Lebensdaten
1543 – 1592
Geburtsort
Burg Gräfenstein bei Merzalben (?)
Sterbeort
Lützelstein bei Zabern (Elsaß)
Beruf/Funktion
Pfalzgraf bei Rhein zu Veldenz-Lützelstein
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 119683970 | OGND | VIAF: 3285804
Namensvarianten
  • Georg Johann der Scharfsinnige
  • Georg Johann I. der Scharfsinnige
  • Georg Hans Pfalzgraf von Veldenz-Lützelstein
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Georg Johann I., Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119683970.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Pfalzgf. Rupprecht zu V.-Lauterecken (1504–44), S d. Alexander (1462–1514), Hzg. v. Pfalz-Zweibrücken;
    M Ursula (um 1515–1601), T d. Johann VII. (1493–1531), Wild- u. Rheingf. zu Salm-Kyrburg, u. d. Anna Gfn. v. Isenburg-Ronneburg-Kelsterbach; Stockholm 12.12.1562 Anna Maria (1545–1610), T d. Kg. Gustav I. Wasa v. Schweden (1496–1560) u. d. Margareta Leijonhufvud;
    5 S, 7 T, u. a. Pfalzgf. Georg Gustav zu V.-Lauterecken (1564–1634, s. Ersch-Gruber I, 59, S. 72), Pfalzgf. Joh. August zu V.-L. (1575–1611), Pfalzgf. Georg Johann II. zu V.-L.-Guttenberg (1586–1654), Anna Margarela ( Pfalzgf. Reichard zu Simmern, 1521–98), Ursula ( Hzg. Ludwig III. v. Württemberg, 1554–93);
    E Leopold Ludwig (1625–94), letzter Pfalzgf. zu Veldenz.

  • Biographie

    G. ist ein besonders interessanter, ja einzigartiger Repräsentant jenes eigenartigen Condottieretums, das der protestantisch gewordene deutsche Reichsfürstenstand im Zusammenhang mit dem Wegfall der geistlichen Unterbringung jüngerer Söhne, der infolge Zunahme der Eheschließungen gestiegenen Kinderzahlen und der dadurch zunehmend gefährdeten standesgemäßen Versorgung aller Familienmitglieder hervorgebracht hat. Nach Pfalzgraf Philipp von Neuburg, Markgraf Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach und Herzog Johann Wilhelm von Sachsen und vor Christian von Anhalt und Bernhard von Sachsen-Weimar, ist G. vor allem neben den Pfalzgrafen Johann Kasimir zu stellen, nur daß ihm nicht eine der Administration der Kurpfalz vergleichbare Lebensaufgabe zufiel. Er hat sie sein Leben lang krampfhaft gesucht, mutet im übrigen sympathischer an und war zweifellos intelligenter und gebildeter als sein pfalz-simmerischer Vetter, obwohl man seinem Heidelberger Universitätsrektorat 1557/58 – dem ersten derartiger landesfürstlicher Rektorate an der Universität Heidelberg – in dieser Hinsicht keine zu große Bedeutung wird beimessen dürfen. Entgegen dem von seinen Vormündern anerkannten Heidelberger Sukzessionsvertrag von 1553 erhob er, mündig geworden, Ansprüche auf ein Viertel der Verlassenschaft Kurfürst Ottheinrichs, ja auf die pfälzische Kur selbst, deren prozessuale Verfolgung sich bis in den 30jährigen Krieg hingezogen hat, aber ebenso erfolglos blieb wie ihre Erneuerung durch G.s Enkel Leopold Ludwig anläßlich des Aussterbens der Linie Pfalz-Simmern 1685, es sei denn man werte die dabei anfallenden Reichsjustizreformpläne G.s als positives Resultat. In der fortdauernden prekären Ausnahmesituation von Kurpfalz seit Einführung des Calvinismus war der ständig drängende und drohende, mit dem Kaiser und Spanien Verbindung aufnehmende kleine Prätendent trotzdem ein zeitweilig recht unangenehmes Hemmnis. Von seinem Hauptvormund Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken erreichte er hingegen 1563/67 auf Grund des zwischen diesem und dessen Onkel und Vormund Ruprecht, G.s Vater, geschlossenen Marburger Vergleichs von 1543 die Nachfolge in Veldenz, Lauterecken, Remigiusberg und Lützelstein, wo er Residenz nahm. Von hier aus knüpfte er Beziehungen zu den französischen Hugenotten und Franz von Alençon an, um schon 1564 Pensionär der französischen Krone zu werden, die für die von ihm gesammelten Truppen jedoch keine Verwendung hatte, weshalb er sie England und den niederländischen Aufständischen anbot, um sich schließlich vergeblichen Hoffnungen hinzugeben, sie unter spanisch-kaiserlichen Schutz gegen seinen Prozeßgegner Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz einsetzen zu können. Andrerseits wollte er, wie Johann Kasimir, Metz, Toul und Verdun dem Reich zurück- und damit für sich gewinnen. Gegen die von dorther immer weiter nach Osten vordringenden Franzosen gründete er 1568/72 auf dem Lothringen mit dem Elsaß verbindenden Einarzhausener Paß die Stadt Pfalzburg und versuchte sie unter Fühlungnahme mit dem Straßburger Stadtbaumeister Daniel Specklin und wohlwollender Unterstützung durch Kaiser Maximilian II. zur Reichsfestung und zu einem Handels- und Gewerbezentrum auszubauen, übernahm sich jedoch, zumal er den erstrebten Reichszoll nicht durchsetzte, und mußte sie 1583/84 für 400 000 Gulden an Herzog Karl II. von Lothringen veräußern, nachdem französische Verkaufspläne im Reich einige Unruhe hervorgerufen hatten. Später trug er sich auch mit dem Gedanken des Verkaufs von Veldenz an Spanien. An skandinavische und polnische Jugenderfahrungen anknüpfend – seine schwedische Heirat ist die erste der zukunftsträchtigen Eheverbindungen zwischen den Häusern Wasa und Wittelsbach – wurde „Hans Unruhe“ zum Hauptpropagandisten des „Admiralswerks zur Schaffung einer von einem Ober- und Unteradmiral zu befehligenden Reichsflotte in der Nordsee“, mit dem man in den 70er Jahren den Klagen der Hanse über fehlenden Rückhalt bei Kaiser und Reich abzuhelfen gedachte, wie der damit zusammenhängenden schwächlichen Bemühungen, das Livland des Schwertbrüderordens vor fremdem, zumal russischem Zugriff zu bewahren, und hing diesen weitreichenden Projekten noch nach, als man sie als undurchführbar anderweitig längst aufgegeben hatte. Dabei dürften nicht nur Hoffnungen G.s auf ein von seinen schwedischen Schwägern Erich XIV. und Johann III. protegiertes Herzogtum Livland, sondern auch Gedanken an die polnische Königskrone eine Rolle gespielt haben, die dann an Heinrich von Valois, Stefan Báthory und schließlich G.s Neffen Sigismund fiel. Den Zaren, Iwan IV. Grosny, wollte er über Kola und das Weiße Meer angreifen, wie er auf der Suche nach der Nordostpassage durchs Eismeer Richard Chancellor gerne Konkurrenz gemacht hätte. Mit solch phantastischen Träumereien verbinden sich Planungen neuer, noch nie gesehener Kriegsmaschinerien, in den Vogesen werden Straßen angelegt, die die Nachbarn mit Argwohn entstehen sehen, und ein besonderes Steckenpferd G.s muß der Kanalbau gewesen sein: Über Zorn und Saar sollen Rhein und Mosel miteinander verbunden und über Sauer und Ourthe Anschluß an Maas und Schelde gewonnen werden, und Erzherzog Ferdinand II. von Tirol und den bayerischen Wittelsbachern, mit denen er gegen die Kurpfälzer konspiriert, sucht er eine Kanalverbindung zwischen Lech, Amper, Isar und Inn schmackhaft zu machen. Daß er sich, von dem Paracelsusadepten Dr. Michael Toxites in Hagenau beraten, schließlich auch noch mit Alchemie und Goldmacherei befaßt, rundet das Bild. Obschon persönlich glaubenstreuer Lutheraner, predigt er, von Leuten wie Jean Phillot, Konrad Hubert und Heliseus Röslin beeinflußt, doch Wiedervereinigung der getrennten Konfessionen und religiöse Toleranz, wie er sie, um Siedler anzulocken, in Pfalzburg auch praktizierte – die dort entstandene Hugenottengemeinde wanderte aus der an Lothringen verkauften Stadt nach Bischweiler weiter – und sie seine Bemühungen, wenigstens eines seiner vielen Kinder doch noch auf einem Bischofsstuhl unterzubringen – Straßburg, Speyer und Trier wurden nacheinander ins Auge gefaßt – wünschenswert machten. Die ehrliche Sorge um die große Familie gibt seinen sonst eher unerfreulichen Praktiken einen irgendwie rührenden Zug. Er stirbt freilich als völlig ruinierter Bankrotteur, Frau und Nachkommenschaft Schulden hinterlassend, die sie nicht wieder hochkommen ließen, und ist in der Hoffnung, seine wahre Bedeutung werde, „wo nit die jetzige Welt, so doch die Posterität befinden und erkennen“, dennoch nicht durchaus getrogen worden. Die Waldarbeiter in den Vogesen haben „Jerrihans“ noch lange ein treues Andenken bewahrt, und in der begreiflicherweise sehr widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilung findet sich wiederholt die Feststellung, G. habe tragischerweise 300 Jahre zu früh gelebt. Daß wir auf seinen Spuren in Pfalzburg Vauban und den südlich vorbeilaufenden Rhein-Marne-Kanal, als Reichsadmiral Wallenstein finden, spricht für ihn. ja man hat ihn ob der vernünftig-hausväterlichen Fürsorge für seine Untertanen, vielleicht auch seiner Narrheiten, mit König Friedrich Wilhelm I. von Preußen verglichen und ob seiner Bemühungen um einen europäischen Frieden „einen deutschen Saint Pierre“ genannt!

  • Werke

    u. a. Oratio de scholae Heidelbergensis instauratione, Heidelberg 1558, ed. K. Bültinghausen, in: Miscella historiae universitatis Heidelbergensis inservientia, ebd. 1785, S. 61-78;
    Tractätlin, Wie ein Fürstlich Hauß zuerhalten (a. d. J. 1589), ed. Ch. Besold, in: Disputationum Nomicopoliticarum libri III …, Tübingen 1614, S. 56-64, ²1617, S. 78-89, = Patriot. Archiv, s. L, S. 148-63;
    Moyen de la Paix pour l’Eglise et toute Police Chretienne et Civile, pour enlever tous dangers et ramener chacun à vraye foy Chretienne, vie et obeissance ecclesiastique et politique (Ms., vgl. Th. Gümbel, s. L, S. 87 f.).

  • Literatur

    Fragmente v. d. Leben, Schicksaalen, Abentheuren u. Ende Hzg. G. Hansens Pfalzgf. zu V. etc. …, in: Patriot. Archiv f. Dtld., ed. F. K. v. Moser, XII, Mannheim u. Leipzig 1790, S. 3-172;
    J. G. Lehmann, Vollst. Gesch. d. Hzgt. Zweibrücken u. s. Fürsten …, 1867, S. 504-16;
    Briefe Friedrich d. Frommen Kf. v. d. Pfalz mit verwandten Schriftstücken, ed. A. Kluckhohn, 2 Bde., 1868/72;
    Briefe d. Pfalzgf. Johann Casimir mit verwandten Schriftstücken, ed. F. v. Bezold, 3 Bde., 1882/1903;
    Die Admiralitätsakten v. Pfalzgf. G. Hans, Gf. zu Veldenz, in: Mitt. a. d. Stadtarchiv v. Köln, ed. K. Höhlbaum, VI, 18, 1889. S. 1-55;
    F. v. Weech, Ein Projekt z. Reform d. Reichsjustiz a. d. 16. Jh., in: Neue Heidelberger Jbb. III, 1893, S. 17-70;
    Th. Gümbel, Gesch. d. Fürstentums Pfalz-Veldenz …, 1900;
    G. Wolfram, Ausgew. Aktenstücke z. Gesch. d. Gründung v. Pfalzburg, mit e. Einl.: Pfalzgf. G. Hans v. V.-L. u. s. Lebenstragödie, in: Jb. d. Ges. f. lothring. Gesch. u. Altertumskde. 20, 1909, S. 177-260, 22, 1911, S. 388-422, 23, 1912, S. 633-704;
    J. J. Kunz, Die Pol. d. Pfalzgf. G. Hans v. V., Diss. Bonn 1912 (L);
    G. Goedel, Der Ingeniörhanjörg,|in: Der Pfälzerwald 19, 1918, S. 7 ff., 14 ff., 31 f., 38 f.;
    G. H. Schwartz, Aus d. Vergangenheit v. Pfalzburg, Der Gründer u. d. Gründungszeit, 1568-84, Ein hist. Versuch, Straßburg 1930 (P);
    B. Isemann, Das härtere Eisen, Hzg. G. Hans Pfalzgf. v. L., 2 Bde., ebd. 1942, 2. Aufl. 1 Bd. u. d. T. Der Pfalzgf. v. Lützelstein, 1952 (P) (Roman);
    Jöcher-Adelung II, Sp. 1406;
    Ersch-Gruber I, 59, S. 72 f.;
    Schottenloher 32 153-68.

  • Porträts

    unbez. zeitgenöss. (?) Ölgem. (Heidelberg, Kurpfälz. Mus.);
    unbez. Ölgem., 17. Jh. (Identität fraglich) (München, Bayer. Staatsgem.slgg.);
    Medaille v. B. Drentwett (?), 1583 (München, Staatl. Münzslg.), Abb. b. G. Habich, Stud. z. Augsburger Medaillenkunst am Ende d. XVI. Jh., in: Archiv f. Medaillen- u. Plaketten-Kde. I, 1913/14, Tafel XVI, 8, vgl. ebd., S. 191;
    Medaille v. V. Maler, 1583 (ebd.), Abb. b. G. Habich, Die dt. Schaumünzen d. XVI. Jh., II, 1, 1932, Tafel CCLIV, 3, vgl. ebd., S. 367, Nr. 2540.

  • Autor/in

    Peter Fuchs
  • Zitierweise

    Fuchs, Peter, "Georg Johann I." in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 221-223 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119683970.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA