. Ehrenkreuz f. Wiss. u. Kunst I. Kl. (1961);
    Goldene Gagarin-Medaille d. Assoziazione Internat. Uomo nelle Spazio (1961): Eugen-Sänger-Medaille d. Dt. Ges. f. Luft- u. Raumfahrt (DGLR) (seit 1966);
    Benennung e. Mondkraters nach S. (1970);
    Aufnahme in d. Internat. Space Hall of Fame USA (1976).

  • Werke

    u. a. Raketen-Flugtechnik, 1933;
    Raketenflugmotoron, 1934;
    Über e. Raketenantrieb f. Fernbomber, 1944;
    Zur Soziol. d. Forschers, 1950;
    Zur Theorie d. stat. u. puls. Staustrahlantriebes, 1950;
    Zur Theorie d. Photonenraketen, 1953;
    Probleme d. Strahl- u. Raketenantriebe, 1953 (mit Irene S.-Bredt);
    Forsch. zw. Luftfahrt u. Raumfahrt, 1954;
    Zur Strahlungsphysik d. Photonen-Strahlantriebe u. Waffenstrahlen, 1957;
    Raumfahrt – techn. Überwindung d. Krieges, 1958;
    Atomraketen f. Raumfahrt, 1960;
    Memorandum z. Raumfahrt in d. Bundesrep., 1965;
    Patente
    u. a.: ÖP 144809 v. 1935 (Raketenmotor u. Verfahren z. seinem Betrieb) auch in D, F, GB;
    ÖP 146000 v. 1935 (Expansionsdüse mit gekühlter Wand f. d. Feuergase v. Raketenantriebskraftmaschinen) auch in D, F, GB;
    DRP 44/39 v. 1937 (Raketenmotor);
    DRP 380/40 v. 1938 (Verfahren z. Betrieb e. Raketenmotors mit Dampfkraftmaschinenhilfsantrieb);
    DRP 411/42 v. 1939 (Gleitkörper f. Fluggeschwindigkeiten über d. Mach’schen Zahl 5);
    DRP 165/44 v. 1941 (Hochtemperatur-Strahltriebwerk);
    DBP 973 448 v. 1955 (Heißwasserrakete, insb. Starthilfe f. bemannte oder unbemannte Flugkörper);
    DBP 1 082 131 v. 1957 (Starthilfe f. Flugzeuge) auch in USA;
    zu Irene S.-Bredt:
    Bemessungstafeln f. Staustrahlantriebe, 1956;
    Entwicklungsgesetze d. Raumfahrt, 1964;
    Die kosm. Gesetze, 1971. Tb. 1974;
    Ungelöste Rätsel d. Schöpfung, 1971;
    Rev. d. Vernunft, 1973;
    Die biolog. Evolution, 1973;
    Die geopferte Intelligenz, 1981.

  • Literatur

    L. Bölkow, in: Jb. 1964 d. WGLR, 1965;
    Irene Sänger-Bredt, Btrr. E. S.s z. Entwicklung d. Raumfahrttechnik, in: Mitt. DGLR 71/24, 1971, S. 74-98 (P);
    dies., The Silver Bird Story, A Memoir, 1977;
    dies., E. S. Biography, 1977;
    F. C. Durant III., G. S. James, First Steps Toward Space, 1974, S. 217-46;
    E. A. Steinhoff (Ed.), The Eagle has returned, Second Part, 1977, S. 312-16;
    W. Buedeler, Gesch. d. Raumfahrt, 1979, S. 230-33, 273-78 (P);
    Lex. d. Naturwiss., 1996;
    Pogg. VII a.;
    vollst. Bibliogr.
    u. Nachlaß im Bes. v. Hartmut Sänger, Pfinztal.

  • Porträts

    Ölgem. v. Neumann, um 1966 (Fam.bes.), Acryl-/Ölgem. v. G. Deutsch, 1998 (Austria Space Agency, Wien);
    Bronzebüste, um 1966 (Stuttgart, Dt. Zentrum f. Luft- u. Raumfahrt e. V.);
    Eugen-Sänger-Medaille in Silber, 1966.

  • Autor/in

    Karl-Heinz Ingenhaag
  • Zitierweise

    Ingenhaag, Karl-Heinz, "Sänger, Eugen" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 348-350 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd124000940.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA