Lebensdaten
1882 – 1975
Geburtsort
Basel
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Staatsrechtler ; Kirchenrechtler
Konfession
reformiert
Normdaten
GND: 118823817 | OGND | VIAF: 5005694
Namensvarianten
  • Smend, Rudolf
  • Simende, Ludaofu
  • Smend, Carl Friedrich Rudolf
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Zitierweise

Smend, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118823817.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Rudolf (s. 1);
    M Hedwig Weymann;
    1924 Gisela (1899–1992), T d. Rudolf Hübner (1864–1945), Prof. d. Rechte in Bonn, Rostock, Gießen, Halle, Jena (s. NDB IX), u. d. Mathilde Weyersberg (1873–1961);
    S Rudolf (* 1932), Alttestamentler, Prof. f. ev. Theol. in G., 1994–98 Präs. d. Göttinger Ak. d. Wiss., Friedrich (* 1934), Prof. f. Physik in G. (beide s. Kürschner, Gel.-Kal. 2009);
    Ur-Gvm d. Ehefrau Johann Gustav Droysen (1808–84), Hist. (s. NDB IV).

  • Biographie

    S., der in Göttingen aufwuchs, studierte 1900–04 Rechtswissenschaft und Geschichte in Basel, Berlin, Bonn und Göttingen. 1904 wurde er mit der preisgekrönten Dissertation „Die Preuß. Verfassungsurkunde im Vergleich mit der Belgischen“ (1904) promoviert und habilitierte sich 1908 bei Albert Hänel in Kiel mit dem Werk „Das Reichskammergericht, Geschichte und Verfassung“ (1911, Neudr. 1965). 1909 erhielt er eine Professur für öffentliches Recht in Greifswald, 1911 in Tübingen, 1915 in Bonn und 1922 in Berlin. 1935 wurde er nach Göttingen strafversetzt (Rektor 1945/46), wo er bis zu seinem Tode wirkte. 1945–55 war er Mitglied im Rat der EKD und 1945–63 im Moderamen des Reformierten Bundes. 1945 initiierte er das Kirchenrechtliche Institut der ev. Kirche in Göttingen, das er bis 1969 leitete, und 1951 die „Zeitschrift für ev. Kirchenrecht“ (ZevKR).

    Vor 1914 lag S.s Schwerpunkt auf der dt. Verfassungsgeschichte der frühen Neuzeit; sein Buch über das Reichskammergericht war ein Pionierwerk zur Geschichte der alten Reichsverfassung. Im Staatsrecht ging S. zunächst von der konstitutionellen Monarchie aus, der bereits die Dissertation gewidmet war. Es folgte 1916 eine Abhandlung über „Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat“, eine tiefgreifende Analyse der Verfassung des Bismarckreichs, zugleich Abwendung vom herrschenden staatsrechtlichen Positivismus. In die Zeit der Weimarer Republik fallen S.s bedeutendsten staatstheoretischen und staatsrechtlichen Werke. Beeinflußt von der zeitgenössischen Philosophie (Theodor Litt), entwickelte er mit seiner Integrationslehre eine geisteswissenschaftliche Verfassungstheorie. Diese, zum erstenmal in der Abhandlung „Die politische Gewalt im Verfassungsstaat und das Problem der Staatsform“ 1923 skizziert, entfaltete er systematisch in seinem Hauptwerk „Verfassung und Verfassungsrecht“ 1928. S. erfaßt Integration als „grundlegenden Lebensvorgang des Staates“, wobei er persönliche Integration im Anschluß an Max Weber (Monarch, Führertum), funktionelle Integration (kollektivierende Lebensformen) und sachliche Integration (gemeinsame Zwecke und Werte) unterscheidet. Die Einheit des Staates beruht nach S. auf einem Integrationssystem, das in seiner Auswirkung auf die Staatsorgane, Staatsfunktionen und den Bundesstaat dargestellt wird. Bedeutsam ist auch die Einordnung der Grundrechte in diese Theorie, wobei er diese Rechte primär als Wertordnung erfaßt. S.s Konzeption einer Staats- und Verfassungslehre der Integration mit ihrer labilen Balance zwischen Individualismus und Gemeinschaftsdenken konnte sich im ideologischen Kampf der Weimarer Zeit nicht durchsetzen; sie konkurrierte mit grundlegend anderen zeitgenössischen Konzepten (Carl Schmitt, Hans Kelsen).

    S. warnte 1933 deutlich vor der sich anbahnenden Zerstörung der Weimarer Republik. Sein von ihm selbst als Manifest bezeichneter Aufsatz „Protestantismus und Demokratie“ (in: Krisis, 1932, S. 182–93) war der Versuch, die im zeitgenössischen Protestantismus weit verbreitete Aversion gegenüber der Demokratie als Staatsform zu überwinden. Besonders hervorzuheben ist der Vortrag „Bürger und Bourgeois im dt. Staatsrecht“, gehalten zwölf Tage vor Hitlers „Machtergreifung“ als Plädoyer für die Erhaltung der Werte des bürgerlichen Rechtsstaats.

    Nach 1933 zog sich S. zunächst auf historische Publikationen zurück. Mehrere Studien zur Göttinger Universitäts- und Akademiegeschichte sind Kabinettstücke geistesgeschichtlicher Forschung. In der Periode nach 1945 liegt der Schwerpunkt der Publikationen auf dem Staatskirchenrecht und ev. Kirchenrecht. Die Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes beruht u. a. auf S.s Denkfiguren. Für die Beziehung von Staat und Kirche seit 1949 wurde v. a. sein Aufsatz „Staat und Kirche nach dem Bonner Grundgesetz“ (1951) grundlegend. S. hat auch über Schüler wie v. a. Ulrich Scheuner und Konrad Hesse, ferner Herbert Krüger, Richard Bäumlin, Horst Ehmke, Henning Zwirner, Wilhelm Hennis, Peter v. Oertzen, Ernst Gottfried Mahrenholz, Axel v. Campenhausen und Hans Dombois Staatsrecht, Kirchenrecht und politische Theorie in Deutschland nach 1945 tief geprägt.

  • Auszeichnungen

    D. theol. h. c. (Berlin 1930);
    Dr. rer. pol. h. c. (FU Berlin 1962;
    Tübingen 1967);
    Dr. iur. h. c. (Basel 1972);
    o. Mitgl. d. Göttinger Ak. d. Wiss. (1936, Präs. 1944–49);
    Gr. BVK (1952, mit Stern 1967);
    Landesmedaille d. Landes Niedersachsen (1961).

  • Werke

    Staatsrechtl. Abhh., 1955, ²1968;
    Kirchenrechtl. Gutachten 1946–1969, erstattet v. Kirchenrechtl. Inst. d. Ev. Kirche in Dtld. Göttingen unter Leitung v. R. S., 1972;
    Dt. Staatsrechtswiss. vor hundert J. u. heute, in: FS f. Adolf Arndt z. 65. Geb.tag, 1969, S. 451–61;
    Die Vereinigung d. Dt. Staatsrechtslehrer u. d. Richtungsstreit, in: FS f. Ulrich Scheuner, 1973, S. 575–89.

  • Literatur

    Hans Mayer, Die Krisis d. dt. Staatslehre u. d. Staatsauffassung R. S.s, Diss. Köln 1931;
    U. Scheuner, R. S., Leben u. Werk, in: Rechtsprobleme in Staat u. Kirche, FS f. R. S., 1952, S. 433–43;
    R. Bartlsperger, Die Integrationslehre R. S.s als Grundlegung e. Staats- u. Rechtsphilos., Diss. Erlangen 1964;
    M. Mols, Allg. Staatslehre oder pol. Theorie? Interpretationen zu ihrem Verhältnis am Bsp. d. Integrationslehre R. S.s, 1969;
    M. Friedrich, in: AöR 112, 1987, S. 1–25;
    A. v. Campenhausen, R. S. (1882–1975), Integration in zerrissener Zeit, in: F. Loos (Hg.), Rechtswiss. in Göttingen, 1987, S. 510–27 (P);
    K. Rennert, Die „geisteswiss. Richtung“ in d. Staatsrechtslehre d. Weimarer Rep., 1987;
    S. Korioth, Integration u. Bundesstaat, Ein Btr. z. Staats- u. Vfg.lehre R. S.s, 1990;
    A. v. Campenhausen, in: Jb. d. öff. Rechts d. Gegenwart NF 56, 2008, S. 229–34;
    Th. Notthof, Der Staat als „geistige Wirklichkeit“, Der phil.-anthropol. Aspekt d. Vfg.denkens R. S.s, 2008;
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.;
    A. Erler, in: HRG;
    M. Stolleis, in: ders. (Hg.), Juristen, 2001;
    Munzinger;
    Göttinger Gel. II, S. 472 f. (P);
    Lex. Greifswalder Hochschullehrer III.

  • Autor/in

    Peter Landau
  • Zitierweise

    Landau, Peter, "Smend, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 510-511 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118823817.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA