Lebensdaten
1885 – 1977
Geburtsort
Weimar
Sterbeort
Frankfurt/Main
Beruf/Funktion
Sozialpolitiker
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118735403 | OGND | VIAF: 85175355
Namensvarianten
  • Muthesius, Hans

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Zitierweise

Muthesius, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118735403.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl (s. 1);
    M Bianca Zeuner;
    Ov Hermann (s. 2);
    1) Eisenberg (Thüringen) 1914 ( 1921) Gertrud (1888–1957), Auslandskorrespondentin, T d. Hermann Schöppe (1854–1911), Rechtsanwalt in Eisenberg, u. d. Helene Balthasar (1860–1926), 2) Berlin 1921 Carola Kaysser (1892–1981) aus Höchst/Main;
    1 S. 1 T aus 1), 2 S aus 2) (beide ⚔).

  • Biographie

    M. studierte seit 1904 in Grenoble, Berlin, Jena und Leipzig Rechtswissenschaften. 1908 legte er das Referendarexamen ab und promovierte 1909 in Jena mit einer Dissertation über ein gewerberechtliches Thema. Nach der 2. Juristischen Staatsprüfung trat er 1914 in den Dienst der Gemeinde Schöneberg südwestlich von Berlin, die im Zuge der Industrialisierung durch die Ansiedlung von Großbetrieben innerhalb von zwei Generationen vom Dorf zur Großstadt aufgestiegen war. M. wurde dort 1915 Magistratsassessor und „Armendirektor“. Er betrieb individuelle Wohlfahrtspflege, aus der im Laufe der Jahrzehnte die planmäßige Fürsorge für die Unbemittelten und schließlich die kommunale Sozialpolitik hervorging. M. hat diesen Wandel entscheidend mitbestimmt. 1915 nahm er an der Berliner Tagung des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit teil. 1917 wurde er zum besoldeten Stadtrat bestellt und übernahm bald auch die Aufgaben des Stadtsyndikus von Schöneberg. Im 1. Weltkrieg mit der Unterstützung der Kriegsopfer und -waisen befaßt, beteiligte sich M. 1919 an der Gründung einer Deputation für Jugendschutz und richtete ein Jugendamt ein. Zugleich übernahm er eine Dozentur an der Sozialen Frauenschule. Im Zuge der Neuordnung des Groß-Berliner Raumes wurde Schöneberg 1920 der Reichshauptstadt eingegliedert. Als Dezernent für das Jugend- und Wohlfahrtsamt blieb M. Stadtrat und stellvertretender Bezirksbürgermeister. Als zu Beginn der 20er Jahre die Einzelbetreuung in eine planmäßige Fürsorge für ganze Schichten umgewandelt wurde, gehörte M. auch hier zu den maßgebenden Männern. Daneben war er Dozent für die Ausbildung der Mitarbeiter und wurde 1925 in den Vorstand der Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit gewählt. Im selben Jahr trat er in den Hauptausschuß des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ein. 1928/29 war er Mitglied der Kommission zur Überprüfung des Fürsorgerechtes. M. nahm an den internationalen Kongressen für Sozialarbeit in Paris (1928) und Frankfurt/Main (1932) teil.

    Im März 1933 wurde M., dessen Wahlperiode abgelaufen war, aus seinen kommunalen Ämtern entlassen. Er übernahm nun in der Geschäftsleitung des Deutschen Vereins zwei Referate. 1934 wurde er als Gutachter für das kommunale Sozialwesen vom Reichsrechnungshof eingestellt, war dort seit 1935 Mitarbeiter der Präsidialabteilung und wechselte 1940, gleichzeitig mit seinem Eintritt in die NSDAP, als Referent für „Jugendwohlfahrt“ und „Besondere Fürsorgemaßnahmen aus Anlaß des Krieges“ in das Reichsministerium des Innern. In dieser Funktion unterzeichnete M. im Dezember 1942 einen Erlaß über die Einrichtung eines „Polen-Jugendverwahrlagers“ in Lodz. Von den etwa 10 000 12-16jährigen Jugendlichen, die in dieses Lager eingeliefert und zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden, wurden die meisten später in Vernichtungslagern ermordet.

    Nach dem 2. Weltkrieg gelangte der im Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer eingestufte M. rasch wieder in führende Positionen beim Wiederaufbau der Wohlfahrtspflege und Fürsorgepolitik. 1946/47 beteiligte er sich an der Wiederherstellung des Deutschen Vereins, wurde 1948 in den Vorstand gewählt, war 1948-53 Beigeordneter der Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Städtetages und leitete dessen Sozialreferat. 1950-64 war er Vorsitzender, dann Ehrenvorsitzender des Deutschen Vereins, 1951-61 Vorsitzender, dann Mitglied des Exekutiv-Komitees der Internationalen Konferenz für Sozialarbeit. In den 50er Jahren veröffentlichte M. mehrere grundlegende Schriften und war Mitverfasser der 1955 Bundeskanzler Adenauer vorgelegten Denkschrift über die „Neuordnung der sozialen Leistungen“. 1956 veranlaßte er beim Deutschen Verein eine gründliche Erhebung über die Jugendarbeit. Im Beirat des Bundesarbeitsministeriums leitete er den Fürsorgeausschuß und war Gutachter und Berater mehrerer Bundes- und Länderminister. 1954-61 war er Mitglied des Exekutivkomitees der Internationalen Konferenz für Sozialarbeit. Seit 1953 hatte M. einen Lehrauftrag an der Juristischen Fakultät der Univ. Frankfurt für Fürsorge-, Jugendwohlfahrts- und Sozialversicherungsrecht, 1956 wurde er Honorarprofessor. Der Deutsche Verein nannte sein neues Verwaltungshochhaus in Frankfurt/Main „Hans-Muthesius-Haus“. Erst seit 1985 wurde M.s Rolle in der NS-Zeit zunehmend kritisch gesehen. 1990 trat ein Zeuge auf, der das „Jugendverwahrlager“ Lodz überlebt hatte und die dortigen Verhältnisse beschrieb. Der Deutsche Verein nahm daraufhin die Namengebung für sein Verwaltungsgebäude zurück und stellte die Vergabe einer „Hans-Muthesius-Ehrenplakette“ ein.|

  • Auszeichnungen

    Prof.titel (1950);
    Gr. Bundesverdienstkreuz mit Stern (1960);
    Dr. rer. pol. h. c. (Frankfurt/M. 1961).

  • Werke

    Bibliogr. b. Schrapper, S. 287-307 (s. L).

  • Literatur

    Neue Wege d. Fürsorge, FS z. 75. Geb.tag v. H. M., hrsg. v. F. Achinger, 1960 (P);
    E. Orthbandt, Der Dt. Verein in d. Gesch. d. dt. Fürsorge 1880-1980, 1980;
    ders., H. M., Sein Lebenswerk in d. soz. Arbeit, 1985 (W, L, P);
    E. Klee, in: Die Zeit v. 14.9.1990;
    FAZ v. 19.9.1990;
    Ch. Schrapper, H. M. (1885-1977), Ein dt. Fürsorgejurist u. Sozialpolitiker zw. Kaiserreich u. Bundesrepublik, 1993 (W, L, P);
    Frankfurter Biogr. II (P).

  • Porträts

    Büste v. Walter Schmidt, 1980.

  • Autor/in

    Franz Lerner
  • Zitierweise

    Lerner, Franz, "Muthesius, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 653-654 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118735403.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA