Lebensdaten
1805 – 1861
Geburtsort
Koblenz
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Geschichtsphilosoph ; Professor der Philologie in München ; Mitglied der Nationalversammlung ; Historiker ; Archäologe
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 118726617 | OGND | VIAF: 4981173
Namensvarianten
  • Lassaulx, Ernst von
  • Lassaulx, Peter Ernst von
  • Lasaulx, Peter Ernst von
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Lasaulx, Ernst von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118726617.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Claudius (s. 2);
    Ov Franz (s. 1);
    Schw Anna (1810–66), als Schwester Hildegard Oberin d. Klosters z. hl. Geist, Gründerin d. Elisabetherinnen in Luxemburg, Clementine (1815–77), als Mutter Anna Generaloberin in Luxemburg, Amalie (1815–72), als Schwester Augustine Oberin d. St. Johannis-Hospitals in Bonn (s. ADB 17);
    - München 1835 Julie (1807–80), T d. Philosophen Franz v. Baader ( 1841, s. NDB I);
    2 S (früh †), 2 T (1 früh †).

  • Biographie

    L. besuchte 1817-23 das Gymnasium in Koblenz und bezog im April 1824 die Univ. Bonn zum Studium der klassischen Philologie. Er hörte bei Friedrich Schlegel, Niebuhr, Brandis und Welcker. 1828 übersiedelte er nach München, wo ihn besonders die Vorlesungen von Görres, Baader und Schelling fesselten. Er fand Aufnahme im Kreis um Görres und widmete sich ausgedehnter Lektüre, insbesondere der Kirchenväter, der Mystiker, der klassischen und zeitgenössischen Literatur. 1830 trat er eine größere Reise an, die ihn nach Wien, Rom und 1833 über Griechenland und die Türkei nach Palästina führte. Neben der Beschäftigung mit der Kunst legte L. mit dieser Reise den Grundstock für seine geschichts- und religionsphilosophischen Ideen. 1835 in Kiel zum Dr. phil. promoviert, wurde er im selben Jahr ao. Professor der klassischen Philologie in Würzburg (1840 Rektor), 1844 o. Professor in München. Im Verlauf der Lola-Montez-Affäre wurde L. am 1.3.1847 in den Ruhestand versetzt, im März 1849 jedoch reaktiviert. Als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 schloß er sich der äußersten Rechten an und trat dem Club „Steinernes Haus“ bei.

    Mit dem Görres-Kreis verband L. ein kämpferischer Katholizismus, was in scharfen Äußerungen zu Tagesfragen seinen Niederschlag fand. Mit den frühen Mitgliedern dieses Kreises teilte er aber auch eine mitunter unbekümmerte Lust am Spekulieren. Sie führte ihn über die Philologie, sein eigentliches Fachgebiet, zu geschichtsphilosophischen Entwürfen, deren Wurzeln in einer weitherzigen Religionsphilosophie lagen. Dadurch kam er in Konflikt mit der|orthodoxen kirchlichen Lehre. Seine Idee einer organischen Einheit des Seins beruht auf der Annahme eines persönlichen Gottes; nicht nur das Judentum, sondern auch die heidnische Antike sind für ihn Vorstufe der christlichen Offenbarung. Er sieht Parallelen und Polaritäten zwischen Plato und den Abschiedsreden Jesu, zwischen Sokrates und Jesus, deren Parallelisierung er sein letztes Hauptwerk (1857) widmet. Das Weltleben vollzieht sich seiner Meinung nach in der Vielheit von Völkerkulturen, im kontinuierlichen Rhythmus eines Lebewesens nach bestimmten Gesetzen von Wachsen, Aufblühen und Verfall. Wie der Held (Achilles) zunächst vom Dichter (Homer), dann vom Fachgelehrten (Aristoteles) abgelöst werde, bestehe eine gesetzmäßige Entwicklung der Religion zur Kunst und zur Wissenschaft, des Königtums über die Aristokratie zur Demokratie. – Als Gelehrter fiel L. der Kritik der Philologen, die an seinen oft kühnen und verspielten Parallelisierungen und seiner ungenügenden methodischen Sorgfalt Anstoß nahmen, anheim; die Theologen (z. B. Döllinger) lehnten ihn wegen seiner „gnostischen“ bzw. „pantheisierenden“ Tendenzen ab. Seine letzten Werke wurden kurz nach seinem Tod auf den röm. „Index“ gesetzt. Der persönlich lautere, doch unsystematisch denkende L., der keine Schule gründete, geriet rasch in Vergessenheit und wurde erst im 20. Jh. wiederentdeckt. Jacob Burckhardt übernahm seine Kreislauftheorie; seine Geschichtsphilosophie, die dem gemäßigten Pessimismus von Toynbee nähersteht als der Hoffnungslosigkeit von Spengler, ist trotz ihrer Berührungspunkte höher einzuschätzen als der naive Optimismus seiner Zeitgenossen Buckle und Spencer. Bleibende Bedeutung besitzt sein lange Zeit unterschätzter religionsphilosophischer Ansatz.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1844).

  • Werke

    De mortis dominatu in veteres commentatio theologica-philosophica, 1835;
    Krit. Bemerkungen üb. d. Kölner Sache, 1838;
    Stud. d. klass. Altertums, 1854 (enthält d. meisten Publ. zw. 1835 u. 1854 sowie d. Reden im Frankfurter Parlament u. in d. bayer. Ständeverslg.);
    Der Untergang d. Hellenismus u. d. Einziehung s. Tempelgüter durch d. christl. Kaiser, Ein Btr. z. Philos. d. Gesch., 1854;
    Neuer Versuch e. alten auf d. Wahrheit d. Tatsachen gegr. Philos. d. Gesch., 1856 (Neuaufl. 1952);
    Ueber d. theol. Grundlage aller phil. Systeme, 1856;
    Des Sokrates Leben, Lehre u. Tod nach d. Zeugnissen d. Alten, 1857 (Neuaufl. 1965);
    Die prophet. Kraft d. menschl. Seele in Dichtern u. Denkern, 1858;
    Zur Philos. d. Schönen Künste, 1860; W in Ausw.:
    Verschüttetes dt. Schrifttum 1841–60, 1925. -
    L.s Bibl. wurde v. Sir John Acton erworben u. bildet d. Grundstock v. dessen berühmter, heute in d. Univ.bibl. Cambridge befindl. Bücherslg.

  • Literatur

    ADB 17;
    H. Holland, Erinnerungen an E. v. L., 1861;
    R. Stölzle, E. v. L., Ein Lb., 1904 (P);
    W. Goetz, Die bair. Gesch.forschung im 19. Jh., in: HZ 138, 1928;
    H. U. Instinsky, E. v. L., Christentum Humanismus Gnosis, in: Hochland 33, 1936;
    A. Koether, E. v. L.s Gesch.philos. u. ihr Einfluß auf Jacob Burckhardts „Weltgeschichtl. Betrachtungen“, 1937;
    E. Thurnher, Einl. zu L. Neuer Versuch, 1952;
    F. Wagner, Gesch.-wiss., 1951;
    F. Engel-Janosi, The historical thought of E. v. L., in: Theological studies 14, 1953/54;
    St. J. Tonsor, The historical morphology of E. v. L., in: Journal of the Hist. of Ideas 25, 1964, S. 374-92;
    H. U. Docekal, E. v. L., Ein Btr. z. Kritik d. Organ. Gesch.begriffs, 1970 (W-Verz., L).

  • Porträts

    Gem. (München, Bayer. Ak. d. Wiss.), Abb. in: Geist u. Gestalt, Biogr. Btrr. z. Gesch. d. Bayer. Ak. d. Wiss. III, 1959.

  • Autor/in

    Viktor Conzemius
  • Zitierweise

    Conzemius, Victor, "Lasaulx, Ernst von" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 644-645 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118726617.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lasaulx: Peter Ernst v. L., geb. am 16. März 1805 zu Koblenz, in München am 9. Mai 1861, Sohn eines Architekten, besuchte seit 1817 das Gymnasium seiner Vaterstadt und bezog zu Ostern 1824 die Universität Bonn, wo er bei A. W. Schlegel, Niebuhr, Brandis und Welcker hörte, worauf er seine Studien in München unter Franz v. Baader. Görres und Schelling fortsetzte. Angezogen von den christlichen Mystikern durchsuchte er im J. 1830 um der Schriften Eckhart's willen die Bibliotheken in St. Florian, Kremsmünster, Mölk und Kloster-Neuburg, hielt sich dann in Wien auf, wo er mit Günther, Veith und Pabst verkehrte, und reiste im Sommer 1831 über Steiermark, Kärnthen und Venedig nach Rom, wo er sich mit den Kirchenvätern und Scholastikern beschäftigte und durch näheren Umgang mit Bunsen, Platner, Cornelius, Koch, Overbeck und Letellier vielfache Anregung empfing; im J. 1833 begab er sich über Neapel und Sicilien nach Griechenland, Konstantinopel, Smyrna, dann über Rhodus und Cypern nach Palästina (später erzählte er gerne seinen Bekannten, daß er auf der Seefahrt in der Nähe der Cykladen einmal Abends wirklich die Harmonie der Sphären gehört habe). Ueber Rom nach München zurückgekehrt, promovirte er daselbst 1835 mit einer Abhandlung „De mortis dominatu in veteres“, worauf er noch im gleichen Jahre zum außerordentlichen Professor in Würzburg ernannt wurde, wo er sich mit einer Tochter Franz v. Baader's vermählte und 1837 zum Ordinarius befördert wurde. Ein Ergebniß seiner Reise war die Schrift „Jerusalem und die Hüter des heiligen Grabes" (1838 in den Historisch-politischen Blättern) und als glühender Katholik veröffentlichte er bezüglich der sogenannten Kölner Wirren „Kritische Bemerkungen über die Kölner Sache" (1838); dann folgten: „Das pelasgische Orakel des Zeus zu Dodona" (1840); „Der Sinn der Oedipus-Sage" (1841); „Die Sühnopfer der Griechen und Römer und ihr Verhältniß zu dem Einen auf Golgatha" (1841); „Die Gebete der Griechen und Römer" (1842); „Die Linosklage" (1842); „Der Fluch bei Griechen und Römern" (1843); „Die Prometheus-Sage und ihr Sinn“ (1843); „Der Eid bei den Griechen und den Römern“ (1844). Im J. 1844 kam L. als ordentlicher Professor der Philologie (an Hocheder's Stelle) an die Universität zu München, wo er auch alsbald als Mitglied in die Akademie gewählt wurde; da er aber im Februar 1647 im Senate der Universität den Antrag stellte, an das abgetretene Ministerium Abel (s. Allg. d. Biogr. Bd. I S. 15) eine Dankadresse zu richten, wurde er in Ruhestand verseht. In das Frankfurter Parlament gewählt kämpfte er auf der äußersten Rechten heftig und bitter sowol gegen die demokratische als auch gegen die klein-deutsche Partei. Im März 1849 wieder in seine Lehrstelle eingesetzt, wurde er auch in die Abgeordnetenkammer gewählt, wo er durch seine eigenthümlichen Anschauungen den Widerspruch förmlich herausforderte und in der kurhessischen Frage (1851) eine schwere Niederlage erlitt. Seit der Umsiedlung nach München, von wo er 1852 eine zweite kürzere Reise nach Griechenland machte, erschienen: „Ueber das Studium der griechischen und römischen Alterthümer" (1646); „Ueber den Entwicklungsgang des griechischen und römischen und den gegenwärtigen Zustand des deutschen Lebens" (1847); „Ueber die Bücher des Königs Numa" (1848); „Die Geologie der Griechen und Römer“ (1851); „Zur Geschichte und Philosophie der Ehe bei den Griechen“ (1852); „Joseph v. Görres" (1853 in den Hist.-Polit. Blättern); „Der Untergang des Hellenismus" (1854); „Neuer Versuch einer Philosophie der Geschichte" (1856); „Ueber die theologische Grundlage aller Systeme" (1856); „Des Sokrates Leben und Lehre und Tod" (1857); „Ueber die prophetische Kraft der menschlichen Seele in Denkern und Dichtern" (1858); „Die Philosophie der schönen Künste“ (1800); „Zur Philosophie der römischen Geschichte“ (1861). L. war ein feurig überzeugungstreuer, sittlich reiner, ritterlicher Charakter, und auch wer von ihm als Gegner geschieden war, muhte seiner energischen Offenheit Achtung zollen; durch seine Persönlichkeit übte er auch als Lehrer mittelst seiner sittlichen Wärme und phantasievollen Redegabe eine bedeutende Anziehungskraft auf die Studirenden aus, welchen er allerdings keine Anleitung zu wissenschaftlicher Methode zu geben vermochte, da es ihm selbst an jeder methodischen Schulung gebrach, daher er auch nicht in Heranbildung jüngerer Philologen sich bethätigte. Seine Schriften, deren mehrere er theils in „Antiquarische Abhandlungen“ (1844), theils in „Studien des classischen Alterthums“ (1854) gesammelt herausgab, haben weniger eine wissenschaftliche als eine persönliche Bedeutung, insoferne sie dazu dienen können, einen Romantiker der classischen Philologie kennen zu lernen, welcher auf dem Standpunkte Baader’scher Theosophie stehend eine große Belesenheit im Dienste der Ansicht verwerthete, daß alle christlichen Wahrheiten bereits substantiell in der vorchristlichen Welt sich finden und das Heidenthum nur eine Verzerrung der Offenbarung sei, daher er z. B. in der Linosklage den Sündenfall, im Prometheus einen Typus des Erlösers erblickte. Sokrates und Jesus in eine mystische Parallele brachte, oder z. B. in der Worttändelei mit ῥώμη, Roma, Amor eine tiefsinnige Wahrheit nachweisen wollte.

    • Literatur

      Allg. Zeitung, 1861, Nr. 139 Beil. Fr. Seitz, Rectoratsrede v. 26. Juni 1861. H. Holland, Erinnerungen an E. v. Lasaulx. 1861.

  • Autor/in

    Prantl.
  • Zitierweise

    Prantl, Carl von, "Lasaulx, Ernst von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 17 (1883), S. 728-729 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118726617.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA