Lebensdaten
um 1619 – 1684
Geburtsort
Ölsnitz
Sterbeort
Wolfenbüttel
Beruf/Funktion
Komponist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118749811 | OGND | VIAF: 10034506
Namensvarianten
  • Rosenmiller, Giovanni
  • Rosenmüller, Johann
  • Rosenmiller, Giovanni
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Zitierweise

Rosenmüller, Johann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749811.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hans (?), Mühlenbes. in Ö.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Lateinschule in Ölsnitz immatrikulierte sich R. 1640 als Student der Theologie an der Univ. Leipzig. 1642 wurde er Collaborator (Lehrer f. d. unteren Klassen) an der dortigen Thomasschule, spätestens 1650 Baccalaureus funerum, ranghöchster Collaborator, der die Musik bei Leichenbegängnissen leitete. Zusätzlich zu diesem Amt erhielt er 1651 den angesehenen Posten des Organisten an der Leipziger Nicolaikirche. Zwei Jahre später garantierte ihm der Rat der Stadt schriftlich die Nachfolge des Thomaskantors Tobias Michael (1592–1657), den R. bereits seit mehreren Jahren wegen dessen chronisch schlechten Gesundheitszustands zeitweise vertreten hatte. 1654 übernahm er, ohne Residenzpflicht und ohne seine Ämter in Leipzig aufzugeben, die Leitung der Musik am fürstl. Hof zu Altenburg. Im Frühjahr 1655 wurde R. verdächtigt, unsittliche Handlungen an Schülern begangen zu haben; der drohenden Strafverfolgung entzog er sich durch Flucht aus Sachsen. Von da an kann sein weiterer Lebensweg nur noch lückenhaft nachgezeichnet werden. Laut Schamelius (1724) hielt er sich einige Zeit in Hamburg auf, doch fehlen hierfür Quellenbelege. Spätestens 1658 lebte R. in Venedig, wo er zunächst eine Stellung als Posaunist am Markusdom innehatte; 1678-82 war er Hauskomponist am Ospedale della Pietà. Von Venedig aus hielt R. vielfältige Kontakte zum dt. Musikleben aufrecht. So ließ er der Weimarer Hofkapelle Kompositionen zukommen; auch gelang es ihm, mehrere durchreisende dt. Fürsten für seine Musik zu interessieren. 1672/73 unterrichtete er den Komponisten Johann Philipp Krieger (1649–1725), der sich in diesen Jahren zur Ausbildung in Venedig aufhielt. Vermutlich 1682 traf R. mit Hzg. Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel zusammen und erhielt von ihm eine Berufung zum Hofkapellmeister nach Wolfenbüttel. Seine dortige Aufgabe, die 15 Jahre zuvor aufgelöste Hofkapelle neu aufzubauen, konnte er nicht mehr vollständig erfüllen.

    Trotz seines langen Aufenthalts in Italien gehörte R. in der 2. Hälfte des 17. Jh. zu den im dt. Raum bekanntesten und am meisten aufgeführten Komponisten. Er schrieb sowohl vokal-instrumentale geistliche Musik als auch instrumentale Ensemblemusik. In den zu kirchlichem Gebrauch bestimmten nord- und mitteldt. Sammelhandschriften aus den Jahrzehnten um 1700 sind seine geistlichen Werke häufiger vertreten als die jedes anderen Komponisten. Sie gehören überwiegend den Gattungen des großen und kleinen geistlichen Konzerts (so die 1648/52 veröff. „Kern-Sprüche“) sowie des Dialogs an. Die weltliche Instrumentalmusik R.s, deren Rezeption bis zur Gegenwart nie völlig abriß. läßt in den zwischen 1645 und 1682 veröffentlichten Drucken eine mehrstufige Entwicklung erkennen: Von einzelnen Tanzsätzen sowie Suiten verschiedener Entwicklungsstadien bewegt sich der Komponist hin zur hochbarocken Ensemblesonate einschließlich der Triosonate. Fachliche Urteile über die Qualität seiner Werke, bereits 1645 beginnend mit einem Lob durch Heinrich Schütz, fallen überwiegend positiv aus. J. S. Bach übernahm 1726 R.s Choralsatz „Welt ade! ich bin dein müde“ unverändert in seine Kantate „Wer weiß, wie nahe mir mein Ende“ (BWV 27), Teilweise getrübt wurde R.s Nachruhm durch sein angebliches, nie bewiesenes Sittlichkeitsdelikt, wobei man bisweilen den Vorwurf des Unmoralischen von seiner Person auf seine Werke übertrug. R. gehörte in seiner Zeit zu den wichtigsten Vermittlern ital. Stilmerkmale in die dt. Musik, ohne jedoch traditionelle dt. Kompositionstechniken ganz aufzugeben. Damit führte er eine Tradition fort, die zwei Generationen vor ihm z. B. Hans Leo Haßler (1564–1612)|und eine Generation vor ihm Heinrich Schütz (1585–1672) gepflegt hatten.

  • Werke

    Gedr. Kompositionen: Paduanen, Alemanden, Couranten, Balletten, Sarabanden, 1645;
    Kern-Sprüche, Mehrentheils aus hl. Schrifft, 1648;
    Andere Kern-Sprüche, 1652;
    Studenten-Music, 1654;
    Sonate da camera, 1667, ²1670;
    Sonate a 2. 3. 4. e 5. stromenti, 1682;
    Gelegenheitsdrucke;
    Ungedr. Kompositionen:
    ca. 175 weitere geistl. Werke (größtenteils Berlin, Staatsbibl. Preuß. Kulturbes.).

  • Literatur

    ADB 29;
    J. M. Schamelius, Kurtzgefassete Historie d. Hymnopoeorum, 1724;
    C. v. Winterfeld, Der ev. Kirchengesang u. sein Verhältnis z. Kunst d. Tonsatzes, Bd. 2, 1845;
    A. Horneffer, J. R., Diss. Berlin 1898;
    A. Schering, Musikgesch. Leipzigs, Bd. 2, 1926;
    F. Hamel, Die Psalmkompositionen J. R.s, 1933;
    A. Lehmann, Die Instrumentalwerke v. J. R., Diss. Leipzig 1965;
    K. J. Snyder, J. R.s Music for Solo Voice, Diss. Yale Univ. 1970;
    W. Braun, Urteile üb. J. R., in: Von Isaac bis Bach, FS M. Just, 1991, S. 189-97;
    H. Eichhorn, J. R. in Venedig, Wolfenbüttel u. anderswo, in: Aneignung durch Verwandlung, hg. v. W. Steude, 1998, S. 177-229;
    L. Welker, J. R.s venezian. Vokalmusik, in: Claudio Monteverdi u. d. Folgen, hg. v. S Leopold, 1998, S. 359-91;
    Riemann mit Erg.bd.;
    MGG;
    BBKL;
    New Grove;
    New Grove².

  • Autor/in

    Thomas Altmeyer
  • Zitierweise

    Altmeyer, Thomas, "Rosenmüller, Johann" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 72-73 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749811.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Rosenmüller: Johann R., ein beliebter Componist des 17. Jahrhunderts, der im Anfange des 17. Jahrh. in Kursachsen geboren ist und wahrscheinlich Sängerknabe an der Thomasschule in Leipzig war. Sicheres ist über seine Jugendzeit nicht bekannt; wir sind nur auf Muthmaßungen angewiesen. Dörfsel, in seinem Führer durch die musikalische Welt (I.), sagt S. 3, daß er von 1631—1657 dem Cantor Tobias Michael an der Thomaskirche zur Aushülfe beigegeben sei. Da die angegebenen Jahre aber die ganze Dienstzeit Michael's umschließen, so kann man dies unmöglich wörtlich verstehen, sondern nur in dem Sinne, daß R. anfänglich Michael's Schüler war, und als er ausstudirt hatte, was gewöhnlich nach der Mutation in Schulpforta geschah, als Sänger oder Musikus wieder in Leipzig eintrat und daß, seitdem Michael durch lange und schmerzliche Leiden an der Ausübung seines Amtes gehindert war (siehe den Leichensermon, abgedruckt in den Monatsheften f. Musikgesch. 3, 30), R. als der Begabteste unter den Capellmitgliedern als Stellvertreter des Cantors gewählt wurde. Walther und Gerber berichten in ihren Lexicis, daß R. 1647 Collaborator an der Thomasschule in Leipzig war und 1648 mit einem eigen gebildeten Chore auftrat, mit dem er wahrscheinlich öffentliche Aufführungen veranstaltete und dadurch die Aufmerksamkeit der Stadtbehörden auf sich zog, so daß man ihm darauf die Stellvertretung des Cantorats übergab. 1645 hatte er bereits eine Sammlung „Paduanen, Allemanden, Couranten, Balletten und Sarabanden mit 3 Stimmen und ihrem Basso pro Organo“ in Leipzig veröffentlicht. Das einzige bis jetzt bekannte, leider unvollständige Exemplar befindet sich in der Bibliothek der Katharinenkirche in Brandenburg a. H. 1648 folgten die „Kern-Sprüche“ aus der heil. Schrift mit 3, 4, 5, 6 und 7 Stimmen „sammt ihrem Basso continuo auf unterschiedliche Arten mit und ohne Violen gesetzt“ Sie sind zwölf Leipziger Rathsherren und Bürgern gewidmet, darunter auch dem „Director Chori Musici Tobias Michael“. 1652 ließ er diesen einen 2. Theil folgen. (Vollständige Exemplare beider Sammlungen haben sich mehrfach erhalten, z. B. in der Breslauer Stadtbibliothek, auf der königl. Bibliothek in Berlin, in Brandenburg, Elbing, Königsberg, Wien u. a. O.). R. stand seinem Ziele, das Cantorat an St. Thomas nach dem Absterben Michael's zu erhalten, sehr nahe, da wurde er 1655 gefänglich eingezogen unter der schweren Anklage, seine Schüler verführt zu haben. Er entzog sich durch die Flucht nach Hamburg der Strafe, mag sich aber auch dort nicht sicher gehalten haben und ging nach Italien, wo er sich besonders in Venedig aufgehalten hat. v. Winterfeld in seinem evangelischen Kirchengesange (2, 241) versucht die Anklage gegen R. auf feindlich gesinnte Neider zurückzuführen und hält R. eines solchen Verbrechens nicht für fähig, muß aber doch eingestehen, daß seine an den Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg, eingereichte Bittschrift (sie enthält die Bearbeitung des Kirchenliedes „Straf mich nicht in deinem Zorn“, dessen von ihm auch erfundene Melodie noch heute als Choralmelodie fortlebt), mehr zu seinen Ungunsten spricht, denn hätte er sich nicht schuldig gewußt, so brauchte er nicht um Gnade, sondern nur um Gerechtigkeit zu bitten. Besonders auffallend ist aber das Vorwort zu seinen oben erwähnten Kernsprüchen. Hier schreibt er: „derjenige müsse ein lebendiger Teufel sein, welcher, wenn er ein Miserere oder einen göttlichen Strafspruch in einer durchdringenden Harmonie anhöre, nicht wollte nur in etwas zur Erkenntniß seiner Sünden beweget werden; diejenige Seele müßte ihr eigener Richter und Henker sein, welche aus einem wohlklingenden Trostspruche ihr selbst unauflösliche Ketten, höllisch Feuer und die ewige Pein zusprechen und herausklauben wollte; derjenige Geist müßte nicht wohl bei Sinnen sein, welcher, wenn er von der unvergänglichen Freude des ewigen Lebens eine artige Zusammenstimmung höre, ihm doch wollte dieser Welt Wollust so sehr gefallen lassen, daß er auch nicht einmal eine Begierde nach dem Ewigen tragen sollte“. Winterfeld glaubt, daß seine Worte zu sehr das Gepräge von Innen heraus gesprochen zu sein tragen, oder man müßte annehmen, daß er sich der schwersten Heuchelei schuldig mache. Ebensogut läßt sich aber annehmen, daß er gegen sein eigenes schwaches Fleisch predigt und von dem besten Willen beseelt ist, ein anderes Leben zu beginnen. Daß er sich während seiner freiwilligen Verbannung hauptsächlich in Venedig aufgehalten, erfahren wir durch den Componisten Joh. Phil. Krieger, der dort sein Schüler wurde. Aus dieser ganzen Zeit ist uns keins seiner Werke erhalten und es läßt sich fast annehmen, daß die Sorge um das tägliche Brot jedes künstlerische Schaffen unterdrückte. R. kehrte später wieder in sein Vaterland zurück und zwar berief ihn der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel als Capellmeister. Wahrscheinlich erhielt er die|Berufung in Venedig, denn die großen Herren standen in stetem Verkehr mit Italien und waren selbst Besucher desselben. Die Zeit ist unbestimmbar. Chrysander im Jahrbuch für musikalische Wissenschaft I. (Leipzig 1863, S. 184) gibt eine Geschichte der Braunschweiger Capelle, kann aber nur nachweisen, daß die Berufung unter den Herzögen Rudolf August und Anton Ulrich stattfand und zwar bald nach 1667, als die Capelle aufgelöst wurde und man zu einer Neubildung schritt. Die Documente darüber fehlen. Ebenso läßt sich der Tod Rosenmüller's nur aus anderen Umständen schließen. Chrysander berichtet: Als die Capelle in Zeitz beim Absterben des Herzogs Moritz 1681 entlassen wurde, war ein talentvolles Mitglied derselben, Chr. Heinrich Aschenbrenner „durch Recommendation des Herrn Rosenmüller's, vor welchem er sich privatim hören lassen, in Hochfürstl. Wolfenbüttelsche Dienste getreten; als er aber nach Zeitz gereiset, seine Familie von da abzuholen, wurde ihm nach 8 Tagen avisiret: daß Hr. Rosenmüller gestorben und hochbesagtem Hern. Herzoge der Appetit, eine gute Kapelle anzurichten, wieder vergangen sei“. Demnach muß sein Tod zu Ende des Jahres 1681 oder Anfang 1682 erfolgt sein. R. veröffentlichte, soweit unsere bibliographischen Kenntnisse reichen, erst am Ende seiner Laufbahn wieder ein Werk: Sonaten für 2—5 Instrumente, welches aber erst nach seinem Tode erschienen sein muß, denn es trägt die Jahreszahl 1682 und kam in Nürnberg bei Endter heraus (Exemplar in der königl. Bibliothek zu Berlin). Zahlreich sind aber die handschriftlich hinterlassenen Motetten, Cantaten u. a., von denen sowol in Berlin als in Königsberg i. Pr. viele aufbewahrt sind. Winterfeld widmet ihnen in etwas breiter und umständlicher Weise eine Besprechung, theilt auch zwei Beispiele mit; es ist dies bisher das einzige Werk aus neuerer Zeit, in dem R. als Componist gewürdigt wird. Aus Winterfeld's Beurtheilung ergibt sich, daß Rosenmüller's Schreibweise sich der von Schütz oft nähert, wenn auch seine Erfindungsgabe nicht an Schütz heranreicht. Seine Cantaten bilden aber stets ein einheitliches Ganze und wechseln zwischen Solo-, Chor- und Recitativgesang, öfter sind auch Instrumentalsätze eingestreut. Der Schlußsatz ist stets fugirt behandelt, seine Harmonie ist kräftig und seine Declamation sinngemäß. Seine Zeitgenossen hielten seine Werke sehr hoch und noch Printz und Mattheson preisen ihn als Componisten.

  • Autor/in

    Rob. Eitner.
  • Zitierweise

    Eitner, Robert, "Rosenmüller, Johann" in: Allgemeine Deutsche Biographie 29 (1889), S. 217-219 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749811.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA