Lebensdaten
um 1512 oder 1520 – 1609
Geburtsort
Posen (oder Worms)
Sterbeort
Prag
Beruf/Funktion
Rabbiner
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 119237865 | OGND | VIAF: 79038296
Namensvarianten
  • Jehuda Löw
  • Jehuda ben Bezalel
  • Hoher Rabbi Löw
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Löw, Jehuda, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119237865.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Bezalel ben Chajim;
    M N. N.;
    Ov Jakob ben Chajim ( 1563), Rabbiner in Worms, Isaak Klauber, Rabbiner in Posen;
    B Chajim ( 1580), Rabbiner in Worms u. Friedberg, Sinai, Rabbiner in Nikolsburg, Simson, Rabbiner in Kremnitz;
    Vt Salomo Luria ( 1573), Rabbiner in Lublin;
    - ⚭ Perl, T d. Rabbiners Samuel (Schelke Reich) aus Prag;
    K, u. a. Vögle ( 1629, Isaak Kohen [Katz], 1624, Rabbiner in Nikolsburg, Wien u. Prag);
    E Chajim Katz, Rabbiner in Frankfurt/Main u. Posen, Naphtali Katz, Rabbiner in Lublin, Eva (1580–1651, Talmudistin, Abraham Samuel Bachrach, 1575–1615, Rabbiner in Worms, s. Enc. Jud. III); Nachkommen Leopold (s. 2), Immanuel (s. 3).

  • Biographie

    L. hat seine rabbinische Ausbildung wahrscheinlich in Posen oder Lublin erhalten. Ungefähr 20 Jahre lang war er Landesrabbiner von Mähren in Nikolsburg. 1573 kam er nach Prag, wo er mit finanzieller Hilfe des Philanthropen Mordechai Meisel (1528–1601)|das Lehrhaus „die Klaus“ gründete. Hier blieb er – abgesehen von den Jahren 1584-88 und 1592-97, während derer er wieder in Mähren bzw. in Posen wirkte – bis zu seinem Tod.

    L. war eine außerordentlich starke Persönlichkeit von umfassender Bildung. Er genoß sowohl bei Juden wie bei Christen hohes Ansehen und pflegte Kontakte zu zahlreichen Geistesgrößen seiner Zeit. So soll er mit Theologen Dispute (bes. über den angeblichen Ritualmord) geführt haben und mit den Astronomen Tycho Brahe und Johs. Kepler in Verbindung gestanden haben. Auch wird von einer Audienz L.s bei Kaiser Rudolf II. im Febr. 1592 berichtet. Neben der kraftvollen Führung der Prager Gemeinde, für die er eine Reihe von Einrichtungen schuf, sah L. seine vornehmliche Aufgabe als Lehrer in der „Klaus“. Der Talmudist Jom-Tob Lipmann Heller (1579–1654) und der Polyhistor David Gans (1541–1613) gehörten zu seinen Schülern. Er trat für das quellenmäßige Studium der Talmudtexte ein und lehnte philosophische Interpretationen als Spitzfindigkeiten ab. Aus diesem Grund war er ein Gegner des damals entstandenen „Schulchan Aruch“, der sich auf das Zitieren von Vorschriften und Untersuchungsergebnissen beschränke, ohne dem Leser Gründe und Quellen zu nennen. Auch die „Mischne Tora“ des Maimonides sowie der „Tur“ fanden seine Mißbilligung, da sie vom Studium der Talmudtexte und anderer Quellen ablenkten. Großen Wert legte L. hingegen auf das Studium der Mischna, die er als Muster des klaren Gedankengangs erachtete. Er veranlaßte daher in zahlreichen Gemeinden die Gründung von Mischna-Zirkeln. An erster Stelle müsse jedoch – vor allem in der Knabenerziehung – das Studium der Bibel stehen. L. öffnete den Unterricht auch für andere Wissenszweige, in erster Linie für Mathematik und Naturwissenschaften. Hierin und in seinem steten Streben nach der Erforschung der Quellen erweist er sich als moderner Gelehrter seinerzeit.

    Es ist jedoch weniger das wissenschaftliche Werk (13 Bücher und zahlreiche Abhandlungen), das L.s. Nachruhm begründet hat, als vielmehr die „Golem“-Sage: Der Prager Oberrabbiner soll einen künstlichen Menschen (Golem) aus Lehm geschaffen haben, der kraft eines Zettels (Schem) mit dem hl. Gottesnamen (JHVH) für ihn arbeitete. Jeden Freitag vor der Ankündigung des Sabbats entnahm L. ihm den Zettel, wodurch der Golem leblos wurde. Als der Rabbi dies einmal vergaß, rannte der Golem in zerstörerischer Wut durch das Ghetto, während die Gemeinde den Sabbatseintritt bereits durch den entsprechenden Psalm begrüßte. L. nahm ihm den Zettel schnell weg und ließ den Sabbat-Psalm in der Synagoge nochmals beten. Seitdem behalte man in Prag den Brauch bei, den Sabbat-Psalm zweimal zu sprechen. – Die jüd. Sage von einem aus Lehm und geheimnisvoller Wortmagie künstlich erzeugten homunculus ist in Wirklichkeit lange vor L. bekannt gewesen. Einerseits erinnert sie an die biblische Schöpfungsgeschichte, andererseits an das Gebot: „Du sollst Dir kein Bildnis machen!“ Das hebräische Wort „golem“ bezeichnet ursprünglich das Ungestaltete, Halbfertige, Unbeseelte. Erst unter dem Einfluß kabbalistischer Mystik des Mittelalters nahm das Wort die Bedeutung eines künstlich geschaffenen Menschen an. Im 17. Jh. ist die Golem-Legende mit dem Chelmer Rabbiner Elijahu (1514–83) verbunden worden und hat in dieser Form Eingang in die Literatur der deutschen Romantik gefunden (Clemens Brentano, Brüder Grimm). Erst in Berthold Auerbachs historischem Roman „Spinoza“ (1837) und in den „Sippurim“ (1846), einer Sammlung jüd. Legenden, wird die Golem-Sage nach Prag verlegt und mit L. verbunden. Die Gründe hierfür sind wohl im hohen Alter des Prager Rabbiners, in seiner Gelehrsamkeit, in seinen okkulten und alchimistischen Interessen und in seinen Kontakten zu der merkwürdigen Persönlichkeit Kaiser Rudolfs zu suchen, aber auch im Ambiente des Prager Ghettos mit seiner Altneuschul und dem Friedhof. Nachdem es Anfang des 18. Jh. zu einer Neubelebung von L.s Ruhm gekommen war, erschien die erste legendenhafte Erzählung über den hohen Rabbi, dessen Grab (1724 renoviert) stets ein wenig den Charakter einer Wallfahrtsstätte gehabt hat: Der Grabstein sei, so berichtet die Legende, über Nacht zur Seite gerückt, um für das Grab von L.s Lieblingsenkel Platz zu machen. Einer anderen Legende zufolge soll L. dem Kaiser, als dieser ihn einmal besuchte, durch eine geheime Kunst das Bild der kaiserlichen Burg auf dem Hradschin vorgeführt haben. Während diese Legenden in Vergessenheit gerieten, wurde die Sage von der Erschaffung des Golem durch L., in der sich die Sehnsucht des Menschen nach göttlicher Schöpferkraft manifestiert, immer wieder von Dichtern, Komponisten und Filmregisseuren – erinnert sei an Gustav Meyrink, Eugen d'Albert und Paul Wegener – aufgegriffen und neu gestaltet.

  • Literatur

    Literar. u. musikal. Behandlung d. Golem-Sage: u. a. Gedichte: G. Philippson, 1841, A. Tandlau,|1842, A. v. Droste-Hülshoff, 1844, Th. Storm, 1851, L. Kompert, 1882, D. v. Liliencron, 1898, H. Salus, 1903, O. Wiener, 1917. - Erzz. u. Romane:
    U. D. Horn, 1842, L. Kalisch, 1872, W. Rathenau, 1902, G. Meyrink, 1915 (als Hörspiel 1964), A. Hauschner, 1916, I. Singer, 1918, J. Wassermann, 1918, E. Petiška, 1972. - Dramen: F. Hebbel, 1858, A. Holitscher, 1908, J. Heß, 1914, H. Leiwick, 1920 (als Oratorium vertont
    v. V. Heifetz, 1941). - Oper
    v. Eugen d'Albert, 1926 (Libretto v. Ferd. Lion). - Filme:
    P. Wegener, 1914, 1917, 1920, Julien Duvivier, 1936, Martin Fric, 1951 (Drehbuch v. Arnold Lustig), Jean Kerchbon, 1966. - Künstler. Behandlung durch zahlr. Graphiker u. Maler.

  • Literatur

    J. Schudt, Jüd. Merkwürdigkeiten, 1714;
    L. Kalisch, Bilder aus meiner Knabenzeit, 1872;
    N. Grün, Der hohe Rabbi L. u. s. Sagenkreis, 1885;
    M. H. Friedländer, Das Leben u. Wirken d. hervorragendsten rabbin. Autoritäten Prags, 1902;
    A. Zweig, Der Golem, in: Die Schaubühne 11, 1915, S. 224-28;
    L. Saloun, Das Denkmal d. Hohen Rabbi L. am Prager Neuen Rathaus, in: Das jüd. Prag, 1917, S. 40 (P);
    C. Bloch, Der Prager Golem, 1919;
    H. H. Held, Das Gespenst d. Golem, 1927;
    Meier Perels, Megillath Juchassin Mehral miprag, Die Deszendenztafel d. hohen Rabbi L., übers. u. eingel. v. S. H. Lieben, in: Jb. d. jüd.-lit. Ges. 20, 1929, S. 315-36;
    B. Rosenfeld, Die Golemsage u. ihre Verwertung in d. dt. Literatur, 1934;
    E. Isaac-Edersheim, Messias, Golem, Ahasver - Drei myth. Gestalten d. Judentums, in: Internat. Zs. f. Psychoanalyse u. Imago 26.1941, S. 50-80, 179-213, 286-315;
    A. Mauskopf, The Religious Philosophy of the Maharal of Prague, 1949;
    M. Buber, The High Rabbi L., in: Israel and Palestine, 1952;
    G. Scholem, Die Vorstellung vom Golem in ihren tellur. u. mag. Beziehungen, in: Eranos-Jb. 22, 1954, S. 235-89;
    ders., Zur Kabbala u. ihrer Symbolik, 1960;
    Z. Bokser, From the World of the Chabbalah, The Philosophy of Rabbi Judah L. of Prague, 1954;
    F. Thieberger, The Great Rabbi L. of Prague, 1955;
    O. Muneles, Prague Ghetto in the Renaissance Period, 1965;
    A. Neher, Le puits de l'exil, La théologie dialectique du Maharal de Prague, 1966;
    J. Cohen, Golem u. Roboter, Üb. künstl. Menschen, 1968;
    T. Dreyfus, Dieu parle aux hommes, La révelation selon le Maharal de Prague, 1969;
    Sigrid Mayer, Golem, Die literar. Rezeption e. Stoffes, 1975;
    G. Winkler, The Golem of Prague, 1980 (P);
    A. L. Goldsmith, The Golem Remembered, 1909–80, Variations of a Jewish Legend, 1981;
    Enc. Jud. VIII, 1931 (unter Jehuda, W, L, P);
    Enc. Jud. X, 1971 (unter Judah, W, L, P).

  • Porträts

    Denkmal v. L. Saloun, 1917 (Prag, Neues Rathaus), Abb. in: G. Winkler, Saloun, Enc. Jud. VIII u. Enc. Jud. X.

  • Autor/in

    Franz Menges
  • Zitierweise

    Menges, Franz, "Löw, Jehuda" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 68-70 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119237865.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA