Lebensdaten
um 1490 – 1527
Geburtsort
Staufen (Breisgau)
Sterbeort
Rottenburg/Neckar
Beruf/Funktion
Wiedertäufer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 119067099 | OGND | VIAF: 24646538
Namensvarianten
  • Sattler, Michael
  • M.S.
  • Satler, Michael

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Sattler, Michael, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119067099.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Eltern unbekannt;
    um 1525 N. N. ( 1527), ehem. Begine.

  • Biographie

    Die Nachrichten über S.s Leben sind spärlich. Möglicherweise besuchte er die Schule des Benediktinerklosters St. Peter im Schwarzwald und trat um 1507 in den Konvent ein. Gefördert durch den reformgesinnten Abt Petrus Gremmelspach (reg. 1496-1512) genoß er vermutlich an der Univ. Freiburg (um 1510) eine humanistisch geprägte Ausbildung. Zäsuren bildeten der Tod seines Gönners und die Wahl Jodocus Kaisers zum Nachfolger (amt. 1512-31). Dieser sperrte sich gegen die Reform des Klosters im Geiste der Bursfelder Kongregation, verfolgte eine strenge Politik gegenüber den Untertanen der Klosterherrschaft und unterstützte die Absichten Ehzg. Ferdinands, reformatorische Bestrebungen an der Universität und im Breisgau zu unterbinden. Um 1519 zum Prior des Klosters berufen, versuchte S., reformerisch zu wirken und die sozialen Unruhen, vor denen der Abt 1522 und 1525 nach Freiburg floh, in der Klosterherrschaft zu mildern. Daher blieb das Kloster von Plünderungen durch aufständische Bauern 1525 verschont. S. sah aber für biblisch orientierte Reformen des mönchischen Lebens keine Möglichkeit mehr, verließ das Kloster und schloß sich den Täufern in Zürich an.

    Kurz nach einer Disputation über die Glaubenstaufe im Nov. 1525 inhaftiert und ausgewiesen, kam S. im Dez. 1526 nach Straßburg. Obwohl als „ein lieber Freund Gottes“ geschätzt, mußte er die Stadt mit anderen Täufern bald wieder verlassen. Ende Febr. 1527 traf er sich in Schleitheim (Kt. Schaffhausen) mit Täufern, die mit ihrer Absicht, sich mit den aufständischen Bauern zu solidarisieren und die gesamte Gesellschaft zu erneuern, gescheitert waren. Sie verständigten sich auf die von S. verfaßte und zunächst handschriftlich verbreitete „Brüderliche Vereinigung etlicher Kinder Gottes“ („Schleitheimer Bekenntnis“, Erstdr. 1527/29, krit. Ausg.: Qu. z. Gesch. d. Täufer in d. Schweiz, II: Ostschweiz, hg. v. H. Fast, 1973, S. 26-36), in der „Absonderung von der Welt“, gemeinsames Abendmahl, Glaubenstaufe, Gemeindezucht (Bann), Eidesverweigerung, Gewaltverzicht und Weigerung, obrigkeitliche Ämter wahrzunehmen, als Prinzipien brüderlichen Lebens festgelegt wurden. Im Mai 1527 wurde S. mit Gesinnungsgenossen verhaftet und nach einem aufsehenerregenden Prozeß in Rottenburg gefoltert und verbrannt; seine Frau wurde ertränkt.

    S. sicherte dem schweizer. Täufertum mit dem einheitsstiftenden Bekenntnis das Überleben. Grundsätze der benediktinischen Regel, die Konzentration auf ein Leben in der „Vollkommenheit Christi“, gingen ebenso in das Schleitheimer Bekenntnis ein wie die Solidarität mit gemeindereformatorischen Forderungen in gewaltloser Variante. Hier wurde die Tradition der „Freikirche“ bzw. der „Friedenskirche“ begründet. Die Schleitheimer Artikel sind bis heute ein Grundbekenntnis in täuferischen Gemeinden bzw. im Mennonitentum weltweit.

  • Literatur

    ADB 30;
    C. A. Snyder, The Life and Thought of M. S., 1984;
    ders., The Schieitheim Articles in Light of the Rev. of the common Man, Continuation or Departure?, in: Sixteenth Century Journal 16, 1985, H. 4, S. 419-30;
    ders., M. S., Benedictine, Dennis Martin's Objections reconsidered. in: Mennonite Quarterly Review 61, 1987, H. 3, S. 262-79;
    K. Deppermann, in: Mennonit. Gesch.bll. 47/48, 1990/91, S. 8-23, wieder in: Prot. Profile v. Luther bis Franke, 1992, S. 48-64;
    H. O. Mühleisen, St. Peter auf d. Schwarzwald, Aus d. Gesch. d. Abtei, 2003, S. 45-71;
    Mennonit. Lex. IV;
    Mennonite Enc;
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (L);
    TRE;
    BBKL (W, L).

  • Autor/in

    Hans-Jürgen Goertz
  • Zitierweise

    Goertz, Hans-Jürgen, "Sattler, Michael" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 446-447 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119067099.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Sattler: Michael S. ist als Wortführer und später als Märtyrer der Täufer in der Reformationszeit bekannt geworden. Er war zu Staufen im Breisgau geboren, trat in das Kloster St. Peter im Schwarzwald, wo er bis zum Ausbruch der großen religiösen Bewegung lebte. Um diese Zeit (wir kennen das Jahr nicht) trat er aus und schloß sich den Gemeinden an, welche seit dem Jahre 1524 in der Schweiz und im Reiche den Scheltnamen Täufer oder Wiedertäufer erhielten. Zu Zürich oder in dem Gebiet von Zürich empfing er die Spättaufe und scheint bei dem Religionsgespräch, welches am 6. bis 8. Nov. zwischen den Zwinglianern und seinen (Sattler's) Glaubensgenossen in Zürich stattfand, zugegen gewesen zu sein. Als nach diesem Gespräch Grebel, Manz und Blaurock ins Gefängniß gelegt wurden, kam es unter deren Anhängern zu unruhigen Bewegungen, welche den Magistrat bestimmten, weitere Verhaftungen und Ausweisungen vorzunehmen. Unter denen, welche von dem Ausweisungsbefehl des 18. November 1525 betroffen wurden, war auch S. Er ging in seine Heimath, wo es ihm gelang, in Horb, Rottenburg und vielleicht auch an andern Orten Täufergemeinden zu gründen. Durch seinen Einfluß scheint die Versammlung der Täufer, welche am 24. Februar 1527 zu Schleitheim (Schlatten) am Randen stattfand, zu Stande gekommen zu sein; die sieben Artikel, die hier vereinbart wurden, rühren von S. her und haben für die Geschichte der strengeren Richtung des sogenannten Anabaptismus eine gewisse Wichtigkeit gewonnen; denn obwohl sie niemals unter den Täufern als Symbol oder Bekenntnißschrift gegolten haben und eine Verpflichtung der Prediger darauf nie stattgefunden hat, so waren und blieben sie doch ein wichtiges Zeugniß des Glaubens der Väter für viele spätere Taufgesinnte und standen als solches in manchen Gemeinden in hohem Ansehen.

    Wenige Wochen nach dieser Versammlung brach über die Täufer der Grafschaft Hohenberg von Seiten der österreichischen Regierung eine heftige Verfolgung herein und zu Horb wurden sechszehn Männer und elf Weiber verhaftet und zu Binsdorf in den Thurm gelegt; darunter befand sich auch S. mit seiner Frau. Am 17. Mai wurden die Unglücklichen vor ein in Rottenburg versammeltes Blutgericht gestellt und am 21. Mai ward S., nachdem man ihm die Zunge ausgeschnitten und ihn mit glühenden Zangen gemartert hatte, auf Grund der bestehenden Ketzergesetze zum Scheiterhaufen geführt und verbrannt. Seine Mitgefangenen wurden zum Schwert begnadigt und seine Frau, nachdem man vergeblich versucht hatte, sie zum Widerruf zu bewegen, nebst den anderen Weibern ertränkt.

    Da S. ein gelehrter Mann war, der vielerlei persönliche Beziehungen besaß, so erregte seine Hinrichtung großes Aufsehen. W. Capito schrieb am 31. Mai an den Rath zu Rottenburg — es war vor der Hinrichtung von Sattler's Leidensgenossen — folgendes: „Dieser Michael ist uns in Straßburg wohl bekannt und hat wohl etwas Irrung im Wort gehabt, die wir ihm getreulich durch Schrift haben angezeigt; aber weil er in unser und anderer Prediger wahrhaftiger Lehre vielleicht etwas Mangels, und im Volk, das Christen sein will, ärgerlich Leben befunden, hat ihn meiner Achtung nach soviel weniger beherzigt, was wir zu Bericht der Wahrheit gründlich fürbrachten. Doch hat er allemal bewiesen einen trefflichen Eifer zur Ehre Gottes und der Gemein Christi“. Auch in der „Getreuen Warnung der Prediger des Evangelii zu Straßburg“ (vom 2. Juli 1527) wird S. ein sehr gutes Zeugniß ausgestellt. „Wir achten aber doch, daß Gott auch aus den Seinen in solch Irrthum kommen laß; als wir nicht zweifeln, M. S., der zu Rothenburg verbrannt ist, sei ein lieber Freund Gottes, wiewohl er ein Fürnehmer im Tauforden gewesen ist, doch viel geschickter und ehrbarlicher denn etliche andere. Auch hat er vom Tauf geantwortet, daß man sieht, daß er allein den Kindertauf verworfen hat, durch den man vermeint selig zu werden.“ Der Schlußsatz deutet einen der Gründe an, welche die Straßburger Prediger bestimmten, den S. unter die Märtyrer der evangelischen Kirche aufzunehmen. Indessen ist es nicht richtig, daß S. irgend eine Form der Kindertaufe gut geheißen habe; vielmehr gehört er zu derjenigen Richtung der Täufer, welche Bullinger als die „apostolischen“ bezeichnet und welche die strengste Richtung des sogenannten Anabaptismus, namentlich auch in Bezug auf die Tauffrage, vertreten.

    Das Lob, welches die Straßburger dem S. zollten, verdient er in vollem Maße; er war eine durchaus reine und edle Natur, voll Opfermuths und Standhaftigkeit für die christliche Wahrheit, wie er sie faßte. Es gereicht Capito (der übrigens den Täufern so nahe stand, daß viele seiner Bekannten glaubten, er werde nach Denck's und Hubmeier's Tod die Führung der Partei|übernehmen) zur Ehre, daß er die Tugend Sattler's so aufrichtig anerkannt hat. Für das Lob, welches dem S. in der wider Denck gerichteten „Getreuen Warnung“ gleichsam von amtlicher Stelle aus zu Theil ward, scheinen freilich noch andere Erwägungen maßgebend gewesen zu sein. Diejenige Richtung des sog. Anabaptismus, welche S. vertrat, stand, bei aller Schroffheit, mit welcher sie gewisse Sonderlehren von der Taufe, dem Eid, dem Staat und dem Krieg verfocht, der hergebrachten und in den protestantischen Bekenntnissen festgehaltenen Theologie weit näher, als die sog. gemeinen oder freien Täufer und gerade jene Schroffheit schloß die Möglichkeit aus, daß diese „apostolischen Täufer“ den herrschenden Confessionen je ernstlich gefährlich werden konnten, wie denn auch Seb. Franck bezeugt, daß die Partei Sattler's damals nur eine kleine gewesen sei. Indem Bucer, der an der „Getreuen Warnung“ den vornehmsten Antheil hatte, mit der ihm eignen klugen Berechnung den S. gegenüber Denck, Kautz u. A. als einen „lieben Freund Gottes" und einen „Märtyrer Christi" bezeichnete, zog er nicht nur Sattler's Anhänger näher an sich heran, sondern es verschärften sich auch die Meinungsverschiedenheiten, welche ohnedies zwischen den „gemeinen“ und den „apostolischen“ Täufern bestanden. In mehr als einer Schrift ward Sattler's Schicksal beschrieben. Noch im J. 1527 erschien: „Claus v. Graffneck, Am neues wunderbarliches geschicht von Michel S.“ u. s. w. o. O. 4°, 7 Bl.; ferner ward sein Ende von Joh. Schlegel aus Ravensburg beschrieben und eine kleine Flugschrift ward unter dem Titel: „Artikel und Handlung so M. S. zu Rothenburg am Neckar mit seinem Blut bezeugt hat“ alsbald nach dem Ereigniß ausgegeben. Außer den oben erwähnten sieben Artikeln ist S., wie es scheint, der Verfasser von: „Wie die Gschrift verstendiglich soll unterschieden und erklärt werden“ u. s. w. o. O. u. J. 2¾ Bogen, 4°. Bestimmt rührt von ihm her: „Ein Sendtbrieff M. Sattler's an eyn Gemein Christi“ u. s. w. o. O. 1527, sowie das bei Wackernagel. K. Lied III. 405 abgedruckte Lied: „Als Christus mit seiner waren Leer“ u. s. w. Dies Lied erschien zuerst unter den im J. 1531 zu Jungbunzlau gedruckten Liedern der böhmischen Brüder, tritt dann aber auch in den gedruckten Liederbüchern der Täufer (s. Ausbund Nr. 7) auf. Das Lied Nr. 520 bei Wackernagel ist dagegen nicht von ihm, sondern von M.(ichael) S.(chneider). S. wird ferner genannt als Verfasser mehrerer kleiner Druckschriften „über die Genugthuung Christi, über die Ehescheidung, über das Anhören falscher Propheten“ u. s. w., welche gemeinsam mit der Brüderlichen Vereinigung und dem Sendbrief in den Jahren 1560 und 1567 in holländischer Sprache erschienen sein sollen. Der Sendbrief und die Artikel finden sich auch in dem Märtyrerspiegel von Brachts und sind noch im J. 1702 als selbständige kleine Schrift von neuem gedruckt und verbreitet worden. In der oben erwähnten „Getreuen Warnung“ vom 2. Juli 1527 (Bl. C 6) erwähnen die Straßburger Prediger eine „Histori Michel Sattler's“, an dessen Schluß sich die Worte finden „das Hab ich L. alles selber gehört und gesehen, verjehe auch von ihm ritterlich zu zeugen“. Aus einer Bemerkung, welche die Prediger daran knüpfen, geht hervor, daß sie den Ludwig Hätzer (dessen Namen sie ausdrücklich als möglichen Autor nennen) in erster Linie für diese Schrift verantwortlich machten. Ich habe nicht feststellen können, ob Häher wirklich der Verfasser ist; indessen wirft der Umstand, daß die Prediger die Verfasserschaft Hätzer's für wahrscheinlich hielten, ein wichtiges Licht auf seine Beziehungen zu S., die von anderer Seite offenbar absichtlich verdunkelt worden sind.

    • Literatur

      Eine gute Zusammenstellung der bis zum J. 1883 erschienenen bezw. bekannt gewordenen Quellen gibt J. Beck in den Geschichtsbüchern der Wiedertäufer in Oesterreich-Ungarn (Fontes Rer. Austr. Dipl. et Acta XLIII. Bd.)|Wien 1883 S. 27. Ich füge noch hinzu: Baum, Capito und Butzer S. 375 ff. — Reusch, Der Index u. s. w. S. 278. —
      Vater, Kirchenhist. Archiv f. 1826 S. 476 ff. (von Veesenmeyer). —
      Thesaur. Baumianus II, 33 ff. (Straßb. Bibl.) —
      Sepp, Verboden Lectuur. Leiden 1889 S. 220 f. G. Bossert, Blätter f. Württ. Kirchengesch. 1889, S. 10 ff. 1890 S. 1 ff. — Christliche Welt 1891 S. 22 ff.

  • Autor/in

    Ludw. Keller.
  • Zitierweise

    Keller, Ludwig, "Sattler, Michael" in: Allgemeine Deutsche Biographie 30 (1890), S. 410-413 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119067099.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA