Lebensdaten
1873 – 1939
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Paris
Beruf/Funktion
SPD-Politiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118766643 | OGND | VIAF: 64803277
Namensvarianten
  • Wels, Otto

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Zitierweise

Wels, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118766643.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl (1849–94), Schankwirt u. Restaurateur in B., S d. Johann Friedrich August, Hüfner in Groß Briesen (Brandenburg), u. d. Henriette Wilhelmine Eschholz;
    M Christiane Scholz (1847–1916), aus Tschirne b. Bunzlau (Niederschlesien);
    Berlin 1894 Antonie (Toni) (1874–1942, ev.), Näherin, T d. Wilhelm Traugott Reske (1850–1912), aus Mühlhausen b. Preuß. Eylau, Gärtner in B.;
    2 S Walter (1895–1976), Tapezierer, zeitw. Sekr. v. Alexander Helphand, Hugo (1900–77), Kraftfahrer.

  • Biographie

    W. besuchte 1879–87 die Volksschule in Berlin, erlernte anschließend das Tapeziererhandwerk und ging nach der Gesellenprüfung 1891 auf Wanderschaft durch Nord- und Süddeutschland, die ihn 1893 nach Berlin zurückführte. Bereits in der Schankwirtschaft seines Vaters, einem Treffpunkt für unter dem Sozialistengesetz verfolgte Sozialdemokraten, fand W. Anschluß an die Arbeiterbewegung. Er intensivierte sein Engagement in Partei (Beitritt 1891) und Gewerkschaft nach Ende seines Militärdienstes (1895–97), war als lokaler Funktionär ehrenamtlich im 5. Berliner Reichstagswahlkreis und in seiner Spartengewerkschaft aktiv, wurde 1906 einer der beiden Vorsitzenden des Verbandes der Tapezierer und 1907 Parteisekretär der Provinz Brandenburg. W. positionierte sich zunächst auf dem äußeren linken Parteiflügel, rückte aber nach Auseinandersetzungen mit Wortführern der Radikalen über vermeintliche Defizite der Parteiführung während der „Marokkokrise“ auf dem Parteitag in Jena 1911 deutlich in die Parteimitte. Seine Wahl zum Beisitzer des Parteivorstands 1913 war deshalb eine knapp gegen den linken Kandidaten gewonnene Richtungswahl. Seit 1912 hatte W. ein Mandat im Reichstag, wo er bis 1918 kaum in Erscheinung trat und in dieser Zeit lediglich drei Reden hielt. W. machte nicht über das Parlament, sondern über den Parteiapparat Karriere.

    Während des 1. Weltkriegs gehörte W. zu den entschiedenen Vertretern der Burgfriedenspolitik und den schärfsten Kritikern der Parteiminderheit. Im Herbst 1918 plädierte er in der Reichstagsfraktion vergeblich gegen einen Eintritt der SPD in die Regierung des Prinzen Max von Baden. Am 10. 11. 1918 wurde W. als Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats zum Stadtkommandanten von Berlin ernannt und in dieser Funktion von den|Matrosen der Volksmarinedivision am 23. 12. 1918 als Geisel genommen, mißhandelt und mit dem Tod bedroht. W., dessen durch den Rat der Volksbeauftragten angeordnete militärische Befreiung in einem blutigen Fiasko endete, wurde am 24. Dez. nach Verhandlungen unter der Bedingung seines Rücktritts als Stadtkommandant freigelassen.

    Im Jan. 1919 wurde W. in die Nationalversammlung und bis 1933 durchgehend in den Reichstag gewählt. Als Nachfolger von Friedrich Ebert (1871–1925) und Philipp Scheidemann (1865–1939) traten Hermann Müller (1876–1931) und W. 1919 an die Spitze von Partei und Fraktion. Während Müller in der Regierung als Außenminister (1919 / 20) und Reichskanzler (1920 u. 1928–30) und im Reichstag als eigentlicher Fraktionsführer fungierte, „regierte“ W. z. T. mit harter Hand die Partei und ihren Apparat. Im Parlament trat er weiterhin kaum in Erscheinung: 1919–33 ergriff er nur 18 Mal das Wort. Er war maßgeblich an der Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und der Eisernen Front beteiligt. Beim Sturz der Regierung Müller im März 1930 agierte W. taktisch unklug: Die SPD-Fraktion versagte ihrem Kanzler in der Frage eines Kompromisses bei der Beitragshöhe zur Arbeitslosenversicherung die Gefolgschaft und ließ damit die Große Koalition scheitern. Ein weiterer strategischer Fehler W.s war seine Entscheidung, eine Zusammenarbeit mit dem letzten Reichskanzler der Weimarer Republik, Kurt v. Schleicher (1882–1934), von vornherein kategorisch auszuschließen.

    W.s bis heute andauernder Nachruhm steht in Zusammenhang mit dem am 23. 3. 1933 im Reichstag verabschiedeten „Ermächtigungsgesetz“, dem die SPD als einzige Partei die Zustimmung verweigerte. Die Ablehnung der 94 anwesenden SPD-Reichstagsabgeordneten begründete W. in der von NS-Einheiten umstellten Kroll-Oper in einer die Grundsätze der Demokratie verteidigenden Rede. Um der drohenden Verfolgung zu entgehen, verließ W. Deutschland Anfang Mai 1933. Mit anderen exilierten Mitgliedern des Parteivorstands gründete er in Prag im Juni 1933 die dt. Sozialdemokratie im Exil (SOPADE), die er mit Hans Vogel (1881–1945), Nachfolger Müllers als Parteivorsitzender, leitete. W. kritisierte jede Form der Anbiederung an Hitler, vor dessen Kriegsplänen er frühzeitig warnte. 1938 mußte die SOPADE von Prag nach Paris übersiedeln, wo W. starb; seiner Frau Toni gelang 1940 die Flucht in die USA.

  • Auszeichnungen

    |O.-W.-Ring, Berlin (1964);
    O. W.-Haus Berlin, Unter d. Linden 50 (2017).

  • Werke

    W Bolschewismus v. rechts, Rede in d. Sitzung d. Nat.verslg. v. 30. März 1920, 1920.

  • Literatur

    |Mit d. Gesicht n. Dtld., Eine Dok. über d. soz.demokrat. Emigration, hg. v. E. Matthias, 1968;
    H. J. L. Adolph, O. W. u. d. Pol. d. dt. Soz.demokratie 1894–1939, Eine pol. Biogr., 1971;
    W. Brandt, Die Partei d. Freiheit, Zum 100. Geb.tag v. O. W., 1973;
    D. Münkel u. F.-W. Steinmeier (Hg.), Das Ermächtigungsgesetz 1933, Eine Dok., 2013;
    H. A. Winkler, Die Ehre d. dt. Rep., Zum 80. J.tag d. Rede v. O. W. gegen d. Ermächtigungsgesetz, 2013;
    P. Ernstberger, O. W., Mut u. Verpflichtung, 23. März 1933, Nein z. Nazidiktatur, 2013;
    M. Woyke, O. W., Als couragierter Parl. gegen d. NS-Herrschaft, in: Ch. Krell (Hg.), Vordenkerinnen u. Vordenker d. Soz.demokratie, 2015, S. 357–62 (L, P);
    Biogr. Lex. Sozialismus;
    RT-handbücher (P);
    RT-Abg. Sozialdemokraten;
    Schumacher, M. d. R.

  • Autor/in

    Bernd Braun
  • Zitierweise

    , "Wels, Otto" in: Neue Deutsche Biographie (), S. [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118766643.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA