Lebensdaten
1816 – 1907
Geburtsort
Proßnitz (Mähren)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Bibliograph ; Philologe ; Orientalist ; Kulturwissenschaftler
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118753355 | OGND | VIAF: 22242243
Namensvarianten
  • Steinschneider, Moses
  • Charbonah, M. S. (Pseudonym)
  • Steinschneider, Moritz
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Steinschneider, Moritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118753355.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jacob (1781–1856, Talmudgel., S d. Isaak ben Gabriel († 1798);
    M Hani Zadek-Weizenkorn (1792–1859);
    Ur-Gvv Gabriel, Rabbiner in Prossnitz;
    Ov Gideon Gedaljah ben Elieser Brecher (1797–1873, Dr. med., Talmudgel.;
    B Carl Gabriel (* 1824), Gabriel (1848–1909), Schw Sara Lotti Beer (* 1812), Perl Pepi (* 1814), Caroline (* 1826);
    Berlin 1849 Auguste (1823–98), s. Qu), T d. Salomo(n) (Salman) Heyman(n) ben Michael Chajim Auerbach ( 1836), Talmudgel., Übers. (s. Enc. Jud.);
    5 S Jaques, Albert, Max (⚭ Leopoldine Fischlowitz), JR, Begründer d. Villenkolonie Döberitz, Julius († 1931), Joseph, 1 T Anna;
    E Adolf Moritz (1894–1944, Eva Hillmann, 1899–1968, aus Hamburg, Lehrerin, 1948–52 Stadtverordnete in Frankfurt/M., KPD, s. Frankfurter Biogr., 1] Adolf Reichwein, 1898–1944, Reformpäd., Widerstandskämpfer, s. NDB 21), RA, 1918 Mitgl. d. Spartakusbundes, emigrierte 1933 mit d. Fam. zunächst in d. Schweiz, 1935 n. Paris, dann n. Südfrankr. (s. Bibliographia Judaica);
    Ur-E Marie-Louise (1927–2010), s. L).

  • Biographie

    S. wurde zunächst vom Vater und seinem Onkel Gideon Brecher unterrichtet, besuchte die Diöcesan-Hauptschule in Olmütz (1824/25), das dortige Gymnasium (1826/27) und die Jeshiwa des Rabbiners Nehemiah Trebitsch, dem er 1832 nach Nikolsburg folgte. 1833 studierte S. an der Univ. Prag Philosophie, Pädagogik und neuere Sprachen und erhielt 1836 ein Lehrerdiplom sowie Zeugnisse für Bibel- und hebr. Sprachunterricht von der hebr. Lehranstalt in Prag sowie von Herz Homberg (1749–1841). 1836 studierte S. in Wien semitische Sprachen. Hier wurde er durch Leopold Dukes (1810–91) in die neuhebr. und oriental. Literaturgeschichte sowie in die jüd. Bibliographie eingeführt. Seinen Lebensunterhalt verdiente S. mit Privatunterricht. S. schrieb sich am Polytechnischen Institut ein und hörte bei Joseph Kärle (1802–60) an der theol. Fakultät der Universität Vorlesungen über Hebräisch, Syrisch und Arabisch. 1839 widmete sich S. in Leipzig bei Heinrich Fleischer (1801–88) dem Koran-Studium und vertiefte mit Franz Delitzsch (1813–90) seine hebr. und oriental. Studien (Ahron ben Elia’s [ . . . ] System d. jüd. Religionsphilosophie, 1841).

    In Berlin studierte er seit 1839 bei Franz Bopp, Heinrich Petermann, Carl Ritter, August Boeckh und August Neander (urspr. David Mendel) vergleichende Sprachwissenschaft, oriental. Literatur, Geographie sowie griech. Literatur- und Kirchengeschichte. Dort lernte er auch Abraham Geiger und Leopold Zunz (1794–1886) kennen, der zu S.s Förderer und Freund wurde. Seit 1841 wieder in Prag, arbeitete S. 1842–45 an der „Lehr- und Erziehungsanstalt für isr. Mädchen“. 1843 erhielt er von Hirsch B. Fassel das Rabbinerdiplom. 1845 kehrte S. nach Berlin zurück und erlangte 1847 ein Lehrer- und Direktorendiplom für jüd. Schulen, 1848 das preuß. Bürgerrecht und 1851 von der Univ. Leipzig den phil. Doktorgrad. 1859–1907 lehrte er an der „Veitel-Heine-Ephraimschen Lehranstalt“, wo u. a. Solomon Schechter, Alexander Marx und Georg A. Kohut zu seinen Schülern zählten. 1860–69 war S. damit beauftragt, den jüd. Eid, more judaico, an öffentlichen Behörden abzunehmen, 1869 wurde er Assistent der kgl. Bibliothek in Berlin und bis 1890 zudem Leiter der Mädchenschule der jüd. Gemeinde.

    S. sah sich einer objektiven „Wissenschaft des Judentums“ verpflichtet und forderte, ebenso wie Zunz, eine Aufnahme des Faches an den Universitäten, während er der Lehre an Rabbinerseminaren kritisch gegenüberstand. Rufe an die „Hochschule für die Wissenschaft des Judentums“ (1871) in Berlin und an das Rabbinerseminar in Budapest (1876) lehnte er ab.

    Schon zu Lebzeiten war S. als Begründer der wiss. jüd. Bibliographie international bekannt. Nachdem S. 1847 im Auftrag des Berliner Buchhändlers Adolph Ascher die hebr. Bibliothek des Kaufmanns Heimann Joseph Michael (1792–1846) katalogisiert hatte, verzeichnete S. 1848–60 in einem monumentalen Katalog die hebr. Drucke der Bodleian Library Oxford, hauptsächlich die Sammlung des David Oppenheimer (1664–1736). S. nennt hierin alle bekannten bis 1732 erschienenen hebr. Werke und schuf durch Angaben zu Druckgeschichte (Drucker, Druckorte, Typen), Verfassern und ergänzender Literatur (bis 1860) ein Kompendium der jüd. Literaturgeschichte. Später verfaßte er die Kataloge der hebr. Handschriften in der Universitätsbibliothek Leiden (1858), den kgl. Bibliotheken in München (1875, ²1896) und Berlin (1878, ²1896) sowie der Stadtbibliothek Hamburg (1878).

    S. betrieb seine bibliographischen Arbeiten im Rahmen einer wiss. Literaturgeschichte, die er in seinem umfangreichen Aufsatz „Jüdische Literatur“ (Ersch-Gruber, 1850, S. 357–471) erstmals systematisch darstellte. Neben weiteren Überblicksdarstellungen wie z. B. dem „Bibliographische[n] Handbuch über die theoretische und praktische Sprachkunde“ (1859) oder den „Vorlesungen über die Kunde hebr. Handschriften, deren|Sammlungen und Verzeichnisse“ (1897) erforschte er in zahlreichen Einzelstudien das jüd.-dt., jüd.-ital., jüd.-span. und v. a. das jüd.-arab. Schrifttum. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der „Wechselwirkung jüd. und arab. Bildung in Schrift, Sprache, Ideengang und Brauch“ (Jüd. Literatur, S. IX) auf den Gebieten der Philosophie, Medizin, Mathematik und Volksliteratur im Mittelalter sowie der zentralen Stellung der Juden im Wissenstransfer zwischen Orient und Okzident. Mit der „Hebr. Bibliographie, Blätter für neuere und ältere Literatur des Judentums“ (1858–65, 1869–81) schuf S. ein Fachorgan, das über Buchwesen, -handel und -kunde hinaus ein umfangreiches Spektrum literatur- und kulturgeschichtlicher Themen behandelt. Über 500 seiner mehr als 1400 Publikationen auf Hebräisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Latein steuerte S. allein zu diesem Periodikum bei. Eine ausführliche Darstellung seines Lebens und Werks im Rahmen der modernen europ. Wissenschaftsgeschichte steht noch aus.

  • Auszeichnungen

    A Ehrenmitgl. d. Societatea Istorica Juliu Barasch (1887);
    Dr. phil. h. c. (Columbia College, New York 1887;
    Hebrew Union College, Cincinnati 1896);
    preuß. Prof.titel (1894);
    korr. Mitgl. d. Ges. f. Slg. u. Conservierung v. Kunst- u. hist. Denkmälern d. Judentums in Wien (1898);
    korr. Mitgl. d. Österr. Ak. d. Wiss. (1903).

  • Werke

    Weitere W u. a. Die toxikolog. Schrr. d. Araber bis Ende d. XII. Jh., 1871, Nachdr. 1971;
    Die hebrae. Überss. d. MA u. d. Juden als Dolmetscher, 1893, Nachdr. 1956;
    Mathematik b. d. Juden, 1893–1901, Nachdrr. 1964 u. 2001;
    Ueber Bildung u. d. Einfluss d. Reisens auf d. Bildung, 1894;
    Die arab. Überss. aus d. Griechischen, 1897, Nachdrr. 1960 u. 1968;
    Ueber Sprachkenntnis u. Sprachkde., 1899;
    Der Aberglaube, 1900;
    Christl. Hebraisten, 1901;
    Die arab. Lit. d. Juden, 1902;
    Allg. Einl. in d. jüd. Lit. d. MA, 1903–05, Nachdrr. 1938, 1964 u. 1965/66;
    Die europ. Überss. aus d. Arab., 2 Bde., 1904–05, Nachdr. 1956;
    Die Geschichtslit. d. Juden, 1905, Nachdr. 1980;
    Rangstreit-Lit., 1908;
    Ges. Schriften, 1925, Nachdr. 1980;
    Bibliogrr.:
    Catalogus Librorum Hebraeorum in Bibliotheca Bodleiana, 1852–60, Nachdrr. 1964 u. 1998;
    A. Berliner, Schrr. d. Dr. M. S., 1886;
    G. A. Kohut, Bibliography of the Writings of Prof. Dr. M. S., in: FS z. 80. Geb.tag M. S.`s, 1896.

  • Quellen

    Qu Nachlaß Jewish Theological Seminary, New York; – Bodleian Library, Oxford (Steinschneideriana); Jewish Nat. Library, Jerusalem (Zunz Archiv); G. A. Kohut, Steinschneideriana, in: Studies in Jewish Bibliography and Related Subjects, 1929, S. 65–127 (P); ders., Die Kohut-Löw-S.-Korr., in: Mschr. f. Gesch. u. Wiss. d. Judentums 78, 1934, S. 211–32; A. Marx, Zunz`s Letters to S., in: Proceedings of the American Ac. for Jewish Research 5, 1934, S. 95–153; ders., Steinschneideriana II, in: Jewish Studies in Memory of G. A. Kohut (1874–1933), 1935, S. 492–527; A. Paucker, The Letters of M. S. to Reverend Bandinel, From the Workshop of the Catalogus Librorum Hebraeorum, in: Leo Baeck Inst., Yearbook 11, 1966, S. 242–61 (P); L. Fuks, The S.-Van Biema Correspondence (1858–1859), in: Studia Rosenthaliana 13/1 1979, S. 45–100; M. S., Briefwechsel mit seiner Verlobten Auguste Auerbach (1845–1849), 1995 (P)

  • Literatur

    | M. Kayserling, in: Allg. Ztg. d. Judentums 60/13, 1896, 149–51;
    I. Elbogen u. A. Goldberg, ebd. 80/13, 1916, S. 149–54 (P);
    D. H. Müller, in: Neue Freie Presse v. 30. 3. 1906;
    Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 57, 1907, S. 354;
    G. A. Kohut, M. S., A Tribute to his 84th Birthday, 1900;
    ders., M. S., A Tribute

    Written on the Occasion of his 90 th Birthday, 1906; S. Schechter, Seminary Addresses and other Papers, 1915, S. 119–24; S. Almoni, in: Ost u. West 7, 1907, Sp. 181–86 (P); I. Elbogen, M. S., Der Vater d. hebr. Bibliogr., in: Soncino-Bll. 1, 1925–26, S. 155–58; A. Marx, Studies in Jewish History and Booklore, 1944, S. 346–68; ders., Essays in Jewish Biography, 1947, S. 112–84; P. O. Kristeller, M. S. as a Student of Medieval Europe, in: Proceedings of the American Ac. for Jewish Research 27, 1958, S. 59–66; F. Rosenthal, S.`s Contribution to the Study of Muslim Civilization, ebd., S. 67–81; S. W. Baron, History and Jewish Historians, 1964, S. 276–312; I. Schorsch, M. S. on Liturgical Reform, in: Hebrew Union College Annual 53, 1982, S. 241–64; Marie-Louise Steinschneider, M. u. Auguste S., in: Jb. d. Archivs Bibliographia Judaica 2/3, 1986/7, S. 195–210; G. Pelger, Zw. jüd. u. anderen Enzyklopädien, Leopold Zunz u. d. universelle Projekt d. Wiss. d. Judentums, in: Jb. d. Simon-Dubnow-Inst. 9, 2010, S. 475–503; ders., Wiss. d. Judentums u. engl. Bibliotheken, 2010, S. 239–82; Wurzbach; Pogg. III–V; Jüd. Lex.; LThK²; BLÄ; Fischer; Jew.Enc. 1905 (P); Enc. Jud. 1971 (P), ²2007; Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft; ÖBL (L).

  • Autor/in

    Gregor Pelger
  • Zitierweise

    Pelger, Gregor, "Steinschneider, Moritz" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 227-228 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118753355.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA