Lebensdaten
1889 – 1956
Geburtsort
Stolzenberg bei Landsberg/Warthe
Sterbeort
Los Angeles
Beruf/Funktion
Psychologe
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 119130629 | OGND | VIAF: 27084996
Namensvarianten
  • Künkel, Fritz
  • Künkel, Fritz
  • Kuenkel, Fritz
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Zitierweise

Künkel, Fritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119130629.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (1842–1921), Gutsbes.;
    M Herta Zimmermann (1853–1945), B Hans (1896–1956), Oberstudiendir., Schriftsteller (s. L);
    - 1) 1920 Ruth Löwengard (1897–1932), Kinderpsychologin, 2) 1932 Elisabeth Jennen (* 1900), Psychologin;
    2 S, 1 T aus 1), 2 S aus 2).

  • Biographie

    1907-14 studierte K. in München Medizin und ging dann als Truppenarzt an die Front. Nach Verlust eines Armes bei Verdun wandte er sich der Psychiatrie zu und wurde 1919 in Berlin aufgrund der Arbeit „Die Kindheitsentwicklung der Schizophrenen“ promoviert. Zeitweilig arbeitete er mit Alfred Adler zusammen. K. war Mitbegründer des Instituts für Psychotherapie und Psychologische Forschung in Berlin und wurde nach 17jähriger Wirksamkeit als Nervenarzt 1939 zu Vorlesungen in die USA eingeladen, wo er nach Kriegsausbruch blieb und 1945 die amerikan. Staatsbürgerschaft annahm. Er war als Psychotherapeut tätig und hielt religionspsychologische Seminare für Theologen ab.

    Als Schüler Adlers zunächst Individualpsychologe, entwickelte K. eine eigene Tiefenpsychologie, die sich, gelegentlich unter dem Einfluß C. G. Jungs, in entscheidenden Grundsätzen vom Ansatz Adlers abhebt. Das Neugeborene erlebt sich nicht als „minderwertig“, sondern erfährt sich zuerst geborgen im Ur-Wir der Mutterkindeinheit. Der Mensch lebt ursprünglich nicht „final“ unbewußten Zielen verhaftet, sondern ist auf das „Infinale“, die „unendliche Zielpyramide“ bezogen. Mit dem „Infinalen“ meint K. übergeordnete Ziele der Selbstentwicklung, die im jeweiligen Leben als metaphysische Dimensionen enthalten sind und wie bei Jung zwar erfahrbar, jedoch der wissenschaftlichen Erklärung entzogen sind. Diese Richtungnahme wird aber immer wieder durch ein „ichhaftes Finale“, eine der Selbstverwirklichung in der Gemeinschaft entgegenstehende Egozentrik, abgebrochen. – Zum Bruch mit Adler führte die bis in praktischtherapeutische Konsequenzen vorgetriebene These von der „Lebenskrise“: Die ichhafte Fehlentwicklung jedes Menschen erreicht schließlich ein Stadium, in dem ihm außer Psychose oder Suizid („Untergangsschranke“) nur noch der Ausbruch aus seinem „psychosklerotischen“ Sicherheitssystem in eine neue Freiheit und Gemeinschaftsfähigkeit bleibt. Adler argwöhnte hinter diesem Modell eine therapeutisch schädliche Dramatisierung und „Bekehrungs“ideologie (s. Adler u. Jahn, Religion und Individualpsychologie, 1933). – Nach der Trennung von Adler nannte K. seine Theorie „Dialektische Charakterkunde“. Diese Wissenschaft will „nonisch“ sein, d. h. die Lebensverneinungen, Grenzen, „Umfinalisierungen“ eines Menschen feststellen. K. schematisiert, im Gegensatz zur Adlerschen Vielfalt individueller Lebensstile, vier solcher „ichhaft erstarrter“ Charaktertypen, von denen jeweils einer im Menschen vorherrscht, obwohl auch die drei anderen sein vermeintliches Erfolgssystem mitgestalten: Der Cäsar (später als „Nero“ bezeichnet), der Star, das Heimchen, der Tölpel. „Dialektisch“ ist diese Charakterkunde, weil sie im bewußten Anschluß an die Philosophie des deutschen Idealismus die Lebensbewegung sich im Dreischritt vollziehen sieht: Situativ, weil jeder Lebensimpuls (These) auf einen Widerstand (Antithese) trifft und an ihm entweder scheitert (Katathese – „Dann eben nicht“) oder ihn in einer Verarbeitung der Schwierigkeiten überwindet (Synthese); biographisch, weil auf das Ur-Wir der Wir-Bruch folgt (Enttäuschung des Kindes durch die schon ichhafte Mutter), dann die Ver-Ichung als verborgene Isolation gegenüber dem „Ihr“, das gefürchtet und ausgenützt wird, endlich, nach der Lebenskrise, die Wendung zum „reifenden Wir“, das die ursprüngliche Gemeinschaftsbezogenheit mit der notvoll erworbenen Eigenständigkeit verbindet; geschichtlich, weil aus dem Ur-wir primitiver Gemeinschaften seit der Renaissance ichhafte Einzelpersönlichkeiten herauszuragen beginnen, bis die Ver-Ichung im Kapitalismus ihren Höhepunkt erreicht und in den Krisen der Weltkriege und Wirtschaftskatastrophen scheitert. Im Völkerbund und Weltkommunismus sieht K. (unzulängliche) Versuche einer weltumspannenden Wahrhaftigkeit.

    K. war nicht nur ein bedeutender Charakterpsychologe, sondern auch ein erfolgreicher Psychotherapeut und Lehranalytiker. Trotz seines Verzichts auf eine eigene Schulgründung sind viele seiner Begriffe Allgemeingut geworden.

  • Werke

    Weitere W u. a. Angew. Charakterkde., 6 Bde., 1928-35;
    Die Arbeit am Charakter, 1929, 1951;
    Jugendcharakterkde., 1930, 111932;
    Krisenbriefe, Über d. Zusammenhang v. Wirtsch.krise u. Charakterkrise, 1932, 1977;
    How Character Develops, 1940;
    My Dear Ego, 1940;
    In Search of Maturity, 1946 (dt. Ringen um Reife, 1955);
    Creation Continues, 1947 (dt. Die Schöpfung geht weiter, Eine psycholog. Unters. d. Matthäus-Evangeliums, 1957).

  • Literatur

    B Burch, in: Inward Light 25, Nr. 63, 1962;
    In Memoriam K., in: The St. Alban Book Shop, 1956;
    P. Helwig, Charakterologie, 1967, S. 243 ff.;
    E. Wiesenhütter, Grundbegriffe d. Tiefenpsychol., 1969, S. 87 ff.;
    Die Psychol. d. 20. Jh. II, 1976, III, 1977, Freud u. d. Folgen (1 u. 2), hrsg. v. D. Eicke. - Zu B Hans:
    G. Kraatz, in: Die Slg. 12, 1957;
    Kürschner, Lit.-Kal., Nekr. 1936–70.

  • Porträts

    Phot. in: L. Holzschuher, Prakt. Psychol., 1955.

  • Autor/in

    Peter Sandmann
  • Zitierweise

    Sandmann, Peter, "Künkel, Fritz" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 221-222 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119130629.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA