Lebensdaten
1647 – 1690
Geburtsort
Kirchhain (Hessen)
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Polyhistor ; Historiker
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118720309 | OGND | VIAF: 95146061
Namensvarianten
  • Happel, Eberhard Guerner
  • Happel, Eberhard Werner
  • Happel, Eberhard Guerner
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Zitierweise

Happel, Eberhard Werner, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118720309.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Martin (1619–1700), Mag., Pfarrer, S d. Heinrich (1577–1636), Kaufm. u. Gastwirt, Ratsherr u. Bgm. in K., u. d. Catharina Volpracht;
    M Catharina (1623–69), T d. Schultheißen Werner Marcolf in Rauschenberg;
    Ov Gg. Eberhard (1605–73), ev. Theol. (s. Strieder V);
    - Hamburg 1679 Margaretha (1653-n. 1702), T d. Kaufm. Detlef Glashoff in H. u. d. Margaretha Behrmann;
    4 K.

  • Biographie

    H. studierte 1663-66 in Marburg und Gießen Rechte und Naturwissenschaften. Mittellosigkeit zwang ihn, sich als Hofmeister bei hessischen Edelleuten, dann bei Hamburger Kaufmannsfamilien zu verdingen. 1673 nahm er in Kiel seine Studien wieder auf. Im folgenden Jahre verließ er Kiel ohne akademischen Titel, um die Erziehung der beiden Söhne eines Hofherrn in Schleswig zu leiten. Freilich trog ihn die Hoffnung, auf diese Weise zu einem Hofamt zu kommen; auch seine Hamburger Verbindungen reichten zwar aus, ihm ehrenvolle Gelegenheitsaufträge wie die Abfassung politischer Schriftsätze für den Senat einzutragen, nicht aber ein Amt, das ihn hätte ernähren können. So entschloß er sich 1680 zu dem abenteuerlichen Versuch, sein und seiner Familie Leben als Literat zu fristen, noch ehe A. Bohse und Chr. Hunold, ebenfalls in Hamburg, den gleichen Versuch wagten. Schon 1666 hatte er begonnen, krause und weitläufige Romane zu schreiben. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens bringt er Jahr für Jahr tausend bis zweitausend Seiten Romanliteratur hervor, dazu geographische und historische Relationen und Kompilationen, darunter einen tausendseitigen zeitgeschichtlichen Folianten, einen Thesaurus Exoticorum (Hamburg 1688) von tausend Seiten|Folio und viertausend Quartseiten Relationes curiosae.

    Mißt man H.s Romane an denen Anton Ulrichs oder Lohensteins, wird man ihn unweigerlich unter die „elenden Scribenten“ rechnen müssen. Das Gerüst des traditionellen Romans, die heldenhaften Abenteuer der getrennten und endlich wiedervereinigten vornehmen Paare, die Anfechtungen der Fortuna und die überraschenden Fügungen der Vorsehung, all das ist bei H. nachlässig kopiert und oft zum Vorwand denaturiert. Einzig der „Akademische Roman“ (2 Bände, Ulm 1690) gehört in einen anderen Gattungszusammenhang: er ist eine Kompilation von derben, pikaresken und erotischen Schwankerzählungen, die – wie etwa die aus dem „Simplicissimus“ bekannte „Beau-Alman“-Episode – europäisches Gemeingut sind, dem Roman aber zu zwei Neudrucken im 20. Jahrhundert (1913, 1962) verholfen haben; diese Ausgaben unterdrücken allerdings die Mitteilungen über Universitätsorganisation und akademischen Alltag, die das Original zu einem wichtigen Dokument machen.

    Trotz ihrer literarischen Zweitrangigkeit wurden H.s Romane offenbar von einem treuen Publikum eifrig gelesen und erlebten nicht selten mehrere Auflagen. Anscheinend haben diese Leser nicht so sehr das Gerüst wie die Füllung dieser Bücher honoriert; denn H. staffierte das dürftige Skelett mit einer Fülle von nützlichen und „curieusen“ Wissenschaften aus, mit geographischen, historischen, aktuellen und anekdotischen Realien, Schwänken, Diskussionen und Theorien. Sein „Mandorell“ (3 Bände, Hamburg 1682) enthält die erste Übersetzung von Huets Romanpoetik. Man wird diesem Verfahren nur gerecht werden können, wenn man bedenkt, daß im 17. Jahrhundert dem Roman auch die Funktionen wahrzunehmen erlaubt war, die heute illustrierten Zeitschriften überlassen werden. Auf H.s Romane, und nur auf sie, trifft Eichendorffs böses Wort über die Barockromane zu: sie seien „tollgewordene Realencyclopaedien“.

  • Werke

    Weitere W Die umständlichen Barocktitel u. d. Kollationen b. Schuwirth, s. L. - Der Asiat. Onogambo…, 2 Bde., Hamburg 1673;
    Der Europ. Toroan…, 2 Bde., ebd. 1676;
    Sogen. Christl. Potentaten-Kriegs-Roman…, 2 Bde., Freiberg u. Middelburg 1680 f., holländ. Amsterdam 1681;
    Italiän. Spinelli…, 4 Bde., Ulm 1685 f.;
    Der Ungar. Kriegs-Roman…, 5 Bde., ebd. 1685-89;
    Der Span. Quintana…, 4 Bde., ebd. 1686 f.;
    Der Frantzös. Cormantin…, 4 Bde., ebd. 1687 f.;
    Der Ottomanische Bajazet…, 4 Bde., ebd. 1688 f.;
    African. Tarnolast…, 2 Bde., ebd. 1689, 1710;
    Teutscher Carl…, 4 Bde., ebd. 1690;
    - Kern-Chron. d. merkwürdigsten Welt- u. Wunder- Gesch. …, 2 Bde., Hamburg 1680-90;
    Straff- u. Unglücks-Chronick…, ebd. 1682;
    Größeste Denckwürdigkeiten d. Welt…, 5 Bde., ebd. 1669-83;
    Hochverdiente Ehren-Seule Christl. Tapferkeit…, ebd. 1688;
    Mundus Mirabilis Tripartitus…, 5 Bde., Ulm 1688 f., 1708;
    Fortuna Britannica…, Hamburg (1689);
    Hibernia Vindicata…, ebd. 1691;
    Hist. Moderna Europae…, Ulm 1691.

  • Literatur

    ADB X;
    Th. Schuwirth, E. W. H., Diss. Marburg 1908 (W, L);
    G. Lock, Der höfisch-galante Roman d. 17. Jh. b. E. W. H., 1939 (P);
    Goedeke III, S. 256 ff.;
    Kosch, Lit.-Lex.

  • Autor/in

    Herbert Singer
  • Zitierweise

    Singer, Herbert, "Happel, Eberhard Werner" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 644-645 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118720309.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Happel: Eberhard Werner (Guerner) H., einer der fruchtbarsten Romanschreiber in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wurde 12. August 1647 zu Kirchhayn in Hessen geboren, wo sein Vater damals Vicarius, später aber Pfarrer in Holzhausen und Halbdorf gewesen war. Nachdem er zu Marburg seit 1663 Mathematik und Medicin, später auch die Rechte studirt hatte, beschäftigte er sich zuerst mit Privatinstructionen in seiner Heimath, dann seit 1668 in Magdeburg, Harburg und zuletzt in Hamburg, wo er drei Jahre lebte, sich verheiratete und durch Nahrungssorgen gezwungen, anfing, sich durch Schriftstellern zu ernähren ("fami non famae scribens"). Im J. 1673 zog er nach Kiel und hielt hier juristische und mathematische Lehrstunden, erhielt 1674 bis 79 eine Anstellung in Holstein, worauf er wieder nach Hamburg ging, woselbst er, fortwährend mit Romanschreiben beschäftigt, am 15. Mai 1690, 42 Jahre alt, starb. Die vorstehenden Nachrichten sind Happel's Roman „Teutscher Karl" (Ulm 1689, 90) entnommen, in welchem er unter dem Namen „Kirchberg“ seinen eigenen Lebenslauf, wie in seinem „Akademischer Roman“ (Ulm 1690) speciell sein Universitätsleben beschrieb. — Happel's Thätigkeit als Romanschriftsteller war eine äußerst fruchtbare, so daß er in einem Zeitraume von etwa 17 Jahren 20 sogenannter politisch-galanter Romane fabricirte, fast alle 4—5 Bände stark, welche meistens in Hamburg oder Ulm erschienen und unter denen wir nur „Der asiatische Onogambo" (Hamb. 1673), „Der insularische Mandorell" (Frankf. 1682), „Der italienische Spinelli“ (Ulm 1685) und „Der spanische Quintana“ (ebendas. 1686), erwähnen wollen. In diesen Romanen, die eben so abenteuerlich-phantastisch als unnatürlich-geschmacklos sind und deren Manier noch bis in die ersten Decennien des 18. Jahrhunderts Bohse (Talander) und dessen Schüler Hunold (Menantes) beibehielten, werden seltsame Begebenheiten mit Heldenthaten und belehrend sein sollenden Liebes- und Staatsintriguen phantastisch verflochten, die Scene aber, um der Erfindung einen lebhafteren Reiz für die Einbildungskraft zu geben, in fremde Länder, nach Italien, Spanien, Frankreich und nach Asien und Afrika verlegt. Dabei kam es bei H. sowol als den Producten seiner gleichzeitigen Nachahmer vor allem darauf an, die Tugenden und Laster ihrer Helden colossal erscheinen zu lassen und besonders neben der gewöhnlichen Moral viel Politik niederzulegen. Den Stil vernachlässigte man entweder ganz oder man suchte sich über die gewöhnliche Prosa durch eine gravitätische und prunkende Sprache, die man für erhaben hielt, emporzuschwingen. Dem ungeachtet aber oder gerade deshalb fanden Happel's Romane, von denen auch nicht ein einziger vor der Kritik bestehen kann, zu ihrer Zeit außerordentlichen Beifall, weil sie sich nebenbei vor anderen ihrer Art nicht nur durch Wechsel und Reichthum der Erfindung, sowie durch Fülle des Stoffes auszeichneten, sondern der Verfasser auch die Spiele seiner ausschweifenden Phantasie durch den bedeutenden Vorrath ausgebreiteter Belesenheit zu unterstützen und zu würzen verstand. Seine Darstellung dagegen ist eben so matt und breit, als seine eingestreuten Reflexionen alltäglich und schaal sind und da es ihm an wahrer geistiger Gediegenheit und poetischer Tiefe fehlte, da er ferner eben durch seine Vielschreiberei seine Kräfte nicht zu concentriren verstand, so erlosch bald nach seinem Tode sein Ruhm eben so schnell wieder, als derselbe sich rasch während seines Lebens gebildet hatte. Ein anderweitiges wirkliches Verdienst hat er sich jedoch durch die von ihm zum ersten Male versuchte lesbare Uebersetzung des Valerius Maximus (Hamb. 1676; Degen II. 524) erworben, das um so größer ist, als bis zu seiner Zeit nur jene des Heinrich von|Mügeln, die im J. 1369 in freier paraphrastischer Uebertragung (Freytag, Anal. lit. 1021—22) verfaßt und 1489 zu Augsburg gedruckt wurde, vorhanden war.

    Viel länger als seine Romane haben sich seine historischen Werke in der Achtung der Historiker erhalten, z. B. seine "Straf- und Unglücks-Chronica“, sein "Historisch Kern der Weltgeschichte“ und besonders seine „Relationes curiosae“, ein in „Wochenlieferungen erscheinendes die größten Denkwürdigkeiten dieser Welt" beschreibendes fünfbändiges Werk, später von Anderen fortgesetzt, welches noch immer ein gangbarer Antiquariatartikel ist. Uebrigens flüsterten seine Hamburger Zeitgenossen sich in die Ohren, daß der allezeit schreib- und schlagfertige Happelius vom Senate vielfach zur Abfassung energischer Staatsschriften gebraucht werde, welche dann als „unpartheiische“ oder „abgenöthigte“ Berichte oder Gegenberichte zur Vertheidigung der Rechte der freien Reichsstadt gegen nachbarliche Anfechtungen publicirt wurden. Beneke.

    • Literatur

      Strieder, Hessische Gelehrten-Gesch. V. 273; XII. 354. Moller, Cimbria II. 293—95 (mit Verzeichniß seiner sämmtlichen Schriften). Witte, Diar. biograph. ad ann. 1690. Chr. Thomasius, Freimüthige Gedanken, 1689, 687—806. Koch, Compendium II. 261—63 und daraus bei Goedeke, Gr. II. 509. Vilmar, Litteraturgesch., S. 371. Weller, Annal. II. 396. Hamb. Schriftsteller-Lex., Bd. III. S. 97 ff.

  • Autor/in

    J. Franck.
  • Zitierweise

    Franck, Jakob, "Happel, Eberhard Werner" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 551-552 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118720309.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA