Lebensdaten
1852 – 1911
Geburtsort
Rotterdam
Sterbeort
Berlin-Steglitz
Beruf/Funktion
Physikochemiker
Konfession
reformiert
Normdaten
GND: 118705814 | OGND | VIAF: 21285
Namensvarianten
  • van`t Hoff, Jacobus Henricus
  • Hoff, Jacobus Henricus van`t
  • van`t Hoff, Jacobus Henricus
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Zitierweise

Hoff, Jacobus Henricus van`t, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118705814.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jacobus Henricus (1817–1902), Dr. med., Schiffsarzt, dann prakt. Arzt in R., S d. Gutsbes. Jacob u. d. Maria Marg. de Reus;
    M Alida Jacoba (1820–1909), T d. Weinhändlers Cornelius Kolff in R. u. d. Hermine Joh. Kolff;
    Rotterdam 1878 Jenny (1853–1935), T d. Großhändlers Govert Jacob Mees in R. u. d. Johanna Hudig;
    2 S (1 ⚔), 2 T.

  • Biographie

    Sein Studium der Chemie begann H. 1869 am Polytechnikum in Delft. 1871 wechselte er an die Universität Leiden über und legte dort 1872 das „Kandidaten-Examen“ ab. Anschließend ging er nach Bonn, wo er Schüler Kekulés wurde. Kurze Zeit studierte er auch in Paris bei A. Wurtz. 1874 bestand er in Utrecht die Doktorprüfung. Seine erste Anstellung fand er 1876 als Lehrer der Physik an der Veterinärschule Utrecht und erhielt 1877 einen Lehrauftrag, 1878 das Ordinariat für Chemie, Mineralogie und Geologie an der neugegründeten Universität Amsterdam. Hier wirkte er 18 Jahre lang. Einen Ruf nach Leipzig lehnte er 1887 ab, nachdem ihm vom Amsterdamer Stadtrat die Mittel zum Bau eines neuen Laboratoriums zur Verfügung gestellt worden waren. 1895 schlug er auch den an der Universität Berlin durch den frühen Tod von A. Kundt verwaisten Lehrstuhl für Experimentalphysik mit seinen vielfältigen Verpflichtungen an Verwaltung, Lehr- und Forschertätigkeit aus, nahm aber 1896 die ihm angebotene „Sonderprofessur“ an der Preußischen Akademie der Wissenschaften an. Zugleich wurde er Honorarprofessor an der Universität ohne Lehrverpflichtungen, las aber ab und zu über Sondergebiete der physikalischen Chemie. Schon vor dem Abschluß mit Berlin, 1895, hatte er um seine Entlassung an der Amsterdamer Universität nachgesucht und war, peinlichen Nachfragen und Vorwürfen wegen seines Weggangs ausweichend, mit seiner Familie für längere Zeit außer Landes gegangen. Aufenthalte in Süddeutschland, in der Nordschweiz und schließlich im Tessin sollten seine angegriffene Gesundheit kräftigen und waren theoretischen Arbeiten gewidmet. April 1896 nahm er seine Tätigkeit in Berlin auf, die mit seinem Tode endete.

    H. gehört zu den Mitbegründern der physikalischen Chemie. Schon vor der Promotion beschäftigt den Schüler Kekulés der Gedanke, daß die Moleküle durch die Schemata chemischer Formeln in der Papierebene nicht sachgemäß dargestellt werden können. Er macht den „Vorschlag zur Ausdehnung der…Strukturformeln in den Raum“ und denkt sich „die Affinitäten des Kohlenstoffatoms gegen die Ecken eines Tetraeders gerichtet, dessen Mittelpunkt das Kohlenstoffatom ist“. Sowohl die bis dahin rätselhafte Erscheinung des optischen Drehungsvermögens von Kristallen wie die Isomerieerscheinungen verschiedener Moleküle gleicher atomarer Zusammensetzung ließen sich mit H.s Vorstellung zwanglos erklären. Die 1875 veröffentlichte Schrift „La chimie dans l'espace“ erregte stärkstes Aufsehen, besonders als die von J. Wislicenus erbetene und von ihm mit einem Vorwort ausgestattete deutsche Übersetzung, „Die Lagerung der Atome im Raume“ (1877 übertragen von F. Herrmann), zur schnellen Verbreitung beitrug. H. Kolbe allerdings sprach in seinem „Journal für praktische Chemie“ (14, 1877) sarkastisch von H.s Ideen, von einem Flug des Autors auf dem Pegasus, vom „Überhandnehmen des Unkrauts der gelehrt und geistreich scheinenden, in Wirklichkeit trivialen, geistlosen Naturphilosophie“. Aller Polemik abhold, hat H. an diese Kritik angeknüpft, als er bereits im folgenden Jahre in seiner Antrittsrede an der Universität Amsterdam über das Thema „Die Phantasie in der Wissenschaft“ sprach.

    In den Amsterdamer Jahren hat H. die physikalische Chemie um fundamentale Erkenntnisse bereichert. Er legte den heiß umstrittenen Begriff der Affinität einer chemischen Reaktion fest. Er erkannte in der maximalen Arbeit den exakten Ausdruck für Ablaufrichtung und Triebkraft im chemischen Geschehen, damit das Berthelotsche Prinzip ablösend, das die Wärmetönung als maßgebliche Größe ansah. Er wies den Zusammenhang zwischen Affinität und chemischem Gleichgewicht nach, stellte in der nach ihm benannten „Reaktionsisochore“ die Beziehung zwischen Wärmetönung und Gleichgewichtsverschiebung mit der Temperatur dar und sprach den Satz vom „beweglichen Gleichgewicht“ eines Systems aus, das sich bei Temperaturerniedrigung im Sinne einer Wärmebildung verschiebt. Gleichzeitig wandte H. sich der durch das Massenwirkungsgesetz von Guldberg und Waage angeregten Reaktionskinetik zu. Als erster erkannte und betonte er deren Eigenständigkeit und Abgrenzung gegen die Thermodynamik und die ältere „Verwandtschaftslehre“. Er schuf eine Systematik und stellte die Differentialgleichungen für die verschiedenen Reaktionsordnungen auf. Auf Grund von Beobachtungen kam er zur empirischen Regel, daß einer Temperatursteigerung um 10° eine Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit auf etwa das Doppelte bis Dreifache entspricht. In der 2. Hälfte der 80er Jahre stehen die Untersuchungen zu H.s „Theorie der verdünnten Lösungen“ im Vordergrund. Angeregt durch Experimente des Pflanzenphysiologen W. Pfeffer über den Stofftransport in der Pflanze, hat H. sich mit dem Problem der osmotischen Effekte ideal verdünnter Lösungen beschäftigt und dieses Gebiet der quantitativen Behandlung erschlossen. Er knüpfte an die Raoultsche Entdeckung an, daß – bei geringen Konzentrationen – für das gleiche Lösungsmittel molekulare Siedepunktserhöhung und Gefrierpunktserniedrigung konstant und von der Natur des gelösten Stoffes unabhängig sind. Er stellte die Theorie auf, daß der osmotische Druck genau wie der Gasdruck dem Boyle-Gay-Lussac’schen Gesetz folgt. Der gelöste Stoff übe einen osmotischen Druck aus, der demjenigen Gasdruck gleich sei, den dieselbe Substanzmenge in dem gleichen Raum als Gas ausüben würde. Dies bedeutet, daß auch die gelösten Moleküle dem Avogadroschen Gesetz gehorchen. Durch Anwendung der Thermodynamik berechnete er die empirisch gefundenen Konstanten für Gefrierpunktserniedrigung beziehungsweise Siedepunktserhöhung aus Schmelzwärme beziehungsweise Verdampfungswärme des Lösungsmittels, aus Schmelz- beziehungsweise Siedepunkt und aus der Molmasse des gelösten Stoffes. 1901 erhielt H. den Nobelpreis, der in diesem Jahr erstmals verliehen wurde, „für die Entdeckung der Gesetze der chemischen Dynamik und des osmotischen Druckes“. H.s Theorie der Lösungen habe die Kenntnisse von|dem engen Gebiet der gasförmigen Stoffe auf das ungeheuer viel größere Gebiet aller gelösten Stoffe erweitert.

    Dem Theoretiker waren jedoch auch praktische Probleme der Anwendung keineswegs fremd. Nach seiner Übersiedlung nach Berlin hat sich H. 1½ Jahrzehnte lang in den Staßfurter Salzlagern mit umfangreichen Untersuchungen über deren Bildung aus ozeanischen Ablagerungen befaßt, um, wie er sagt, seinem zweiten Vaterlande damit einen kleinen Dank abzustatten. 1901 von der Universität Chicago zu Gastvorlesungen eingeladen, hielt er Vorträge über die Beziehungen der physikalischen Chemie zur wissenschaftlichen und zur industriellen Chemie, zur Physiologie sowie zur Geologie. In seinen letzten Lebensjahren hat ihn die Bildung organischer Stoffe aus anorganischem Material in der grünen Pflanze beschäftigt. Auf einem ihm zur Verfügung gestellten Gelände in Dahlem studierte er die Einwirkung verschiedener damals bekannter Strahlenarten auf den Pflanzenwuchs. In zwei kurzen Abhandlungen hat er der Akademie über seine Pläne berichtet. Die Idee war richtig, wenn er auch die Erklärung nicht geben konnte, daß die – damals noch nicht bekannte – ultraharte Strahlung Mutationen hervorrufen kann. Ende 1911 hat E. Cohen, H.s Biograph und Direktor des „Van't Hoff-Laboratorium“ in Utrecht, H.s letztes Buch herausgegeben, „Die chemischen Grundlehren nach Menge, Maß und Zeit“. Mit seinen Abschnitten über die Qualität, die Quantität, die Dimension, die Arbeit, die Zeit und über Quantität und Zeit stellt das Werk einen sorgsam durchdachten und sorgfältig gegliederten Querschnitt durch die physikalische Chemie dar, der noch heute – nach einem halben Jahrhundert – Geltung behalten hat. Auf seinem Krankenlager hat H. eine kleine Schrift veröffentlicht, „Sanatoriumsbetrachtungen“ (Biochemische Zeitschrift, Festband H. J. Hamburger, 1908). Mit objektiver Wissenschaftlichkeit untersucht er die Erscheinungen des unaufhaltsam verrinnenden eigenen Lebens, bemüht, sie zur Lösung biologischer Probleme zu verwerten.

  • Werke

    Weitere W u. a. Ansichten üb. d. organ. Chemie, 2 Bde., 1878/81;
    Études de dynamique chimique, 1884, dt. Bearb. v. E. Cohen, 1896, engl. Bearb. 1896 u. 1898;
    Vorlesungen üb. theoret. u. physikal. Chemie, 1.-3. H., 1898-1900 (franz., engl., russ.), ²1901/03;
    Über d. Theorie d. Lösungen, 1900 (russ. 1903);
    Die Gesetze d. chem. Gleichgewichts f. d. verdünnten, gasförm. u. gelösten Zustand, hrsg. v. G. Bredig, = Ostwalds Klassiker d. exakten Wiss. 110, 1900 (russ. 1902);
    Zur Bildung d. ozean. Salzablagerungen, 2 Bde., 1905, 1909.

  • Literatur

    W. Ostwald, Gedenkrede, in: Berr. d. Dt. chem. Ges. 44, 1911 (P);
    E. Fischer, in: SB d. Preuß. Ak. d. Wiss., 1911;
    E. Cohen, J. H. van't H., 1912 (W, L, P);
    ders., in: Buch d. großen Chemiker II, hrsg. v. G. Bugge, 1929;
    J. Walker, in: Journal of the Chemical Society London 103, 1913 (P);
    J. D'Ans, Die Bedeutung v. H.s Arbb. üb. Lösungsgleichgewichte u. d. Methoden ihrer Unters, u. graph. Darst., in: Zs. f. Elektrochemie 56, 1952 (L, P);
    ders., in: Angew. Chemie 65, 1953 (P);
    ders., J. H. van't H.s Jahre in Berlin 1896-1911, in: Chemiker-Ztg. 76, 1952 (P);
    P. A. Thießen, in: FF 35, 1961;
    R. Lepsius, in: Chemiker Ztg.-Chem. Apparatur 85, 1961 (P);
    R. Kuhn, in: Naturwiss. Rdsch. 15, 1962 (P);
    BJ 16 (W, L, u. Tl.);
    Pogg. III-V. - Zur Geneal.: D. van Baalen, in: Gens nostra, Jg. 1968, S. 202-08 (P);
    Nederland's Patriciaat 40, 1954.

  • Autor/in

    Richard Lepsius
  • Zitierweise

    Lepsius, Richard, "Hoff, Jacobus Henricus van`t" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 384-386 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118705814.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA