Lebensdaten
1914 – 2007
Geburtsort
Budapest
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Dramatiker ; Hörspielautor ; Drehbuchautor ; Romancier ; Schriftsteller ; Theaterregisseur ; Theaterdirektor ; Regisseur ; Übersetzer
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118620444 | OGND | VIAF: 19714357
Namensvarianten
  • Tábori, György (eigentlich)
  • Tabori, George
  • Tábori, György (eigentlich)
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Zitierweise

Tabori, George, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118620444.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Cornelius (1879–1944 KZ Auschwitz), Journalist in Budapest, S d. Maurus, Postdir. v. Solnok (Ungarn);
    M Elsa N. N. (1889–1963), T d. N. N. u. d. Fanny Kraus-Ziffer;
    B Paul (Ps. Peter Stafford) (1908–74), Autor, Journalist, emigrierte 1937 n. London;
    1) Jerusalem 1942 1953 Hannah (* 1919), emigrierte mit ihrer Schw Hildegard n.|Palästina, 1942 Sekr. d. BBC in Jerusalem, ging dann mit T. in d. USA, studierte Psychol. in New York, T d. Karl Freund, Kaufm., u. d. Erna Levi, 2) 1954 1972 Viveca Lindfors (1920–95, 1] 1941–42 Karl Hartnagel [Ps. Harry Hasso], 1904–84, Regisseur, Schausp., 2] 1944 1948 Folke Rogard, 1899–1973, RA, Schachfunktionär, 1949–70 Präs. d. Weltschachbunds FIDE, s. Svenskt Biografiskt Lex., 3] 1948–53 Don[ald] Siegel, 1912–91, Regisseur), aus Uppsala, Schausp., 3) 1976 1984 Ursula Grützmacher (* 1947), Übers., 4) 1985 2007 Ursula Höpfner (* 1949), aus Hannover, Tänzerin, Schausp., Josef-Kainz-Medaille 1989; Vt d. 1. Ehefrau Karl Freund (1882–1943 KZ Auschwitz, Elisabeth Fischer, 1882–1947, Malerin), Kunsthist., Kustos am Hess. Landesmus. in Darmstadt (s. Juden als Darmstädter Bürger, hg. v. E. G. Franz, 1984; Stadtlex. Darmstadt), S d. Max (1857–1933), Zigarrenfabr. in Pfungstadt, u. d. Augusta Karolina Weisenburger (1860–98), aus Gemmingen (Kraichgau).

  • Biographie

    T. wuchs zweisprachig (dt./ungar.) in einem weltoffenen und sehr kultivierten Elternhaus in Budapest auf. Nach dem Abitur 1932 absolvierte er Praktika im Hotelfach in Budapest, Dresden und Berlin, wo er mit der vielfältigen Kulturlandschaft und dem Theater Brechts in Berührung kam. Ende 1935 folgte T. seinem Bruder Paul nach London und war als Übersetzer und Reiseleiter tätig. Innerhalb kürzester Zeit erlernte er die engl. Sprache, die er von da an auch für sein literarisches Schaffen bevorzugte. Die Kriegsjahre verbrachte T. als Nachrichtenkorrespondent brit., schwed. und ungar. Zeitungen in Sofia, Belgrad, Istanbul, Ankara, Jerusalem und Kairo. Zudem arbeitete er als Kundschafter für den brit. Geheimdienst. Die schrecklichen Ereignisse der NS-Herrschaft verarbeitete T. in seinem ersten Roman „Beneath the Stone“ (1945). Zwei Jahre später erhielt er die brit. Staatsbürgerschaft und ging als Drehbuchautor nach Hollywood. Hier begegnete er vielen Emigranten, u. a. Th. W. Adorno, A. Schönberg, Th. Mann und B. Brecht, für den er einige seiner Stücke ins Amerikanische übersetzte (u. a. Mutter Courage). Trotz einer stattlichen Zahl verfilmter Drehbücher, darunter „I confess“ (1953, Regie: A. Hitchcock), blieb für T. der durchschlagende Erfolg in der Filmbranche aus. Durch seine zweite Ehefrau kam er in Kontakt mit Lee Strasberg und dessen „Actors Studio“ und konnte hier zehn Jahre lang Erfahrungen mit Schauspielern für seine eigenen Inszenierungen und Stücke sammeln. Sein erstes Theaterstück „Flight into Egypt“ hatte 1952 am Broadway in New York Premiere, 1956 folgte T.s Regiedebüt mit Strindbergs „Fräulein Julie“ am Phoenix Theater in New York mit seiner Frau in der Hauptrolle. Mit ihr zusammen versuchte T. von 1966 an, seine Kenntnisse aus dem Actors Studio in der eigenen freien Theatergruppe „The Strolling Players“ umzusetzen, und widmete sich nun verstärkt dem Schreiben von Theaterstücken; viele davon arbeitete er auch zu Hörspielfassungen um, wie u. a. „Weismann und Rotgesicht“ (1978). Fortan beschäftigten ihn aber auch die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und die Möglichkeiten der Darstellung auf der Theaterbühne. „Die Kannibalen“, T.s erstes Holocaust-Stück, in dem er das Schicksal seines 1944 in Auschwitz ermordeten Vaters verarbeitete, erhielt 1968 in New York zwar keinen großen Zuspruch, aber noch im selben Jahr folgte eine bahnbrechende Aufführung am Berliner Schillertheater. Wegbereitend trat hier erstmals Maria Müller-Sommer (* 1922) in Erscheinung, die später als Verlegerin seiner Stücke maßgeblich zu T.s Erfolg beitrug. Anfang der 1970er Jahre zog T. nach Berlin und ging eine Verbindung mit seiner späteren Frau Ursula Grützmacher ein, die seine Stücke, welche er zeitlebens in engl. Sprache verfaßte, ins Deutsche übersetzte. T.s eigenwilliger Inszenierungsstil, wie beispielsweise 1972 in seinem Stück „Clowns“ und 1974 in Saunders’ „Kohlhaas“, erregte in Fachkreisen viel Aufsehen. T. distanzierte sich zunehmend von der Brechtschen Dramaturgie und dessen politischer Thematik, an der er sich in seinen früheren Arbeiten orientiert hatte. Seine Stücke „Sigmunds Freude“ (1975) und „Talk Show“ (1976) hatten die Verknüpfung von Glück und Leid zum Thema, in seiner Beschäftigung mit Kafka in „Verwandlungen“ (1977) und „Die Hungerkünstler“ (1977) standen die Erkundung von Grenzsituationen im Vordergrund. 1975–78 bot das Bremer Theaterlabor T. die Möglichkeit, seine experimentelle Probenarbeit in Anlehnung an Strasbergs „Method“ in einem festen Ensemble zu verwirklichen. 1978–81 inszenierte T. an den Münchner Kammerspielen u. a. seine „Shylock-Improvisationen“ (1978) und „Mutters Courage“ (1979), in der er die Rettung seiner Mutter vor der Deportation thematisierte. Als freier Regisseur war er 1982–85 in Köln, Bochum und Berlin mit Stücken von Beckett und eigenen Werken wie „Voyeur“, „Jubiläum“ und „Peepshow“ zu sehen, bis ihn 1985–86 Dieter Dorn mit festem Regievertrag an die Münchner Kammerspiele holte. Mit dem Theaterlabor „Der Kreis“ (Wien, Porzellangasse) bekam T. 1987–90 ein weiteres Mal ein festes Ensemble für seine experimentelle Probenarbeit. T. war Geschäftsführer, Direktor und künstlerischer|Leiter in einer Person, sein Inszenierungsschwerpunkt lag auf den eigenen Shakespeare-Adaptionen „Verliebte und Verrückte“ (1989), „Lears Schatten“ (1989), „Hamlet“ (1990). 1990 verließ er das Theaterlabor und wechselte ans Wiener Burgtheater, wo er unter Claus Peymann (* 1937) zu einem der meistgespielten Autoren avancierte. Die äußerst erfolgreiche Zeit hatte mit der Uraufführung von „Mein Kampf“ am Wiener Akademietheater 1987 begonnen; danach wurde vielen seiner Inszenierungen große Anerkennung zuteil, wie „Weismann und Rotgesicht“ (1990), „Othello“ (1990), der Kafka-Bearbeitung „Unruhige Träume“ (1992), sowie „Babylon-Blues“ (1991), „Requiem für einen Spion“ (1993), „Ballade vom Wiener Schnitzel“ (1996) und „Die letzte Nacht im September“ (1997). Mit Peymann wechselte T. 1999 ans Berliner Ensemble, das 2000 mit „Die Brecht-Akte“ wiedereröffnet wurde. 2001 und 2002 folgten hier die Uraufführungen von „Frühzeitiges Ableben“ und „Erdbeben Concerto“. Mit „Gesegnete Mahlzeit“ 2007 im Berliner Ensemble verabschiedete sich T. vom Theater, dem Ort, den er selbst so oft als Heimat bezeichnet hatte.

    T.s einzigartige Theaterarbeit, die das gemeinsame Erlebnis von erinnerter Geschichte als ein körperlich und sinnliches Nachempfinden in den Mittelpunkt stellt, wurde lange Zeit sehr kritisch gesehen. Doch im Laufe der Jahre wurde T., selbst Jude, uneingeschränkt zugestanden, mit seinem schwarzen, jüd. Humor auf das Grauen der Geschichte, das auf der Bühne als nicht darstellbar galt, zu schauen. T. sah im Lachen einen kathartischen Effekt, der alle Widersprüche im Körper auflöst und so nicht nur eine kompensatorische Wirkung erzeugt, sondern auch Hoffnung und die Möglichkeit der Versöhnung transportiert.

  • Auszeichnungen

    A British Ac. Award (1954);
    Kritikerpreis d. Verbands d. dt. Kritiker (1976);
    Prix Italia Hörspielpreis (1978);
    BVK 1. Kl. (1979);
    Gr. Kunstpreis Berlin (1981);
    Mühlheimer Dramatiker-Preis (1983 u. 1988);
    1. Frankfurter Hörspielpreis (1985);
    Preis d. Zentrums Bundesrep. Dtld. d. Internat. Theaterinst. München (1986); Ernst Hoferichter-Preis (1987);
    Kritikerpreis Theater heute (1987); Josef Kainz-Medaille d. Stadt Wien (1988);
    Theaterpreis Berlin (1988); Peter Weiß-Preis (1991); Georg Büchner-Preis (1992);
    Kritikerpreis Theater heute (1992);
    Ehrenmedaille d. Bundeshauptstadt Wien (1995); Walter Hasenclever-Lit.preis (1998);
    Concordia-Ehrenpreis d. Verbands Österr. Ztgg. (1999);
    Kasseler Lit.preis (2001);
    Nestroy-Theaterpreis (2001); Bruno Kreisky-Preis (2002); Jeanette Schocken-Preis d. Stadt Bremerhaven (2003);
    Silbernes Blatt d. Dramatiker-Union (2005);
    Gr. Goldenes Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Rep. Österr. (2006); Faust-Theaterpreis (2006);
    Mitgl. d. Ak. d. Künste, Berlin (1993).

  • Werke

    Weitere W u. a. Romane: Companions of the left hand, 1946;
    Original sin, 1947;
    The caravan passes, 1951;
    The journey, 1958;
    The good one, 1960;
    Drehbücher:
    I confess, 1955;
    The young lovers, 1954;
    The journey, 1959;
    No exit, 1962;
    The secret ceremony, 1968;
    Theaterstücke:
    Die Kannibalen, 1970 u. ö.;
    Pinkville, 1971;
    Der Voyeur, 1982;
    Jubiläum, 1983;
    Peepshow, 1984;
    M, 1985;
    Stammheim-Epilog, 1986;
    Goldberg-Variationen, 1991;
    Nathans Tod, 1991;
    Der Großinquisitor, 1993;
    Die 25. Stunde, 1994;
    Die Massenmörderin u. ihre Freunde, 1995;
    Der nackte Michelangelo, 1998;
    Purgatorium, 1999;
    Nachlaß:
    Archiv d. Ak. d. Künste in Berlin.

  • Literatur

    J. W. Gronius u. W. Kässens, T., 1989;
    A. Welker, G. T., Portraits, Dem Gedächtnis, der Trauer u. dem Lachen gewidmet, 1994 (P);
    I. Ubermann, Auschwitz im Theater d. Peinlichkeit, G. T.s HolocaustStücke im Rahmen d. Theatergesch. seit d. Ende d. 60er Jahre, Diss. München 1995;
    H. P. Bayerdörfer u. J. Schönert (Hg.), Theater gegen d. Vergessen, Bühnenarb. u. Drama b. G. T., 1997;
    P. Höyng (Hg.), Verkörperte Gesch.entwürfe, G. T.s Theaterarb., 1998;
    J. Strümpel, Vorstellungen v. Holocaust, G. T.s Erinnerungs-Spiele, 2000;
    M. Roth, Theater nach Auschwitz, G. T.s „Die Kannibalen“ im Kontext d. Holocaust-Debatten, 2003;
    A. Feinberg, G. T., 2003;
    K. Mueller, Laughing at Hitler?, The German reception of G. T.`s `Mein Kampf'(1987) and Dani Levy`s `Mein Führer'(2007), in: Strategies of humor in post-unification German literature, film, and other media, hg. v. J. E. Twark, 2011, S. 330–62;
    Sucher, Theaterlex.

  • Porträts

    zahlr. Fotogrr. in: A. Welker (s. L);
    Foto v. H. Koelbl, Abb. in: dies., Jüd. Portraits, 1998, S. 329, überarb. Neuausg. 2010;
    – Bronzerelief auf Gedenktafeln v. M. Varga, 2010, an d. letzten Wohnstätte am Schiffbauerdamm 6 in Berlin u. am Schauspielhaus Wien.

  • Autor/in

    Daphne König
  • Zitierweise

    König, Daphne, "Tabori, George" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 751-753 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118620444.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA