Lebensdaten
1885 – 1951
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Guayaquil (Ecuador)
Beruf/Funktion
Pädagoge
Konfession
andere
Normdaten
GND: 118721054 | OGND | VIAF: 59879041
Namensvarianten
  • Karsen, Fritz
  • Carsen, Fritz

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Karsen, Fritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118721054.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gustav Krakauer (1851–1910), Dr. phil., Prof., Oberlehrer a. d. Oberrealschule in B., Kaufm.-S;
    M Klara Bernstein;
    Magdeburg 1917 Erna Heidermann (1895–1956), T e. leitenden Beamten d. Stadtverwaltung Hannover;
    T Sonja Petra (* 1919), Prof. f. Spanisch.

  • Biographie

    Nach Studium in Breslau (Promotion zum Dr. phil. 1908) und Staatsexamen für das höhere Lehramt (1909/10) in Deutsch, Englisch, Französisch, Philosophie und Turnen wurde K. Oberlehrer an der Oberrealschule in Liegnitz (1911/12), dann an der Realschule in Magdeburg (1912–18) und an der Luise-Henriette-Schule in Berlin-Tempelhof. Als Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer“ beteiligte er sich an der Vorarbeit für den „Bund Entschiedener Schulreformer“, den er unter anderem mit Paul Oestreich, Franz Hilker, S. Kawerau 1919 gegründet hat. Er vertrat die Einheitsschule (vom Kindergarten bis zur Hochschule) auf der Berliner Reichsschulkonferenz (1920). Als Oberstudiendirektor an der Staatlichen Bildungsanstalt in Berlin-Lichterfelde, der ehemaligen Hauptkadettenanstalt, scheiterte er mit einem Reformversuch 1920 an der Renitenz der Internatsschüler. 1920/21 ging K. als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an das Preußische Kultusministerium.

    Durch die Annahme des Rufs als Leiter einer Schule geriet K. in Gegensalz zu Oestreich und verließ den Bund. Die von jenem ideell begriffene „Lebens- und Produktionsschule“ genügte K. nicht, er forderte den praktischen Versuch. Eine Grundlage dafür bot ihm die (Hamburger) Form der „Lebensgemeinschaftsschule“ des Berliner Stadtschulrats Wilhelm Paulsen. K. prägte den Begriff einer „Schule der werdenden Gesellschaft“, die auf den Ergebnissen der Arbeiter-, Frauen- und Jugendbewegung aufbauen könne. Diese (autonome) Schule wurde durch Koedukation und voll durchgeführten Arbeitsunterricht mitbestimmt. Durch Besuche bei den Landerziehungsheimen, der Waldorfschule, bei Berthold Otto, Oscar Seinig, Adolf Jensen (Erlebnisschule), Hugo Gaudig hatte K. vergleichen gelernt. Seine „neue Schule“ verstand sich nicht als Stoffvermittlungsanstalt. Ihre Bildungsinhalte richteten sich nach den notwendigen Aufgaben im Leben der „werdenden Gesellschaft“. Die Verwirklichung wurde durch K.s Ernennung zum Oberstudiendirektor am Kaiser-Friedrich-Realgymnasium (seit 1930 Karl-Marx-Schule) in Berlin-Neukölln (Oktober 1921-Februar 1933) angebahnt. K., unterstützt vom Neuköllner Stadtrat Kurt Löwenstein, richtete eine Versuchsschule ein, die neue Wege ging in ihrem Aufbau (Fachklassen, Gabelung der Oberstufe, Schülermitverwaltung, Blockstunden) wie in der Arbeitsweise mit folgenden Merkmalen: Arbeitspläne der Klassen, Schülerreferate, Sitzanordnung im Kreis, Arbeitsleitung durch einen Wortführer unter Beratung des Lehrers, Stundenprotokolle, keine Schulstrafen, Charakteristiken und Schüler-Jahresberichte statt Zeugnissen, Jahresausstellung der Schule, Studienfahrten mit Facharbeiten, Schultheater. Es entstand das Gefüge einer durchrationalisierten „sozialen Arbeitsschule“, ein System der „kollektiven Arbeit“. Die bestehende Schule wurde systematisch erweitert: 1922 durch Angliederung von Aufbauklassen, 1923 den ersten Arbeiter-Abiturientenkursus, 1927 Integrierung der Deutschen Oberschule, Zusammenschluß mit einer Volksschule, 1928 den Plan einer „Gesamtschule“, 1929 ein pädagogisches Versuchsseminar für Referendare.

    1929-30 war K. Lehrbeauftragter für praktische Pädagogik (Universität Frankfurt), 1931-33 beauftragter Dozent für das ausländische Schulwesen (Universität Berlin). Er hatte Studienreisen unter anderem nach England, Sowjetrußland und in die USA (Project-Methode) unternommen. Am 21.2.1933 wurde er von allen seinen Ämtern entbunden und emigrierte kurz danach in die Schweiz. Von dort ging K. nach Frankreich, wo er die „Ecole nouvelle de Boulogne“ in Paris für Auslandskinder einrichtete (1934-36). Von der kolumbianischen Regierung wurde er als Bildungs- und Erziehungsberater nach Bogotá berufen; er betätigte sich in der Planung der Universitätsstadt und der Neuordnung der Lehrerbildung. Aus Gesundheitsgründen gab er sein Amt auf und wanderte in die USA ein (Mai 1938; Staatsbürger 1944). Er wirkte an mehreren Colleges als Instructor (Lecturer) in Education. 1946-48 wurde er als leitender Beamter im Bereich Hochschule und Lehrerbildung bei der US-Militärregierung (Berlin) eingesetzt.

    1948/49 lehrte er als Assistant Professor für Deutsch am New York City College, 1949-51 als Associate Professor für Erziehungswissenschaft am Brooklyn College New York. Bei der Durchführung eines UNESCO-Auftrages zur Reorganisation des Universitätswesens in Ecuador (März-August 1951) ereilte ihn der Tod.

  • Werke

    Henrik Steffens' Romane, Ein Btr. z. Gesch. d. hist. Romans, Diss. Breslau 1908;
    Die Schule d. werdenden Ges., 1921;
    Dt. Versuchsschulen d. Gegenwart u. ihre Probleme, 1923;
    Die Dammwegschule Neukölln, 1928 (mit B. Taut);
    Arbeitsgliederung u. Arbeitsgemeinschaft, in: H. Deiters, Die Schule d. Gemeinschaft (1925);
    Sinn u. Gestalt d. Arbeitsschule, in: A. Grimme, Wesen u. Wege d. Schulreform, 1930;
    Die Schule v. heute u. morgen, in: A. Schreiber, Das Reich d. Kindes, 1930;
    Die russ. Schule u. wir, in: Lebensgemeinschaftsschule, Nr. 12, 1925;
    Von d. Aufbauschule z. Gesamtschule, in: Päd. Beil. d. Leipziger Lehrerztg., Nr. 35, Nov. 1928;
    Eine großstädt. Einheits- u. Gemeinschaftsschule, in: Berliner Rundfunkvorträge, 1929;
    Was lehrt d. Betrachtung d. Auslandes f. d. Frage d. Hauptfremdsprache an höheren Schulen?, in: Mschr. f. höhere Schulen 30, 1931;
    Das Problem d. einheitl. Schulaufbaus, in: Aufbau 5, 1932. -
    Hrsg.: Die neuen Schulen in Dtld. (Originalbtr.: Die Aufbauschule in Neukölln), (1924);
    Lebensgemeinschaftsschule, 1924-26;
    Aufbau 4, Mitte 1931 -Ende 1932;
    Gesch. unserer Welt II, 1947.

  • Literatur

    Th. Alexander u. B. Parker, The New Education in the German Republic, 1929, S. 170-78;
    K. Schwedtke, Nie wieder Karl-Marx-Schule! (1933);
    K. Linke, in: Berliner Lehrerztg. 5, 1951;
    A. Ehrentreich, F. K. als Bahnbrecher neuer Erziehung, in: Bildung u. Erziehung 5, 1952;
    ders., Päd. Odysee, 1967, S. 124-78;
    G. Radde, in: Bildung u. Erziehung 13, 1965 (P);
    ders., Festschr. f. F. K., 1966 (P);
    ders., F. K., Ein Berliner Schulreformer d. Weimarer Zeit, 1973.

  • Porträts

    Strichzeichnung v. Martens, 1966, n. Phot., Abb. in: G. Radde, Festschr., s. L.

  • Autor/in

    Alfred Ehrentreich
  • Zitierweise

    Ehrentreich, Alfred, "Karsen, Fritz" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 300-301 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118721054.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA