Lebensdaten
1826 – 1871
Geburtsort
Leichlingen (Rheinland)
Sterbeort
Königsberg (Ostpreußen)
Beruf/Funktion
Philosoph ; Philosophiehistoriker
Konfession
lutherisch?
Normdaten
GND: 119014920 | OGND | VIAF: 37008294
Namensvarianten
  • Ueberweg, Friedrich
  • Iberveg, Fridrich
  • Ueberweg, Fridericus

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Ueberweg, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119014920.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich Johann Gottlob (1797–1826), Pfarrer in L., S d. Johann Christian, Kaufm. in Wesel, u. d. Anna Christiane Werner;
    M Helene (1798–1868), T d. Carl Theodor Boeddinghaus (1765–1843), Pfarrer in (Wuppertal-)Ronsdorf, u. d. Johanna Magdalena Susanna Elbers, aus Mülheim/Rhein;
    Om Johann Peter Boeddinghaus (1788–1837), Seidenfabr., Bgm. in Elberfeld (s. NDB VI*), Friedrich Boeddinghaus (1797–1896), Leinen- u. Baumwollfabr. in Elberfeld;
    Pillau (Ostpreußen) 1863 Luise (1844–1909), T d. N. N. Panzenhagen, Kaufm. in Pillau;
    4 K.

  • Biographie

    Als Halbwaise wuchs U. im Haus des Großvaters in (Wuppertal-)Ronsdorf auf, besuchte Gymnasien in Düsseldorf und Elberfeld und bestand 1845 die Abiturprüfung „mit ungewöhnlicher Auszeichnung“. Vom Militärdienst befreit, nahm er das Studium der Alten Sprachen in Göttingen auf, wechselte aber bereits 1846 an die Univ. Berlin, wo er sich der Philosophie zuwandte und bei den Kant- und Hegel-Kritikern Friedrich Eduard Beneke (1798–1854) und Friedrich Adolf Trendelenburg (1802–72) studierte. Zudem hörte U. Vorlesungen in ev. Theologie, Geschichte, Mathematik und den Naturwissenschaften.

    1850 legte U. das Staatsexamen ab und erwarb den Doktorgrad mit einer der Univ. Halle zugesandten Dissertation über die Elemente der platonischen Ideenwelt (De elementis animae mundi Platonicae, 1850). Danach unterrichtete er kurzzeitig an Gymnasien in Dresden, Duisburg und Elberfeld. Der Berufsbelastung nervlich nicht gewachsen, gab er 1852 den Schuldienst zugunsten einer ungesicherten Universitätslaufbahn auf und habilitierte sich im selben Jahr in Bonn mit Studien über Probleme der Aristoteles zugeschriebenen Schriften und über den kategorischen Imperativ Kants. Mit seiner Mutter lebte U. in kümmerlichen Verhältnissen von den Hörgeldern der Privatdozentur. An der Fakultät spielte er, der nie in Bonn studiert hatte, nur eine Nebenrolle.

    Mit seinem „System der Logik und Geschichte der logischen Lehren“ (1857, ⁵1882 hg. v. J. B. Meyer, Neuausg. 2007) und den von der Wiener Akademie der Wissenschaften 1858 preisgekrönten „Untersuchungen über die Echtheit und Zeitfolge platonischer Schriften und über die Hauptmomente aus Platons Leben“ (1861) profilierte sich U. als wissenschaftlicher Gegenspieler Kants wie Hegels. U. unterschied sich nach eigener Auffassung von Kant dadurch, daß dieser wissenschaftliche Einsicht als mittels apriorischer Formen gewonnen begriff, während U. sie als durch die Kombination von Erfahrungstatsachen nach logischen Normen hervorgebracht ansah. Im Zuge dieser Erkenntnistheorie beschäftigte er sich mit der Entwicklung des|menschlichen Denkens, mit Psychologie, Pädagogik und Neurophysiologie. Seine Theorie einer „Räumlichkeit der inneren Wahrnehmung im menschlichen Gehirn“, die dem dreidimensionalen Raum entsprach und dadurch dem Menschen Erkenntnisse als „Abbilder der äußeren Welt“ ermöglichte, wurde mit Skepsis aufgenommen. Sie stand wohl unter dem Einfluß der zeitgenössischen Physik, die das Konstrukt eines „Weltäthers“ im interstellaren Raum diskutierte, um physikalische Phänomene wie die Ausbreitung des Lichts zu erklären.

    1862 wurde U. zum ao. Professor an die Univ. Königsberg berufen. Hier verwirklichte er den bereits in Bonn gefaßten Plan zu einem mehrbändigen „Grundriß der Geschichte der Philosophie von Thales bis auf die Gegenwart“. Der erste Band (1863) behandelte die vorchristliche Philosophie, der zweite die „Philosophie der christlichen Zeit“ (1864), der dritte die „Philosophie der Neuzeit“ (1866). Der durch umfassende Literaturkenntnis überzeugende und auf Quellenstudien basierende „Grundriß“ wurde rasch zum Standardwerk der Philosophiegeschichte und brachte U. 1867 die o. Professur in Königsberg. Rufe nach Basel (1867), Kiel (1868) und Würzburg (1871) lehnte er ab. Postum erschienen seine 1859 als Preisschrift bei der Wiener Akademie der Wissenschaften eingereichte Studie über „Schiller als Historiker und Philosoph“ (hg. v. M. Brasch 1884, Neuausg. 2007) und seine „Gesammelten philosophisch-kritischen Abhandlungen“ (1889). Zu U.s Schülern zählt Moritz Brasch (1843–95), der als Herausgeber der Werke Moses Mendelssohns, Schopenhauers, Lessings und nicht zuletzt U.s hervortrat.

    U. bereitete die ersten drei Auflagen seines „Grundrisses“ selbst vor. Nach seinem Tod wurde der „Ueberweg“ von verschiedenen Fachkollegen auf fünf Bände erweitert und erschien zwischen 1923 und 1928 in 11. bzw. 12. Auflage; ein Nachdruck von 1951/56 zählt als 13. Auflage. Der Schwabe Verlag, Basel, gibt seit 1983 unter der Leitung von Helmut Holzhey (* 1937) einen neuen, auf über 20 Bände angelegten „Grundriß der Geschichte der Philosophie“ heraus, der im Untertitel auf U. als Begründer des Werks hinweist.

  • Auszeichnungen

    A F.-U.-Platz mit Gedenktafel u. F.-U.-Denkmal v. Th. Rosenbaum, 2001, Leichlingen.

  • Werke

    Weitere W Aristoteles, De arte poetica, übers. u. komm. v. F. U., 1869;
    George Berkeley, Eine Abh. über d. Prinzipien d. menschl. Erkenntnis, übers. u. komm. v. F. U., 1869, Nachdr. 1979.

  • Literatur

    L ADB 39;
    F. A. Lange, in: Altpreuß. Mschr. 8, 1871, S. 487–522;
    W. Dilthey, in: Preuß. Jbb. 28, 1871, S. 309–22;
    A. Lasson, in: Phil. Mhh. 7, 1872, S. 289–313;
    M. Brasch, Die Welt- u. Lebensanschauung F. U.s nebst e. biogr.-hist. Einl., in: ders. (Hg.), F. U., Ges. phil.-krit. Abhh., 1889, S. XI-XLVI;
    G. A. Lucas, F. U., Ein Philos. aus d. Bergischen, in: Berg. Gesch.bll. 1, 1924, S. 32–34;
    L. Klein, in: Romerike Berge 1951, H. 2, S. 21–27;
    H. Berger, Begründung d. Realismus b. J. H. v. Kirchmann u. F. U., Diss. Bonn 1958;
    V. Wittmütz, F. U. 1826–1871, 1990 (P);
    ders., in: Information Philos. 21, 1993, H. 4, S. 30–39;
    ders., in: Rhein. Lb. 14, 1994, S. 153–72 (P);
    L. H. Schlegel, Urteilstheorie b. F. U., Diss. Münster 1992;
    U. Eckardt, „Lieber Oheim! Halb sieben, Ich schreibe unter d. Kanonendonner …“, Unbek. Studentenbriefe d. Philos. F. U. (1826–1871), in: Ges., Region, Pol., FS f. H. de Buhr, H. Küppers u. V. Wittmütz, hg. v. J. Hentzschel-Fröhlings u. a., 2006, S. 193–214;
    Bonner Gel. (P);
    Enz. Philos. Wiss.theorie;
    LThK2†3;
    BBKL XII; Kosch, Lit.-Lex. (W, L).

  • Autor/in

    Volkmar Wittmütz
  • Zitierweise

    Wittmütz, Volkmar, "Ueberweg, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 519-520 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119014920.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Ueberweg: Friedrich U., Philosoph, wurde am 22. Januar 1826 in Leichlingen bei Solingen als Sohn des dortigen lutherischen Pfarrers U. geboren. Schon wenige Wochen nach seiner Geburt starb sein Vater, und die Erziehung des Sohnes blieb ganz der Mutter überlassen, die sich ihm mit liebevollster Sorgfalt gewidmet, ihn auf die Schule und die Universität begleitet, ja bis ins reifere Mannesalter aufs treueste gepflegt und behütet hat. Sie zog mit ihm zu ihrem Vater, dem Pastor Böddinghaus in Ronsdorf, wo U. die ersten Kinderjahre verlebte. Dann besuchte er das Gymnasium in Elberfeld, dem er, mit Ausnahme eines am Gymnasium in Düsseldorf zugebrachten Schuljahrs bis zur Maturitätsprüfung als fleißiger, begabter Schüler angehört hat. Als er diese Anstalt im Herbst 1845 verließ, wurden in dem Abgangszeugniß namentlich seine mathematischen Kenntnisse und seine formale Denkschärfe rühmend anerkannt. Mit der Absicht Philologie zu studiren und sich zum Gymnasiallehrer auszubilden ging er, begleitet von seiner Mutter, nach Göttingen, hörte hier bei K. F. Hermann und Schneidewin philologische Collegien, wurde aber auch durch Lotze's Vorlesungen über Logik in die Sphäre der Philosophie eingeführt. Hierauf studirte er vier Jahre lang in Berlin, wo in ihm sehr bald der Plan die Philosophie zum Lebensberuf zu erwählen zur Reife gedieh. Seine vielseitigen Interessen erstreckten sich über einen weiten Kreis wissenschaftlicher Fächer; er hörte hei Böckh philologische, bei Ranke historische, bei Dirichlet mathematische, bei Neander und Twesten theologische, bei Beneke und Trendelenburg philosophische Vorlesungen; und während einerseits Trendelenburg's aristotelische Uebungen für ihn richtunggebend wurden, erhielt er andererseits von Beneke's Psychologie tiefgehende, dauernde Anregungen. Mit der Dissertation De elementis animae mundi Platonicae erwarb er 1850 in Halle den Doctorgrad, bestand bald darauf in Berlin das Oberlehrerexamen und sah sich nun nach einer Anstellung als Lehrer um. Ein halbes Jahr lang gab er an dem Blochmann’schen Institut in Dresden Unterricht, wobei ihm jedoch seine angeborene Schüchternheit hinderlich im Wege stand. Nachdem er in Duisburg sein Probejahr durchgemacht hatte, erhielt er 1851 eine ordentliche Lehrerstelle am Gymnasium in Elberfeld; aber auch hier erwies sich seine Befähigung zum praktischen Pädagogen als so unzulänglich, daß er diese vortheilhafte Stellung wieder aufgab und den im Hinblick auf seine äußerst dürftigen Subsistenzmittel gewagten Entschluß faßte, die Universitätslaufbahn zu betreten. Er wählte die Universität Bonn, habilitirte sich dort im November 1852 als Privatdocent für Philosophie, bezog mit seiner am eine geringfügige Wittwenpension angewiesenen Mutter eine enge,|ärmliche Wohnung und begann, ohne sich von Sorgen und Entbehrungen entmuthigen zu lassen, die akademische Lehrthätigkeit. Der studentische Besuch seiner Vorlesungen und Uebungen war anfangs nicht stark, nahm aber im Lauf der Jahre allmählich zu. Der vertraute Verkehr mit akademischen Collegen, besonders mit dem Mediciner Dr. Böcker und mit Dr. F. A. Lange, der sich in Bonn neben ihm als Docent der Philosophie habilitirt hatte, gewährte ihm außer mannichfacher wissenschaftlicher Anregung willkommene Gelegenheit, seiner Luft am Disputiren freien Lauf zu lassen. Zu gleicher Zeit entwickelte U., mit rastlosem Fleiße weiter arbeitend, eine rege litterarische Thätigkeit. Sein „System der Logik“, welches eine ganze Reihe verbesserter und vermehrter Auflagen erlebt hat, erschien zuerst 1857. Seine akademische Preisschrift über die Echtheit und Zeitfolge der platonischen Schriften (Wien, 1861) fand in philologischen Kreisen zwar nicht ungetheilten Beifall, erhöhte aber seinen Ruf als gediegener Gelehrter. Sodann begann er, einer Aufforderung der Verlagsbuchhandlung von Mittler und Sohn folgend, mit allem Eifer die Ausarbeitung seines „Grundrisses der Geschichte der Philosophie“ (3 Theile, 1862—66). Neben dem Bedürfniß, seine realistische, an Beneke und Schleiermacher anknüpfende, gegen Kant polemisch gerichtete Weltansicht in ein System zu bringen, nahmen ihn politische und religiöse Fragen stark in Anspruch. Er trat in Wählerversammlungen als Redner auf und besprach in einer anonymen Flugschrift die Bestrebungen der freien Gemeinden. Was seine äußere Stellung anbetrifft, so erhielt er gegen Ende des in Bonn zugebrachten sorgenvollen Decenniums eine jährliche Gratification von einigen hundert Thalern und wurde zum Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungscommission ernannt. Endlich aber im Frühling 1862 ward ihm die längst ersehnte und verdiente Beförderung zu theil, indem er als außerordentlicher Professor mit fünfhundert Thalern Gehalt an die Universität Königsberg berufen wurde. Dort lebte er sich, ebenso wie seine ihn überall hin treu begleitende Mutter, in ihm fremdartige Verhältnisse ein, verheirathete sich 1863 mit Luise Panzenhagen aus Pillau, konnte mit Genugthuung auf eine gedeihliche akademische Wirksamkeit und auf das wachsende Ansehen seiner Schriften Hinblicken und wurde 1868 zum ordentlichen Professor ernannt. Aus seiner glücklichen Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Ueberhaupt nahm in Königsberg das Leben für U. eine erfreuliche Gestalt an. Während er mit seinen Universitätscollegen, besonders seinem unmittelbaren Fachgenossen Rosenkranz, im besten Einvernehmen stand, lernte er an dem Dr. Czolbe, Verfasser einiger sensualistischer Schriften, einen Mann kennen, dessen philosophische Ansichten den seinigen nahe verwandt waren. Czolbe war sein Hausarzt; der Verkehr mit ihm wurde zur vertrauten Freundschaft, und in sehr häufigen Zusammenkünften tauschten beide Männer ihre Gedanken aus, deren Spitze sich übereinstimmend gegen den Subjectivismus und Idealismus der Kantischen Philosophie wendete. Als im August 1868 seine treue Mutter starb, war dies für U. ein schwerer Schlag, doch konnte er damals nicht ahnen, wie bald er selbst aus der Fülle der Wirksamkeit gerissen werden sollte. Sein nicht sehr kräftiger, aber gesunder Körperbau zeigte sich den Einflüssen des strengen ostpreußischen Klimas leidlich gewachsen und hielt alle Strapazen einer unermüdlichen, angestrengten Arbeitsamkeit aus. Außer seinen größeren Werken und manchen kleineren Abhandlungen verfaßte U., für v. Kirchmann's „Philosophische Bibliothek“, Uebersetzungen von der Politik des Aristoteles und Berkeley's „Tractat über die Principien der menschlichen Erkenntniß“, nebst zugehörigem Commentar, und trug sich mit mehreren Entwürfen, die unausgeführt geblieben sind. Im Frühjahr 1871 erkrankte er plötzlich, infolge einer heftigen Erkältung, an Entzündung des Hüftgelenks. Wochenlang litt er unter starken Schmerzen,|behielt aber solche Freiheit des Geistes, daß er noch auf dem Krankenbett die Correctur einer englischen Uebersetzung seiner Logik besorgte und den wissenschaftlichen Briefwechsel mit auswärtigen Freunden fortsetzte. Die Hoffnung auf Wiedergenesung hielt er fest und war schon entschlossen, einen früher abgelehnten Ruf nach Würzburg anzunehmen. Da traf ihn der Tod am 9. Juni 1871. —

    Unter den Werken Ueberweg's hat sein, in den späteren Auflagen von M. Heinze herausgegebener, „Grundriß der Geschichte der Philosophie“ die weiteste Verbreitung und meiste Anerkennung gefunden. Es ist ein in seiner Art vortreffliches Compendium. Zwar wird sich nicht bestreiten lassen, daß die der historischen Darstellung eingestreuten kritischen Bemerkungen über Spinoza, Kant und andere Denker ersten Ranges keinen sehr hohen Standpunkt einnehmen, ja hie und da ins Kleinliche, Pedantische verfallen. Aber eine ganz ungewöhnliche Belesenheit, eine umfassende Litteraturkenntniß, eine Fülle selbständiger Quellenstudien geben diesem Werke das Gepräge der gediegensten Gelehrtenarbeit. Demnächst hat Ueberweg's Logik vielen Beifall erregt. Auch sie zeichnet sich durch Verwerthung eingehender historischer Kenntnisse und zahlreiche Litteraturangaben aus; sie sucht das Problem der Erkenntnißtheorie mit dem der traditionellen Schullogik zu vereinigen, behauptet im realistischen Sinne einen Parallelismus der subjectiven Denkformen mit den objectiven Existenzformen und verfolgt manche Speciallehren, z. B. die Lehre von den Syllogismen, in ein Gewebe formeller Finessen hinein. Zu einer systematischen Darstellung seiner Weltauffassung, wie sie ihm stets als Ziel vorschwebte, ist U. bei der zunehmenden Vertiefung in historische Arbeiten nicht gelangt und hat von ihr in einigen Specialuntersuchungen nur vereinzelte Andeutungen gegeben. Der Zug seines ganzen Denkens richtete sich polemisch gegen Kant. Von Beneke's empiristischem Standpunkt ausgehend, huldigte er einer etwas absonderlichen Theorie der Gesichtswahrnehmung, die sich an Johannes Müller's mehr als zweifelhafte Annahme, wonach das Sehen eine Selbstempfindung der Netzhaut sein soll, unmittelbar anschloß; hiermit vereinigte er die kühne Meinung, daß unsre Vorstellungen von Räumlichem selbst etwas räumlich Ausgedehntes in einem räumlich ausgedehnten Sensorium seien, behauptete demgemäß die absolute Realität des Raumes und einer ihn stetig erfüllenden Materie, war ferner bestrebt, die teleologische mit der causalen Naturbetrachtung irgendwie in Einklang zu bringen und suchte den letzten Gipfel in der Idee einer Weltseele. Seine Ansichten über das Problem der Ethik hat er in einem Artikel der „Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik“ (1854) und in einem Anhang zu der englischen Uebersetzung seiner Logik niedergelegt.

    • Literatur

      Fr. A. Lange, Friedrich Ueberweg; Altpreußische Monatsschrift, Bd. VIII, S. 487—522. — W. Dilthey, Zum Andenken an Fr. U., Preußische Jahrbücher, Bd. XXVIII, S. 309 ff. — A. Lasson, Zum Andenken an Fr. U., Philosophische Monatshefte, Bd. VII, S. 289. — M. Brasch, Welt- und Lebensanschauung Fr. Ueberweg's, 1888.

  • Autor/in

    O. Liebmann.
  • Zitierweise

    Liebmann, Otto, "Ueberweg, Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 39 (1895), S. 119-121 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119014920.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA