Lebensdaten
1750 – 1848
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
Hannover
Beruf/Funktion
Astronomin
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119506610 | OGND | VIAF: 15581821
Namensvarianten
  • Herschel, Caroline Lucretia
  • Herschel, Karoline Lucretia
  • Herschel, Karoline
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Zitierweise

Herschel, Caroline, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119506610.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    B Friedrich Wilhelm (s. 1); - ledig.

  • Biographie

    Nicht so sehr die eigenen, wenn auch in genügendem Ausmaß vorhandenen wissenschaftlichen Arbeiten und Verdienste H.s ließen ihren Namen in die Geschichte der Astronomie eingehen; vor allem trug die ihrem Bruder gewidmete selbstlose Unterstützung bei seinem wissenschaftlichen Tun zu einem wesentlichen Teil zu dessen aufsehenerregenden und bahnbrechenden Erfolgen bei. Vom Vater trotz bescheidener Verhältnisse für eine musikalische Laufbahn ausersehen, von der Mutter aber allein zu häuslichen Pflichten angehalten, öffnete sich H. nach einer arbeitserfüllten Kindheit das Tor zur Welt und zu einem unerschöpflich tätigen Leben erst, als ihr Bruder Wilhelm sie 1772 zu sich nach Bath in England nahm, um sie dort als Sängerin für seine Konzerte ausbilden zu lassen. Mitwirkung als Solistin in Oratorien und Konzerten, Schulung vonSingstimmen sowie Abschreiben aus Partituren bildeten hier zunächst neben den Pflichten einer Hausfrau in ihres Bruders Junggesellenhaushalt das Tagespensum. Doch schon in Bath begann sie, ihren Bruder bei den Beobachtungen durch Ablesen der Uhr, Führung des Beobachtungsbuches und Beteiligung an den Reduktionsarbeiten zu unterstützen. Später in Datchet, 1782, begann sie ihre ersten eigenen Beobachtungen mit einem kleinen Instrument, das eigens für sie gebaut wurde. Ihr Hauptaugenmerk richtete sie dabei auf Kometen, deren sie in den Jahren 1786-97 acht, darunter fünf als erste, entdeckte; doch auch zuvor nicht beobachtete Nebel und Sternhaufen waren das Ergebnis ihrer Durchmusterungsarbeiten, wenn etwa eine Abwesenheit des Bruders hierfür Zeit beließ. Frauliches Geschick ließ sie daneben bei den Fertigungsarbeiten der Spiegelinstrumente ihres Bruders außerordentlich wertvolle Hilfe leisten.

    Ihre wissenschaftlichen Verdienste und ihre Veröffentlichungen wurden 1787 auf Antrag von Sir Joseph Banks, dem Präsidenten der Royal Society, von König Georg III. durch ein Jahresgehalt von 50 Pfund anerkannt, das|sie fasl ganz zur Unterstützung von Angehörigen verwandte. Die Verheiratung des Bruders 1788 entband sie zwar fürderhin von den Pflichten der Hausfrau, um so eifriger aber widmete sie nun ihre ganze Kraft der astronomischen Mitarbeit. Ihrer Feder entstammt die Nachlese durch J. Flamsteed angestellter, jedoch unreduziert gebliebener Beobachtungen von 561 Sternen unter dem Titel „Catalogue of Flamsteed's Stars, not inserted in the British Catalogue“ sowie, der gleichen Thematik angehörend, „Index to Flamsteed's Observations of the Fixed Stars contained in the second volume of the Historia Coelestis“ und endlich „Errata in the Observations of the Fixed Stars contained in Flamsteed's second volume of the Historia Coelestis“, alles zusammen mit jeweils einführenden Worten ihres Bruders unter einem noch eingehenderen Gesamttitel 1798 in einem Bande von der Royal Society veröffentlicht. H.s Verdienst der Reduktion der Beobachtungen dieser 561 Sterne wird nicht im geringsten dadurch gemindert, daß mangels Nachprüfung der Ergebnisse manche Irrtümer in Flamsteeds Beobachtungen trotz H.s selten übertroffener Sorgfältigkeit von ihr nicht erkannt wurden. Erst später konnten diese Fehler von J. E. Bodo, F. Baily und F. W. A. Argelander richtiggestellt werden. Ungedruckt blieb der von H. in Hannover – sie war nach ihres Bruders Tod im Oktober 1822 in ihre Vaterstadt zurückgekehrt – vollendete Zonenkatalog sämtlicher von ihrem Bruder entdeckten Nebel und Sternhaufen „Zone Catalogue of all the nebulae and clusters of Stars observed by her brother“, der ihr aber 1828 die goldene Medaille der Royal Astronomical Society eintrug, zu deren Ehrenmitglied sie 1835 ernannt wurde, eine für eine Frau damals außergewöhnliche Auszeichnung. 1838 wählte die Königlich Irische Akademie der Wissenschaften in Dublin H. zu ihrem Mitglied, und 1846 erhielt sie an ihrem 96. Geburtstag auf Anregung Alexander von Humboldts von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die große goldene Preismedaille für Erweiterung der Wissenschaften.

    Still und zurückgezogen, aber allerseits hochgeachtet und verehrt, lebte H. bis zu ihrem Tode in Hannover, aufgesucht von bedeutenden Persönlichkeiten wie C. F. Gauß und J. H. Mädler wie von ihrem Neffen John und dessen Familie vor der Ausreise und nach der Rückkehr vom Kap der Guten Hoffnung. Dessen Aufstieg und seine wissenschaftlichen Leistungen verfolgte H. mit größtem Interesse, und sie erlebte es noch, wie er seines Vaters Durchmusterungswerk auf der Nordhalbkugel auf den Südhimmel ausdehnte und so den Klang des Namens Herschel in der wissenschaftlichen Welt weitertrug. – Sie entschlief 98jährig, eine Frau, die bar jeder persönlichen Ziele ihr ganzes Eigenleben geopfert, „alles, was sie an Liebe zu geben gehabt, … auf ihren angebeteten Bruder konzentriert“ hatte.

  • Werke

    Weitere W u. a. Memoir and correspondence of C. H., hrsg. v. Mary Herschel, London 1876, dt. Übers. v. A. Scheibe, 1877 (auch f. B Frdr. Wilhelm u. N John; P).

  • Literatur

    ADB XII;
    J. F. W. Herschel (N), Miss C. L. H., in: Astronom. Nachrr. 27, 1848, S. 65;
    C. H., Notice of her Life, in: Memoirs of the Royal Astronomical Society 17, London 1849, S. 120;
    G. Buttmann, W. H., 1961 (8. Kap.: C. H.).

  • Porträts

    Gem. v. Tielemann, 1829, Abb. b. Buttmann.

  • Literatur

    z. Gesamtart.: C. A. Lubbock, The Herschel Chronicle, The life-story of W. H. and his sister C. H., Cambridge 1933 (Vf. ist Großnichte v. F. W. u. C. Herschel);
    DNB IX;
    Pogg. I, III;
    R. Zaunick, Kritisches z. d. Vorfahren Sir W. H.s, in: Actes du Symposium Internat. d'Hist. des Sciences, Florenz Okt. 1960, S. 96-98.

  • Autor/in

    Julius Dick
  • Zitierweise

    Dick, Julius, "Herschel, Caroline" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 698-699 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119506610.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Herschel: Karoline Lucretia H., die Schwester des nachfolgenden Astronomen, wurde geboren am 16. März 1750 in Hannover und starb am 9. Jan. 1848 ebenfalls in Hannover. Sie war das achte Kind und die vierte Tochter von Isaak Herschel und seiner Frau Ilse, geborene Moritzen, mit welcher er seit 1732 verheirathet war. Ueber dir Familie Herschel s. Wilhelm Herschel. Die Familie hatte mehrfach Unglück und besonders die in der Schlacht bei Dettingen am 16. Juli 1743 geholte Krankheit des Vaters war für die Familie recht traurig und bereitete viel Sorgen. Caroline nahm vom dritten Lebensjahre an an allem Antheil, was die Familie betraf; sie erinnert sich, daß ihre Mutter sie an einem Sonntage, als der zum Organisten ernannte Bruder Jakob in der Garnisonkirche zum ersten Mal spielte, mitnahm, daß sie die ältere Schwester, welche bei einer Familie in Braunschweig lebte, erst bei ihrer Hochzeit sah; sie hatte Erinnerung von dem Erdbeben am 1. Nov. 1755, welches für Lissabon so verderblich war und das man auch stark in Hannover verspürte. Die Brüder wurden alle Musiker und mit besonderer Freude lauschte Caroline den musikalischen Unterhaltungen ihres Vaters und ihrer Brüder. Der Vater war auch ein großer Bewunderer der Astronomie und Caroline erwähnte noch in älteren Jahren, wie sie von ihm in einer kalten Nacht auf die Straße geführt wurde, um einen Kometen zu sehen, bei welcher Gelegenheit sie auch mit den Sternbildern etwas bekannt wurde. Im J. 1755 wurde der kleine Haushalt auseinandergerissen, weil das Regiment, bei welchem der Vater und die Brüder standen, nach England versetzt ward. Schon um diese Zeit verrieth Karoline in ihrem ganzen Thun eine schwärmerische Liebe zu ihrem|Bruder Wilhelm. Vater und Brüder kehrten zwar gegen das J. 1757 wieder zurück, doch hielten die unruhigen Zeiten an und die Brüder Jakob und Wilhelm gingen 1757 von neuem nach England, um dort durch Musik ihren Unterhalt zu erwerben. Unterließ besuchte Karoline mit ihrem Bruder Alexander regelmäßig bis Nachmittags 3 Uhr die Garnisonschule sowie eine Strickschule und wurde angehalten für ihre Brüder die Strümpfe zu stricken, sie schrieb daneben auch die Briefe ihrer Mutter an den abwesenden Vater und die Brüder und verfaßte für manche Soldatenfrau Briefe an ihren im Felde stehenden Mann, denn nur wenige Frauen hatten damals schreiben gelernt. Sie hatte überhaupt eine arbeitsvolle Kindheit, denn der Vater war vielfach kränklich, der ältere Bruder Jakob sehr anspruchsvoll, die ältere Schwester, welche sich während der Abwesenheit ihres Mannes im elterlichen Hause befand, nicht ganz glücklich verheirathet. Im J. 1761 erkrankte Karoline schwer am Typhus; danach aber kräftigte sich ihre Gesundheit so, — daß erst das Alter ihr neue Beschwerden brachte. 1767 starb nach dreijährigen Leiden ihr Vater; angesichts ihrer dunkeln Zukunft war sie von diesem Schlage wie betäubt. Sie stand im Alter von 17 Jahren, hatte kaum die ersten Elementarkenntnisse, sah sich des Vaters beraubt, der ihr eine Art besserer Erziehung hatte geben lassen wollen und ihr auch einige Lectionen im Violinspiel ertheilt hatte, während die Mutter sie mehr zu häuslicher Arbeit anhielt. Einiger Unterricht in Handarbeiten gewährte nur geringen Trost für die nun folgenden einsamen Jahre. Der treue Bruder Wilhelm aber vergaß sie nicht. Im Anfange des J. 1772 lud er die Schwester ein, nach Bath zu ihm zu kommen, wo er versuchen werde, sie zur Sängerin auszubilden. Die Mutter, welcher er eine kleine Jahresrente aussetzte, willigte ein. Er holte die Schwester selbst ab; im August trafen beide in Bath ein. Bei allen Wendepunkten im Leben ihres Bruders wurde Karoline seine Gefährtin und Arbeitsgenossin und aus den engen Gewohnheiten im elterlichen Hause kam sie in ein Leben voll unerschöpflicher Thätigkeit, denn in den zehn Jahren, die sie in Bath zubrachte, hatte sie ihren vollen Antheil an all' den aufregenden Wandlungen, durch welche der bisherige Musiker Astronom des Königs und ein berühmter Mann wurde. In Bath angekommen, machte der Bruder gleich Versuche, sie zur Sängerin auszubilden, sie erhielt täglich zwei bis drei Lektionen, und in den Stunden, welche sie nicht am Clavier zubrachte, lehrte er sie Englisch und Arithmetik und zur Erholung sprachen sie von Astronomie und anderen wissenschaftlichen Sachen. Die Wintermonate wurden ihr anfangs schwer, denn sie hatte gegen Heimweh und Muthlosigkeit zu kämpfen, Als ihr Bruder sich mehr und mehr der Astronomie zuwandte und nicht im Stande war, den hohen Preis für ein Telescop zu zahlen, verwandelte sich im Juni 1773 das Haus in eine Werkstatt, in welcher Karoline eifrig mit thätig war. Der Bruder war aber immer noch Musiker und Karoline schrieb die Stimmen für ein Orchester von 100 Mitgliedern sowie die Singstimmen aus den Partituren des Messias, Judas Maccabäus und Samson, und schulte noch dabei die Sopranstimmen ein, deren erste sie selbst war. Bei Gelegenheit ihres ersten Auftretens schenkte ihr der Bruder 10 Guineen zu einem neuen Kleide. Bei der Aufführung des Messias und des Judas Maccabäus sang sie die Recitative und Arien so vorzüglich, daß ihre Freunde sie beglückwünschten. Im folgenden Jahre war sie die erste Sängerin der Concerte und man bot ihr ein Engagement für das Musikfest in Birmingham an, das sie aber ablehnte, weil sie nur unter Leitung ihres Bruders singen wollte. Daneben war regelmäßiger Sonntagsgottesdienst, es gab Concerte und Oratorien vorzubereiten nicht nur in Bath, sondern auch öfter in Bristol. Dabei plagte sich die haushaltende Primadonna mit einer unredlichen Magd nach der andern, um das Hauswesen in Ordnung zu halten. Als der Bruder durch die Entdeckung des Uranus plötzlich selbst als leuchtendes Gestirn am Himmel der Astronomen erschien und zum königlichen Astronomen ernannt wurde, sang sie am Weißen Sonntage 1782 in in der St. Margarethencapelle zum letzten Male, denn sie lehnte alle ihr angebotenen Engagements ab, da sie nicht den Muth in sich fühlte, ohne ihren Bruder auszutreten und verzichtete auf jede selbständige Stellung, nur um die Gehilfin ihres von ihr so hochverehrten Bruders zu werden. Um ruhiger und näher an London arbeiten und dem König auf Befehl auswarten und am Himmel Gestirne zeigen zu können, verließen die Geschwister Bath im Juli 1782 und zogen nach Datchet, wo sie ein passendes, zwar vernachlässigtes, aber geräumiges Haus fanden, in welchem die Spiegelschleiferei, die Bibliothek etc. aufgestellt werden konnten. Ost war der Bruder Alexander auf längere Zeit bei ihnen; derselbe hatte besonderes mechanisches Talent für die Spiegelschleiferei und die Construction der Instrumente und leistete, wenn Wilhelm dem König in Queens Lodge auswartete, der Schwester Gesellschaft. Aber Alexander blieb Musiker und als er sich verheirathete, trennte er sich von den Geschwistern. Während der Abwesenheit Wilhelms bildete sich Karoline zum astronomischen Assistenten aus, und um sie zu ermuthigen, gab der Bruder ihr einen Kometensucher, mit dem sie am 20. August 1782 anfing, alle bemerkenswerthen Erscheinungen aufzuzeichnen und zu beschreiben. Auf einem freien Rasenplatze durchforschte sie oft ganz allein den Himmel, um sich zu orientiren, und nachdem dies geschehen, suchte sie Nebelflecken und Sternhausen auf; ganz besonders aber schrieb sie für ihren Bruder die Beobachtungen nieder, gab ihm die Zeit an und war überhaupt seine Gehülfin. Sie scheute keine Anstrengung, keine Mühe und kam damit oft in gefährliche Verhältnisse, denn weil alle Gerüste zu den Instrumenten auf eigene Kosten erbaut, waren sie nicht immer baugerecht hergestellt, und so passirte es mehrfach, daß Gerüste zusammenbrachen. Da die Arbeit meist im Dunkeln gemacht wurde und man daher nicht sehen konnte, wo man hintrat, geschah es auch, daß selbst die des Orts kundigen Bewohner fielen oder sich stießen oder verletzten; so hatte Karoline das Unglück, sich an einem eisernen Haken das Knie so zu verletzen, daß sie wochenlang das Haus hüten mußte. Sie schliff auch mit an den Spiegeln und war so weit gekommen, daß sie selbst die Spiegel bis zur feinsten Politur und Vollendung bringen konnte. Sie half mitarbeiten an dem großen 40füßigen Teleskope, welches in Slough, wohin die Geschwister 1786 gezogen waren, vollendet und aufgestellt wurde; sie putzte die Metallstücke an den andern Instrumenten, reinigte die Arbeitszimmer, die Bücher vom Staube, ordnete die wissenschaftliche Correspondenz ihres Bruders, empfing Besuche von hochgestellten Personen, von Prinzen und Herzögen und zeigte und erklärte denselben die Instrumente. Aber auch Gelehrte empfing sie, und als ihre Arbeiten bekannt wurden, unterließ es kein Astronom, der nach England kam, neben dem Bruder Wilhelm auch Karoline H. seine Aufwartung zu machen. Während Karoline aber einerseits also auf Ordnung hielt, die Beobachtungen ihres Bruders mit reduciren half und auch selbständige astronomische Arbeiten ausführte, besorgte sie noch dabei den Haushalt der Familie. Sie ging zu bestimmten Zeiten die Einkäufe für das Haus zu machen, und hatte noch Dienstboten und anderes Hülfspersonal zu beaufsichtigen und anzuleiten. Dabei kamen oft Besuche aus Deutschland, die Brüder besuchten sie mehrfach und blieben wochen- und monatelang bei ihr; während der Abwesenheit des Bruders Wilhelm, der oft in London zu thun hatte, auch mit dem Bruder Alexander nach Hannover reiste, um die Seinigen zu besuchen, bewachte und bewahrte sie das Haus mit doppelter Sorgfalt und verscheuchte das Gefühl der Einsamkeit durch um so fleißigere und stetigere Arbeit. Am 1. August 1786, während der Abwesenheit ihres Bruders, entdeckte sie ihren ersten Kometen und theilte die Entdeckung verschiedenen Astronomen mit; sie verfolgte den Lauf des Kometen so oft und so lange das Wetter sowie die Helligkeit des Gestirns es zuließen. Im J. 1787 hatte Sir J. Banks ein Gesuch an den König gerichtet, für das große Spiegeltelescop noch eine Summe zu bewilligen. Das geschah und auch Karoline H. erhielt als Assistentin ihres Bruders einen Gehalt von jährlich 50 Pfund Sterling. Die erste Vierteljahrsrate erhielt sie am 1. Oktbr. 1787; es war das erste Geld, welches sie in ihrem Leben für sich besaß und nach ihrem Belieben verwenden konnte und womit nach ihren eigenen Worten ihr „ein sehr unbehagliches Gefühl von der Seele genommen wurde"; denn obwohl sie die Kasse ihres Bruders führte und Vollmacht hatte, alles was sie brauchte derselben zu entnehmen, war sie doch zu bescheiden, um für sich mehr als das durchaus Nothwendigste zu beanspruchen und ihre persönlichen Ausgaben betrugen jährlich nur 7 bis 8 Pfund Sterling. Vom Jahre 1788 an trat in ihrer Stellung eine wesentliche Aenderung ein: der Bruder Wilhelm verlobte sich 1787 und verheirathete sich am 8. Mai 1788; Karoline gab an diesem Tage, wie sie in ihren Tagebüchern schreibt, den Posten einer „Haushälterin“ auf. Sie hielt es für besser, nicht in dem Hause ihres Bruders zu wohnen, sondern lebte fortan in Miethswohnungen, kam aber jeden Tag in das Haus ihres Bruders um ihre Arbeiten zu verrichten und setzte nach wie vor ihre Beschäftigung als Assistent und Secretär ihres Bruders fort. Sie, die sechszehn Jahre lang die erste Stelle an ihres Bruders Seite eingenommen hatte, besaß Stärke der Empfindung genug, den Platz sofort der neuen Schwägerin zu räumen, zu der sie in die angenehmsten Beziehungen trat, die sie wir eine Schwester liebte und verehrte. Als dieselbe ihrem Bruder im Jahre 1792 einen Sohn schenkte, übertrug Karoline ihre schwärmerische Liebe auch auf diesen, dessen Aufwachsen und Arbeiten sie mit den freudigsten Empfindungen verfolgte. Im Jahre 1788 am 21. Decbr. entdeckte sie ihren zweiten Kometen. Der dritten Kometenentdeckung am 7. Januar 1790 folgte am 17. April desselben Jahres die vierte, und die schmeichelhaften Dankesschreiben, welche sie von Maskelyne und Lalande erhielt, machten ihr große Freude. Am 15. Decbr. 1792 entdeckte sie einen fünften Kometen. Bei dem sechsten, welcher am 7. Octbr. 1793 von ihr gefunden wurde, blieb sie nicht der erste Entdecker, denselben hatte schon Perny am 24. Septbr. gefunden. Am 7. Novbr. 1795 entdeckte sie ihren siebenten Kometen, der später als die zweite beobachtete Erscheinung des Encke’schen Kometen festgestellt worden ist. Bei der achten Kometenentdeckung am 14. Aug. 1797 blieb ihr nicht die Priorität, da derselbe ein wenig früher von Bouvard in Paris gefunden worden war. Wenn der Bruder mit seiner Familie Ausflüge nach Bath oder anderen Orten machte, war sie während der Abwesenheit die treue Hüterin des Observatoriums und der Wohnung, in welche sie gewöhnlich hineinzog. Oefter wechselte sie ihre Wohnung, so z. B. wohnte sie einmal in Windsor, dann in Chalvy, Upton etc., die Hin- und Herwege fingen jedoch öfter an ihr beschwerlich zu werden und ihr zu viel Zeit zu kosten. Zu ihrer Erholung machte sie mehrfache Besuche in London und der Umgebung, so bei dem Royal Astronomer Maskelyne in Greenwich. Da sie Freundinnen in unmittelbarer Nähe des Hofes hatte, wohnte sie infolge dessen einigemal bei Mrs. Goltermann in Buckingham Palace und rühmt die große Liebenswürdigkeit, mit der die Königin und die königlichen Prinzessinnen sich ihrer annahmen. Auch war sie im Sommer 1801 längere Zeit in dem Hause ihres Bruders auf Margareths-Hill bei Bath. Sobald sie aber von ihrem Bruder Nachricht erhielt, daß sie in Slough wieder gebraucht würde, eilte sie sofort dahin zurück. Vielen Kummer machte ihr der Bruder Dietrich, welcher jahrelang in England sich aufhielt und immer ihre Unterstützung in Anspruch nahm. Trotzdem arbeitete sie fleißig an Reduktionen weiter. Sie|beschäftigte sich mit den Beobachtungen von Flamsteed und während Flamsteed die größte Menge seiner Beobachtungen unter dem Titel Historia coelestis Britannica libri duo herausgegeben hatte, fand sie noch eine Nachlese und veröffentlichte einen „Katalog von 561 Sternen“, welche Flamsteed zwar beobachtet, aber nicht reducirt hatte. Als weitere Frucht ihrer wissenschaftlichen Thätigkeit liegt vor: „A general index of reference to every observations of every star inserted in the British Catalogue“, welcher ebenso wie der vorher erwähnte Katalog von der Royal Society veröffentlicht wurde. Endlich kommt dazu der nicht gedruckte „Zone Catalogue of all the nebulae and clusters of stars observed by her brother“. Als ihr Neffe John H. im Jahre 1812 graduirt wurde und einen Preis nach dem anderen erhielt, war ihre Freude sehr groß. Im Jahre 1814 klagte sie bei ihren ununterbrochenen Arbeiten über Kränklichkeit und da ihr Bruder, der zwölf Jahre älter war als sie, auch zu kränkeln anfing, gerieth sie oft in große Sorge. Bei der letzten Krankheit ihres Bruders 1822 besuchte sie ihn täglich und ging immer wieder mit gesteigerter Besorgniß nach Hause. Als am 25. Aug. 1822 Sir William H. in seinem Hause zu Slough seinen Geist aufgab, war auch ihre Thätigkeit gebrochen; der furchtbare Schlag beraubte sie aller Kraft und jedes Wunsches. Die Aufforderung in England zu bleiben lehnte sie ab, und gleich nachdem die irdische Hülle ihres entschlafenen Bruders zur Erde bestattet war, löste sie in England ihr Haus auf, um nach Hannover zurückzukehren. Der Bruder Dietrich kam nach England um sie abzuholen, am 7. Octbr. nahm sie noch Abschied von der Prinzessin Auguste, an den folgenden Tagen von allen ihren Freunden und Bekannten in Windsor, am 9. Octbr. verließ sie Slough, am 17. kam sie nach London, am 18. bestieg sie den Postdampfer, am 20. kam sie nach stürmischer Ueberfahrt in Rotterdam an und am 28. Octbr. traf sie in der Behausung ihres Bruders in Hannover ein, wo man für sie die besten Zimmer zur Wohnung, Marktstraße 453, eingerichtet hatte. Hier lebte sie in stiller Zurückgezogenheit, doch kein Mann von wissenschaftlicher Bedeutung besuchte Hannover, ohne Karoline H. aufzusuchen; so erwähnt sie der Besuche von Gauß. Mädler u. A. „Die königliche Familie erwies ihr die liebenswürdigste Aufmerksamkeit und es erregte allgemeines Interesse, die kleine Gestalt im Theater zu sehen, wo ihr stetes Erscheinen bei so außerordentlich hohem Alter an und für sich ein Wunder schien. Die frugale Einfachheit ihrer Lebensweise ließ es ihr unmöglich erscheinen, ihre Einnahmen zu verbrauchen. Sie behauptete, daß 50 Pfd. jährlich das Aeußerste wäre, was sie zu brauchen vermöchte und weigerte sich hartnäckig, die Pension von 100 Pfd., welche der Bruder ihr ausgesetzt, für sich zu verwenden. Oft gab sie den vierten Theil oder die Hälfte dieser Jahresrente aus, um ihrem Neffen oder seiner Frau ein hübsches Geschenk zu machen. Sie ordnete ihre Angelegenheiten auf das Sorgfältigste und schrieb jede kleine Einzelheit in Bezug ans ihr Begräbniß, sowie auf ihren Nachlaß nieder, der aber sehr unbedeutend war, denn ihre Freigebigkeit gegen ihre Verwandten war eben so groß, wie ihre eigenen Bedürfnisse gering.“ In Hannover fand sie eine Freundin Miß Beckedorff, welche in der Jugend die Nähstunde mit ihr getheilt und ihr in England ihre ganze Freundschaft geschenkt hatte. Ihre Freude bestand hauptsächlich darin, ihrer Schwägerin und ihrem Neffen zu schreiben und denselben alles, was irgendwie wissenschaftliches Interesse für sie haben konnte, mitzutheilen. Für ihren Neffen machte sie auch den Katalog über die 2500 Nebel ihres Bruders. Hocherfreut war sie, als ihr Neffe auf der Rückreise von Italien im Jahre 1824 sie besuchte und dankbar war sie, als er seine Besuche 1832 und nach der Rückkehr vom Kap im Juli 1838 wiederholte. Im Jahre 1832 war Karoline H. mit ihrem Neffen rüstig durch alle Straßen gewandert; sie war von Mittag bis Abend spät sehr munter, sang noch Lieder und nahm an Allem das lebhafteste Interesse. Im Jahre 1838|war ihr Großneffe William James H. mit da, zu dem sie 1830 Pathe gewesen. Im Febr. 1828 wurde ihr die goldene Medaille der Royal Astronomical Society in London zuerkannt und zwar für „die Reduction der Nebel, die ihr ruhmwürdiger Bruder entdeckt, eine Arbeit, welche als die Vollendung einer Reihenfolge von Bestrebungen und Anstrengungen zu betrachten ist, die in Bezug auf Größe und Wichtigkeit in den Annalen astronomischer Arbeiten wahrscheinlich ohne Beispiel dastehen“. Im Jahre 1835 am 13. Febr. wurde sie mit Miß Sommerville zum Ehrenmitglied der Royal Astronomical Society in London ernannt; die irische Akademie in Dublin ernannte sie im Jahre 1838 zu ihrem Mitgliede; im Jahre 1846 erhielt sie an ihrem 96. Geburtstage durch Vermittlung Alexander von Humboldt's vom Könige von Preußen die goldene Medaille, begleitet von einem sehr schmeichelhaften Schreiben A. von Humboldt's. 1845 schrieb sie die letzte Notiz in ihr Tagebuch; 1847 fing sie an zu kränkeln und am 9. Januar 1848 Abends 11 Uhr starb im 98. Lebensjahre eine der thätigsten, anspruchslosesten und bescheidensten Jüngerinnen der Astronomie. Begraben ist sie auf dem Gottesacker der Gartengemeinde zu Hannover und ihr Grabstein trägt die einfache Inschrift: „Hier ruht die irdische Hülle von Karoline H., geboren zu Hannover den 16. März 1750, gestorben den 9. Januar 1848“.

    • Literatur

      Vgl. Karoline Herschels Memoiren und Briefwechsel (1750—1848). Herausgegeben von Frau John Herschel. Autor. Uebersetzg. Berlin 1877.

  • Autor/in

    Bruhns.
  • Zitierweise

    Bruhns, Christian, "Herschel, Caroline" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 222-227 unter Herschel, Karoline Lucretia [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119506610.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA