Lebensdaten
1900 – 1981
Geburtsort
Moskau
Sterbeort
Obninsk
Beruf/Funktion
Biophysiker
Konfession
orthodox
Normdaten
GND: 118933795 | OGND | VIAF: 114592469
Namensvarianten
  • Timofeev-Resovskij, Nikolaj V.
  • Timofeev-Resovskij, Nikolaj Vladimirovic
  • Timofeef-Ressovsky, Nikolai W.
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Zitierweise

Timoféeff-Ressovsky, Nikolai, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118933795.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wladimir Wiktorovich (1851–1913), aus Anjutino (Gouv. Kaluga), Eisenbahn-Ing., zuletzt in Kiew, S d. Wiktor Wladimirovich (1818–91), zuletzt in St. Petersburg, u. d. Elizaweta Grigorievna Senjawina (1822–1914), aus St. Petersburg;
    M Nadezhda Nikolajevna (1868–1927), aus Kontzepolje (Gouv. Kaluga), T d. Nikolai Wasiljevich Wsewolozhskij (1823–1909), aus M., u. d. Sophia Wasiljewna Ragozina (1827–1918);
    Moskau 1922 Elena (Helena) Alexandrovna (1898–1973), aus M., Dr., Biol., Genetikerin, 1942–45 Assistentin am KWI f. Hirnforsch. in Berlin-Buch, 1946/47 am Zool. Inst. d. Univ. Berlin, 1947–55 wiss. Mitarb. am sowjet. Atombombenprojekt in Sungul (Süd-Ural), 1955–64 in d. Abt. f. Radiobiol. u. Biophysik d. Inst. f. Biol. in Swerdlovsk, 1964–73 Mitarb. v. T. (s. Wissenschaftlerinnen KWI), T d. Alexander Fi(e)dler (?), führte e. privates Mädchengymnasium in M.;
    2 S Dimitrij (1923–45 KZ Melk, Mauthausen), Andrej (* 1927).

  • Biographie

    Nach dem Schulbesuch in Kiew und Moskau (Abitur 1917) studierte T. Biologie an der Moskauer Universität und absolvierte 1920– 22 das sog. Große Praktikum bei Nikolaj K. Kolzow mit dem Ziel, sich als Zoologe, Genetiker und Biophysiker zu spezialisieren. Zu seinen Lehrern gehörte auch der Genetiker Sergej S. Chetverikov. 1922–25 war T. Mitarbeiter der Kommission für die Erforschung der natürlichen Produktivkräfte Rußlands bei der Akademie der Wissenschaften (sog. „KEPS“, Moskauer Filiale).

    Im Juni 1925 zog der nicht promovierte T. auf Einladung von Oscar Vogt (1870–1959) mit seiner Familie nach Berlin, um die genetische Arbeit im KWI für Hirnforschung zu etablieren. Dort arbeitete er als Assistent gemeinsam mit seiner Frau über populationsgenetische und evolutionstheoretische Fragestellungen an der Taufliege Drosophila. 1936 erhielt er durch Vermittlung der Rockefeller Stiftung einen Ruf nach Cold Spring Harbor (Carnegie Institution, USA). Dieses Angebot stärkte T.s Position in Deutschland. Im Juni 1936 bot ihm Rudolf Mentzel als Repräsentant des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eine unabhängige Finanzierung innerhalb des KWI für Hirnforschung an. T. bekam de facto die Position eines Direktors eines eigenständigen Instituts. In Berlin legte T. grundlegende Forschungen auf den Gebieten der Populationsgenetik, Mutationsforschung sowie Strahlenbiologie vor. Die im wesentlichen auf strahlenphysikalischen Verfahren und Theorien beruhende Mutationsforschung T.s hatte ihn frühzeitig in Kontakt mit einer Reihe jüngerer Wissenschaftler gebracht. Als Ergebnis dieser Arbeiten legte er 1935 gemeinsam mit dem späteren Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin Max Delbrück (1906–81) und mit Karl G. Zimmer (1911–88) die als „Dreimännerarbeit“ bezeichnete Publikation „Über die Natur der Genmutation und der Genstruktur (Treffertheorie)“ vor, die aufzeigte, daß Gene Moleküle sind. Im Sept. 1945 wurde T. durch Mitarbeiter des Innenministeriums der UdSSR (NKWD) in Berlin festgenommen und nach Moskau verbracht. Als Heimkehrverweigerer und wegen angeblicher Beteiligung an der anti-sowjet. Propaganda wurde T. vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR 1946 zu 10 Jahren Freiheitsentzug und Vermögenseinziehung verurteilt. Nach 107 Tagen Straflager baute er 1947 im geheimen militärischen Forschungszentrum Sungul (Süd-Ural) ein Laboratorium für Strahlenbiologie auf. 1948–51 war T. im Gebiet Oblast Tscheljabinsk strafangesiedelt. 1955 amnestiert, zog er nach Swerdlowsk und baute hier 1955–64 die Abteilung für Radiobiologie und Biophysik des Instituts für Biologie der Akademie der Wissenschaften (AdW) der UdSSR auf. 1964 zog er nach Obninsk und gründete am Institut für Radiologie eine Abteilung für Genetik und Strahlenbiologie. Gleichzeitig war er bis 1971 am Institut für medizinischbiologische Probleme der AdW in Moskau tätig.

    Nach einem 1987 von T.s zweitem Sohn Andrej an das Oberste Gericht der UdSSR gewandten Gesuch betreffs Rehabilitierung seines Vaters und einem daraufhin Ende 1988 vom Ministerium für Staatssicherheit in Auftrag gegebenen Gutachten bei der Akademie der Wissenschaften der DDR wurde T. Anfang der 1990er Jahre rehabilitiert.

    T. steht einerseits für bahnbrechende Forschungen auf den Gebieten der Populationsgenetik (Drosophila, Mutationstheorie), Strahlenbiologie sowie Evolutionsbiologie (Mitarchitekt der Synthetischen Theorie der Evolution, Mitbegründer des Forschungsgebiets der Strahlungs-Biogeozönologie u. a.), andererseits aber auch für positive Äußerungen zur Eugenik und Rassenhygiene im Nationalsozialismus sowie für die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie im Sozialismus.

  • Auszeichnungen

    A wiss. Mitgl. d. KWG (1938);
    Mitgl. d. Leopoldina (1940) u. d. Med.-Naturwiss. Ges. zu Jena (1943);
    Darwin-Medaille d. Leopoldina (1959);
    Kimber Genetics Award d. Nat. Ac. of Sciences USA (1966);
    Mendel-Medaille d. Leopoldina (1970).

  • Werke

    W Genetik u. Evolution (Ber. e. Zoologen), in: Zs. f. Induktive Abstammungs- u. Vererbungslehre 76, 1939, S. 158–219;
    Biophysik, Bd. 1, Das Trefferprinzip in d. Biol., 1947 (mit K. G. Zimmer);
    Die Anwendung d. Trefferprinzips in d. Strahlenbiol., 1972, russ. 1968 (mit V. I. Ivanov u. V. J. Korogodin);
    Kurzer Grundriß d. Evolutionstheorie, 1975, russ. 1969 (mit N. N. Voroncov u. A. V. Jablokov);
    Grundriß d. Populationslehre, 1977, russ. 1973 (mit N. V. Glotov u. A. V. Jablokov);
    Vvedenie v molekujarnuju radiobiologiju (Einf. in d. molekulare Radiobiol.), 1981 (mit A. W. Sawitsch u. M. I. Schalnow);
    – Skizzen, Erinnerungen u. Materialien, hg. v. N. N. Woronzow, 1993.

  • Literatur

    L D. Granin, Sie nannten ihn Ur, Roman e. Lebens, 1988;
    U. Hoßfeld u. M. Walker, Hero or Villain? Stasi Archives shed Light on Russian Scientist, in: Nature 411, 2001, S. 237;
    U. Hoßfeld, Im ‚unsichtbaren Visier‘, Die Geheimdienstakten d. Genetikers N. V. T., in: Med.hist. Journ. 36, 2001, S. 335–67;
    V. V. Babkov u. E. S. Sakanjan, N. V. T. Pamjatniki Istoricheskoj Mysli, 2002 (P);
    G. S. Levit u. U. Hoßfeld, From molecules to the biosphere, N. V. T.s (1900–1981) research program within the totalitarian landscape, in: Theory in Biosciences, 128, 2009, S. 237–48 (P);
    U. Deichmann, Biologen unter Hitler, 1992; – Qu BStU.

  • Autor/in

    Uwe Hoßfeld, Georgy S. Levit
  • Zitierweise

    Hoßfeld, Uwe; Levit, Georgy S., "Timoféeff-Ressovsky, Nikolai" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 291-292 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118933795.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA