Lebensdaten
um 1480 – 1526
Geburtsort
wahrscheinlich Schweidnitz (Schlesien)
Sterbeort
wahrscheinlich bei Znaim (Mähren)
Beruf/Funktion
Komponist
Konfession
-
Normdaten
GND: 118799010 | OGND | VIAF: 27253302
Namensvarianten
  • Stolzer, Thomas
  • Stolcer, Thomas
  • Stolczer, Thomas
  • mehr

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Zitierweise

Stoltzer, Thomas, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118799010.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V möglicherweise Clemens Stolczer, 1468–99 Stadtschreiber in Sch.

  • Biographie

    S. wird in Melchior Adams Vita des schles. Humanisten und Dichters Johann Lange (1503–67) als „Thomas Stollerus (alias Stolcer) Suidnicensis“ bezeichnet (Vitae Germanorum iureconsultorum et politicorum, Heidelberg 1620, S. 79). Seine Schweidnitzer Herkunft ist ansonsten nicht belegt, und auch über seine Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt; allerdings ist er 1522 als Altarpriester an der Schweidnitzer Stadtkirche St. Nikolaus nachweisbar. Seit 1519 wird er als „vicarius discontinuus“ (Kleriker ohne Residenzpflicht) am Domkapitel in Breslau genannt (Breslau, Ebfl. Archiv, II d 13); ferner bezog er bis zu seinem Tod Einkünfte aus einer Altarpfründe an der dortigen Stadtkirche St. Elisabeth. Während dieser Zeit kam S. auch in Kontakt mit der Reformation, v. a. durch den ,schlesischen Reformator` Johann Hess (1490–1547), ohne sich jedoch klar zur neuen Lehre zu bekennen. Am 8. 5. 1522 wurde S. auf Veranlassung der musikliebenden Kgn. Maria (1505–58) von deren Gemahl Kg. Ludwig (Lajos) II. von Ungarn als Kapellmeister der neu gegründeten Sängerkapelle an den ungar. Hof in Pest berufen. Seine Karriere offenbar unter der Protektion Marias fand jedoch schon 1526 ein abruptes Ende: Wie der Dichter Johann Lange – zeitweise unter S. Lehrer der Chorknaben an der ungar. Hofkapelle – in seiner Elegie auf den Dichter Caspar Ursinus Velius (Elegia Ioannis Langi Silesij, de miserabili fato Casparus Ursini Velij, Wien 1539) berichtet, ertrank S. im Fluß Thaya bei Znaim, als der ungar. Hof vor den herannahenden türk. Truppen nach Westen fliehen mußte. Sein Tod kam einer unmittelbar bevorstehenden Berufung an|den preuß. Hof von Hzg. Albrecht in Königsberg zuvor.

    S. umfangreiches Œuvre umfaßt alle Gattungen der geistlichen Vokalmusik (Messen, Vertonungen des Messpropriums, Antiphonen, Hymnen etc.), teilweise sicher schon in seiner Schweidnitzer und Breslauer Zeit komponiert; daneben steht auch eine Reihe dt. Kirchenlieder und weltlicher Lieder. Seine historisch wirksamste Leistung liegt jedoch in der motettischen Vertonung von Psalmen in der Nachfolge von Josquin Desprez, zunächst in lat. Sprache, in seinen letzten Lebensjahren aber auch auf Deutsch, in der ganz neuen Übersetzung Luthers (letztere auf Veranlassung Marias von Ungarn hin, die zudem darüber wachte, daß die Werke ihres Komponisten nicht außerhalb des Hofes verbreitet wurden).

    Wie viele seiner Zeitgenossen war S. von der Variabilität und Ausdruckskraft der Psalmtexte fasziniert – so schrieb er am 23. 2. 1526 an Hzg. Albrecht, er habe den 29. Psalm („Exaltabo te“) „neulich auss sunderem Lust an den überschönen worten gesetzt“. Anders etwa als später Orlando di Lasso und Leonhard Lechner vertonte S. statt der dunklen Bußpsalmen v. a. die positiv gefärbten Hoffnungs-, Andachts- und Lobpsalmen; der klare und transparente Tonsatz schmiegt sich in seiner deklamatorischen Motivik aufs engste der Sprachmelodie und dem Inhalt der Vorlage an.

    Obwohl sich fast keine handschriftlichen oder gedruckten Quellen seiner Werke aus Lebzeiten erhalten haben, kann S. neben Ludwig Senfl (um 1490–1543) wohl als der bedeutendste Komponist des dt.sprachigen Raums in der ersten Hälfte des 16. Jh. gelten. Joachim Vadian pries ihn schon 1518 in seiner Poetik, für Lange war „Thoma vix melior Germanus Symphonistes“; der Wittenberger Verleger Georg Rhau druckte seine Werke bis weit in die 1540er Jahre hinein in großem Umfang (in hsl. Kopien bis zum Jh.ende verbreitet), was S., unabhängig von seinen tatsächlichen Überzeugungen, für die Nachwelt als ,luth.` Komponisten beglaubigte.

  • Werke

    W Ausgg.: Das dt. Gesellschaftslied in Österr. v. 1480–1550, hg. v. L. Nowak, 1930;
    T. S., Ausgew. Werke, hg. v. H. Albrecht u. L. Hoffmann-Erbrecht, 3 Bde., 1942–1983;
    T. S., Sämtl. lat. Hymnen u. Psalmen, hg. v. H. Albrecht, O. Gombosi u. H. J. Moser, 1959;
    Vesperarum precum officia, hg. v. H. J. Moser, 1960;
    G. Rhau, Sacrorum Hymnorum Liber Primus, hg. v. R. Gerber, 2 Bde., 1961;
    Bicinia gallica, latina, germanica, hg. v. B. Bellingham, 1980;
    Officia paschalia de Resurrectione et Ascensione Domini, hg. v. R. L. Parker, 1988;
    Tricinia, hg. v. Th. Noblitt, 1989;
    Neue dt. geistl. Gesänge, hg. v. J. , 1992;
    Officia de Nativitate, hg. v. F. Krautwurst, 1999.

  • Literatur

    ADB 36;
    K.-L. Hampe, Die dt. Psalmen d. T. S., Diss. masch. Posen 1943;
    L. Hoffmann-Erbrecht, T. S., Leben u. Schaffen, 1964;
    ders., Stoltzeriana, in: Die Musikforsch. 27, 1974, S. 18–36;
    ders., Henricus Finck, musicus excellentissimus (1445–1527), 1982;
    ders., in: Schles. Lb. VI, 1990, S. 19–27;
    O. Wessely, Btrr. z. Gesch. d. Hofkapelle Lajos'II. Jagello, Kg. v. Böhmen u. Ungarn, in: FS B. Stäblein, hg. v. M. Ruhnke, 1967, S. 293–300;
    L. Finscher, „auss sunderem Lust zu den überschönen Worten“, Zur Psalmkomp. b. Josquin Desprez u. seinen Zeitgenossen, in: Lit., Musik u. Kunst im Übergang v. MA z. Neuzeit, hg. v. H. Boockmann u. a., 1995, S. 246–61;
    G. McDonald, T. S. in Schweidnitz, New Evidence, in: Neues Musikwiss. Jb. 16, 2008/09, S. 7 f.;
    LThK³;
    MGG;
    MGG²;
    New Grove;
    New Grove² .

  • Autor/in

    Thomas Schmidt-Beste
  • Zitierweise

    Schmidt-Beste, Thomas, "Stoltzer, Thomas" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 432-433 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118799010.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Stoltzer: Thomas St. (Stolzer, Stolcer), aus Schweidnitz in Schlesien gebürtig, einer der älteren berühmten deutschen Tonmeister, der zu Senfl, Hoffhaimer und Finck den Vierten bildet. Schwer ist zu sagen wer von allen Vieren der ältere ist. Die Reihenfolge wird sich wahrscheinlich so ergeben: Finck, Stoltzer, Hoffhaimer und Senfl. Nur spärlich sind die Nachrichten, die wir über die vier Meister besitzen und nur tropfenweise tritt hin und wieder eine neue hinzu. Durch Melchior Adami's Vitae german. p. 36 erfahren wir, daß er Capellmeister beim König Ludwig von Ungarn war und Praeceptor an der Schule in Ofen, und durch einen Brief vom 23. Februar 1526, den St. aus Ofen an den Markgrafen Albrecht von Preußen schreibt (abgedruckt in Monatshefte f. Musikgesch. VIII, 67), erfahren wir noch, daß er Capellan, also ein Geistlicher war; ferner deutet der Schluß des Briefes darauf hin, daß der Herzog bei einer persönlichen Begegnung, ob in Königsberg oder in Ofen bleibt unbestimmt, eine Andeutung habe fallen lassen, daß er St. gern als Capellmeister nach Königsberg haben möchte. Dies alles liegt aber so im Dunklen, daß man mehr ahnen als mit Sicherheit beweisen kann. Besser sind wir über ihn als Componisten unterrichtet und ansehnlich ist die Reihe von Compositionen, die uns heute nach mehr als 360 Jahren noch zur Verfügung stehen. Ziehen wir die Compositionen der vier oben genannten ältesten deutschen Meister in Vergleich, so ist St. derjenige, dessen Stil der ernsteste, kräftigste aber auch der herbste ist. Selbst im deutschen Liebesliede, wo Finck, der ihm am nächsten im Ausdrucke steht, weichere und einschmeichelndere Töne anschlägt, herrscht bei St. der strenge ernste Ton vor. Man könnte ihn deshalb für den älteren Meister halten, obschon Finck, so viel wie mir bis jetzt bekannt ist, früher als St. gestorben ist (siehe Monatsh. f. Musikgesch. XXII, 46). Da wir aber von keinem wissen, wie alt er war, so ist man immer nur auf Vermuthungen angewiesen. Von seinen deutschen weltlichen Liedern sind mir bis jetzt zehn bekannt, von den deutschen geistlichen, die in Motettenform gearbeitet sind, sieben und 106 lateinische Hymnen, Antiphonen, Psalmen, Messen und Motetten, oft in breiter Ausführung zu 2, 3, 4 bis 6 Stimmen. Ein Theil davon ist in alten Sammelwerken gedruckt (siehe meine Bibliographie), andere befinden sich in alten Manuscripten in den Bibliotheken Zwickaus, Dresdens, Breslaus und Regensburgs. In Neudrucken sind erst fünf Gesänge veröffentlicht (siehe mein Verzeichniß und die Nachträge im IX. Bde. der Monatshefte). Eine sehr ausführliche etwas umständliche Beurtheilung des sechsstimmigen Psalmes „Noli aemulari“, mit Abdruck des 2. Theiles findet man von Otto Kade in den Monatsheften VIII, 138. Auch Ambros in seiner Geschichte der Musik III, 372 widmet ihm einen kurzen Abschnitt. Alle Beurtheilungen bestätigen die obige Charakteristik seiner Schreibweise. Er war ein bedeutender und denkender Künstler, der das Höchste in der Kunst zu erzielen erstrebte, dem aber der zarte und innige Ausdruck der Musik noch verschlossen war; erst durch die Bekanntschaft mit den Italienern lernten ihn die Deutschen nach und nach empfinden und brachten ihn dann mit ihrer tieferen Empfindung zum höchsten Ausdruck, so daß sie schließlich alle anderen Culturvölker überstrahlten.

  • Autor/in

    Rob. Eitner.
  • Zitierweise

    Eitner, Robert, "Stoltzer, Thomas" in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 420 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118799010.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA