Lebensdaten
1774 – 1852
Geburtsort
Schloß Haltenberg/Lech
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Mediziner ; Astronom
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118972375 | OGND | VIAF: 25402387
Namensvarianten
  • Gruithuisen, Franz von Paula
  • Gruithuisen, Franz Paula von
  • Gruithuisen, Franz
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Zitierweise

Gruithuisen, Franz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118972375.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Peter ( 1793), Falkonier, dann Schloßwart in H.;
    M Marie Rosina N. N.;
    München 1820 Antonie (1796–1862), T d. Franz Neuner, bayer. Hofkriegsrats-Sekr. u. Burgpfleger im Hzg.-Max-Palais, u. d. Maria Anna Velhorn;
    1 S, 1 T.

  • Biographie

    Aus wenig bemitteltem Elternhaus, kam G. nach nicht ausreichender Grundausbildung auf eine Chirurgenschule und wurde 1788 Lazarettgehilfe in der österreichischen Armee im Türkenkrieg. Nach des Vaters Tode tat er Hofdienst bei Kurfürst Karl Theodor von Bayern, vermochte mit des Hofes Unterstützung in Landshut Naturwissenschaften und Medizin zu studieren (Promotion 1808) und wurde Lehrer an der Schule für Landärzte in München, wo er Physik, Chemie, Zoonomie, Anthropologie und Geschichte der Medizin unterrichtete. Berufungen nach Breslau und Freiburg/Br. lehnte er ab. 1826 wurde er außerordentlicher, 1830 ordentlicher Professor für Astronomie in München.

    G.s Werke der früheren Jahre sind vielseitig, eindeutig unterweisend. Die dem Chirurgen Alois Winter gewidmete „Organozoonomie“ (1811) entwickelt die Lehre von der Entzündung im genetischen Sinne als fruchtbaren Rückschritt in das Stadium der Polyposen; diese Tieferstellung bedeutet zugleich einen Steigerungsprozeß einer niedrigen Tierorganisation. – Die Anthropologie im Sinne der Grundlagenforschung ist eine Erörterung der Elementarformen der wirkenden physischen Kräfte und Mächte der Dinge samt ihren in Raum und Zeit ausgelegten Körperformen. Heilung ist Steigerung des infusorischen Lebens zu höherem Tierleben. Der Metamorphosebegriff dient der Vorstellung von der Umwandlung der Blutkörperchen vermittels Eitersekretion oder durch unmittelbare polypöse Membranbildung. G. fand so 1812 die klare Unterscheidung der Formelemente des Blutes nach Erforschung der Lymphe durch W. Harson von 1771. Die Ableitung naturphilosophischer Phänomene aus unbegreiflichem Wesen wird mit Seitenhieben auf Ernst Plattner abgelehnt. G. hat sich an der damals aufblühenden kuriosen Literatur der Hinrichtungsmethoden durch Tierexperimente beteiligt. Er bemühte sich vor Civial um die Lithotrypsie und um die Möglichkeit der chemischen Auflösung von Nieren- und Blasensteinen. Er erhielt dafür einen Preis der Pariser Akademie.

    Später traten astronomische, geologische und geographische Themen in den Vordergrund. G. hat über die physikalische Struktur der Himmelskörper gearbeitet und sich dabei vorwiegend mit dem Mond befaßt. Er war der erste, der die heute von vielen Fachleuten vertretene, allerdings nicht allgemein anerkannte Theorie aufstellte, daß die auf der|Mondoberfläche erkennbaren Krater durch Meteoreinschläge entstanden seien. Seine mit vielen Einzelargumenten vorgebrachte Behauptung der Existenz von Mondbewohnern fand schon zu seiner Zeit keinen Glauben, sondern trug ihm eher Spott ein und ist physikalisch und biologisch unhaltbar. In seinen „Analekten für Erd- und Himmelskunde“ (1 bis 7, 1830-31; 8-15, 1832-36, unter dem Titel Neue Analekten…) und dem „Jahrbuch für physikalische und naturhistorische Himmelsforscher und Geologen“ (1838-47) hat er Forschungsergebnisse der Zeit, darunter die eigenen Arbeiten, referiert und kommentiert. Bessel, Olbers, Enke, Schumacher, Schröter, Harding und andere gehörten zu seinen Korrespondenten.

    Ein erbitterter Gegner Schellings, von imponierender Selbständigkeit und zu polemischem Ton neigend, stand G. der Identitätsphilosophie verständnislos gegenüber. Sein nicht geringes Verdienst besteht darin, im Kampf gegen die romantische Naturphilosophie der beobachtenden und experimentierenden Forschung das Wort geredet zu haben. Dabei führte ihn eine ausgeprägte Kombinationsgabe zu kühnen Hypothesen, die überhaupt oder für die damalige Zeit gewagt waren und Angriffsflächen boten. Erst Spätere machten auf die Fülle wertvoller und vorausgreifender Gedanken in G.s Publikationen aufmerksam, unter anderem auf seine Vorschläge für Wetterprognose, seine Ansichten über den Einfluß der Sonnenflecken, auf Beobachtungen und Deutung der periodischen Sehspiegelschwankungen. G.s Versuche und Vorschläge für Gravitations- und Gezeitenmessungen (Elkysmometer, unterirdische Sternwarte) und die Beschreibung des von seinem Schüler Hengler ausgeführten Horizontalpendels mit bifilarer Aufhängung fanden erst Jahrzehnte später Beachtung. Zum Phänomen der erratischen Blöcke entwickelte G. für damalige Zeit fortschrittliche Vorstellungen, indem er annahm, daß sie auf dem Rücken der durch eine Flut fortgespülten Gletscher transportiert würden.

  • Literatur

    ADB X;
    A. Safarik, Btr. z. Gesch. d. Horizontalpendels, in: Ann. d. Physik u. Chemie 150, 1873, S. 150-57;
    S. Günther, Kosmo- u. geophysikal. Anschauungen e. vergessenen bayer. Gel., 1914;
    Pogg. I.

  • Porträts

    Lith. v. R. Leiter n. Gem. v. Rhomberg, in: Analekten f. Erd- u. Himmelskde. 1, 1830.

  • Autor/in

    Werner Leibbrand
  • Zitierweise

    Leibbrand, Werner, "Gruithuisen, Franz" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 210-211 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118972375.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Gruithuisen: Franz Paula von G., geb. am 19. März 1774 auf dem Ritterschloß Haltenberg am Lech, am 21. Juni 1852 in München. Der Vater war ein von Kurfürst Maximilian III. nach Baiern berufener Falkonier aus Herzogenbusch, der seinen Wohnsitz auf dem am Lech gelegenen Ritterschlosse Haltenberg erhielt, aber nicht in glänzenden Verhältnissen lebte, so daß er dem Sohne nur die genügende Schulbildung zum Studium der Chirurgie geben lassen konnte. Als österreichischer Feldchirurg diente er schon im J. 1788 im Kriege gegen die Türken. Dreizehn Jahre nachher gelang es ihm durch Unterstützung wohlhabender Personen auf der Universität Landshut Medicin und Philosophie zu studiren und 1807 erlangte er die medicinische Doctorwürde. Einen Ruf als Professor der Physik nach Hofwyl nahm er nicht an, wurde aber 1808 nach München an die Schule der Landärzte als Lehrer der physischen und naturhistorischen Wissenschaften berufen. Seine Vorträge veranlaßten, daß er einen Ruf nach Freiburg, einen anderen nach Breslau erhielt, die er aber beide ablehnte. Durch König Ludwig I. wurde er 1826 zum ordentlichen Professor der Astronomie an der Münchener Universität ernannt, gehört aber zu den originellen Astronomen. Er gab sich metaphysischen Spekulationen und Theorien hin, denen jede mathematische Grundlage fehlte und seine lebhafte Phantasie veranlaßte ihn, in den regulären Wällen des Flecken Schröter auf dem Monde Städte und Festungen zu erkennen, deren Beschreibungen er als angebliche Entdeckungen ausgab, woran er noch Hypothesen über Bewohner des Mondes und deren Cultur knüpfte; ja er machte schon über eine Correspondenz mit den Mondbewohnern Vorschläge, die viel Wunderliches und völlig Nutzloses|haben. Sein Werk „Ueber die Natur der Kometen" (1811) ist eben so wunderlich. Viel Phantastisches steht in seinen „Analekten für Erd- und Himmelskunde" (7 Hefte, 1828—31) und seinen „Neuen Analekten“ (von 1832—36). Von seinem „Naturwissenschaftlich-astronomischen Jahrbuche“ erschienen 9 Jahrgänge (Stuttgart 1838—47); im J. 1810 schrieb er eine „Physik", eine „Anthropologie", 1811 eine „Organozonomie", 1812 „Beiträge zur Physiognosie und Heautognosie", 1817 „Lieblingsobjecte im Felde der Naturforschung", 1823 eine „Propädeutik der Medicin", 1825 ein Buch „Ueber die Ursachen der Erdbeben". Unter astronomischen Sachen ist noch aufzuführen eine „Naturgeschichte des gestirnten Himmels“ (1836), eine „Kritik der neuesten Theorie der Erde“ (1838), eine neue einfache trigonometrische Methode, die Höhe der Berge zu messen, ohne sie zu besteigen (1842). Aus den Sonnenflecken wollte er das Wetter prophezeien, wodurch er sich viele Gegner zuzog. Ein wahres Verdienst hat er in der Medicin erlangt, indem er schon vor Civiale der Erfinder eines Instruments zum Zermalmen des Steins in der Harnblase war, wofür die Pariser Akademie ihm einen Preis von 1000 Francs zuerkannte.

    • Literatur

      Vgl. Jahn's Unterhaltungen, Jahrg. 1852.

  • Autor/in

    Bruhns.
  • Zitierweise

    Bruhns, Christian, "Gruithuisen, Franz" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 6-7 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118972375.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA