Lebensdaten
1490 – 1556
Geburtsort
Dillingen/ Donau
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Maler ; Zeichner ; Entwerfer für den Holzschnitt ; Drucker ; Verfasser von Flugschriften ; geistlicher Dichter
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118966219 | OGND | VIAF: 69103540
Namensvarianten
  • Vogtherr, Heinrich der Ältere
  • Satrapitanus, Heinricus (Pseudonym)
  • Spelt, Heinrich (Pseudonym)
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Zitierweise

Vogtherr, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118966219.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Konrad, Augen- u. Wundarzt in D. u. Schwäbisch Hall, S d. Burkhard, Augen- u. Wundarzt in Bühlertann b. Ellwangen;
    M Anna;
    B Burkhard (früh †), Georg (1487–1539), Priester, dann Reformator u. Pfarrer in Feuchtwangen (s. BBKL 33), Bartholomäus (n. 1490–1536), Hofarzt v. Christoph v. Stadion, Bf. v. Augsburg, Schw Anna (n. 1490–1542), Halb-B Bonifatius (1517–85), körperbehindert, erw. in Feuchtwangen, Johannes, zuletzt in Straßburg, Konrad, Kaufm. in Crailsheim;
    1) Erfurt 1512 N. N., 2) N. N., 3) N. N.;
    7 S u. a. Heinrich d. J. (1513–68), Holzschneider, Maler u. Stecher, zuletzt in W. (s. L), Hans, 1553 Bürger in W., Wolfgang (um 1515–66), Reformator u. Pfarrer in Oedenburg (Sopron), Simon ( Rahel Teckel), Fischer in Straßburg, 3 T.

  • Biographie

    V., der möglicherweise die Lateinschule seiner Heimatstadt besuchte, war wahrscheinlich Schüler des Malers Hans Burgkmair d. Ä. (1473–1531) in Augsburg, einer Stadt, zu der er zeitlebens Verbindungen unterhielt. Die Wanderjahre führten V. anscheinend nach Erfurt, wo ab 1510 seine ersten, mit HS mit dem Kreuz monogrammierten Buchillustrationen zu finden sind. Das Monogramm wird später als Heinrich oder He(i)nricus Satrapitanus (= Vogt), lat. Fassung seines Namens, aufgelöst. Auf späteren Gemälden oder Holzschnitten begegnen auch redende Wappen mit einer männlichen Halbfigur, die in jeder Hand einen Lilienstab als Symbol der gerechten Gewalt trägt.

    Die Werke V.s, der zu dieser Zeit als Kopist von Burgkmair, Dürer u. a. tätig war, wirken eher unbeholfen und spröde; er kannte aber auch Renaissance-Ornamentik und verwendete sie schon früh in Erfurt und anschließend 1514–17 in Leipzig. Hier schuf er viele Titel- und Buchholzschnitte, vorwiegend mit religiöser Thematik (Hortulus animae, Madonna auf Mondsichel usw.), aber auch anatomische oder astronomische Darstellungen sowie Titeleinfassungen und Bordüren, oft nach ital. Vorbild.

    Die Augsburger und Wimpfener Jahre 1518–25 stellen einen ersten Höhepunkt von V.s Schaffen dar; insbesondere von 1520 an behauptete sich V. als dezidierter Anhänger der neuen ev. Lehre, sei es in zahlreichen Titelholzschnitten für Flugschriften oder auch in meist unter Pseudonym (H. Satrapitanus, Heinrich Spelt usw.) veröffentlichten antiklerikalen, mystischen Schriften. Ein großes illustriertes Flugblatt, „Der Bom des Glaubens“ (1524), verbildlicht den Hauptpunkt der neuen Lehre: die Rechtfertigung durch den Glauben. Diese Intention blieb auch in der Folge bestimmend. Überhaupt erscheinen V.s illustrierte – und fast immer monogrammierte – Flugblätter ästhetisch überzeugender als seine Buchillustrationen. Seit 1522 arbeitete V. im Auftrag von Dietrich v. Gemmingen ( 1526) an Fresken für die Stadtpfarrkirche von Wimpfen/Neckar (im 19. Jh. stark übermalt).

    V., seit den 1520er Jahren ein überzeugter, doch der Aufträge wegen manchmal verhaltener Spiritualist, wurde in Wimpfen zum Initiator eines spirituellen Zirkels; aus dieser Haltung heraus entstanden drei anonyme, kurze Texte, die ihm zugeschrieben werden, sowie ein Einblattholzschnitt „Der Vergottet Mensch“ (um 1522), der Elemente spätmittelalterlicher Mystik in reformatorischer Deutung zeigt. Später, im Straßburg der 30er und 40er Jahre, stand er in enger Verbindung mit Kaspar v. Schwenckfeld (1489–1561); sein „Christliches Losbuch“ (1539) ist fern von Dogmen, aber ganz von ev. Ethik geprägt.

    In Wimpfen unterhielt V. zudem Kontakte zu Wendel Hipler (um 1465–1526), dem ehemaligen Kanzler der Grafen v. Hohenlohe und seit April 1525 einer der Führer des Neckartal-Odenwaldener Bauernhaufens. Vermutlich hatte V. auch Anteil an der sog. Amorbacher Deklaration (4. 5. 1525); im Juni erscheint er als Obrist des Hegauer Haufens bei der Belagerung von (Radolf)Zell am Bodensee. Als Anfang Juli die Aufständischen fliehen mußten, kam V. wahrscheinlich über die Nordschweiz nach Straßburg, wo er 1526 das Bürgerrecht erhielt. Von da an für fast alle Straßburger Drucker tätig, war er Hauptillustrator der Straßburger Bibeln (Neues Testament, bei J. Grüninger 1527, Kombinierte Köpfelbibel 1529–30, Neues Testament 1537 u. Leienbibel 1540 bei W. Rihel), wo er öfters noch antipäpstliche Motive einbezog, und lieferte Medaillons, Wappen, Druckermarken usw. für die Buchillustration. Ab 1536 betrieb er eine eigene Offizin, in der er eigene und von seinem Bruder Bartholomäus verfaßte medizinische Kleinschriften, aber auch zwei der ersten Anatomieklappbilder (Anothomia eines Weybs, 1538; Anathomia eynes Mans, 1539) veröffentlichte. Sein größter, mehrfach nachgedruckter Erfolg war das „Kunstbüchlein“ (1538), ein Musterbuch für Handwerker, das er mit seinem Sohn Heinrich verfaßt hatte, in dem verschiedene dt. und ital. Ornamente rezipiert werden.

    Als sich Ende der 1530er Jahre die Auftragslage in Straßburg verschlechterte, viele Bücher nicht oder nur mehr wenig illustriert wurden, mußte V. um 1540 seine Druckerei verkaufen. Am 12. 10. 1541 richtete er an den Rat ein Gesuch um einen Schreiberposten, das abschlägig beschieden wurde. Von da an unternahm er längere Arbeitsreisen nach Speyer, Augsburg, Basel und Zürich, wo viele seiner besten Werke entstanden, z. B. die qualitätvollen Kopien in Quartformat der Holbeinschen Bilder des Todes bei Jost de Negker in Augsburg oder die Griechenlandkarte des Nikolaos Sophianos in Basel. In Zürich war er in der Druckerei Christoph Froschauers (um 1490–1564) von Ende 1544 bis wahrscheinlich Anfang 1546 tätig, wo er als Zeichner und Formschneider ein hervorragendes Werk schuf. „Der beste maler so yetz ist“ (Froschauer) hatte Bilder für das Neue Testament (in der Art der Straßburger Bibelillustrationen) auszuführen sowie v. a. die Illustrationen der Schweizer Chronik von Johannes Stumpf (1500–77 / 78), ein Prachtwerk des 16. Jh. Von insgesamt ca. 2500 Holzschnitten lieferte V. ungefähr 670: Karten, Stadtansichten, Schlachten, historische Szenen, „Bildnisse“, zahlreiche Wappen usw. Hinzu kamen Einblattholzschnitte wie u. a. der „Turm der Grammatik“, religiöse Allegorien und „Porträts“ von Astronomen.

    Nach seiner Rückkehr entstanden in Straßburg noch etliche Holzschnitte (z. B. für das „Tierbuch“, 1546), doch war die ökonomische Lage insgesamt unbefriedigend. V. verließ 1550 endgültig die Reichsstadt, um angeblich einem Ruf als „Okulist und Maler des Kaysers“ (eigtl. Kg. Ferdinands) zu folgen,|konnte dort jedoch nicht mehr an seine bisherigen Erfolge anknüpfen.

  • Werke

    |erhalten sind mehr als 2100 Holzschnitte von V. u. seiner Werkstatt;
    1 Kupferstich: Herakles u. d. Löwe, ca. 1544–45 (Basel, Kupferstichkab.);
    5–6 Zeichnungen; Fresken in Straßburg (oder Geispolsheim?) im Auftrag v. Konrad Joham, um 1543 (verschollen);
    mehrere Tafelgem. u. a. Altarflügel f. d. Stadtkirche Schwaigern, 1520 vollendet (heute Stuttgart, Württ. Landesmus.);
    Schrr.: ungefähr 10 Flugschrr., um 1522–25;
    6 Medizinschrr.;
    12 Kirchenlieder.

  • Literatur

    |ADB 40;
    Sigmund Vogtherr, Chron. d. Fam. V. (unveröff.), um 1930–50 (Fam.bes.);
    J. Staedke, Anfänge u. erste Blütezeit d. Zürcher Buchdrucks, 1965;
    J. Funke, Btrr. z. graph. Werk H. V.s d. Ä., Diss. FU Berlin, 1967;
    M. Brecht, Krit. Spiritualismus aus d. Anfangsjahren d. Ref., Drei Texte, in: Zs. f. Kirchengesch. 79, 1968, S. 363–374;
    R. W. Gassen, Die Leienbibel d. Strassburger Druckers W. Rihel, Kunst, Rel., Päd. u. Buchdruck in d. Ref., in: Memminger Gesch.bll., Jahresh. 1983–84;
    F. Muller, H. V., alias Heinricus Satrapitanus, alias the Master H. S. with the Cross, in: Print Quarterly IV, 1987, S. 274–82;
    ders., Les premières années (1526–1530) de l’activité de H. V. à Strasbourg, in: Revue d’Alsace 113, 1987, S. 129–50;
    ders., H. V. d. Ä. (1490–1556), Aspekte seines Lebens u. Werkes, in: Jb. d. Hist. Ver. Dillingen 92, 1990, S. 173–276;
    ders., H. V. l’Ancien, un artiste entre Renaissance et Réforme, 1997 (Bibliogr., Werkkat., Ill.);
    ThB;
    NDBA;
    Augsburger Stadtlex.;
    Reske, Buchdrucker;
    zu Heinrich d. J.: ADB 40;
    E. Seidl, Die Künstler d. Augsburger Geschlechterbuchs, Hans Burgkmair d. J. u. H. V. d. J., in: Das Augsburger Geschlechterbuch, 2012, S. 28–32;
    Dict. of Art;
    Augsburger Stadtlex.

  • Porträts

    |Selbstporträt (u. P seines gleichnamigen Sohnes) auf d. ersten Seite d. Kunstbüchleins, 1538, Abb. in: F. Muller, H. V. l’Ancien, 1997, S. 297;
    Selbstporträt als Arbeitender in Froschauers Druckerei in Zürich, um 1545, Abb. in: M. Jenny, Ein bisher unbek. Selbstporträt d. Ref.schriftst. u. Künstlers H. V. d. Ä., in: Zwingliana 11, H. 9, 1963, S. 617 f.

  • Autor/in

    Frank Muller
  • Zitierweise

    Muller, Frank, "Vogtherr, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 56-58 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118966219.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Vogtherr: Heinrich V. der Aeltere, Maler, Formenschneider, geistlicher Dichter und Buchdrucker, war geboren im J. 1490, wie aus der Inschrift seines Selbstporträts zu berechnen ist. Der Geburtsort des Meisters ist wahrscheinlich die Reichsstadt Wimpfen, wenigstens war sie der erste Schauplatz seiner Thätigkeit. Hier tritt er uns zunächst entgegen als Zeichner eines großen Einzelblattes in Holzschnitt, welches Christus als Erlöser darstellt (Passavant III, 345). Unten auf dem Blatt findet sich der Künstlername: Hainricus Vogther Maler zu Wimpffen. In derselben Stadt dichtete er 1524 ein geistliches Lied „Auß tyeffer not schrey ich zu dir“ (Wackernagel, Kirchenlied III, Nr. 556), das auf einem offenen Folioblatt ausgegeben wurde. In einem der beiden erhaltenen Abzüge steht am Schlusse gedruckt der Name des Dichters mit der Bezeichnung „Maler zu Wimpffen“ und der Jahreszahl. Zwei weitere geistliche Gesänge nach Psalm 71 und 73 (Wackernagel III, Nr. 557 f.) müssen um dieselbe Zeit entstanden sein, denn sie stehen bereits im 3. Theil des Straßburger Kirchenampts von 1525. Vermuthlich war V. schon in diesem Jahre nach Straßburg übergesiedelt, wohin ihn wol hauptsächlich seine religiöse Gesinnung, vielleicht aber auch ein künstlerischer Auftrag zog. Am Zinstag den 17. Mai 1526 erwarb er in dieser Stadt das Bürgerrecht. Der Eintrag im Bürgerbuch des Straßburger Stadtarchivs lautet folgendermaßen: „Item Hainrich Vogther der moler von Wimpffen hat das Burgerrecht koufft vnd dient zur steltzen“. Er trat also derjenigen Zunft bei, welche Maler, Goldschmiede und andere Kunsthandwerker sowie die Buchdrucker vereinte. In Straßburg dichtete er 1526 „Ein neuwes euangelisch Lied in allem creutz“ (Wackernagel III, Nr. 559) und ließ es bei Peter Kornmann von Augsburg drucken; im nächsten Jahre erschien seine Bearbeitung von Psalm 139 in einer kleinen Sammlung, die Wolf Köpfel in Straßburg verlegte (vgl. Wackernagel, Bibliogr. Nr. CCXLIX). In der Folgezeit scheint unsern Meister vorwiegend seine künstlerische Thätigkeit in Anspruch genommen zu haben. Gewiß mit Recht schreibt man ihm die Bilder zu, welche „Das neuw Testament — durch Jacob Beringer Levit“ (Straßburg, Grüninger|1527) schmücken. Auf dem reichen Titelblatt steht das Monogramm des Künstlers (Nagler, Monogramm. III, Nr. 1595), gegen welches kaum ein Zweifel bestehen kann. Dasselbe Zeichen trägt ein großer Holzschnitt, die Dreieinigkeit darstellend (Passavant III, 345, Nr. 3). Vor 1534 fällt ein Einzelblatt, die „Versuchung des Kleinmüthigen“, mit dem Namen des Meisters (ohne Ortsangabe) bezeichnet. Außerdem sind viele unbezeichnete Holzschnittillustrationen, welche verschiedene Straßburger Verlagswerke der 30er Jahre zieren, mit ziemlicher Sicherheit V. zuzuweisen. In den Jahren 1537/38 schuf er ein kleines Werk, mit dem er didaktische Zwecke für seine Kunst verfolgte und durch welches er sich hauptsächlich einen Namen erwarb. Es führt den Titel: „Ein Frembds vnd wunderbars kunstbüchlin allen Malern, Bildschnitzern, Goldschmiden ... hochnutzlich zu gebrauchen ...“ und erschien zuerst, von V. selbst gedruckt, 1538 (nicht 1537). In einer kurzen Vorrede, in welcher sich starkes Selbstgefühl ausspricht, nennt sich „Heinrich Vogtherr Burger zu Straßburg“ als Verfasser. Er beklagt darin den Niedergang der deutschen Kunst und will durch sein Büchlein den Kunstgenossen gute Vorbilder geben. Dargestellt sind auf 51 Platten Köpfe von Männern und Frauen in phantastischer Kopftracht, Hände und Füße, Helme, Wappenschilder, Waffen, Säulen, Kapitelle etc. Die Entwürfe, die V. offenbar seinen Skizzenbüchern entnahm, sind gut gezeichnet, zuweilen manieriert. Sie athmen den Geist der Renaissance und lassen ein Studium Dürer's erkennen (Abbildungen in Hirth's Formenschatz 1881—84). Das Kunstbüchlein erfreute sich offenbar großen Beifalls, denn V. druckte es bereits 1539 und 1540 aufs neue, zweimal mit lateinischem und einmal mit deutschem Titel. Durch seinen Erfolg rief es Nachahmungen hervor, die 1540 ff. zu Antwerpen erschienen, der Titel in französischer oder spanischer Sprache. In Straßburg wurden in späterer Zeit wiederholt Neudrucke veranstaltet und zwar direct von den Vogtherr’schen Holzstöcken, die auf andere Officinen übergingen; so 1545, 1559 und 1572. Im 17. Jahrh. gab der Straßb. Buchdrucker Anton Bertram das Büchlein mit verändertem Titel (Kunstbüchlin, Vonn allerley seltzamen vnd wunderbaren frembden Stucken ...) wieder heraus, auf dem der Verfasser als verstorben bezeichnet wird; einmal ohne Jahr, sodann 1607 und 1610. — Mit dem Kunstbüchlein war V. 1538 zum ersten Mal als Buchdrucker aufgetreten. Da sein Unternehmen offenbar einschlug, ließ er nun auch andere Bücher von seiner Presse ausgehen. Vorwiegend sind es medicinische Werke, die sein Verlag aufweist, so 1538 „Eyn kunstreichs ... vrteil vnd Sekret büchlin des Harns", „Ein newes hochnutzlichs Büchlin von erkantnüs der kranckeyten der Augen", „Ein bewert ... Büchlin, den Erbgrind ... zu heylen", „Eyn nutzlich Bad ... den Bruch ... zu heylen". Die letzten vier erschienen 1539 in zweiter Auflage. In gleichem Jahre druckte er „Alle Kranckheyt der Augen" von Leonh. Fuchs, „Sumari Büchlin Aller Sonnen Vr“ sowie „Außflegung vnnd Beschreibung der Anathomi“. Letztere Schrift ist die Erklärung zu 2 großen anatomischen Figuren des männl. und weibl. Körpers (mit Ausklappungen), die er 1539 auf Einzelblättern mit seiner Firma herausgab (Choulant, Gesch. d. anatomischen Abbildung, S. 40). Im J. 1539 trat V. wieder mit einer geistlichen Dichtung hervor, dem „Christlichen Loßbuch nach ordnung eines Alphabets“. Wie der Dichter in der Vorrede sagt, wollte er dadurch die früheren „schimpflichen“ Loßbüchlein durch ein heilsames ersetzen und damit einen Spiegel des christlichen Lebens geben. Das Buch, welches er selbst druckte, ist mit hübschen Randleisten und Initialen von seiner Hand ausgestattet. Als Druckerzeichen brauchte er das Vogtherr’sche Wappen, bisweilen auch sein Medaillonporträt; seine Devise ist: Soli Deo gloria — Audentes Fortuna juvat. Die verbreitete Annahme, daß Heinrich V. der|Aeltere im J. 1537 gestorben sei und daß alle später fallenden Werke dem jüngeren V. zufielen, beruht auf einem bibliographischen Irrthum, den ich hier nicht näher klarlegen kann. Urkundlich begegnet V. noch im J. 1541 in Straßburg (der jüngere Heinrich V. weilte damals bereits in Augsburg). Am 12. October erbittet er beim Rathe der Stadt „die schreiberei vf dem werckhove“ (Straßb. Stadtarchiv XXI, 1541 f. 435, worauf mich Dr. O. Winckelmann freundlichst aufmerksam machte). Diese Stellung blieb zunächst unbesetzt; im folgenden Jahre erhielt sie ein anderer Bewerber. Nie letzten sicheren Spuren von Vogtherr's Thätigkeit finde ich in den Jahren 1541—42. Er veröffentlichte in ersterem Jahr die Abbildung eines Riesenhalms „by Malsch am Bruchrain 1541 gewachsen"; das Bild begleiten 40 Verszeilen, die V. dazu dichtete. Auf einem Folioblatt, das er 1542 herausgab, ist eine Riesentraube dargestellt, die zu Albersweiler bei Landau 1541 zur Herbstzeit gefunden worden. Dem Holzschnitt sind 28 Verse von V. beigefügt. Das Blatt wurde dem Kaiser zu Speier überreicht und zugleich durch ein Privileg geschützt. Als Urheber desselben nennt sich Heinrich V. Maler, Burger zu Straßburg. Ein anderes Einzelblatt, welches er mit dem Maler Hans Schiesser 1542 veröffentlichte, stellt ein wundersames Mädchen dar, „imaginem puellae 12½ annorum“, wie die lateinische Beischrift besagt. Viele andere künstlerische Arbeiten Vogtherr's werden verloren sein; so ist z. B. ein „Thierbuch“, das man ihm zuschreibt, noch nicht sicher ermittelt. Der Straßburger Sammler Künast besaß (nach F. Reiber) Handzeichnungen und Holzschnittblätter von ihm sowie „ein ablang gemahltes Tischblatt“, in Oelfarben. Das Todesjahr unseres Meisters ist unbekannt. V. hat auf allen Gebieten, in denen er thätig war, Achtungswerthes geleistet; überall bemerkt man deutlich ein ernstes Streben. Daß sein Name in Straßburg einen guten Klang behielt, ersieht man daraus, daß Bernhard Jobin in seiner bekannten Vertheidigung der deutschen Kunst neben Baldung Grien auch Heinrich V. unter den elsässischen Meistern nennt, welche Albrecht Dürer's Bahnen mit Glück folgten.

    • Literatur

      Die vorhandene Litteratur über V. ist in vielen Punkten zu berichtigen. Vgl. Nagler, Künstler-Lexikon XX, 501 f. —
      Nagler, Monogrammisten III, 668 ff. —
      Passavant, Le peintre-graveur III, p. 344 ff. —
      Revue d'Alsace 1872, p. 367 ff. —
      Tuefferd, L'Alsace artistique, p. 148. —
      Brunet, Manuel du libr. III⁵, Sp. 1114 und Suppl. I, Sp. 877. — F. Reiber in Le Mirliton, Année II, Nr. 4. —
      Guilmard, Les maîtres ornem. p. 364. — J. F. Hermann, Notices hist. s. Strasbourg II, p. 340. —
      Strobel, Künstler der Stadt Straßburg (in Schreiber, Münster zu Straßburg, S. 93). —
      Woltmann, Gesch. d. d. Kunst im Elsaß, S. 313 und 320. —
      E. Reiber, Propos de table, p. 220 ff. —
      Heitz, elsäss. Büchermarken, S. XXIV und Taf. XXXIV. — Ueber Vogtherr's dichterische Leistungen vgl.
      Rittelmeyer, Kirchenliederdichter des Elsaßes, S. 26,
      Koch, Kirchenlied II³, S. 105,
      Wackernagel, Kirchenlied III, Nr. 556 ff. und
      Goedeke, Grundriß II², S. 179, 312, 461.

  • Autor/in

    Karl Schorbach.
  • Zitierweise

    Schorbach, Karl, "Vogtherr, Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 40 (1896), S. 192-194 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118966219.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA