Lebensdaten
1778 – 1853
Geburtsort
Kassel
Sterbeort
Kassel
Beruf/Funktion
politischer Publizist ; Mathematiker ; Journalist ; Jurist ; Staatsrechtsforscher
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118785419 | OGND | VIAF: 77111811
Namensvarianten
  • Murhard, Friedrich Wilhelm August
  • Murhard, Friedrich
  • Murhard, Friedrich Wilhelm August
  • mehr

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Murhard, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785419.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus vermögender hess. Beamtenfam.;
    V Henrich (1739–1809), Reg.prokurator in K., S d. Niclas Conrad (1685–1754), Geh. Kriegs- u. Legationsrat, u. d. Christine Margarethe Scheffer (1715–71);
    M Maria Magdalena (1745–1807), T d. Conrad Sebastian Fischer, Reg.advokat u. Prokurator;
    B Karl (s. 2);
    Ur-Gvv Johann Justus Hartmann Scheffer (1675–1733), Geh. Rat u. Kanzler; – ledig.

  • Biographie

    M. studierte seit 1795 in Göttingen Mathematik, Philologie und Geschichte und promovierte schon 1796 über La Granges Variationsrechnung. Als Privatdozent hielt er 1796-98 Vorlesungen und veröffentlichte zahlreiche mathematische und naturwissenschaftliche Abhandlungen. 1798 trat er aus dem Lehrkörper der Univ. Göttingen aus und unternahm eine große Reise, die ihn durch den Balkan bis nach Konstantinopel und Kleinasien führte. Nach seiner Rückkehr veröffentlichte er mehrbändige Reisebeschreibungen und gab 1805/06 die Monatsschrift „Konstantinopel und St. Petersburg“ heraus. Eine Frankreichreise 1806 bestärkte M. in der Bewunderung für Napoleon und in der oppositionellen Haltung gegenüber der kurhess. Regierung. Nachdem er im „Reichsanzeiger“ die veraltete kurhess. Gerichtsverfassung kritisiert hatte, wurde er als Jakobiner und Franzosenfreund erstmals verhaftet, kam jedoch schon bald wieder frei, als das Kurfürstentum Hessen von Napoleon aufgelöst und mit anderen Territorien zum Kgr. Westphalen zusammengelegt wurde. M., der die neue Entwicklung begeistert begrüßte, wurde 1808 zum zweiten Bibliothekar der Kasseler Bibliothek und zum Präfekturrat des Fulda-Departements ernannt. Als Redakteur des zweisprachigen „Moniteur Westphalien“ pries er unentwegt die Errungenschaften der westphäl. Verfassung und Verwaltung. Nach dem Zusammenbruch des Kgr. Westphalen und der Rückkehr des Kurfürsten wurde M. 1814 aller Ämter enthoben und unter polizeiliche Aufsicht gestellt.

    1816 übersiedelte M. nach Frankfurt/Main. Dort übte er scharfe Kritik an der Bundesversammlung und gab 1817 die „Europäische Zeitung“ heraus, die jedoch schon Ende des Jahres wegen ihrer freimütigen Artikel verboten wurde. 1821 übernahm er auf Veranlassung Cottas die Redaktion der „Allgemeinen politischen Annalen“ und war daneben auch als Frankfurter Korrespondent der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ tätig. Als 1823 in Hessen anonyme Briefe über den skandalösen Lebenswandel des Kurfürsten und seiner Mätresse, Gfn. Reichenbach, kursierten, wurde M. der Verfasserschaft verdächtigt. Da er zudem Ende 1823 den polizeilich gesuchten Burschenschafter Wit de Dörring in seinem Haus aufnahm und ihm zur Flucht nach Amerika verhalf, wurde er aus Frankfurt ausgewiesen und im Januar 1824 von der kurhess. Polizei verhaftet. Nach acht Monaten Haft wurde er gegen Stellung einer hohen Kaution freigelassen, erhielt aber ein Publikationsverbot, das auch noch aufrechterhalten wurde, als ihn 1827 die Kasseler Richter weitgehend freisprechen mußten.

    Erst die Julirevolution befreite M. 1830 vorerst von Polizeiaufsicht und Zensur. Er veröffentlichte nun in rascher Folge acht staatstheoretische Abhandlungen über Volkssouveränität, Widerstandsrecht, Gesetzesinitiative sowie andere Fragen der konstitutionellen Monarchie (1831–33) und ließ 1834/35 einen zweibändigen Kommentar zur kurhess. Verfassung nachfolgen. Die ihm mehrfach angetragene Bewerbung um ein Landtagsmandat schlug M. jedoch mit der Begründung aus, sich ohne aktive politische Betätigung besser der literarisch-publizistischen Wirksamkeit widmen zu können. M. arbeitete intensiv an dem von Rotteck und Welcker herausgegebenen Staatslexikon mit. Als er im Artikel|„Staatsgerichtshof“ die Unzulänglichkeit der rein juristischen Ministerverantwortlichkeit am Beispiel eines von der Regierung manipulierten Prozesses aufzeigte, ließ ihn die kurhess. Regierung 1844 im Alter von 65 Jahren verhaften. M. wurde 1845 zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Er legte zwar sofort Berufung ein, aber das Verfahren wurde erst durch die Revolution von 1848 mit einer landesherrlichen Amnestie beendet. – Mit M. verlor der deutsche Liberalismus nach den Worten Welckers einen „ehrwürdigen Veteran“, der seine Lebensaufgabe in der Verbreitung und Vermittlung politischer Aufklärung gesehen hatte. Diesem Zweck sollte auch die Stiftung dienen, die bereits 1845 von M. und seinem Bruder Karl testamentarisch verfügt wurde und aus deren Vermögen eine Bibliothek in Kassel aufgebaut wurde.

  • Werke

    Weitere W u. a. Litt. d. math. Wiss., 5 Bde., 1797-1805;
    Gem. v. Konstantinopel, 3 Bde., 1804 (²1805 in 2 Bdn.);
    Gem. d. griech. Archipelagus, 2 Bde., 1807 f.;
    Die unbeschränkte Fürstenschaft, 1831;
    Über Widerstand, Empörung u. Zwangsübung d. Staatsbürger gegen d. bestehende Staatsgewalt, in sittl. u. rechtl. Beziehung, 1832, Nachdr. 1969;
    Das kgl. Veto, 1832, Nachdr. 1970;
    Die Volkssouverainität im Gegensatz d. sog. Legitimität, 1832, Nachdr. 1969;
    Der Zweck d. Staats, 1832;
    Das Recht d. Nationen z. Erstrebung zeitgemäßer, ihrem Kulturgrade angemessener Staatsverfassungen, 1832;
    Die Initiative b. d. Gesetzgebung, 1833;
    Nouveau Recueil général de traités, Conventions et autres transactions remarquables, T. 1-13, 1840-49.

  • Literatur

    ADB 23;
    G. F. Kolb, Der M.’sche Preßprozeß in Kurhessen, in: Konstitutionelle Jbb., hrsg. v. K. Weil, I, 1847, S. 1-41;
    W. Weidemann, F. W. A. M., Ein Publizist d. Altliberalismus, Diss. Frankfurt/Main 1923 (ungedr.);
    ders., F. M. (1778-1853) u. d. Altliberalismus, in: Zs. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landeskde. 55, 1926, S. 229-76;
    C. Knetsch, Die Fam. Murhard aus Vacha, in: Nachrr. d. Ges. f. Fam.kde. in Kurhessen u. Waldeck 7, 1932, S. 33-54;
    Th. Griewank, Aus d. Leben u. Wirken d. Brüder Murhard, in: Hessenland 50, 1938, S. 230-35;
    ders., Die Brüder Friedrich u. Karl Murhard, in: Lb. aus Kurhessen u. Waldeck I, 1939, S. 212-19 (W, L);
    N. Fuchs, Die pol. Theorie F. M.s 1778-1853, Diss. Erlangen-Nürnberg 1973 (W-Verz.);
    D. Hennig, Die Murhardsche Stiftung, in: Informationen aus Kassel 10, 1979, H. 3, S. 14 f. (P);
    Pogg. II;
    Kosch, Biogr. Staatshdb.

  • Autor/in

    Peter Michael Ehrle
  • Zitierweise

    Ehrle, Peter Michael, "Murhard, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 610-611 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785419.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Murhard: Friedrich Wilhelm August M., Mathematiker, später Journalist und Staatsrechtsforscher, geb. den 7. December 1779 (nach Anderen 1778) in Cassel, ebenda den 29. November 1853. Durch Joh. Matth. Matsko vortrefflich vorbereitet ging M. 1795 nach Göttingen, um unter Kästner Mathematik zu studiren. Bereits 1796 wurde er Magister und hielt Vorlesungen, 1797 ernannte ihn die Königl. Societät der Wissenschaften in Göttingen zum Assessor. Er war in jenen Anfangsjahren ein ungemein fleißiger Schriftsteller über mathematische (auch historisch-mathematische) Dinge, daneben auch über Sprachwissenschaft und über politische Geschichte. Seine „Bibliotheca mathematica oder Litteratur der mathematischen Wissenschaften“ erschien 1797—1805|in fünf Theilen und wird noch gegenwärtig mit Erfolg zu Rathe gezogen. Zwischen diese Veröffentlichung fällt eine große Reise nach dem Orient 1798 bis 1799. Von ihr zurückgekehrt, blieb er als Privatgelehrter in Cassel, seine Reiseeindrücke insbesondere in seinem 3 Bände starken „Gemälde von Constantinopel“ (1804) und in dem zweibändigen „Gemälde des griechischen Archipelagus“ (1807 bis 1808) verarbeitend; doch war dazwischen wieder das Jahr 1806 einer Reise durch Deutschland, Frankreich und die Niederlande gewidmet. 1808 trat er in die Dienste der westfälischen Regierung, wurde Redacteur des Westfälischen Moniteurs, Bibliothekar am Museum in Cassel und Präfect des Departement der Fulda. Als Kurfürst Wilhelm I. 1813 zurückkehrte, verließ M. Cassel und nahm seinen Wohnsitz in Frankfurt a. M. Von dieser Zeit beginnt seine staatsrechtlich-journalistische Thätigkeit. Er soll der Verfasser der unter dem Namen Dr. Schreiber veröffentlichten Drucksachen über den westfälischen Domänenverlauf gewesen sein. 1817 war M. Redacteur der Europäischen Zeitung in Bern, die aber bald unterdrückt wurde. Wieder in Frankfurt wohnhaft, wurde er 1824 bei einem Abstecher nach Hanau verhaftet unter dem Verdachte an Drohbriefen betheiligt zu sein, welche dem Kurfürsten von Hessen, sowie der Gräfin Reichenbach 1823 zugeschickt worden waren. Nach siebenmonatlicher Untersuchungshaft wurde er in Freiheit gesetzt, einige Jahre darauf durch ein förmliches gerichtliches Urtheil für nichtschuldig erklärt. Nun zog er wieder nach Cassel, das er nur auf wiederholten größeren Reisen verließ. Wie er schon seit 1821 die von Posselt begonnenen Europäische Annalen unter dem Titel „Allgemeine politische Annalen“ fortgesetzt hatte, gab er seit 1842 zwölf Bände eines „Recueil général des traités“ heraus, die Fortsetzung des von Martens begonnenen Recueil des traités. Seine „Grundlage des jetzigen Staatsrechts des Kurfürstenthums Hessen“ erschien in 2 Bänden 1834—35. Eine Abhandlung über Staatsgerichtshöfe im Staatslexikon zog M. 1814 neuerdings politische Verfolgungen zu, denen erst die Amnestie des Jahres 1848 ein Ende machte.

    • Literatur

      Gersdorf, Leipziger Repertorium 1854, Th. 2, S. 317. — Poggendorff, Biographisch-litterarisches Handwörterbuch II, 241. (Augsb.) Allg. Zeitung 1863. Beil. 73.

  • Autor/in

    Cantor.
  • Zitierweise

    Cantor, Moritz, "Murhard, Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 62-63 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118785419.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA