Lebensdaten
1838 – 1902
Geburtsort
Camberg (Nassau)
Sterbeort
Camberg (Nassau)
Beruf/Funktion
Zentrumspolitiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118728180 | OGND | VIAF: 8155053
Namensvarianten
  • Lieber, Ernst
  • Lieber, Ernst M.
  • Lieber, Ernst Maria
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Zitierweise

Lieber, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728180.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Moritz (1790–1860), Advokat, Politiker, Teehändler (s. L), S d. Reg.rats Gisbert (1759–1843) in Blankenheim u. d. Adelheid v. Roesgen-Floß;
    M Maria Josepha (1813–77), T d. Oberappellationsgerichtsrats Caspar Hilt in Wiesbaden;
    1873 Josephine (1853-n. 1919), T d. Möbelfabr. Karl Arnold in Berlin u. d. Wilhelmine Krause;
    7 S (3 ⚔), 5 T.

  • Biographie

    Als Sohn eines kirchenpolitisch aktiven Rechtsanwalts in einem politisch interessierten Elternhaus aufgewachsen, studierte L. nach dem Abitur in Hadamar (1858) Jura in Würzburg, München, Bonn und Heidelberg (1861 Dr. iur.). Er verzichtete auf eine wissenschaftliche Laufbahn, um seine Mutter bei Weiterführung des ererbten Teegeschäfts und der Erziehung seiner jüngeren Geschwister zu unterstützen. Daneben betätigte er sich beim Aufbau des kirchlichen Vereinswesens. Nach dem Krieg von 1866 söhnte sich der großdeutsch gestimmte Nassauer mit Preußen aus. Betont christlich-sozial eingestellt, trat er als Verteidiger des Kirchenstaates sowie als Vorkämpfer für die Bekenntnisschule in Nassau hervor und wurde ein gesuchter Redner. Seit 1870 im Preuß. Abgeordnetenhaus und seit 1871 im Reichstag, zählte L. zu den Gründern der Zentrumsfraktion. In den 80er Jahren übernahm er noch kommunalpolitische Ämter in seiner engeren Heimat. Nach 1890 betätigte er sich aktiv für den „Volksverein für das kath. Deutschland“.

    Als „Mußpreuße“ Gegner der Kulturkampfpolitik sowie des borussian. Staats- und Machtdenkens, unterstützte L. eine arbeiterfreundliche Schutzgesetzgebung. Im Ringen um die Nachfolge Windthorsts als „geborenem Führer“ des politischen Katholizismus siegte L. 1893 über Franz Gf. v. Ballestrem. Es gelang ihm, die sozial heterogene Zentrumsfraktion zusammenzuhalten und auch zu verhindern, daß sich das Zentrum zu einer „kath. Partei“ umbildete. L. war betont national eingestellt und suchte die Stellung des Reichstags zu festigen. Er unterstützte die Handelsvertragspolitik von Caprivi. Unter Hohenlohe und Bülow machte L. die Zentrumsfraktion als Vertretung des kath. Volksdrittels zum Träger der Reichspolitik. Der „Reichsregent“ L. war beteiligt am Zustandekommen des BGB (1896), der Militärstrafgerichtsordnung (1898) und des Zolltarifvertrags (1902), vor allem aber an der Flottenpolitik (seit 1898). Seine Politik, eingeschlossen die Zustimmung zu Kolonialerwerb und -ausbau, war in den eigenen Reihen umstritten, zumal die Reichsleitung die Reste der Kulturkampfgesetzgebung nicht preisgab. Auf Grund dieser Unnachgiebigkeit der Reichsregierung blieb der von L. Ende 1900 begründete „Toleranzantrag“, der freie Religionsausübung forderte, auf der Tagesordnung des Reichstags. – L. hielt enge Verbindung zu den nach den USA ausgewanderten Deutschen. Während eines Aufenthalts in Italien zur Linderung eines Magenleidens, das seine Erregbarkeit und Sprunghaftigkeit teilweise erklären dürfte, wurde er 1899 von Leo XIII. empfangen; das seit dem „Septennatsstreit“ 1887 gestörte Verhältnis des Zentrums zur Kurie konnte entkrampft werden. Wegen seines Gesundheitszustandes seit Ende 1899 kaum mehr in Berlin, hielt L. auf dem Katholikentag 1901 seine letzte Rede über die christliche Demokratie.

    L. hat dazu beigetragen, die kath. Volksminderheit mit dem Kaiserreich auszusöhnen. Sein Einsatz zugunsten von Parität und Freiheitsrechten für alle Staatsbürger blieb nicht ohne Erfolg.

  • Literatur

    H. Held, Gedächtnis-Rede auf d. verewigten Zentrumsführer E. M. L., gehalten bei d. Trauerfeier d. Kath. Casinos, Regensburg, am 3.4.1902, o. J.;
    M. Spahn, E. L. als Parlamentarier, 1906;
    C. Schlesinger, E. M. L., in: Große Männer e. gr. Zeit, ²1910, S. 221 ff.;
    H. Cardauns, L., in: Staatslex. ⁴III, 1911, Sp. 853 ff.;
    ders., Philipp Veit u. E. L., in: Zweite Ver.schr. d. Görres-Ges. 1920, S. 25 ff.;
    ders., E. L., Der Werdegang e. Politikers b. z. s. Eintritt in d. Parlament (1838–71), 1927;
    K. Bachem, Vorgesch., Gesch. u. Pol. d. Dt. Zentrumspartei, Bde. 3-9, 1927/32;
    K. Wolf, in: Nassau. Lb. IV, 1950, S. 229-46 (L, P);
    R. Morsey, Die dt. Katholiken u. d. Nat.staat zw. Kulturkampf u. Erstem Weltkrieg, in: HJb. 90, 1970, S. 31 ff., wieder in: Die dt. Parteien vor 1918, hrsg. v. G. A. Ritter, 1974, S. 270 ff.;
    ders., in: Zeitgesch. in Lb. IV, 1980, S. 64 ff. (P);
    H. Gottwald, Zentrum u. Imperialismus, Diss. Jena 1965 (ungedr.);
    ders., Der Umfall d. Zentrums, Die Stellung d. Zentrumspartei z. Flottenvorlage v. 1897, in: Stud. z. dt. Imperialismus vor 1914, hrsg. v. F. Klein, Berlin (Ost) 1976, bes. S. 186 ff.;
    U. Mittmann, Fraktion u. Partei, Ein Vergleich zw. Zentrum u. Sozialdemokratie im Kaiserreich, 1976;
    W. Loth, Katholiken im Kaiserreich, 1984. - Zu V Moritz: A. Bertsche, in: Nassau. Lb. IV, 1950, S. 185-92 (L, P).

  • Autor/in

    Rudolf Morsey
  • Zitierweise

    Morsey, Rudolf, "Lieber, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 477-478 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728180.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA