Lebensdaten
1927 – 2003
Geburtsort
Strischowitz (Střížovice, Bezirk Dauba, Böhmen)
Sterbeort
Haar bei München
Beruf/Funktion
Historiker
Konfession
-
Normdaten
GND: 118825178 | OGND | VIAF: 109019155
Namensvarianten
  • Seibt, Ferdinand Franz
  • Seibt, Ferdinand
  • Seibt, Ferdinand Franz
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Zitierweise

Seibt, Ferdinand, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118825178.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ferdinand (1897–1929), Lehrer in St., S d. Ferdinand (1856–1933), Oberlehrer in Neudorf (Vrchbělá, Bez. Weißwasser, Böhmen), u. d. Anna Röhrich (1864–1931);
    M Maria Katharina (1900–80), T d. Josef Breburda (1862–1921), Schulleiter in Thammühl (Staré Splavy, Bez. Dauba, Böhmen), u. d. Maria Hüschner (1870–1923);
    München 1953 Gertrud (* 1927), aus Turn (Trnovany, Bez. Teplitz-Schönau, Böhmen), Dr. phil., Dipl.psychol., T d. Josef Haibach (1894–1950), Bauing. in Teplitz, u. d. Maria Masak (1893–1977);
    1 S Nikolaus Ferdinand (* 1957), Dr. phil., Dipl.psychol., 1 T Johanna (* 1959), Ph. D. Dr. habil., Prof. f. Philos. in Århus (Aarhus, Dänemark).

  • Biographie

    Nach Gymnasialausbildung in Leitmeritz, Kriegsabitur und Militärdienst (1944) erwarb S., nach Sachsen ausgewiesen, 1946 in Delitzsch die Hochschulreife. Im selben Jahr immatrikulierte er sich an der Univ. München, um Geschichte, Germanistik und Geographie zu studieren. 1952 wurde er bei Johannes Spörl mit einer Arbeit über Walter Maps „De nugis curialium“ promoviert; nach dem Staatsexamen 1953 wirkte S. zehn Jahre als Gymnasiallehrer in München. 1964 habilitierte er sich mit der Arbeit „Hussitica, Zur Struktur einer Revolution“ (1965, ²1990) an der Univ. München, lehrte dort als Privatdozent und wiss. Rat und wirkte dann seit 1969 bis zur Emeritierung 1992 als Professor für Mittelalterliche Geschichte mit dem Schwerpunkt Spätmittelalter an der Ruhr-Univ. Bochum. S. trat zunächst als Hussitenforscher hervor. Seit seiner Habilitation galten viele seiner Studien dem Thema der Hussitenrevolution (Hussitenstudien, 1987), das er stets struktural auffaßte und in die europ. Geschichte vergleichend einordnete. So gelangte er schließlich auch zu einer anregenden typologisierenden Komparatistik früher Revolutionen vom 14. bis zum 17. Jh. (Revolution in Europa, 1984). Aus seinem schon in der Hussitenforschung angelegten Interesse an den Zusammenhängen zwischen Gesellschafts- und Ideengeschichte erwuchs als weiterer Schwerpunkt die Erforschung utopischer Gesellschaftsentwürfe des Mittelalters und der Frühneuzeit (Utopica, 1972, ²2001). In Fachkreisen wie in einer breiteren Öffentlichkeit fand er besonderes Echo mit seinen bahnbrechenden Arbeiten über Kaiser Karl IV. (Karl IV., Ein Ks. in Europa, 1978, ⁸2000, poln. 1995, tschech. 1999; Hg.: Ks. Karl IV., Staatsmann u. Mäzen, 1978), die die Forschung nachhaltig anregten. Darüber hinaus behielt er aber stets das gesamte Mittelalter im Blick, für das er ein prozeßhaftes Strukturmodell entwickelte (Konsolidierung, Intensivierung, Expansion, Krise, Revolution), welches auch seinen Mittelalterdarstellungen für ein breiteres Publikum zugrunde liegt (Glanz u. Elend d. Mittelalters, 1987, ⁶1999, tschech. u. korean. 2000; Die Begründung Europas, Ein Zwischenber. über die letzten tausend Jahre, 2002, span. 2004). Von den Phasen dieses Modells beschäftigte er sich – neben der Revolution – insbesondere mit der Krise des Spätmittelalters, um deren begriffliches Verständnis er sich v. a. bemühte (Hg.: Europa 1400, 1984, span. 1992).

    Ein besonderes Anliegen war S., der selbst tschechisch sprach, die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Deutschen und Tschechen. Mit tschech. Historikern suchte und förderte er seit den 60er Jahren Kontakte und Zusammenarbeit, nach 1989 auch im institutionellen Rahmen. Eng vertraut mit den Mittelalter- und Neuzeitarbeiten der tschech. Historiographie, wußte er deren Leistungen ebenso sachlich zu würdigen wie er sich mit ihrer marxistischen Richtung kritisch auseinandersetzte (Bohemica 1970). Wissenschaftlich und publizistisch engagierte er sich seit den 50er Jahren beständig dafür, die Zerschlagung und dt. Besetzung der Tschechoslowakei (1938–45) sowie die Vertreibung der Deutschen aus größeren historischen Zusammenhängen der Geschichte Mitteleuropas zu begreifen und gegen ein rückwärtsgewandtes nationales Legitimationsdenken zu einer zukunftsweisenden Verständigung von Tschechen und Deutschen beizutragen (Deutschland u. d. Tschechen, 1974, ⁵1998, tschech. 1997; Das alte böse Lied, 2000).

  • Auszeichnungen

    u. a. Obmann d. Hist. Komm. d. Sudetenländer (1968–87);
    Mitgl. d. Collegium Carolinum, München (1965, Vorstandsmitgl. u. Erster Vors. 1980–2003), d. Vorstands d. Adalbert Stifter-Ver. (1959–2002), d. J. G. Herder-Forschungsrats (seit 1969), d. dt.-tschech.-slowak. Historikerkomm. (1990–2000) u. d. Koordinierungsrats f. d. dt.-tschech. Dialogforum;
    – Offz.kreuz d. Verdienstordens d. Ghzgt. Luxemburg (1982);
    Georg-Dehio-Preis d. Künstlergilde Esslingen (1989);
    František Palacký-Medaille in Gold d. Tschech. Ak. d. Wiss. (1991);
    Dr. h. c. (Karls-Univ. Prag 1994);
    Kulturpreis d. Adalbert Stifter-Ver. f. dt.-tschech. Verständigung (1994);
    Verdienstorden 1. Kl. d. Tschech. Rep. (1995);
    BVK 1. Kl. (1996).

  • Werke

    Die Schrift „De nugis curialium“, Studien z. Weltbild u. z. geistigen Persönlichkeit Walter Maps, 1952;
    ca. 300 Studien, Fachaufss. u. Essays;
    Hg.:
    u. a. Bohemia, Zs. f. Gesch. u. Kultur d. böhm. Länder, Jg. 26, 1986 ff.;
    W-Verz.
    in: F. S., Deutsche, Tschechen, Sudetendeutsche (s. L), S. 569–98;
    wiss;
    Ltg;
    v;
    Ausstellungen: Ks. Karl IV., Nürnberg 1978;
    MA im Ruhrgebiet, Vergessene Zeiten, Essen 1990/91;
    Transit Brügge-Novgorod, Eine Straße durch d. europ. Gesch., Essen 1997;
    Nachlaß:
    Privatbes.

  • Literatur

    MA u. Gegenwart, Ausgew. Aufss. zu seinem 60. Geb.tag, hg. v. W. Eberhard u. H.-D. Heimann, 1987 (P);
    Hussitenstudien, Festgabe v. F. S. z. 60. Geb.tag, hg. v. Vorstand d. Collegium Carolinum 1987 (P);
    Westmitteleuropa – Ostmitteleuropa, Vergleiche u. Beziehungen, FS f. F. S. z. 65. Geb.tag, hg. v. W. Eberhard u. a., 1992 (P);
    Ks. u. Kirche, Aufss. aus d. J. 1978–1997, Festgabe z. 70. Geb.tag, hg. v. H. Lemberg u. a., 1997;
    Deutsche, Tschechen, Sudetendeutsche, Analysen u. Stellungnahmen zu Gesch. u. Gegenwart aus fünf Jahrzehnten, FS zu seinem 75. Geb.tag, hg. v. R. Luft u. a., 2002 (W-Verz., P);
    RUBENS, Zs. d. Ruhr-Univ., Nr. 76, Jan. 2003;
    Nachrufe:
    M. Jeismann, in: FAZ v. 10. 4. 2003 (P);
    F. Prinz, in: SZ v. 10. 4. 2003 (P);
    H. Helbling, in: NZZ v. 11. 4. 2003;
    H. Lemberg u. V. Strebel, in: Prager Ztg. v. 23. 4. 2003;
    W. Eberhard, in: Jbb. f. d. Gesch. Osteuropas 51, 2003, S. 631–33;
    Biogr. Lex. Gesch.wiss.;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Munzinger.

  • Autor/in

    Winfried Eberhard
  • Zitierweise

    Eberhard, Winfried, "Seibt, Ferdinand" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 169-170 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118825178.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA