Lebensdaten
1868 – 1952
Geburtsort
Wien
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Germanist
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118715585 | OGND | VIAF: 41964310
Namensvarianten
  • Kraus, Carl von
  • Kraus, C. von
  • Kraus, Carl
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Kraus, Carl von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118715585.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl v. K. (österr. Adel, 1837–1914), Dr. med., k. u. k. Gen.stabsarzt, S d. Schneidermeisters Josef K. u. d. Josefa Geyer;
    M Marie (1848–98), T d. Dr. med. Felix Rr. v. Kraus (1805–75), k. k. Gen.stabsarzt, Referent f. Sanitätsangelegenheiten im Kriegsmin., gestaltete in Ungarn d. Feldsanitätsdienst um, führte Schiffsambulanzen u. Zeltspitäler ein, bahnte Vereinheitlichung in d. Ausbildung d. Mil.ärzte an (s. ADB 17; BLÄ, ÖBL), u. d. Friederike Kettner;
    Om Viktor (1845–1905), Historiker u. Pädagoge, Gründer d. Dt. Schulver. u. zahlr. Schulvereinsschulen u. -kindergärten, Vorkämpfer d. „Freien Schule“ u. d. Jugendturnens, 1883-96 Reichratsabgeordneter, schrieb als Historiker bes. üb. Kaiser Maximilian I. (s. ÖBL);
    B Felix v. K. (1870-1937, Adrienne Osborne, 1873–1951, Sängerin), Konzertsänger, Wagner-Sänger, Gesangslehrer an d. Ak. d. Tonkunst in M. (s. Riemann; Kosch, Theater-Lex.; ÖBL);
    - Nora, T d. Eduard Sievers (1850–1932), Prof. d. Germanistik in Leipzig;
    2 S, 1 T.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Schottengymnasiums studierte K. 1885-89 an der Wiener Universität Deutsche Philologie, promovierte 1890 bei Richard Heinzel, habilitierte sich 1894 in Wien für ältere germanische Sprachen und Literaturen und lehrte dort als Privatdozent, seit 1902 als außerordentlicher Professor. 1904 wurde er als Nachfolger Ferdinand Detters an die Deutsche Universität Prag berufen, 1911 übernahm er den Lehrstuhl von Wilhelm Wilmanns in Bonn, um 1913 in Wien die Nachfolge Josef Seemüllers anzutreten, bis er 1917 als Nachfolger Hermann Pauls nach München ging. Hier wirkte er als ordentlicher Professor bis 1935, als Emeritus und nochmals als Vertreter der Professur bis 1947 und hat – außer für die Jahre 1944–46, als er, in München ausgebombt und seiner Bücher verlustig, in Zell am Ziller lebte – bis zu seinem Tod München nicht mehr verlassen.

    K. hat die gesamte germanische Philologie, wie sie sich seit den Brüdern Grimm und Karl Lachmann herausgebildet hat, souverän beherrscht und gelehrt: Lautlehre, Grammatik und Geschichte der germanischen Sprachen, Handschriften- und Textkritik, Metrik, Stilistik, die „höhere Kritik“ und die historische Forschung über Texte und Autoren. Seine Arbeiten erstrecken sich stofflich von Texten des frühen 12. Jahrhunderts (den Gegenständen seiner Dissertation und seiner Habilitationsschrift) über die deutsche Literatur des 9.-16. Jahrhunderts sowohl ins Methodische einerseits (von diffizilster Untersuchung, Einordnung und Rekonstruktion neugefundener Textfragmente), als auch ins Populäre andererseits, auch dieses allerdings auf dem Niveau höchster Ansprüche an sich selbst, wie seine Auswahlen und Übersetzungen aus „Minnesangs Frühling“ (1948) und der Gedichte Heinrichs von Morungen (1925) und Walthers von der Vogelweide (1926, 1943) in der „Bremer Presse“ und der „Insel-Bücherei“ sie zeigen. Trotz dieser Weite des wissenschaftlichen Interesses stand im Zentrum seiner Arbeit jedoch die Epoche der hochmittelalterlichen Ritterliteratur: Epik und vor allem Lyrik des 12. und 13. Jahrhunderts; die Ausgabe etwa des „Trierer Sylvester“ (1895, MG, Deutsche Chroniken I, 2, S. 1-61) oder die Aufsätze zur Heldenepik und zu spätmittelalterlichen Mären sind eher Nebenarbeiten beziehungsweise standen methodisch unter dem Aspekt seiner zentralen philologischen Fragestellung, der Metrik und Textkritik. Hier und zum Beispiel in den Arbeiten über „Die metrischen Regeln bei Heinrich von Hesler und Nikolaus von Jeroschin“ (Festschrift für M. H. Jellinek, 1928, S. 51-74), Rudolfs von Ems „Alexander“ (SB der Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1940, H. 8), zum „Saelden Hort“ und Seifrits „Alexander“ (ebenda, H. 1) und zu Heinrichs von Freiberg „Tristan“ (Festschrift für E. Gierach, 1942, S. 155-67) ging es ihm vorrangig um die methodische Nutzbarmachung der Metrik für textkritische Probleme.

    Im Zentrum aller Arbeiten K. stand die Beschäftigung mit dem Text. Ob er nur Teilaspekte anging wie zum Beispiel die Sprache Heinrichs von Veldeke – wo er den Beweis der Lachmannschen These von einer mittelhochdeutschen Dichtersprache an der Vermeidung mundartlicher Reime in der „Eneide“ führte – oder die Metrik im „Georg“ des Reinbot von Durne (Abhandlung der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften Berlin, Philosophisch-historische Klasse NF IV Nummer 1, 1902), die er auf die Textkritik anwendete (Edition 1907), ob Echtheitsfragen wie beim sogenannten „Zweiten Büchlein“ Hartmanns von Aue (Festschrift für R. Heinzel, 1898, S. 111-72), ob die „niedere Kritik“ von Handschriften und Fragmenten oder die „höhere Kritik“ bis in ästhetische Werturteile und Konjekturen – bestimmend war immer seine Verantwortung gegenüber dem Text als Ganzem. Darüber hinauszugehen auf übergreifende Perspektiven, Literaturgeschichte, national- oder geistesgeschichtliche Abstraktionen, hat er sich immer versagt. Schon seine musikalische Künstlerschaft stand dem im Weg, die ihn auch für die Literatur auf die künstlerische Einheit des Werks oder des Autors und auf die Nuancen verwies und die nicht zuletzt als Kriterium seiner textkritischen Entscheidungen zum mittelalterlichen Lied diente.

    Seine komprimierteste und unvergänglichste Leistung gehört dem deutschen Minnesang. K. Beschäftigung mit dieser literarischen Gattung erwuchs zunächst aus äußerem Anstoß: 1907 wurde ihm die Betreuung der 7. Auflage von Lachmanns Ausgabe der Lieder Walthers von der Vogelweide übertragen. Er wandte sich hinfort fast ausschließlich textkritischen Problemen des Minnesangs zu, so in Aufsätzen über Morungen, Reinmar und Walther, und verwertete die Ergebnisse seiner Arbeit an den folgenden Auflagen der Walther-Edition (⁸1923, ⁹1930) in den umfangreichen „Untersuchungen“ zu Walther (1935), mit denen er der Walther-Forschung eine neue Grundlage schuf, unter anderem auch den Versuch einer chronologischen Ordnung der strophischen Lieder wagte. Diese Bemühungen kamen der völlig neu bearbeiteten 10. Auflage der Edition 1936 zugute (13. Auflage herausgegeben von H. Kuhn, 1965). 1935 hatte K. auch die Lachmann-Hauptsche, von F. Vogt betreute Edition von „Des Minnesangs Frühling“, noch unverändert, als Herausgeber übernommen, die er 1940 neu bearbeitet vorlegte, nachdem er 1939 mit „Untersuchungen“ dazu, die sich den Walther-Untersuchungen an die Seite stellten, Rechenschaft über seine textkritische Arbeit am vor-waltherschen Minnesang abgelegt hatte. Das letzte Kompendium in dieser Trias der Minnesang-Editionen sind die „Liederdichter des 13. Jahrhunderts“, deren Editionsband K. noch selbst bearbeitete (1952), während er das Erscheinen des Kommentarbandes (von H. Kuhn, auf K. Aufzeichnungen beruhend, besorgt, 1958) nicht mehr erlebte (2. Auflage durchgesehen von G. Kornrumpf, 1978).

    Diese Editionen und Untersuchungen haben für die Literaturwissenschaft überhaupt, nicht nur für die Minnesang-Philologie, einen neuen Standard von Textnähe gesetzt, und wo heute K. mehr psychologische und stilistisch-ästhetische, mehr auf den Autor gerichtete Kategorien zurücktreten – in Echtheitsfragen etwa –, hat man sich dennoch dauernd mit seiner Intensität der Beobachtung und seinem Scharfsinn für „strukturelle“ Wort- und Begriffsgefüge auseinanderzusetzen.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Bayer., Österr., Preuß. u. Göttinger Ak. d. Wiss.

  • Werke

    Weitere W Editionen: Dt. Gedichte d. 12. Jh., 1894;
    Mhdt. Übungsbuch, 1912, ²1926;
    Die Hs. d. Wessobrunner Gebets, 1922;
    Revision d. Textes d. Lutherbibel, 5 Bde., 1927-29. -
    Abhh. u. Aufsätze: „Vom Rechte“ u. „Die Hochzeit“, 1891;
    Die Widersprüche im Beowulf, in: Zs. f. dt. Altertum 35, 1891, S. 265-81;
    Über d. mhdt. Konjunktion unde, ebd. 44, 1900, S. 149-86;
    Zur Kritik d. Helmbrecht, ebd. 47, 1904, S. 305-18;
    Zur Kritik d. Rittertreue, ebd. 48, 1906, S. 103-28;
    Virginal u. Dietrichs Ausfahrt, ebd. 50, 1908, S. 1-123;
    Wort u. Vers in Gottfrieds Tristan, ebd. 51, 1909, S. 301-78;
    Mhdt. Bruchstücke: Aus Konrads v. Heimesfurt Mariä Himmelfahrt, Aus Wirnts Wigalois, ebd. 55, 1917, S. 296-301;
    Der rührende Reim im Mittelhochdeutschen, ebd. 56, 1917/18, S. 1-76;
    Waltheriana, ebd. 59, 1922, S. 309-27;
    Gotica Veronensia, ebd. 66, 1929, S. 209-13;
    Das sog. demonstrative ein im Mittelhochdeutschen, ebd. 67, 1930, S. 1-22;
    Zu Haugs Stephansleben, ebd. 76, 1939, S. 253-63;
    Das got. Weihnachtsspiel, in: Btrr. z. Gesch. d. dt. Sprache u. Lit. 20, 1895, S. 224-57;
    Zu Wolframs Willehalm, ebd. 21, 1896 S. 540-61;
    Höhere Kritik u. Kritiklosigkeit, in: Euphorion 5, 1898, S. 461-68;
    Heinrich v. Veldeke u. d. mhdt. Dichtersprache, 1899;
    Zu d. Liedern Heinrichs v. Morungen. 1916;
    Die Lieder Reimars d. Alten, 1919;
    Zu Walthers Elegie, in: Festschr. f. K. Zwierzina, 1924, S. 17-29;
    Über Walthers Lied: „ir reinen wîp, ir werden man“, in: Festschr. d. Wiener Ak. Germanistenver., 1925, S. 105-16;
    Neue Bruchstücke einer mhdt. Lieder-Hs., in: Festschr. E. Sievers, 1925, S. 504-25;
    Bruchstücke einer neuen Fassung d. Eckenliedes A, 1926;
    Über einige Meisterlieder d. Kolmarer Hs., 1929;
    Die Waltherforschung d. letzten J.zehnts, in: Bayer. Bildungswesen 4, 1930, S. 257-69;
    Vorschläge zum Wolfdietrich A, in: Festschr. f. G. Leidinger, 1930, S. 135-44;
    Zu d. Liedern d. Berliner Hs. Germ. Fol. 922, 1942.

  • Literatur

    C. v. K., Schriftenverz., hrsg. v. E. Hartl, 1949;
    P. Diels, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1952, S. 174-79 (P);
    D. Kralik, in: Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 102, 1952, S. 323-35 (P).

  • Autor/in

    Hugo Kuhn , Norbert H. Ott
  • Zitierweise

    Kuhn, Hugo; Ott, Norbert H., "Kraus, Carl von" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 692-693 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118715585.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA