Lebensdaten
erwähnt 13. – 21. Jahrhundert
Beruf/Funktion
fränkische Adelsfamilie
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118838202 | OGND | VIAF: 809361
Namensvarianten
  • Thüngen, Freiherren von

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Thüngen, Freiherren von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118838202.html [20.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Das fränk. Adelsgeschlecht nannte sich seit dem 13. Jh. nach dem gleichnamigem Stammsitz an der Wern, nordwestlich vor dem Gramschatzer Wald. Eine Abstammung von den um 1100 in magdeburg. Kontext bezeugten Edelfreien de Dungethi erscheint fraglich, gesichert ist hingegen der 1259 in einer fuld. Urkunde erwähnte Spitzenahn Ludewicus de Tungeden. Demnach wäre der Ursprung der Familie in der Ministerialität des Klosters Fulda zu suchen, das am namengebenden Ort bereits im ausgehenden 8. Jh. begütert war und von dem das örtliche Schloß noch zu Beginn des 14. Jh. zu Lehen rührte. Lehnsherren waren v. a. die Bischöfe von Würzburg und Mainz, die Grafen von Henneberg, Hanau und Rieneck sowie die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, daneben der röm.-dt. Kaiser und der König von Böhmen. In der ersten Hälfte des 14. Jh. erwuchsen aus einer Teilung unter den Söhnen Friedrichs I. ( vor 1333) eine Andreasische (AL) und eine Lutzische Linie (LL), die beide bis auf den heutigen Tag florieren und sich im Lauf der Jahrhunderte weiter auffächerten (AL Reußenberg, Windheim, Büchold, Burgsinn etc.; LL Thüngen, Zeitlofs, Reußenberg, Roßbach, Weißenbach etc.). Am Ende des Mittelalters hatte der T.sche Besitz seine größte Dichte im Gebiet zwischen Kinzig, Wern und Main, streute aber noch weit darüber hinaus bis an die Fulda im Norden und ins Ochsenfurter Gäu im Süden. Von der fuld.-würzburg. Konkurrenz um die Territorialisierung im Raum zwischen Fulda und Fränkischer Saale profitierten die zumeist wohlsituierten T., indem sie dort eigenständige Herrschaft zu entfalten und diese im Verband der fränk. Reichsritterschaft (Kt. Rhön-Werra) bis zum Ende des Alten Reiches zu bewahren vermochten. Reicher Besitz, ein mit Umsicht gepflegtes Konnubium mit den führenden Ritteradelsgeschlechtern Frankens, Dom- und Stiftsherrenpfründen in Würzburg, Bamberg, Mainz, Worms und Speyer sowie Dienstverhältnisse bei nahezu allen Herren der Umgebung ermöglichten eine frühzeitige Etablierung in der Spitzengruppe des fränk. Ritteradels. Wiederholt gingen aus der Familie auch Deutsch- und Johanniter-Ordensritter hervor. Die Andreasische Linie (heute in Burgsinn, kath. u. ev.) erlangte 1700 den Freiherrenstand und eine Vermehrung des Stammwappens um das der ausgestorbenen Bauländer Familie von Rosenberg. Die Lutzische Linie (heute in Thüngen u. Weißenbach, ev.) bekleidete seit 1531 im Seniorat das erbliche Untertruchsessenamt des Hochstifts Würzburg und wurde 1694 und 1768 mit dem Freiherrenstand privilegiert. Der Reformation wandten sich die T. um die Mitte des 16. Jh. zu, gleichwohl ging die weitverzweigte Familie in Glaubensfragen oft unterschiedliche Wege. Die Gemengelage der T.schen Herrschaften mit dem Hochstift Würzburg führte zu konfessionsbedingten Konflikten.

    Konrad (um 1466–1540, LL, s. NDB XII; Gatz III) war seit 1519 Bischof von Würzburg, Andreas (1506–65, AL) kunstsinniger Domkapitular in Würzburg und Propst des Ritterstifts St. Burkard. Der Jurist und Büchersammler Theobald Julius (um 1535/40–95, AL), ein entschiedener Lutheraner, war 1573–80 Ritterhauptmann im Kt. Rhön-Werra der fränk. Reichsritterschaft, Neithard (1545–98, LL, s. NDB 19; Gatz III; Germania Sacra NF 38,1) seit 1591 Bischof von Bamberg. Johann (Hans) Karl (1648–1709, Reichsgraf 1708, LL, s. ADB 38), stand 1664–74 in lothring. und span. Militärdiensten. Seit 1676 bfl. würzburg. Obrist, Stadtkommandant von Würzburg und Kommandeur des fränk. Kreiskontingents bei der Belagerung Philippsburgs, war er 1683 als Generalwachtmeister maßgeblich beteiligt am Entsatz Wiens. 1684/85 nahm er an Kämpfen in Ungarn teil und wurde 1685 ksl. Generalfeldmarschallwachtmeister. 1688 als Generalfeldmarschalleutnant verabschiedet, reorganisierte er 1691–97 das kurmainz. Militär. 1697 war er als ksl. Generalfeldmarschall Kommandant der Festung Philippsburg, im Spanischen Erbfolgekrieg|ksl. Generalfeldzeugmeister und stellv. Oberbefehlshaber der Reichsarmee am Oberrhein. Adam Sigmund (1687–1745, seit etwa 1731/32 kath., LL), 1704 österr. Fähnrich, kämpfte 1716/17 als Obristleutnant unter Prinz Eugen gegen die Türken, seit 1717 beim Regiment Arenberg. 1733 war er Obristfeldwachtmeister, 1733–36 interimistischer Gouverneur von Luxemburg und der Gfsch. Chiny, 1734 ksl. Generalfeldmarschalleutnant, 1741 ksl. Generalfeldzeugmeister. 1737–39 kämpfte er erneut gegen die Türken und fiel in der Schlacht bei Hohenfriedberg. Der Jurist Johann Sigmund Karl (1730–1800, LL, s. Fränkische Lebensbilder III; Nassau. Biogr.) trat 1755 in brandenburg-ansbach. Hof- und Verwaltungsdienste. 1757 war er bfl. würzburg. Kämmerer und Hofrat, 1760 sachsen-gotha. Hofmarschall, 1767 Reichshofrat in Wien, seit 1772 Reichskammergerichtspräsident in Wetzlar. Sein Großneffe, der Jurist Hans Karl (1804–50, LL), war 1829 Akzessist am Kreis- und Stadtgericht zu Würzburg, 1830 wechselte er zum Appellationsgericht für den bayer. Untermainkreis in Würzburg, 1835 war er Landrichter in Kissingen, 1838 Appellationsgerichtsrat in Aschaffenburg, 1840 Oberappellationsgerichtsrat in München, 1842 Direktor und 1843–48 Präsident des Appellationsgerichts in Aschaffenburg. Sein Bruder Wilhelm (1805–71, LL) war Gutsherr und Politiker, 1861 Reichsrat der Krone Bayern, 1867 Abgeordneter zum Zollparlament. Ein weiterer Bruder, Wolfgang (1814–88, LL), 1837 Dr. iur., wurde nach einer Verwaltungslaufbahn in Gotha und Coburg 1838–54, bayer. Diplomat. Er war 1856–58 Legationsrat im bayer. Ministerium des Auswärtigen in München, 1859 Ministerresident in Kassel, 1865 ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1866–71 Gesandter in Darmstadt. Sein Sohn Hans Karl (1851–1926, LL) gehörte seit 1884 der Dt. Landwirtschaftlichen Gesellschaft (DLG) an (1900 Mitgl. d. Präsidiums). 1896 war er einer der Gründer der Bayer. Landwirtschaftsbank. Im selben Jahr wurde er Mitglied des Bayer. Landwirtschaftsrats, 1905 Reichsrat der Krone Bayern. Er war ein Vorkämpfer der landwirtschaftlichen Arrondierung und Flurbereinigung und befaßte sich 1913/14 mit der Landarbeiterfrage. Karl (LL, 1893–1944, legitimiert 1899, s. L) stand 1912 in preuß., 1913 in bayer. Militärdiensten, seit 1919 in der Reichswehr wurde er 1926 Eskadronchef im 17. Reiterregiment in Bamberg, 1933 fand er Verwendung im Reichswehrministerium. 1938 wurde er Oberstleutnant im Allgemeinen Heeresamt des OKW, 1939 Oberst, 1940 Kommandeur des 22. Kavallerieregiments, 1941 Generalmajor, 1942 Kommandeur der 18. Panzerdivision, 1943 Generalleutnant und Inspekteur des Wehrersatzwesens im Wehrkreis III. In dieser Funktion hatte er am 20. Juli 1944 die Aufgabe, die Verbindung mit dem Oberkommando des Heeres zu halten. Vom nationalsozialistischen Volksgerichtshof wurde er verurteilt und hingerichtet, obgleich ihm keine Teilhabe an den Umsturzplänen nachgewiesen werden konnte.

    Der Gutsbesitzer Dietz (1894–1973) machte sich als landwirtschaftlicher Verbandsfunktionär und -politiker um den Wiederaufbau der DLG verdient, dessen Vorstand er seit 1928 angehörte (Vize-, dann Ehrenpräsident). Er war zudem Präsident des Bayer. Landbunds und saß im Vorstand des Reichslandbundes und der Bayer. Landesbauernkammer. 1930–32 war er zudem Reichstagsabgeordneter (Christl.-Nationale Bauern- u. Landvolkpartei). Er war Ehrensenator der TU München und wurde mit der Max-Eyth-Denkmünze der DLG in Gold, dem Justus-v.Liebig-Preis sowie dem Bayer. Verdienstorden ausgezeichnet. Dipl.-Ing. Hubert (1898–1970) führte als Versuchsleiter der Zahnradfabrik Friedrichshafen wichtige Untersuchungen zu Getrieben durch. Der Unternehmer Wolf-Hartmann (1923–2001) war Kommendator der Bayer. Genossenschaft des Johanniterordens und letzter Familienbevollmächtigter der Freiherrl. v. T.schen Gesamtherrschaft Lutzischer Linie.

  • Quellen

    Qu Schloß- u. Fam.archiv d. Freiherren v. T. zu Weißenbach (LL) im Bayer. StA Würzburg; Archiv d. AL in Schloß Burgsinn; – Monumenta episcopatus Wirziburgensis, 1864–1905.

  • Literatur

    L ADB 16 u. 38;
    Karl-Reinhard Frhr. v. Thüngen, Zur Geneal. d. Fam. derer v. T., in: Archiv d. Hist. Ver. v. Unterfranken u. Aschaffenburg 54, 1912, S. 1–180;
    Rudolf Frhr. v. Thüngen, Das reichsritterl. Geschl. d. Freiherren v. T. (LL), 2 Bde., 1926, Nachdr. 1997;
    ders., dass. (AL), 2 Bde., 1999;
    W. Heberlein, Aus der T.schen Cent, ²1972;
    E.-G. Krenig, Gen.lt. Karl Frhr. v. T., Offz. u. Gegner Hitlers, in: Ber. d. Hist. Ver. (…) Bamberg 120, 1984, S. 313–22;
    Ch. Bauer, Die Einf. d. Ref., Die Ausgestaltung d. ev. Kirchenwesens u. d. Auswirkungen d. Gegenref. im Gebiet d. Herren v. T., 1985;
    M. v. Arnim, Julius v. T. ( 1595), e. bibliophiler fränk. Reichsrr., in: FS Otto Schäfer, hg. v. dems., 1987, S. 461–93;
    August Gf. Kageneck, Gedenksch. f. Gen.lt. Karl Frhr. v. T., 1994;
    J. Morsel, La noblesse contre le prince, L’espace social des T. à la fin du moyen age, 2000;
    Bei dem Text des heiligen Evangelii wollen wir bleiben, Ref. u. kath. Reform in Franken, Über Kirchenreformer in d. Bistümern u. Hochstiften Bamberg u. Würzburg, Das Haus T. als Exponent d. Reichsrr.schaft in Franken, hg. v. H. Baier u. E. Soder v. Güldenstubbe, 2004;
    Fränkische Lebensbilder I, 1919, S. 476–83, III, 1927, S. 475–89 u. IV, 1930, S. 460–78;
    Fränk. Lb. 15, 1993, S. 63–83, 18, 2000, S. 113–26 u 20, 2004, S. 83–100;
    GHdA 131, Adelslex. 14,|2003;
    GHdA 150, Freiherrl. Häuser 25, 2011, S. 475–85;
    GHdA Bayern 27, 2008, S. 561–76;

  • Porträts

    P zahlr. Gem. in d. Schlössern Burgsinn, Thüngen u. Weißenbach

  • Autor/in

    Kurt Andermann
  • Zitierweise

    Andermann, Kurt, "Thüngen, Freiherren von" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 211-213 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118838202.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA