Lebensdaten
1876 – 1962
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Beverly Hills (Kalifornien, USA)
Beruf/Funktion
Dirigent ; Komponist ; Pianist
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118628879 | OGND | VIAF: 46948108
Namensvarianten
  • Schlesinger, Bruno (eigentlich)
  • Schlesinger, Bruno Walter (eigentlich lt. ÖML)
  • Walter, Bruno
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Zitierweise

Walter, Bruno, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118628879.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph Schlesinger (1844–1930, jüd.), Kaufm., Buchhalter in e. Textilfa. in Berlin;
    M Johanna (1843–1929, jüd.), T d. Loebel Fernbach u. d. Caroline Weigersheim;
    B Leo Schlesinger (1873–1952), Schw Emma Schlesinger (1878–1949);
    Berlin 1901 Elisabeth (Ps. Elsa Korneck) (1871–1945), Opernsängerin, Sopranistin, T d. Paul Heinrich Wilhelm Wirthschaft (um 1835–1910, ev.), Kaufm. in Langfuhr b. Danzig, u. d. Emma Blindow;
    2 T Lotte (1903–1970, Karl Ludwig Lindt, 1902–71, Schausp.), Übers., Hg. v. W.s Briefen, schenkte 1963 d. Nachlaß d. Univ. f. Musik u. darstellende Kunst Wien (s. W), Marguerite (Gretel) (1906–39, Robert Neppach, 1890–1939 Freitod, nachdem er seine Ehefrau erschossen hatte, aus Wien, Filmarchitekt).

  • Biographie

    W., Sohn einer mittelständischen, musikbegeisterten jüd. Familie, begann seine musikalische Ausbildung als Achtjähriger am Sternschen Konservatorium in Berlin (Klavier bei Heinrich Ehrlich, 1822–99) und debütierte 1889 mit 13 Jahren als Pianist bei den Berliner Philharmonikern. Nach dem Erlebnis eines Konzerts Hans v. Bülows (1830–94) entschied er sich für die Dirigentenlaufbahn und setzte seine Studien bei Robert Radecke (1830–1911) und Arno Kleffel (1840–1913) fort. Ein erstes Engagement als Korrepetitor führte W. 1893 an das Stadttheater Köln, wo er mit Lortzings „Der Waffenschmid“ als Dirigent debütierte. Entscheidend für W.s künstlerische Entwicklung waren seine Jahre als Korrepetitor, Chordirektor sowie später Kapellmeister unter Gustav Mahler (1860–1911) am Stadttheater Hamburg 1894–96. Es folgten Engagements als Kapellmeister an den Stadttheatern Breslau 1896 / 97, Preßburg 1897 / 98 und Riga 1898 / 99 sowie in Temeswar 1899; anschließend wirkte W. an der Hofoper in Berlin neben Richard Strauss (1864–1949) und Karl Muck (1859–1940). Von Mahler 1901 als Kapellmeister an die Wiener Hofoper geholt, stand er dort bis 1912 über 850mal am Pult. Gleichzeitig begann eine rege Gastiertätigkeit, u. a. nach London, Paris, Zürich und Moskau; dem Wunsch Mahlers entsprechend, leitete er 1911 die postume Uraufführung von dessen „Das Lied von der Erde“ mit dem Konzertvereins-Orchester in München, im darauffolgenden Jahr die postume Uraufführung der 9. Symphonie in Wien mit den Wiener Philharmonikern.

    W. nannte sich schon seit 1897, seiner Breslauer Zeit, „Bruno Walter“; nach Annahme der österr. Staatsbürgerschaft 1911 strich er „Schlesinger“ endgültig aus seinem Namen. 1913 wurde W. als Nachfolger Felix Mottls (1856–1911) zum Generalmusikdirektor an der Münchner Hofoper ernannt. An diesem Haus, dem er seit 1918 auch als Operndirektor vorstand, leitete er 64 Neuinszenierungen, darunter zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, unter denen die Uraufführung von Hans Pfitzners (1869–1949) „Palestrina“ (1917) herausragt. Nach seinem, auch durch antisemitische Angriffe seitens der Presse bedingten Abschied aus München 1922 übernahm W. 1925 als Generalmusikdirektor die Leitung der Städtischen Oper Berlin; ab 1929 war er als Nachfolger Wilhelm Furtwänglers (1886–1954) Gewandhauskapellmeister in Leipzig. 1923–33 hatte er eine eigene Konzertreihe, die Bruno-Walter-Konzerte, mit den Berliner Philharmonikern. Daneben intensivierte er seine Gastspieltätigkeit, insbesondere nach Paris und an die Covent Garden Opera London. 1923 erfolgte sein Amerika-Debüt in New York.

    Nach einer Boykottandrohung der Nationalsozialisten 1933 verlegte W. den Schwerpunkt seines Wirkens nach Österreich. Nachdem er bereits seit 1925 zu den maßgeblichen Mitgestaltern der Salzburger Festspiele gehört und dort vielbeachtete Produktionen, u. a. von „Don Giovanni“, „Tristan und Isolde“ sowie „Orfeo ed Euridice“, geleitet hatte, wirkte er 1936–38 als Direktor der Wiener Staatsoper. In dieser Zeit entstanden heute klassische Schallplattenaufnahmen der 9. Symphonie von Mahler sowie des ersten Akts von Wagners „Die Walküre“.

    Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 emigrierte W. zunächst nach Frankreich und nahm die ihm angebotene franz. Staatsbürgerschaft an; 1939 übersiedelte er in die USA, wurde 1946 amerik. Staatsbürger und wählte Beverly Hills zu seinem Wohnort. Hier stand er in regem Kontakt zu anderen Emigranten. Neben Los Angeles wurde New York Zentrum seines Wirkens. Ab 1941 dirigierte W. regelmäßig an der Metropolitan Opera und fungierte 1947–49 als Berater des New York Philharmonic Orchestra. Gastspiele führten ihn zu allen bedeutenden amerik. Orchestern; schon 1946 kam er auch wieder nach Europa, wo er insbesondere dem Edinburgh Festival verbunden war. Nach einem Herzinfarkt 1957 reduzierte W. seine Konzerttätigkeit und konzentrierte sich auf Schallplattenaufnahmen, primär mit dem eigens für ihn zusammengestellten Columbia Symphony Orchestra.

    Bereits früh trat W. mit eigenen, in spätromantischem Duktus gehaltenen Kompositionen hervor, verlegte sich aber nach 1911 fast ausschließlich auf das Dirigieren. Sporadisch trat er noch als Pianist auf – so als Liedbegleiter von Lotte Lehmann (1888–1976) oder Kathleen Ferrier; gelegentlich leitete er auch Mozart-Konzerte vom Flügel. W. war eine der prägenden Dirigentenpersönlichkeiten des 20. Jh., nicht zuletzt aufgrund seiner zentralen Rolle in der Rezeptionsgeschichte der Symphonik Gustav Mahlers. Auch wenn er in seinen späten Jahren Werke amerik. Komponisten zur Aufführung brachte – die 1. Symphonie von Samuel Barber spielte er zudem auf Schallplatte ein –, stand er der Moderne, insbesondere der Atonalität, weitestgehend ablehnend gegenüber. Im Zentrum seines Wirkens als Dirigent stand das dt.-österr. Kernrepertoire mit Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms und Bruckner, das er zu großen Teilen auf Schallplatten einspielte.

    W.s Musizierhaltung entsprach seinem humanistischen Ideal, das Schönheit ins Zentrum der Interpretationsästhetik stellte. Dies brachte ihm auch Kritik, wie z. B. von Adorno, ein. Der abgeklärte, Extreme vermeidende Interpretationsstil der späten Aufnahmen ist|jedoch nicht für seine gesamte Karriere charakteristisch, wie frühere Aufnahmen sowie bisher unveröffentlichte Mitschnitte, etwa aus der Metropolitan Opera, zeigen. Als ein Mann von hoher Bildung – seit seiner Münchner Zeit in tiefer Freundschaft mit Thomas Mann (1875–1955) verbunden – trat W. schon früh auch publizistisch hervor. Seine Memoiren zählen zu den bedeutenden Selbstzeugnissen des 20. Jh. Nach 1947 wandte er sich verstärkt anthroposophischem Gedankengut zu.

  • Auszeichnungen

    |u. a. Komturkreuz I. Kl. d. Österr. Verdienstordens;
    Ehrenmitgl. d. Wiener Staatsoper (1945), d. Wiener Philharmoniker, d. Wiener Singak., d. Dt. Oper Berlin u. d. Gewandhaus-Orch. Leipzig (1961);
    Ehrenring d. Ges. d. Musikfreunde (1956);
    Arthur-Nikisch-Preis d. Stadt Leipzig (1957);
    Ehrenring u. Goldener Mozart-Ring d. Stadt Wien (1956);
    Goldene Mozart-Medaille;
    Dr.-Karl-Renner-Preis (1959);
    Österr. Ehrenzeichen f. Wiss. u. Kunst (1961).

  • Werke

    Weitere W u. a. Kompositionen: 2 Symphonien, Chorwerke, Schauspielmusiken, Kammermusik, ca. 25 Lieder;
    Schrr.: Gustav Mahler’s III. Symphonie, in: Der Merker, 1, 1909, S. 9–11;
    Mahlers Weg, e. Erinnerungsbl., ebd. 3, 1912, S. 166–71;
    Von d. moral. Kräften d. Musik, Vortr. gehalten im Kulturbund zu Wien, 1935, Nachdr. 1987, ²1996;
    Gustav Mahler, 1936, Nachdr. u. d. T. Gustav Mahler, Ein Porträt, 1957, erw. Neuausg. 1981;
    Bruckner and Mahler, in: Chord and Discord 2 / 2, 1940, S. 3–12;
    Theme and variations, An autobiography, 1946, dt. u. d. T. Thema u. Variationen, Erinnerungen u. Gedanken, 1947, 1963, 1988 (P);
    Von d. Musik u. vom Musizieren, 1957, 1976;
    Mein Weg z. Anthroposophie, in: Das Goetheanum 52, 1961, S. 418–21;
    Korr.: Briefe 1894–1962, hg. v. Lotte Walter Lindt, 1969, 1971;
    Nachlaß: Univ. f. Musik u. darstellende Kunst Wien;
    Bruno Walter Memorial Foundation, seit 1978 New York Public Library.

  • Literatur

    |P. Stefan, B. W., 1936 (P);
    Th. Mann, To B. W. on his Seventieth Birthday, in: The Musical Quarterly 23, 1946, S. 503–08;
    B. Gavoty, B. W., 1956;
    A. Holde, B. W., 1960 (P);
    H. Schonberg, Die gr. Dirigenten, 1973;
    D. A. Pickett, A B. W. Discography, Part One, Commercial Recordings, Issued Discs Only, B. W. Soc. [1973];
    R. Louis, B. W. au disque, Diapason, Nr. 415, 1995, suppl. (Diskogr.);
    S. Eschwé u. M. Staudinger (Hg.), B. W., Der Wiener Nachlass, 2001 (P);
    E. Ryding u. R. Pechefsky, B. W., A World Elsewhere, 2001 (P), ²2006 (Diskogr.);
    M. Selvini, B. W., La porta dell’eternità, 3 Bde., 1999–2001 (P);
    J. M. Fischer, Gustav Mahler, der fremde Vertraute, 2003;
    W. Schreiber, Gr. Dirigenten, 2005, ²2007;
    H. R. Vaget, Thomas Mann u. d. Musik, 2006;
    U. Jung-Kaiser, Mahler, d. Weltenträumer, in: dies. u. M. Kruse, „Was mir die Engel erzählen …“, Mahlers traumhafte Gegenwelten, in: Wegzeichen Musik 6, 2011, S. 13–58;
    B. W. erinnern, Internat. Symposium Wien 2012, Tagungsbd. hg. v. M. Staudinger, 2013 (P);
    M. Schwalb, Mahlers Sachverwalter, d. Dirigent B. W., in: Bahnbrüche, Gustav Mahler, hg. v. Ch. Berger u. G. Schnitzler, 2015, S. 319–34;
    ANB;
    MGG (P);
    MGG²;
    BHdE II;
    Enc. Jud. 1971 (P);
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    Hist. Lex. Wien(P);
    Kosch, Theater-Lex.;
    Munzinger.

  • Porträts

    |Ölgem. v. S. Cavallo-Schülein, 1958 (München, Bayer. Nat.theater, Parkett) u. Bronzebüste v. P. Lipman-Wulf, 1968 (ebd., 1. Rang), Abb. in: A. Lenz u. H. Huber, Die Portrait-Gal. im Nat.theater, 1990, S. 27 f. u. 61;
    zahlr. Photogrr., Abb. in: Selvini (s. L).

  • Autor/in

    Stephan Hörner
  • Zitierweise

    Hörner, Stephan, "Walter, Bruno" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 355-357 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118628879.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA