Lebensdaten
1634 – 1699
Geburtsort
Chlumec (Nordböhmen)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
österreichischer Staatsmann
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 123530822 | OGND | VIAF: 13219286
Namensvarianten
  • Kinsky von Wchinitz und Tettau, Franz Ulrich Graf
  • Kinsky, Franz Ulrich Graf
  • Kinsky von Wchinitz und Tettau, Franz Ulrich Graf
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Zitierweise

Kinsky, Franz Ulrich Graf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd123530822.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Octavian Gf. (1612–79), böhm. Hofmeister, Kanzler d. Kgr. Böhmen, S d. Wenzel (s. Gen. 3) u. d. Elisabeth Kragíř v. Kraigk;
    M Margaretha Magdalena, T d. Joh. Sforza Gf. v. Porzia, Obersterblandhofmeister u. Landeshauptm. v. Görz, Gesandter in Madrid, u. d. Anna Maria Freiin v. Raunach;
    Groß-Ov Wilhelm (s. 3);
    Om Joh. Ferdinand Fürst v. Porzia (1606–65), Obersthofmeister, österr. Staatsmann (s. ADB 26);
    Schw Maria Theresia ( Ludwig Ernst Gf. v. Batthyány-Strattmann, 1687–1757, ungar. Hofkanzler, Palatin v. Ungarn); - ⚭ Anna Franziska ( 1708), T d. Franz Bernh. Gf. v. Ursenbeck; kinderlos;
    N Joseph (s. 2).

  • Biographie

    K. gelangte nach dem Besuch der Löwener Universität und den in seinem Stand üblichen Bildungsreisen schon früh an den Hof Kaiser Leopolds I., der ihn zu seinem Kämmerer machte. 1658 wurde er Mitglied des Reichshofrats, der auch für ihn die Vorschule für diplomatische und politische Tätigkeit wurde. 1663/64 und 1664/65 unternahm er, beraten von Leopolds I. fähigstem Diplomaten Lisola, zwei Missionen nach Warschau mit der Aufgabe, polnische Unterstützung für den Türkenkrieg zu gewinnen und die polnische Thronfolgefrage im Sinne Habsburgs offenzuhalten. Nachdem K. schon vor seiner Abreise nach Polen böhmischer Vizekanzler geworden war, ernannte ihn Leopold I. nach seiner Rückkehr zum königlichen Statthalter, 1667 zum Appellationspräsidenten in Böhmen. 1676 wurde er 2. kaiserlicher Gesandter bei den Nymwegener Friedensverhandlungen, nachdem der Kaiser ihm ein Jahr zuvor die politisch nur noch wenig bedeutende Würde eines geheimen Rates verliehen hatte. Angesichts der militärischen Überlegenheit Frankreichs und den von Illusionen nicht freien Weisungen ihres Hofes unterzeichneten die kaiserlichen Vertreter am 5.2.1679 einen Friedensvertrag, den K. sehr ungünstig beurteilte. Am 8.4.1683 wurde K. Oberster böhmischer Kanzler und damit Chef der böhmischen Hofkanzlei. Am 19.2.1684 verlieh ihm der spanische König das Goldene Vlies. Nachdem K. während der Belagerung Wiens durch die Türken (1683) die Verteidigung|Böhmens geleitet hatte, befaßte er sich in den folgenden Jahren auch mit ungarischen und siebenbürgischen Angelegenheiten. Als einflußreiches Mitglied der im April 1687 nach der Eroberung Ungarns eingesetzten Kommission für die Revision der Verfassung des Königreichs vertrat K. unter Berufung auf naturrechtliche Theorien einen streng absolutistischen Standpunkt. Im Januar 1690 fungierte er als einer der beiden böhmischen Wahlbotschafter bei der Königswahl Josephs I. Mit dem Eintritt in die geheime Konferenz, das oberste Beratungsorgan des Kaisers, hatte sich K. 1689 der Weg zu den Schalthebeln der Macht geöffnet, die er allerdings zunächst mit seinen Rivalen, dem österreichischen Hofkanzler Stratmann ( 1693) und dann mit dem Reichsvizekanzler Windischgrätz ( 1695), teilen mußte. Von 1695 bis zu seinem Tode war K. der leitende Staatsmann am Wiener Hof. Als Verfechter einer weniger an den Interessen des Reichs als des Hauses Österreich orientierten Politik vertrat er in den von ihm geleiteten Friedensverhandlungen mit den Türken eine harte, auf territoriale Expansion zielende Linie, während er mit dem Kriegsgegner Frankreich – auch unter Umgehung der verbündeten Seemächte – eine Verständigung suchte. Der französische Gesandte Villars sah 1699 in ihm den Befürworter eines engen Einvernehmens zwischen Bourbonen und Habsburgem gegen die protestantischen Mächte England und Holland. An der Vorbereitung der Wahl Augusts des Starken zum König von Polen war K. wesentlich beteiligt. Er war ein kenntnisreicher und gebildeter Staatsmann, dazu arbeitsam und gewissenhaft. Er neigte jedoch dazu, die großen politischen Zusammenhänge über den scharfsinnig analysierten Einzelproblemen aus dem Auge zu verlieren und Entscheidungen hinauszuzögern. Der schwer umgängliche, früh kränkelnde K. hat es schließlich nicht verwinden können, daß ihn Leopold I. im Dezember 1698 bei der Besetzung des Obersthofmeisteramts, das ihn auch formell zum Leiter der kaiserlichen Politik gemacht hätte, zugunsten des politisch wenig bedeutsamen Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach überging.

  • Werke

    Tagebuch 1663–72, hauptsächl. üb. d. poln. Gesandtschaft 1663-65 (Hs. 750 d. Haus-, Hof- u. Staatsarchivs, Wien).

  • Literatur

    ADB 15;
    Die Relationen d. Botschafter Venedigs üb. Dtld. u. Österreich im 17. Jh., hrsg. v. J. Fiedler, II, 1867;
    Weensche Gezantschapsberr. van 1670-1720, hrsg. v. G. v. Antal u. J. C. H. de Pater, 2 Bde., 1929/34;
    A. Schulte, Mgf. Ludwig Wilhelm v. Baden u. d. Reichskrieg gegen Frankreich 1693–97, 2 Bde., ²1901;
    G. Turba, Die Grundlagen d. Pragmat. Sanktion, I: Ungarn, 1911;
    O. v. Gschließer, Der Reichshofrat, 1942;
    H. F. Schwarz, The Imperial Privy Council in the Seventeenth Century, 1943;
    H. v. Srbik, Wien u. Versailles 1692–97, 1944;
    M. Braubach, Versailles u. Wien v. Ludwig XIV. bis Kaunitz, 1952;
    ders., Prinz Eugen v. Savoyen I., 1963 (P);
    P. O. Höynck, Frankreich u. s. Gegner auf d. Nymwegener Friedenskongreß, 1960;
    O. Redlich, Weltmacht d. Barock, ⁴1961.

  • Porträts

    Schabbl. v. H. Hendrik de Quiter, vermutl. 1678 (Dresden, Kupf.kab.;
    Coburg, Kupf.slg.).

  • Autor/in

    Klaus Müller
  • Zitierweise

    Müller, Klaus, "Kinsky, Franz Ulrich Graf" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 627-628 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd123530822.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Kinsky: Graf Franz Ulrich K., geb. 1634, am 27. Febr. 1699, Sohn des Johann Octavian K., welcher 1676 in den Grafenstand erhoben worden war, und der Gräfin Margaretha Magdalena Porzia. Nachdem er seine auf der Universität Löwen gewonnenen Kenntnisse durch Reisen bereichert hatte,|widmete er sich dem Staatsdienste unter Kaiser Leopold I., der ihn noch als jungen Mann zu diplomatischen Sendungen, so 1664 in einer schwierigen Mission nach Polen verwendete. In Böhmen nahm er rasch nacheinander die wichtigen Aemter des Vicekanzlers, eines königlichen Statthalters, des Appellationspräsidenten und nach dem Tode seines Vaters (1679) des königlich böhmischen Erbhofmeisters ein. Nachdem ihn der Kaiser bereits im J. 1675 zum geheimen Rath ernannt hatte, wurde er 1683 Oberstkanzler von Böhmen und seit 1690 Mitglied des geheimen Conferenzrathes Leopolds I., in welcher Körperschaft er sich durch seine staatsmännische Begabung neben Grafen Theodor Heinrich Strattman den größten Einfluß zu verschaffen wußte. Nach dem Tode Strattman's (1695) wurde er die eigentliche Seele der österreichischen Staatspolitik und versah bis zum J. 1698 in Wirklichkeit, wenn auch nicht dem Titel nach, die Geschäfte eines Staatsministers und Obersthofmeisters. Als im Herbste 1698 Graf Harrach vom Kaiser zum wirklichen Obersthofmeister ernannt wurde, zog sich K. schwer gekränkt von den öffentlichen Geschäften zurück und starb bald darauf. In der äußeren Politik tritt seine Thätigkeit besonders bei den Friedensverhandlungen von Nymwegen (1678, 1679) und Ryswik (1697) hervor, bei denen er sich mit allem Eifer gegen die französischen Absichten, wenn auch zumeist vergeblich sträubte. Den Ryswiker Frieden schloß er in Gemeinschaft mit Strattman ab, das Friedensinstrument von Nymwegen unterzeichnete er als Prinzipalcommissär Oesterreichs und des Kaisers. In den innern Angelegenheiten Oesterreichs tritt sein Name in den Vordergrund bei den Arbeiten der Commission „zur Einrichtung Ungarns“ (1688) und bei den: Zustandekommen des für die Autonomie Siebenbürgens wichtigen „Diploma Leopoldinum“ (16. Octbr. und 4. Decbr. 1691). — K. war ein gewissenhafter, vielerfahrener Staatsmann, dem jedoch oft wegen des allzu gründlichen Erwägens die Energie des Handelns abging. Ein venetianischer Berichterstatter sagt von ihm: „Den Austrag der Geschäfte verwirre er mit seinen Feinheiten mehr, als daß er sie beschleunige.“ Ein zweiter Venetianer schreibt: „Er ist ein Mann höchsten Wissens, speculativ mehr als nöthig.“ K. war vermählt mit Anna Franziska Gräfin von Ursenbek. Die Ehe blieb kinderlos.

    • Literatur

      Arneth, Prinz Eugen und seine Zeit. Folkmann, Die gefürstete Linie des uralten edlen Geschlechtes Kinsky, Prag 1861.

  • Autor/in

    Schlesinger.
  • Zitierweise

    Schlesinger, Ludwig, "Kinsky, Franz Ulrich Graf" in: Allgemeine Deutsche Biographie 15 (1882), S. 771-772 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd123530822.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA