Lebensdaten
1897 – 1996
Geburtsort
Włocławek (Russisch-Polen)
Sterbeort
Basel
Beruf/Funktion
Chemiker ; Nobelpreisträger für Medizin (1950)
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118934236 | OGND | VIAF: 26912896
Namensvarianten
  • Reichstein, Tadeusz
  • Reichstein, Tadeus
  • Reichstein, Tadeusz
  • mehr

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Zitierweise

Reichstein, Tadeus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118934236.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Isidor, Ing.-Chemiker;
    M Gustawa Brokmann;
    Zürich 1927 Luise Quarles van Ufford;
    1 T.

  • Biographie

    Nach der Übersiedlung nach Zürich 1906, der Einbürgerung 1914 und dem 1916 bestandenen Maturitätsexamen studierte R. an der ETH Chemie. Nach dem Diplom 1920 und der bei Hermann Staudinger (1881–1965) erstellten Doktorarbeit (Über d. offenkettige Tropin u. einige seiner Homologen) folgte 1922 die Promotion. 1922-31 untersuchte R. im Auftrag der Zürcher Fa. Inca (e. Tochterges. d. Franck-Konzerns, d. u. a. Kathreiner's Malzkaffee herstellte) in seinem Privatlaboratorium in Albisrieden die Aromastoffe des gerösteten Kaffees. Er zeigte, daß das Aroma durch das Zusammenwirken von sehr vielen in kleinsten Mengen vorkommenden Duftstoffen zustandekommt. Etwa 50 Substanzen wurden isoliert und chemisch charakterisiert, darunter zahlreiche schwefelhaltige Verbindungen wie das α-Furfurylmercaptan, sowie Pyrrol- und Furanderivate (Helvetica Chimica Acta 9, 1926, S. 1066 ff., 20, 1937, S. 892 ff.). Diese Untersuchungen führten indes nicht zur Herstellung eines synthetischen Kaffeearomas. 1930 kehrte R. als Assistent von Leopold Ruzicka (1887–1976) an die ETH Zürich zurück, wo er sich 1929 für das Fach Organische Chemie habilitiert hatte (Die Zus.setzung d. Aromastoffe der gerösteten Cichorie u. Arbeiten in d. heterocyclischen Reihe, 1929). 1934 erfolgte die Ernennung zum Tit.-, 1937 zum ao. Professor. 1938 auf den Lehrstuhl für pharmazeutische Chemie an die Univ. Basel berufen, übernahm R. 1946 die Leitung des Instituts für Organische Chemie, für das er 1952 die Errichtung eines Neubaus erwirkte. 1960 gab er die Leitung des Instituts ab, um sich ganz auf die Forschung zu konzentrieren, die er auch nach der Emeritierung 1967 weiterführte, wobei sich der Schwerpunkt von der Chemie auf die Botanik verlagerte.

    Ausgehend von den von ihm im Kaffeearoma nachgewiesenen Furanderivaten, gelang R. 1933 die erste Totalsynthese der L-Ascorbinsäure (Vitamin C), die über die D-Glucose bei der Fa. Hoffmann La Roche in Basel auch technisch realisiert wurde. Die selektive Oxidation einer Hydroxylgruppe des Zwischenproduktes D-Sorbit zu L-Sorbose durch Acetobacter suboxydans war eine der ersten biotechnologischen Anwendungen in der chem. Industrie (Helvetica Chimica Acta 16, 1933, S. 561 f., 1019 f., 17, 1934, S. 311 f., 510 f.; Nature 132, 1933, S. 280 f.). Die Konstitution der L-Ascorbinsäure war kurz zuvor aufgrund der Studien von F. Micheel und E. L. Hirst von W. N. Haworth ermittelt worden. Letzterer synthetisierte ebenfalls 1933 – ausgehend von der schwer zugänglichen L-Xylose – die L-Ascorbinsäure. Die Arbeiten zur Ascorbinsäuresynthese regten R. zu Studien über Zucker an, z. B. die Synthese von D- und L-Adonose, D- und L-Psicose, L-Tagatose, L-Talose und später von 2-Desoxyzuckern, die Bausteine von herzaktiven Glykosiden bilden.

    1932 begann R. mit der Untersuchung der Hormone der Nebennierenrinde Corticosteroide 1934 gelang ihm die Isolierung und Strukturbestimmung von 29 Steroiden, darunter vier der sieben physiologisch aktiven Hormone (Corticosteron, Cortison, Hydrocortison, Cortexon). 1953 konnte er aus der verbliebenen sog. amorphen Fraktion noch Aldosteron, das letzte physiologisch aktive Corticosteroid, isolieren. Für diese Arbeiten wurde R. 1950 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin verliehen (mit P. S. Hench u. E. C. Kendall). An den physiologischen und klinischen Untersuchungen dieser ungemein wichtigen Hormongruppe war er nicht direkt beteiligt.

    Schon früh interessierte sich R. auch für Pflanzenstoffe, besonders für die herzaktiven Glykoside einheimischer und fremder Heil- und Giftpflanzen, z. B. Convallaria majalis, Nerium odorum, Antiaris toxicaria und afrikan. Strophantus-Arten. Bei letzteren stand Strophantus sarmentosus im Hinblick auf die Erschließung einer ergiebigen Quelle des Cardenolids Sarmentogenin als Ausgangsmaterial für eine Teilsynthese von Cortison im Vordergrund des Interesses. Die chemische Analyse der Pflanzen erlaubte es, botanische Verwandtschaften nicht allein aufgrund morphologischer, sondern auch chemischer Merkmale zu erkennen (Angew. Chemie 63, 1951, S. 412 f., 74, 1962, S. 887 f.; Naturwiss. 74, 1967, S. 53). Der Beitrag R.s zu einer solchen chemischen Taxonomie in der Botanik ist wegweisend. Parallel zu den pflanzlichen herzaktiven Stoffen befaßte sich R. mit den Giftstoffen der aurop. Erdkröte sowie weiterer außereurop. Krötenarten. Zahlreiche neue Bufadienolide wurden isoliert und ihre Konstitution aufgeklärt. Mit der Entdeckung von herzaktiven Pflanzensubstanzen in den giftigen Abwehrsekreten von afrikan. Heuschrecken und in amerik. Monarch-Schmetterlingen eröffnete sich ein interessanter biologischer Aspekt, da diese Insekten die Pflanzengifte aufsaugen, in einer Drüse speichern und gegen einen Angreifer ausspritzen (Naturwiss. Rdsch. 20, 1967, S. 499 f.; Science 161, 1968, S. 861 f.).

    In seinen letzten Lebensjahren konzentrierte sich R. auf die Cytotaxonomie von Farnen, von denen er viele selber gesammelt und entdeckt hatte und von denen mehrere nach ihm benannt wurden. Durch Kreuzungsexperimente ließ sich die Verwandtschaft verschiedener Farngattungen klären. Bei scheinbar sehr großer Variationsbreite einer früher als Art angesehenen Gruppe konnten die diploiden ancestralen Taxa, die durch Hybridisierung und Polyploidie entstandenen polyploiden Arten und die zahlreichen (sterilen) Hybride eindeutig ermittelt und benannt werden. – Marcel-Benoist-Preis d. Schweiz. Eidgen. (1948); Dr. h. c. (Sorbonne 1947, Basel, 1951, Genf 1967, Zürich 1967, London 1968, Leeds 1970); Cameron-Preis d. Univ. Edinburgh (1951); Copley-Medaille d. Royal Soc. London (1968); Mitgl. d. Royal Soc., London (1952), d. Nat. Ac. of Sciences, Washington (1952); Mitgl. bzw. Ehrenmitgl. zahlr. weiterer Ges., u. a. Naturforsch. Ges. Basel (1953), American Ac. of Arts and Sciences (1957), Nat. Inst. of Sciences, India (1967), The Linnean Soc., London (1974), Dt. Botan. Ges. (1976).

  • Literatur

    Ch. Tamm, in: Chimia 11, 1957, S. 206;
    ebd. 41, 1987, S. 266 f., 50, 1996, S. 558-69;
    Chemiker-Ztg. 81, 1957, S. 506;
    R. E. Oesper, in: Journal of chem. Education 26, 1949, S. 529 f.;
    L. Ruzicka, in: Experientia 6, 1950, S. 479 f.;
    Les Prix Nobel en 1950, 1951, S. 124-26 (P);
    H. Rasbach, in: Bauhinia 11, 1996, S. 211-19 (W-Verz. botan. Arbb.);
    G. Hegi, in: K. U. Kramer (Hg.), Ill. Flora v. Mitteleuropa I/1, ³1984;
    Enc. Jud. 1971 (P);
    Schweizer Biogr. Archiv;
    Killy;
    Pogg. VI, VII a;
    Kürschner, Gel.-Kal. 1996, Nekr.;
    Schweizer Lex. (P).|

  • Nachlass

    Nachlaß: StA Kt. Basel-Stadt, Univ.archiv XII 20.6; Zürich, ETH-Bibl., Hs 426.

  • Autor/in

    Christoph Tamm
  • Zitierweise

    Tamm, Christoph, "Reichstein, Tadeus" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 321-322 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118934236.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA