Lebensdaten
1873 – 1961
Geburtsort
Frankfurt/Main
Sterbeort
New York
Beruf/Funktion
Pharmakologe ; Physiologe ; Professor für Pharmakologie in Graz ; Nobelpreisträger für Medizin (1936)
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118728881 | OGND | VIAF: 807371
Namensvarianten
  • Loewi, Otto
  • Loewi, O.
  • Löwi, Otto

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Zitierweise

Loewi, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728881.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jacob (1835–1903), Weinhändler in F.;
    M Anna Willstädter (1848–1904) aus Karlsruhe;
    Graz 1908 Guida (1888–1958), T d. Chemikers Guido Goldschmiedt ( 1915, s. NDB VI);
    3 S, 1 T.

  • Biographie

    Während der Schulzeit im Frankfurter Goethe-Gymnasium (1882–91) lag L.s Interesse bei den klassisch-humanistischen und musischen Fächern; insbesondere beschäftigten ihn Malerei und Kunstgeschichte, die er zunächst studieren wollte. Er folgte jedoch dem aus wirtschaftlichen Erwägungen von seinen Eltern gegebenen Ratschlag, Medizin zu studieren. 1891 immatrikulierte sich L. an der Univ. Straßburg, bestand 1893 das Physikum, ging danach für zwei Semester nach München und kehrte anschließend nach Straßburg zurück. Dort beeindruckten ihn die klinischen Lehrveranstaltungen Bernhard Naunyns; er zog es aber vor, unter der Leitung von Oswald Schmiedeberg eine pharmakologische Doktorarbeit zu beginnen, die 1896 abgeschlossen wurde. Im selben Jahr bestand er auch das Staatsexamen. Anschließend vertiefte L. seine Kenntnisse in Chemie im Laboratorium von Martin Freund in Frankfurt am Main und im biochemischen Laboratorium von Franz Hofmeister in Straßburg. Vom Sommer 1897 bis Herbst 1898 arbeitete er in der Klinik Carl v. Noordens in Frankfurt. Durch Hofmeisters Vermittlung wurde er Assistent von Hans Horst Meyer am Pharmakologischen Institut der Univ. Marburg. Hier begann L., angeregt durch Arbeiten Friedrich Mieschers, Naunyns, Oscar Minkowskis u. a., mit Stoffwechselforschungen und habilitierte sich 1900 mit „Untersuchungen über den Nucleinstoffwechsel“. 1902 brachte ihm der Nachweis, daß der tierische Organismus körpereigene Proteine aus Aminosäuren aufbauen kann, breitere wissenschaftliche Anerkennung. Um sich in physiologischen Methoden weiterzubilden, besuchte L. 1902/03 Ernest Starling, Professor für Physiologie am University College, London. Dort lernte er zahlreiche engl. Physiologen (Bayliss, Dale, Langley u. a.) kennen, die die damals führende operativphysiologische Forschungsrichtung vertraten. Ihr Einfluß wurde später für L.s Arbeiten von nachhaltiger Bedeutung.

    Nachdem Meyer einen Ruf nach Wien angenommen hatte, übernahm L. die kommissarische Leitung des Marburger Pharmakologischen Instituts, folgte dann aber im März 1905 Meyer nach Wien. Neue Anregungen bei einem Besuch auf der Zoologischen Station in Neapel aufnehmend, schloß er seine Stoffwechselarbeiten mit einem Übersichtsartikel in Noordens Handbuch der Stoffwechselkrankheiten ab und begann seine Studien über die Physiologie des Nervensystems. 1909 wurde er Ordinarius des pharmakologischen Lehrstuhles der Univ. Graz. Dort entdeckte er u. a. die Steigerung der Adrenalinempfindlichkeit durch Cocain (1910) und den Synergismus von Calcium und Digitalis (1917/18). 1921 gelang ihm der Beweis der „humoralen Übertragbarkeit der Herznervenwirkung“, die Identifizierung von „Vagus- und Sympathicusstoff“ als Acetylcholin und Adrenalin und die Aufklärung des Wirkungsmechanismus von Atropin und Eserin. Für die Entdeckung der humoralen Übertragbarkeit der Nervenreizung, eine Thematik, mit der sich auch der brit. Physiologe Henry H. Dale befaßt hatte, erhielten Dale und L. 1936 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

    L.s erfolgreiche Tätigkeit in Graz, wo er sich außerordentlich wohl gefühlt hatte – verschiedene an ihn ergangene Rufe hatte er abgelehnt –, wurde abrupt durch den Anschluß Österreichs an Deutschland im März 1938 beendet. Einen Tag nach der Machtübernahme wurden L. und zwei seiner Söhne inhaftiert. Zwar wurde er nach zwei Monaten aus der Haft entlassen, entschloß sich aber zu emigrieren. Seine Frau mußte weiterhin in Österreich bleiben, da ihre Anwesenheit wegen der von den Nationalsozialisten betriebenen Enteignung eines in Familienbesitz befindlichen Grundstücks in Italien ausdrücklich vorgeschrieben wurde. Erst 1941 konnte sie in den USA mit ihrem Mann zusammentreffen. Ohne Mittel traf L. Ende Sept. 1938 in London ein. Nach Lehrveranstaltungen in Brüssel und Oxford erhielt er Mitte 1939 einen Ruf der Univ. New York als „Research Professor of Pharmacology“. Dort konnte er bis zu seinem Tode in Forschung und Lehre tätig bleiben, wobei er gerade letztere als die ihm nunmehr gemäße Aufgabe ansah. Die von ihm in Vorlesungen, auf Vortragsreisen und in Diskussionen im alljährlich von ihm besuchten Meeresbiologischen Forschungszentrum in Woods Hole (Mass.) vertretene Form einer „scientific philosophy“ blieb nicht ohne Wirkung. Die letzten Lebensjahre L.s waren durch körperliche Beschwerden belastet, ohne daß dabei seine geistige Beweglichkeit, seine vielseitigen Interessen und seine Anregungsfähigkeit nachgelassen hätten.

    L.s wissenschaftliches Interesse galt anfangs hauptsächlich stoffwechselphysiologischen Problemen. 1900-04 befaßte er sich vor allem mit dem Eiweiß- und Nukleinstoffwechsel. Daneben lieferte er bis 1938 eine große Zahl von Beiträgen zum Kohlenhydratstoffwechsel, in die auch die bis 1908 unternommenen nierenphysiologischen Arbeiten einzuordnen sind. Dabei gelangen ihm wichtige Erkenntnisse über den durch Phloridzin verursachten Diabetes, über die Wirkung des Insulins und über die Beeinflussung der Diurese durch Pharmaka wie Digitalis und Coffein. Im Zusammenhang mit der Untersuchung der physiologischen Wirkung verschiedener Pharmaka und Chemikalien sowie der von Kationen auf das Herz setzte L. seit 1897 das isolierte Froschherz ein, das später für ihn das bevorzugte experimentelle Hilfsmittel werden sollte. Bis 1903 reichen L.s Arbeiten zur Physiologie und Pharmakologie des vegetativen Nervensystems zurück, und er berichtete selbst, daß er schon in jenem Jahr die chemische Übertragung von Nervenreizen als Hypothese in Erwägung gezogen habe, doch experimentell der herrschenden Ansicht der ausschließlich elektrischen Reizübertragung nichts entgegensetzen konnte. Erst 1920 kam ihm der entscheidende Einfall, diese – in der Zwischenzeit auch von Dixon (1907) und Dale (1914) angestellten – Überlegungen experimentell zu prüfen. Es gelang ihm dabei nicht nur die chemische Übertragbarkeit von Reizen überhaupt zu beweisen, sondern die zentrale Bedeutung des Acetylcholins und der dabei beteiligten Enzyme festzustellen und die Sensibilisierung und Blockierung der Reizeffekte aufklären zu helfen. Die chemische Reizübertragung und die sich in ihr ausdrückende Anpassungs-Regulations- und Koordinierungsfähigkeit lebender Systeme interpretierte L., der eine organistisch-teleologische Betrachtungsweise vertrat und mechanistischen Vorstellungen reserviert gegenüberstand, als eine Bestärkung seiner philosophischen Überzeugungen, aus denen heraus er auch die „scientific philosophy“ entwickelt hatte.

  • Werke

    An Autobiographical Sketch, in: Perspectives in Biology and Medicine 4, 1960, S. 1-25 (P), wieder in: F. Lembeck u. W. Giere, O. L., Ein Lebensbild in Dokumenten, 1968 (W, L, P).

  • Literatur

    H. H. Dale, O. L., in: Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society 8, 1962, S. 67-89 (W, P);
    W. Giere, O. L., Biogr. Dokumentation u. Bibliogr., Diss. Tübingen 1968 (W, L, P);
    A. W. Forst, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1962, S. 207-12 (P);
    Nobelpreisträger O. L., Feier anläßlich d. 100. Wiederkehr s. Geb.tages am 5.6.1973 in d. Aula d. Univ. [Graz], 1973;
    Dict. Scientific Biogr. VIII, S. 451-57;
    BHdE II.

  • Porträts

    Bronzebüste (Graz, Ehrenhalle d. Univ.).

  • Autor/in

    Michael Engel
  • Zitierweise

    Engel, Michael, "Loewi, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 108-109 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728881.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA