Lebensdaten
1891 – 1942
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Auschwitz
Beruf/Funktion
Pädagogin ; Philosophin ; Karmelitin ; Heilige
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118617230 | OGND | VIAF: 44294144
Namensvarianten
  • Teresia Benedicta a cruce (Ordensname seit 1934)
  • Stein, Edith
  • Teresia Benedicta a cruce (Ordensname seit 1934)
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Zitierweise

Stein, Edith, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118617230.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus kleinbürgerl. jüd. Fam.;
    V Siegfried (1844–93), aus Gleiwitz, Holz- u. Kohlenhändler in Gleiwitz, Lublinitz u. B., S d. Samuel Joseph (1778–1860 u. d. Johanna Cohn († 1894);
    M Auguste (1849–1936), T d. Salomon Courant (1815–96), Kaufm. in Lublinitz, u. d. Adelheid Burchard (1824–93);
    Ov Leo Walther (1856–1930), aus Gleiwitz, Schausp., Regisseur, Theaterdir. in Danzig, Nürnberg, Bromberg u. Hannover, Lustspieldichter (s. Kosch, Theater-Lex.);
    Om Siegmund Courant (1853–1925), Kaufm. in Berlin;
    15 Geschw (4 früh †) u. a. B Paul (1872–1943 Ghetto Theresienstadt), Kaufm., Buchhalter in d. väterl. Holzhandlung, Arno (1879–1947), Kaufm., Prokurist d. väterl. Holzhandlung, emigrierte in d. USA, Schw Else Gordon (1876–1956), Lehrerin, emigrierte n. Kolumbien, Elfriede (Frieda) Tworoger (1881–1942 Ghetto Theresienstadt), Rosa (Taufname Adelheid) (1883–1942 Auschwitz), Haushälterin, kam über Belgien als Pförtnerin in d. Karmel in Echt (s. BBKL 19), Erna Biberstein (1890–1978), Dr. med., Gynäkologin, emigrierte 1939 in d. USA;
    Vt Richard Courant (1888–1972, 1] Nelli Neumann, 1886–1942, 2] Nerina [Nina], * 1891, Geigerin, T d. Carl Runge, 1856–1927, Prof. d. Math. in Göttingen, s. NDB 22), Prof. d. Math. in Göttingen (s. Pogg. V–VII a);
    N Susanne M. Batzdorff (* 1921), aus Breslau, emigrierte 1938 in d. USA, Bibliothekarin, Schriftst. in Santa Rosa (Kalifornien, USA) (s. L), Ernst Ludwig Biberstein (* 1922), aus B., emigrierte 1938 in d. USA.

  • Biographie

    Nach dem Abitur in Breslau 1911 studierte S. an der dortigen Universität Germanistik, Philosophie, Psychologie und Geschichte, u. a. bei Richard Hönigswald und William Stern. 1913 wechselte sie nach Göttingen zu Edmund Husserl (1859–1938), dessen „Logische Untersuchungen“ (1900/01) zur Grundlage ihres eigenen phänomenologischen Denkens wurden. Adolf Reinach (1883–1917), dessen religionsphilosophischen Nachlaß sie 1921 mit Hedwig Conrad-Martius (1888–1966) herausgab, bestärkte sie in der realphänomenologischen Philosophie gegen die „idealistische Wende“ Husserls. Im 1. Weltkrieg diente S. 1915 als Lazaretthelferin in Mähren. Im Jan. 1915 legte sie das Staatsexamen in Göttingen ab und wurde im Aug. 1916 bei Husserl zum Dr. phil. promoviert, dessen Privatassistentin sie bis Anfang 1918 blieb. In ihrer Dissertation „Zum Problem der Einfühlung“ (1917, ³2009) entwickelte sie aus der Auseinandersetzung mit dem Denken Max Schelers die originäre Einfühlung in den Anderen aufgrund der Leiblichkeit als intersubjektiven Ansatz.

    Nach einer persönlichen Sinnkrise und unter dem Eindruck der Taufe Reinachs und seiner Frau beschäftigte sich S. seit 1917 mit dem Christentum und setzte sich mit Teresa von Avilas „Vida“ auseinander. 1922 wurde sie in der Pfarrkirche von Bergzabern in Anwesenheit der Taufpatin Conrad-Martius kath. getauft. 1923 übernahm sie eine Stelle als Lehrerin bei den Dominikanerinnen in Speyer und schrieb nebenbei seit 1918 weiter an einer Habilitation, für die sie aber keine Zulassung erhielt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit erschienen 1922–25 als Aufsätze im „Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung“. Ebenfalls in dieser Zeit schuf S. Übersetzungen von Werken Alexandre Koyrés, John Henry Newmans und Thomas’ von Aquin, in denen sie die scholastische Terminologie teils mit phänomenologischen Begriffen wiedergab, da sie beide Schulen im „Strombett“ der philosophia perennis vereint sah. Seit 1928 referierte sie zudem im In- und Ausland und auch im Rundfunk zur Anthropologie der Frau und zur Pädagogik. Nachdem 1931 ein letzter Habilitationsversuch in Freiburg von ihr selbst abgebrochen worden war (Potenz u. Akt, 1989, ²2005), nahm sie 1932 eine Dozentur am Dt. Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster an. Im April 1933 trat sie zurück, um einer Entlassung aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des dt. Berufsbeamtentums“ zuvorzukommen. Im selben Monat verfaßte sie ihren 2003 aus den Vatikan. Archiven veröffentlichten, berühmten Brief an Papst Pius XI., in welchem sie ihn um ein Eingreifen gegen die Judenverfolgung bat.

    Im Okt. 1933 trat S. in den Kölner Karmel ein und legte 1937 die ewigen Gelübde ab. 1936/37 schuf sie ihr Hauptwerk, „Endliches und ewiges Sein, Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins“ (gedr. 1950, ⁴2006), in dem sie in Auseinandersetzung mit Aristoteles, Augustinus, Thomas von Aquin und Heidegger die Frage nach dem Sinn des Seins aufwarf. Nach der Pogromnacht 1938 wechselte S. in das Filialkloster Echt (Niederlande). Zum Jubiläum des Ordensvaters Juan de la Cruz schrieb sie 1941 eine Vorarbeit über „Wege der Gotteserkenntnis“ bei Dionysius Areopagita (1946, ³2005) als Vorstufe zu ihrem letzten Werk „Kreuzeswissenschaft, Studie zu Johannes vom Kreuz“ (1950, ⁴2008). Am 2. 8. 1942 wurde S. aus ihrem Kloster mit ihrer ebenfalls getauften Schwester Rosa zuerst in das Sammellager Amersfort gebracht, danach nach Westerbork und von dort nach Auschwitz deportiert. Hier wurde sie am 9. 8. 1942 in der Gaskammer ermordet.

    Als Meisterschülerin Husserls arbeitete S. diesem bis 1918 zu, vollzog aber schon in der Dissertation eine selbständige Wendung zur|Anthropologie und einer eigenen Theorie zur Konstitution von Person. Ansetzend am Phänomen fremder und eigener Leiblichkeit, untersuchte sie in den folgenden rein phänomenologischen Arbeiten den Begriff der Seele in Unterscheidung von der „Psyche“ sowie das Individuum als Träger von Gemeinschaft und Staat. Nach ihrer Konversion wandte sie sich der Frage nach dem Sinn von Sein zu. Dabei dachte sie phänomenologisch vom endlichen Sein (Welt und Person) auf das ewige Sein (Gott) weiter. Der Seinsgrund könne nicht eine nicht-persönliche Sache sein, sondern müsse selbst als Person gedacht werden: Logik der Ontologie führt zu einer Logik des Personalen, worin der Mensch und Gott selbst einbegriffen sind. So läßt sich Person nicht allein vom Sein, aber auch nicht allein vom Erkennen her denken, sondern wesentlich durch die Wandlung des Schauenden bei seiner Begegnung mit dem Gegenüber. In der „Kreuzeswissenschaft“ skizzierte S. die mystische Theorie der sich vertiefenden drei Nächte, in welchen sich der göttliche Grund scheinbar der Seele entzieht, um sie desto reiner mit sich selbst zu vereinen. Diese „Brautmystik“ entwickelt keine Verschmelzung, sondern stabilisiert das Ich ausdrücklich nochmals in der Beziehung und durch sie. S. kennzeichnete damit den Sinn des Seins als personale Relation, als Selbsthingabe und Annahme, als Liebesbeziehung zwischen endlicher und ewiger Person.

    Die internationale akademische und religiöse Rezeption von S.s Philosophie hat nach 1945 beständig an Umfang zugenommen. Seit 2000 erscheint ihr geretteter Nachlaß im Rahmen einer auf 26 Bände angelegten Gesamtausgabe (ESGA). Papst Johannes Paul II. sprach S. 1987 selig, 1998 heilig und erhob sie 1999 zur Patronin Europas. Ein literarisches Denkmal setzte ihr Gertrud von Le Fort (1876–1971) in „Die ewige Frau“ (1934).

  • Auszeichnungen

    A Gedenktafel v. L. Hafner (Dom zu Speyer, Katharinen-Kapelle);
    E.-S.-Kirche, (Wachenheim, 1987–89);
    Aufnahme in d. Walhalla (2008);
    Gedenktafel am ehem. Karmel (Köln, Dürener Str.);
    E.-S.-Gedenkstätte in St. Magdalena, Speyer, u. in St. Lioba, Freiburg-Günterstal;
    E.-S.-Kapelle v. P. Nagel in d. Kath. Ak. Bensberg;
    – E.-S.-Preis f. soz. Engagement (seit 1995 zweijährig verliehen v. Göttinger E.-S.-Kr.);
    E.-S.-Jb. (seit 1995);
    E.-S.-Ges. (seit 1993).

  • Literatur

    R. L. Fetz (Hg.), Stud. z. Philos. v. E. S., Internat. Symposium Eichstätt 1991, 1993;
    A. U. Müller, Grundzüge d. Rel.philos. E. S.s, 1993;
    ders. u. M. A. Neyer, E. S., Das Leben e. ungewöhnl. Frau, 2002;
    P. Schulz, E. S.s Theorie d. Person, 1994;
    P. Volek, Erkenntnistheorie b. E. S., Metaphys. Grundlagen d. Erkenntnis b. E. S. im Vgl. zu Husserl u. Thomas v. Aquin, 1998;
    H.-B. Gerl, Unerbittliches Licht, E. S., Philos., Mystik, Leben, ³1999;
    Susanne M. Batzdorff, E. S. – meine Tante, Das jüd. Erbe e. kath. Heiligen, 2000;
    C. M. Wulf, Freiheit u. Grenze, E. S.s Anthropol. u. ihre erkenntnistheoret. Implikationen, 2002;
    B. Beckmann, Phänomenol. d. rel. Erlebnisses, Rel.phil. Überlegungen im Anschluß an Adolf Reinach u. E. S., 2003;
    dies. u. H.-B. GerlFalkovitz (Hg.), E. S., Themen, Bezüge, Dokumente, 2003;
    dies. u. H.-B. Gerl-Falkovitz (Hg.), Die unbekannte E. S., Phänomenol. u. Soz.philos., 2006;
    K. Westerhorstmann, Selbstverwirklichung u. ProExistenz, Frausein in Arbeit u. Beruf b. E. S., 2004;
    P. Freienstein, Sinn verstehen, Die Philos. E. S.s, 2007;
    Demokrat. Wege (P);
    Philosophinnen-Lex.;
    Enz. Philos. Wiss.theorie;
    Breslau-Lex.;
    Ostdt. Gedenktage 1992 (P);
    Kölner Personenlex. (P);
    W. Herbstrith, in: S. Cüppers, Kölner Theologen, 2004, S. 434–53 (P);
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    BHdE II;
    LThK³;
    BBKL 15 (W, L);
    RGG⁴;
    TRE;
    Wedel, Autobiogrr. Frauen;
    Heuer;
    Nachlaß:
    E.-S.-Archiv, Köln, Karmel „Maria vom Frieden“.

  • Porträts

    E.-S.-Denkmal v. B. Gerresheim, 1999 (Köln, Priesterseminar);
    Marmorstatue v. P. Nagel, 2006 (Rom, Petersdom).

  • Autor/in

    Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
  • Zitierweise

    Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara, "Stein, Edith" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 142-143 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118617230.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA