Lebensdaten
1823 – 1884
Geburtsort
Neidenburg (Ostpreußen)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Eisenbahnunternehmer ; Verleger ; Journalist
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118619411 | OGND | VIAF: 42612839
Namensvarianten
  • Strousberg, Bethel H.
  • Strousberg, Barthel H.
  • Straußberg, Barthel Heinrich
  • mehr

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Zitierweise

Strousberg, Bethel Henry, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118619411.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Eine v. S. in seiner Autobiogr. behauptete Abstammung v. Nehemias Strausberg (Adel 1726), Kaufm., Gutsbes., ist nicht zutreffend;
    V Abraham (seit 1813 Strausberg) (1788–1839), Kaufm., seit 1813 preuß. Staatsangehöriger, S d. Baruch Chemiak (seit 1813 Nehemias Baruch) (1752–1822, Landhändler, Schutzjude in N., Rechtsbeistand, betrieb ebd. auch e. Schächterei;
    M Caroline Gottheimer (1795–1831), aus Hohensalza;
    Om Berton Gottheimer, Peter Gottheimer, Lesser Gottheimer, Kaufleute, führten d. Handelshaus „Behrend Brothers“ in London;
    7 Geschw;
    1845 Mary Ann Swan (1828–82), aus christl. Kaufmannsfam.;
    11 K (4 früh †) u. a. S Bethel Henry II (1848–1914, Margaret Bruce, T d. Sir George Barclay Bruce, 1821–1908, Sir 1888, Ing., s. Oxford DNB), Rr.gutsbes. auf Diepensee, preuß. Lt., Arthur (1850–73, Josephine Bray, T d. Joseph Bray, Eisenbahnuntern), T Agnes (1856–1944, Hans v. Kleist, 1854–1927, Rr.gutsbes., preuß. Gen.major), Helene (1864–1958, John W. Louth, S d. N. N. Louth, Eisenbahnbetriebsdir.).

  • Biographie

    Nach der mittleren Reife am Königsberger Gymnasium folgte S. mit 16 Jahren den nach London ausgewanderten Brüdern seiner Mutter, Berton, Peter und Lesser Gottheimer, die dort ein Handelsgeschäft betrieben. Er anglisierte seinen Namen und trat in die engl. Staatskirche ein. Offenbar führte sein Übertritt zum christl. Glauben zum Bruch mit der eigenen, fest im jüd. Glauben verankerten Familie, so daß er um diese Zeit auch das Handelshaus Gottheimer verließ. Er hatte hier solides kaufmännisches Wissen erworben, das er nach eigener Darstellung durch ein intensives Selbststudium mit den Schwerpunkten Recht, Versicherungswesen, Statistik, Nationalökonomie, Wirtschaftspolitik sowie Geld-, Bank- und Börsenwesen ergänzte. Seinen Unterhalt verdiente er zunächst bei verschiedenen „Building Societies“, genossenschaftlichen Selbsthilfeorganisationen zur zinslosen Darlehensvergabe, wo er für die Einsammlung und Verwaltung der Mitgliedsbeiträge zuständig war, jedoch eines Unterschlagungsdeliktes überführt und 1847 zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt wurde. Ende 1847 kam er frei und fand eine Anstellung als Buchhalter, 1849/50 folgte ein einjähriger Aufenthalt in Amerika. Zurück in London stieg er in eine leitende Stellung als Manager bei der „Oak Mutual Life Assurance and Loan Company“ auf. Daneben betätigte er sich erfolgreich als Verleger und Journalist: In mehr als 100 Essays und Broschüren beschäftigte er sich im Geiste des „Manchesterliberalismus“ u. a. mit dem brit. Währungssystem, der Rolle der brit. Notenbank und den wirtschaftlichen Fragen der Zeit wie Freihandel und Schutzzoll. Aufgrund einer Auswahl dieser Beiträge wurde er 1857 „in absentia“ an der Univ. Jena zum Dr. phil. promoviert. S. war inzwischen nach Berlin gezogen, nachdem seine Haftstrafe wegen Unterschlagung in einem Times-Artikel öffentlich kolportiert und damit sein steiler sozialer Aufstieg in England gebremst worden war. In Berlin wurde S. zu einem der bedeutendsten Unternehmer seiner Zeit. Er nutzte konsequent die Chancen des privaten Eisenbahnbaus (Eisenbahn Tilsit-Insterburg u. Ostpreuß. Südbahn, 1862/63; Berlin-Görlitzer Eisenbahn, 1864; Märk.-Posener Bahn, 1867; Eisenbahn Halle-Sorau-Guben, 1868; Eisenbahn Hannover-Altenbeken, 1869) nach dem innovativen Konzept des „general enterprise“, das allerdings in seiner auf Aktienausgabe basierten Finanzierungsstruktur stark spekulative Züge trug. 1869 erwarb er die Dortmunder Bergbau- und Hüttengesellschaft (gegr. 1854) und baute um diesen industriellen Kern einen gemischten, hochintegrierten Konzern auf, der von der Erzversorgung über die Stahlerzeugung bis hin zum Lokomotiv- und Waggonbau (v. a. die spätere Hannoversche Maschinenbaugesellschaft „Hanomag“) alle Produktionsstufen umfaßte. Dieses Unternehmen geriet seit 1870 nach Fehlschlägen beim Bau der Rumän. Eisenbahn 1872 unter die Kontrolle eines Bankenkonsortiums unter Führung der Berliner „Disconto-Gesellschaft“. S.s tiefer Fall schlug in der Öffentlichkeit hohe Wellen; nach den Enthüllungen der liberalen Abgeordneten Eduard Lasker und Ludwig Bamberger über Bestechungen und Intrigen trat der preuß. Handelsminister Heinrich Gf. v. Itzenplitz 1873 zurück. 1875/76 war S. für ein Jahr im Moskauer Schuldgefängnis inhaftiert wegen „Veranlassung zu leichtfertigem Kreditgeben“ nach dem Zusammenbruch der Commerz-Leih-Bank in Moskau; in der Haft verfaßte er seine Autobiographie. Nach seinem Freispruch wurde S. noch weitere zehn Monate festgehalten, die Ausreise verweigert, und erst nach persönlicher Intervention Bismarcks durfte er im Sept. 1877 nach Deutschland zurückkehren. Im Okt. 1875 wurde während seiner Haftzeit der Konkurs über sein privates Vermögen eröffnet. Mit finanzieller Unterstützung der Familie und befreundeter Unternehmer konnte sich S. weiterhin unternehmerisch betätigen, allerdings ohne größeren Erfolg. 1881 zog er erneut mit seiner Frau nach London, nach deren Tod wieder nach Berlin, wo er verarmt starb. Das 1868 errichtete Palais Strousberg in der Berliner Wilhelmstraße, später u. a. Sitz der brit. Botschaft in Berlin, war architektonischer Ausdruck für S.s zeitweise herausragende Stellung, den gesellschaftlichen Rang und die Bewunderung, die ihm von den Zeitgenossen zuteil wurde. Karl May widmete 1875 in seiner Zeitschrift „Schacht und Hütte“ S. ein eigenes Kapitel mit dem Titel „Ein jetzt Vielgenannter“. In der historischen Forschung der DDR stand S. prototypisch für den sich selbst zerstörenden Kapitalismus. In der modernen wirtschaftshistorischen Forschung überwiegt die Würdigung seiner innovativen unternehmerischen und technologischen Leistungen. Dabei spiegeln sich in seiner Person die ökonomischen und gesellschaftlichen Brüche beim Eintritt Deutschlands ins Kapitalzeitalter mit seinem neuen institutionellen Regelwerk des Finanzmarktes.

  • Werke

    W Publl. in: The British Journal, seit 1853, u. in: Lawson`s Merchant`s Magazine, 1852–54, u. a. Art.serie: Our Commercial Systeme, Our Monitary Systeme;
    Dr. S. u. sein Wirken v. ihm selbst geschildert, 1876 (Autobiogr., teils lücken- u;
    fehlerhaft)

  • Literatur

    | E. Holz, Dr. S. als Eisenindustr., in: Stahl u. Eisen 24, 1911, S. 967–71;
    H. Mauter, Aufstieg u. Fall d. „Eisenbahnkönigs“ B. H. S. (1823–1884), 1981;
    M. Ohlsen, Der Eisenbahnkönig B. H. S., Eine preuß. Gründerkarriere, 1987;
    P. M. Fritsch u. G. Wermusch, Kapitel „Gründungsschwindler“, in: Der kalkulierte Irrtum, Geschichten um Spekulanten u. Hasardeure v. gestern u. heute, 1990, S. 48–70;
    J. Borchart, Der europ. Eisenbahnkönig B. H. S., 1991;
    R. Roth, Der Sturz d. Eisenbahnkönigs B. H. S., Ein jüd. Wirtsch.bürger in d. Turbulenzen d. Reichsgründung, in: Jb. f. Antisemitismusforsch. 10, 2001, S. 86–112;
    O. Dascher, in: Biogrr. Dortmunder III, 2001, S. 185–90;
    K.-P. Ellerbrock, Betrachtungen z. Dortmunder Montanind., in: Gründerzeit 1848–1871, Ind. u. Lebensträume zw. Vormärz u. Ks.reich, hg. v. U. Laufer u. H. Ottomeyer, 2008, S. 97–102;
    Hann. Biogr. Lex. (P);
    Personenlex. Wirtschaftsgesch.

  • Porträts

    Öl/Lwd. v. C. C. H. Steffeck, 1870 (Berlin, Jüd. Mus.);
    Aquarell v. H. Ende u. W. Böckmann, 1870 (Berlin, Märk. Mus.).

  • Autor/in

    Karl-Peter Ellerbrock
  • Zitierweise

    Ellerbrock, Karl-Peter, "Strousberg, Bethel Henry" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 581-582 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118619411.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA