Lebensdaten
1868 – 1938
Geburtsort
Krimderode (Harz)
Sterbeort
bei Berchtesgaden
Beruf/Funktion
Historiker ; Bibliothekar ; politischer Publizist
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 119183501 | OGND | VIAF: 19766977
Namensvarianten
  • Thimme, Friedrich Wilhelm Karl
  • Thimme, Friedrich
  • Thimme, Friedrich Wilhelm Karl
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Zitierweise

Thimme, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119183501.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gottfried (1837–1916), luth. Pastor 1864 in K., 1871 in Groß Heere, 1876 in Marklohe, 1887–1908 in Schmedenstedt, S d. Carl (1803–89), luth. Pastor in Hoyershausen b. Alfeld/Leine, u. d. Marie Berensbach (1811–88), Pfarrers-T;
    M Emilie (1846–1925), T d. August Friedrich Otto Münchmeyer (1807–82), aus Hannover, luth. Pastor 1840 in Lamspringe, Sup., 1851 in Katlenburg, 1855 in Buer, 1855 Konsistorialrat in Osnabrück (s. PRE), u. d. Gertrude Brackebusch (1815–82), Sup.-T;
    6 jüngere B u. a. Wilhelm (1879–1966), luth. Pastor 1908 in Fallersleben, 1911 in Bad Iburg, 1927 nicht beamteter apl. Prof. in Münster, 1939 apl. Prof. f. Theol., Mitgl. d. Bekennenden Kirche, Augustinus-Übers., D. h. c. (Münster 1925) (s. BBKL XI), Hans (1889–1945), Dr. phil., Archivrat am Reichsarchiv in Potsdam (s. Rhdb.; L), 4 jüngere Schw u. a. Magdalene (1880–1951), Lehrerin in Bremen, Mitgl. d. Bekennenden Kirche, Pazifistin (s. BBKL XI);
    1) 1894 (?) Luise Müller (1873–1902), 2) 1909 Emma Gerlach (1886–1968);
    2 S aus 2) Diether (1910–78), klass. Archäol., 1960 Prof. of Fine Arts an d. Indiana Univ., Bloomington (s. BHdE II), Jürgen (1917–2010, Ulrike Schauer, * 1923, Dr. phil., Germanistin, Gymn.lehrerin, Vf. v. „Eine Bombe f. d. RAF, Das Leben u. Sterben d. Johannes Thimme, 2004, ²2013), Dr. phil., Oberlt. z. See, 1943 U-Boot-Kommandant, Archäol., 1959–82 Hauptkonservator d. Antikenabtlg. d. Bad. Landesmus. Karlsruhe, 4 T aus 2) u. a. Annelise (1918–2005), Hist., 1968 Prof. f. dt. Gesch. an d. Univ. of Alberta, Kanada (s. W, L); E Johannes (1956–85), RAF-Terrorist.

  • Biographie

    T. litt seit seiner Kindheit unter Schwerhörigkeit, die später zu völliger Taubheit führte. Für seine Entwicklung prägend wurden frühe Konflikte mit dem Vater und Glaubenszweifel. Nach dem zeitweiligen Besuch einer Taubstummenschule in Hildesheim absolvierte er Gymnasien in Nienburg und Verden. Anschließend an das Abitur 1887 studierte er bis 1892 Geschichte, Kunstgeschichte und Staatswissenschaften an der Univ. Göttingen. 1889–92 arbeitete T. an seiner (1892 von der Beneke-Stiftung preisgekrönten) landesgeschichtlichen Studie „Die inneren Zustände des Kft. Hannover unter der franz.-westfäl. Herrschaft 1806–1813“ (2 Bde., 1893/95); mit einem Abschnitt daraus wurde T. 1892 in Göttingen bei August v. Kluckhohn (1832–93) zum Dr. phil. promoviert. Die angestrebte Habilitation scheiterte 1895. Anschließend arbeitete T. bis 1902, gefördert durch ein Forschungsstipendium, an einer (niemals vollendeten) Geschichte des Kgr. Hannover 1814–66. Seit 1902 war er Bibliothekar an der Stadtbibliothek Hannover, bevor er 1913 Direktor der Bibliothek des Preuß. Herrenhauses in Berlin wurde.

    Während des 1. Weltkriegs entwickelte sich T. zu einem der bekanntesten politischen Publizisten Deutschlands. Geprägt vom „Augusterlebnis 1914“, versuchte er, den innenpolitischen „Burgfrieden“ in Deutschland zur dauerhaften Einrichtung zu machen. Der von ihm propagierte politisch-soziale Ausgleich sollte die wilhelminische Klassengesellschaft in einen monarchischen Volksstaat überführen. Der Propagierung dieses Ziels diente u. a. der 1915 zusammen mit dem Gewerkschaftsführer Carl Legien (1861–1920) herausgegebene Sammelband „Die Arbeiterschaft im neuen Deutschland“. T. gehörte außerdem zu den Beratern des Reichskanzlers Theobald v. Bethmann Hollweg (1856–1921), dessen umstrittene Politik T. auch später stets verteidigte und dessen „Kriegsreden“ er 1919 edierte. Noch während des Kriegs trat T. für eine Abschaffung des preuß. Dreiklassenwahlrechts ein; die Annexionspropaganda der „Alldeutschen“ und der „Dt. Vaterlandspartei“ bekämpfte er mit großer Schärfe.

    Nach der Niederlage 1918 betätigte sich T., der 1919 politisch der DDP nahestand und als Vernunftrepublikaner bezeichnet werden kann, weiterhin als Publizist. So agierte er als Mitherausgeber der kurzlebigen Zeitschriften „Dt. Woche“ (1919) und „Zusammenschluß“ (1926–28). In Letzterer trat er mit dem kath. Journalisten Eduard Hemmerle für die Gründung einer überkonfessionell-christlichen Volkspartei ein. 1920–33 leitete T. offiziell die Bibliothek des Preuß. Landtags, doch bis April 1926 bestand seine Hauptaufgabe in der Koordination der umfassenden Quellenedition des Auswärtigen Amtes „Die Große Politik der europ. Kabinette 1871–1914“ (40 in 52 Bdn., 1922–27), die T. zusammen mit Albrecht Mendelssohn Bartholdy (1874–1936) und Johannes Lepsius (1858–1926) herausgab. Sie diente der offiziellen Widerlegung der „Kriegsschuldlüge“ des Versailler Vertrags, und in diesem Sinne verstand auch T. seine editorische Arbeit: Kürzungen aus politischen Gründen (etwa Weglassung bestimmter Randbemerkungen Ks. Wilhelms II.) hielt er dabei für angemessen. T. geriet mit ehemaligen Politikern und Diplomaten des Kaiserreichs in Konflikt; eine unautorisierte Quellenpublikation von Alfred v. Tirpitz (1924) und die umstrittenen „Denkwürdigkeiten“ Bernhard v. Bülows (1930/31) bekämpfte er öffentlich im Auftrag Stresemanns und des Auswärtigen Amts.

    1929–31 edierte T. die Bände 4–6 der „Gesammelten Werke“ Bismarcks. Seit April 1933 im Ruhestand, nahm er 1933/34 an verdeckten Bestrebungen zur Begründung einer christlich-interkonfessionellen Abwehrfront gegen das nationalsozialistische „Neuheidentum“ teil. T. hatte Hitler und dessen „Mord- und Verbrecherbande“ – so T.s Bezeichnung|laut seiner Tochter Annelise – bereits vor 1933 strikt abgelehnt und 1932 die Wiederwahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten unterstützt. Aus Protest gegen die Dt. Christen trat er aus der Hannoverschen Landeskirche aus. Bis in seine letzte Lebenszeit hinein war er wissenschaftlich tätig, u. a. bereitete er eine umfassende politische Biographie Bethmann Hollwegs vor. Ende Juni 1938 verunglückte er während einer Bergwanderung in den bayer. Alpen tödlich.

  • Auszeichnungen

    A Ehrenmitgl. d. Hist. Ver. f. Niedersachsen (1913).

  • Werke

    Weitere W Die Okkupation d. Kft. Hannover durch d. Preußen, Diss. Göttingen 1893; Rudolf v. Bennigsens Reden, 2 Bde., 1911/22 (Hg. mit W. Schultze); Johannes v. Miquels Reden, 4 Bde., 1911–14 (Hg. mit W. Schultze); Vom inneren Frieden d. dt. Volkes, Ein Buch gegenseitigen Verstehens u. Vertrauens, 2 Bde., 1916 (Hg.); Rev. u. Kirche, Zur Neuordnung d. Kirchenwesens im dt. Volksstaat, 1919 (Hg. mit E. Rolffs); Die Aktenpubl. d. Auswärt. Amtes, Btrr. zu ihrer Entstehungsgesch., 1924; Front wider Bülow, Staatsmänner, Dipl. u. Forscher z. seinen Denkwürdigkeiten, 1931 (Hg.); Erinnerungen u. Gedanken d. Botschafters Anton Gf. Monts, 1932 (Hg. mit K. F. Nowak); Annelise Thimme (Hg.), F. T. 1868–1938, Ein pol. Hist., Publ. u. Schriftst. in seinen Briefen, 1994 (Einf. v. Annelise Thimme, S. 15–62, P); – Nachlaß: BA Koblenz.

  • Literatur

    L G. Schnath, in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 15, 1938, S. 214–18;
    W. Frauendienst, in: Berliner Mhh. 16, 1938, S. 821–26;
    H. Thimme, Aus d. Vergangenheit hann. Pastorenfam., 1959;
    Annelise Thimme, Der ‚Fall Tirpitz‘ als Fall d. Weimarer Rep., in: I. Geiss u. B. J. Wendt (Hg.), Dtld. in d. Weltpol. d. 19. u. 20. Jh., 1973, S. 463–82;
    dies., F. T. als pol. Publ. im Ersten Weltkrieg u. d. Kriegsschuldkontroverse, in: A. Fischer u. a. (Hg.), Rußland, Dtld., Amerika, 1978, S. 212–38;
    dies., F. T. u. d. NS, in: D. Metzler u. a. (Hg.), Antidoron, 1983, S. 193–201;
    H. Schleier, Die bürgerl. dt. Gesch. schreibung d. Weimarer Rep., 1975;
    B. Faulenbach, Ideol. d. dt. Weges, 1980;
    U. Heinemann, Die verdrängte Niederlage, 1983;
    H. H. Herwig, Clio Deceived, Patriotic Self-Censorship in Germany after the Great War, in: K. Wilson (Hg.), Forging the Collective Memory, Government and Internat. Historians Through Two World Wars, 1996, S. 87–127;
    G. Grünthal, „Zusammenschluß“ oder „Ev. Zentrum“? Ein Btr. z. Gesch. d. Dt. Zentrumspartei in d. Weimarer Rep., in: ders., Vfg. u. Vfg.wandel, 2003, S. 346–72;
    P. Lambert, F. T., G. P. Gooch and the Publication of Documents on the Origins of the First World War, Patriotism, Academic Liberty and a Search for Anglo-German Understanding, 1920–1938, in: S. Berger u. a. (Hg.), Historikerdialoge, Gesch., Mythos u. Gedächtnis im dt.-brit. kulturellen Austausch 1750–2000, 2003, S. 275–308;
    H.-C. Kraus, F. T., Ein Hist. u. Akteneditor im „Krieg d. Dok.“ 1920–1937, in: Von Freiheit, Solidarität u. Subsidiarität, FS f. Karsten Ruppert z. 65. Geb.tag, hg. v. M. Raasch u. T. Hirschmüller, 2013, S. 281–300;
    Rhdb. (P);
    BBKL XI (W, L);
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L); – zur Fam.: Hans Thimme, Aus d. Vergangenheit hann. Pastorenfamilien, 1959.

  • Autor/in

    Hans-Christof Kraus
  • Zitierweise

    Kraus, Hans-Christof, "Thimme, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 151-153 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119183501.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA