Lebensdaten
1835 – 1893
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Meran
Beruf/Funktion
Feuilletonist ; Schriftsteller
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 119145162 | OGND | VIAF: 42641688
Namensvarianten
  • Sp-r. (Pseudonym)
  • Silbergeld, Adele (Pseudonym)
  • Kneipeles, Itzig (Pseudonym)
  • mehr

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Zitierweise

Spitzer, Daniel, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119145162.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Benjamin (1796?-1874), Bes. e. Fabrik f. Musterdrucke in Ober St. Veit b. W.;
    M Katharina (Cheile Güttel) (1800–65), T d. Jakob Hersch Koritschoner u. d. Hana N. N.; ledig.

  • Biographie

    Nach seiner Schulzeit am Akademischen Gymnasium in Wien 1845–53 studierte S. Rechtswissenschaft an der dortigen Universität. Nach dem dritten Rigorosum brach er das Studium 1860 ab und arbeitete acht Jahre als Konzipist in der Niederösterr. Handels- und Gewerbekammer. Während dieser Zeit verfaßte er mehrere Beiträge für die Zeitung „Der Wanderer“, in denen er sich kritisch mit volkswirtschaftlichen Fragen auseinandersetzte.

    S.s Karriere als Feuilletonist begann bereits in seiner Schul- und Studienzeit mit der Veröffentlichung humoristischer Beiträge in den Münchener „Fliegenden Blättern“, im Berliner „Kladderadatsch“ und 1858/59 im „Illustrirten Familienbuch“ des Österr. Lloyd. Zudem verfaßte er 1857 unter dem|Pseudonym Adele Silbergeld lyrische Beiträge für das Wiener humoristische Wochenblatt „Figaro“ und publizierte dort 1862–70 als Itzig Kneipeles in Jiddisch fiktive Briefe eines mähr. Juden in Wien an seinen Freund in Tarnow. Ob die unter dem Pseudonym „Esau ben Naphtali“ 1879 erschienenen „Apokryphischen Erzählungen“ auch von S. stammen, ist ungewiß.

    Populär wurde S. durch seine fast jeden Sonntag erscheinenden Feuilletons „Wiener Spaziergänge“, gezeichnet mit „Sp-r“. Sie wurden 1865 zunächst im „Localanzeiger“ der „Presse“ veröffentlicht und seit 1866 im Hauptblatt auf der Titelseite als Feuilleton unter dem Strich. 1871 wechselte S. zur neugegründeten „Dt. Zeitung“ und schrieb anschließend 1873–92 für die „Neue Freie Presse“, mitunter (1875 u. 1881) auch für die Berliner „Gegenwart“. S.s Satiren befaßten sich mit allen wichtigen Tagesereignissen aus Politik, Theater, Literatur, Kunst und Mode, aber auch mit wirtschaftlichen, sozialen, technischen, militärischen und religiösen Fragen sowie mit der Presse selbst. Seine Reisebriefe schildern persönliche Erlebnisse seiner zahlreichen Aufenthalte in Deutschland, Italien, Slowenien, Kroatien und der Schweiz und seiner Sommerfrischen in Baden und Ischl. Ebenso schrieb S. Satiren auf Persönlichkeiten der Politik und des gesellschaftlichen Lebens. Besondere Kritik übte er an Richard Wagner und am Wagnerkult (Briefe Richard Wagners an e. Putzmacherin, 1906). Selten finden sich auch längere Prosatexte wie „Der Verkannte“, der 1883 in sieben Folgen im Feuilleton der „Neuen Freien Presse“ gedruckt wurde. Zum Freundeskreis des als verschlossen geltenden S. zählten Wiener Feuilletonisten und Journalisten wie Ludwig Speidel, Hugo Wittmann, Ferdinand Kürnberger, Emil Kuh und Max Kalbeck, der Großindustrielle Isidor Mautner und dessen Gattin, die Kunstmäzenin Jenny Mautner, sowie Johannes Brahms.

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Journalisten- u. Schriftst.ver. „Concordia“ (1865–93;
    Ausschußmitgl. 1883/84);
    S.-Gasse in Wien-Währing (seit 1925).

  • Werke

    Weitere W Schafft uns billige Kohlen! Ein Mahnruf an d. österr. Eisenbahnverwaltungen, 1863;
    Wiener Spaziergänge, 1869–86 (Ausgg. in drei Verlagen in mehreren Bdn. u. Aufll.);
    Das Herrenrecht, Eine Novelle in Briefen, 1877, 121883, Nachdr. 1924;
    Verliebte Wagnerianer, 1880;
    Letzte Wiener Spaziergänge, hg. v. M. Kalbeck, 1894 (P);
    Ges. Schrr., hg. v. M. Kalbeck u. O. E. Deutsch, 3 Bde., 1912–14;
    Wiener Abstecher, Ausw. aus Gedrucktem u. Ungedrucktem, hg. v. W. A. Bauer, 1923;
    Hereinspaziert ins alte Wien, Heiter-Satirisches aus d. Donaumonarchie, hg. v. H. Hakel, 1967;
    Wiener Spaziergänge, hg. v. W. Obermaier, 3 Bde., 1986–88;
    Meisterfeuilletons, hg. v. W. Obermaier, 1991;
    Nachlaß:
    Wienbibl. im Rathaus, Teilnachlaß O. E. Deutsch;
    Qu:
    Wienbibl. im Rathaus, Tagbl.archiv;
    Wiener Stadt- u. Landesarchiv;
    Archiv d. Univ. Wien;
    Židovské muzeum v Praze.

  • Literatur

    ADB 36;
    M. Kalbeck, D. S.s Leben u. Schrr., in: ders. (Hg.), Letzte Wiener Spaziergänge, 1894, S. VII–XLV, K. Rosner (Hg.), Schatten aus d. alten Wien, 1910;
    P. Lindau, Nur Erinnerungen, II, 1917;
    L. Geiger, Denker u. Dichter, in: Allg. Ztg. d. Judentums 82, 1918, S. 353–56 (P);
    W. Obermaier, D. S. (1835–1893), Wiener Spaziergänge, Kat. d. Wechselausst. d. Wiener Stadt- u. Landesbibl. 227, 1993 (W, P);
    ders., Mit S.s Feder, D. S.s „Wiener Spaziergänge“, in: J. Kainz u. A. Unterberger (Hg.), Ein Stück Österr., 150 J. „Die Presse“, 1998, S. 158–67 (P);
    M. Nöllke, D. S.s Wiener Spaziergänge, Liberales Feuilleton im Ztg.kontext, 1994 (W);
    ders., Der „verfluchte Civilist“ u. d. „Dt. Heldenarmee“, D. S.s Reaktion auf d. Reichsgründung 1870/71, in: K. Amann u. K. Wagner (Hg.), Lit. u. Nat., Die Gründung d. Dt. Reiches 1871 in der dt.sprach. Lit., 1996, S. 397–408;
    H. Kernmayer, Juden in d. Metropole als Thema d. Feuilletons D. S.s, in: A. Dusini u. K. Wagner (Hg.), Metropole u. Prov. in d. österr. Lit. d. 19. u. 20. Jh., 1994, S. 29–45;
    U. Tanzer, Anticlericalism in Literary Journalism of the Liberal Era: Ferdinand Kürnberger, Friedrich Schlögl, D. S. and Ludwig Anzengruber, in: R. Robertson u. J. Beniston (Hg.), Catholicism and Austrian culture, 1999, S. 65–78;
    dies, Mit kolonialem Blick u. spitzer Feder, Zur Thematisierung d. Nationalitätenkonflikts in d. Feuilletons D. S.s, in: M. Csáky u. K. Zeyringer (Hg.), Ambivalenz d. kulturellen Erbes, Vielfachcodierung d. hist. Gedächtnisses, Paradigma: Österr. , 2000, S. 135–49;
    Ch. Gaug, Situating the City, The Textual and Spatial Construction of Late-Nineteenth-Century Berlin and Vienna in City Texts by Theodor Fontane and D. S., Diss. Austin 2000 (W);
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Wininger;
    Killy;
    Metzler Lex. dt.-jüd. Lit. (P);
    Hist. Lex. Wien;
    ÖBL;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft.

  • Porträts

    Ölgem. v. C. L. Müller, 1885 (Mus. d. Stadt Wien);
    Fotos, Xylogr., Druck n. Gem. v. C. L. Müller (Österr. Nat.bibl., Wien, Bildarchiv).

  • Autor/in

    Josef Seethaler, Ingrid Serini
  • Zitierweise

    Seethaler, Josef; Serini, Ingrid, "Spitzer, Daniel" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 721-722 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119145162.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Spitzer *)Zu Bd. XXXV, S. 222.: Daniel S., feuilletonistischer Humorist und Satiriker, wurde am 3. Juli 1835 zu Wien als Sohn eines einheimischen Kaufmanns geboren, innerhalb der, später von ihm genug zerzausten Linienwälle, also ein echtes Kind der Kaiserstadt. Er besuchte das akademische Gymnasium daselbst, darauf widmete er sich auf der Universität erst rechtswissenschaftlichen Studien, dann, nachdem er den Plan einer juristischen Laufbahn aufgegeben hatte, volkswirthschaftlichen. Infolge privater Verhältnisse war er bald darauf gewillt, als ehrsamer Concipist bei der niederösterreichischen Handelskammer zu Wien eine friedliche und unbeachtete Beamtenlaufbahn zu beginnen. Acht Jahre steckte er in dieser trockenen Thätigkeit, in mechanischen Protocollen und langstieligen Referaten. Viele praktischnationalökonomische Aufsätze in der Wochenschrift „Der Wanderer“, Ergebnisse eifriger Studien, schulten sein litterarisches Geschick, und, während unter „D. S. eine Broschüre „Schafft uns billige Kohlen!" mit allgemeinem Beifall den Gewaltigen der Eisenbahntarife zurief, verzuckerte er sich die Prosa der Bureaustunden daheim durch lyrische Gedichte. Letztere traten in Zeitschriften Zerstreut hervor, Landschafts- und Seelengemälde in anmuthigen, gewandten Versen, die nachher der Spottvogel selbst belachte und nicht anerkannte. Durch äußeren Zufallsanlaß bewogen, lieferte er bald humoristische Beiträge in ausgewählte der kleinen Legion Wiener Witzblätter, namentlich zum „Figaro". Durch eine seltene Verquickung schneidigen Witzes mit logischer Stichhaltigkeit einer-, Abgeschliffenheit der Form andererseits, lenkten diese ersten Spenden aus dem reichen Füllhorn seiner satirischen Muse die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich, und seitdem hat er „Die Presse", die „Deutsche Zeitung" und bald ausschließlich die „Neue Freie Presse“ mit den Früchten seiner allgemach ausgereiften Sonderanlagen bedient. Dies geschah zuerst wohl kurz vor der Mitte der Sechziger Jahre. Später gab er in dem letztgenannten leitenden Tagesblatte der österreichischen Hauptstadt mit ziemlicher Regelmäßigkeit seine wöchentlichen „Wiener Spaziergänge“ zum Besten (der erste, über den „Maulaufreißer von Wien", stand im Localanzeiger der [Alten] „Presse"), die sich abwechselnd aufs politischsociale, und aufs Culturleben nach seinen mannichfaltigsten Erscheinungen erstrecken. Zu Anfang des siebenten Jahrzehnts, in den Wirren des „großen Krachs“, des Speculationsschwindels und Börsensturzes, bildete ein neuer „Spaziergang“ in Wien einen Hauptgegenstand des Tagesgesprächs, und man harrte erwartungsvoll der nächsten Zeitungsnummer, die in der Mitte die Sp-r-Feuilletons abdruckte. Zu einer Auswahl „geflügelter Worte“ im derzeitigen österreichischen Conversationstone wäre S. eine beträchtliche Anzahl zu entnehmen. Länger als ein Jahrzehnt stellte er etwas wie eine territoriale Macht dar. Hier war und blieb er heimisch, mochten ihn auch Sommerwanderungen gern hinaus in die Alpen entführen. Doch hat er seinen Ruhm innerhalb des Weichbildes der Habsburgerresidenz überlebt und schließlich auch dem Wien, an dem er mit allen Fasern seines Ichs hing, den Rücken gekehrt. Nachdem er eine ganze Leidensscala von Influenza bis Knochencaries sammt schweren Operationen durchgemacht und zwei Jahre in der Ober-Döblinger Heilanstalt verbracht hatte, flüchtete er|nach Meran, wo ihn des öfteren schwermüthiger Ueberdruß plagte, und starb daselbst am 11. Januar 1893.

    Die Sammlungen einer längeren Reihe seiner Wochenplaudereien, seit 1869 in sechs öfters aufgelegten (dabei stets genau durchgesehenen) Bänden veranstaltet, brachten auch einzelne Stücke, die sich vorher noch gar nicht oder nur in der Berliner „Gegenwart" hervorgetraut hatten. Sie trugen Spitzer's Namen in die Ferne und boten einen geistigen Caviar auch denen dar, die gewiß nie von jenen schnell verwehten Morgenblättern, dem Dessert des Wiener Donnerstags-Frühstückstisches, directen Genuß bezogen hatten. Dagegen war, wo er selbst körperlich heruntergekommen und damit kampfesmüde geworden, die Regsamkeit in Spott und Laune, wenigstens seit Mitte des achten Jahrzehnts, ersichtlich abgeschwächt, und sein eigenes Geschick hat sein Bonmot bewahrheitet: „Wenn man von einem Schriftsteller sagt, er sei nicht mehr der Alte, so meint man damit, er sei nicht mehr der Junge." Persönlich einfach — in Lebensgewohnheiten fast philisterhaft gleichmäßig — und nichts weniger als aufdringlich, mit behendem Urtheil, von Freunden sogar als gutherzig und sanftmüthig geschildert, führte er auch bei momentanem Uebertritt auf ein Nachbarfeld den Pflug nach derselben Methode: die (bis 1880 schon zehn- beziehentlich sechsmal abgedruckten) Novellen „Das Herrenrecht“, eins völlig abgerundete, auch ins Französische übersetzte Arbeit, und „Verliebte Wagnerianer“ gehören dem satirischen Gebiete zu. S. schwang sich zum Classiker einer Kunstgattung und Meister eines dafür selbstgeschaffenen Stils auf. Sieht man von dem nüchtern kühlen, oft stark materialistisch durchhauchten Dunste, der nicht nur bisweilen über dem Ganzen seiner Darstellung schwebt, ab, so erhebt sich doch noch ein zwiefacher Tadel: einmal seine Angriffslust gegenüber wehrlosen oder auf exponirten Posten stehenden Gegnern, sodann die Unerbittlichkeit des allen Widersachern der deutschliberalen Partei geschworenen Hasses. In der unbedingten Vorherrschaft der letzteren erblickte er die einzige Sicherheit für Bestand und Fortschritt der modernen Cultur in Oesterreich, und als deutscher Oesterreicher fühlte er sich ebenso vom Wirbel bis zur Zehe, wie als Sohn der neuen Zeit, deren Aufdämmern seine Knabentage erhellt hatte. Aus dem vielartigen Chor des Wiener Schriftstellercirkels der Gegenwart ragt er als typischer Kopf hervor, zudem als ein Charakter von Festigkeit und Temperament.

    Zur inneren Geschichte seines Wesens und Beurtheilung seiner litterarischen Eigenart sind, außer einer, in die Form eines Briefes an eine junge Dame gefaßten, humoristischen Selbstschau aus den Siebziger Jahren, die Vorreden zu den Sammlungen zu vergleichen. Von den zahlreichen Nekrologen enthalten verwendbares Material die von L(udwig) Sp(eidel) in der Neuen Freien Presse Nr. 10 200, L(udwig) H(evesi) im Pester Lloyd 40 (1893) Nr. 12, L. Fränkel im Fränkischen Kurier 1893, Nr. 31, besonders aber die anonyme Artikelreihe in der Bohemia 1893, Beilage Nr. 13 und 19—21; einzelne gute Bemerkungen: Frankfurter Zeitung 1893, 12. Januar, zweites Morgenblatt; Kölnische Zeitung 1893, Nr. 45, zweite Morgenausgabe; Berliner Börsencourier 1893, Nr. 23, 1. Beilage.

  • Autor/in

    Ludwig Fränkel.
  • Zitierweise

    Fränkel, Ludwig, "Spitzer, Daniel" in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 785 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119145162.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA