Lebensdaten
1877 – 1970
Geburtsort
Tingleff (Nordschleswig)
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Reichsbankpräsident ; Reichswirtschaftsminister
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118606026 | OGND | VIAF: 20473220
Namensvarianten
  • Schacht, Horace Greeley Hjalmar
  • Schacht, Hjalmar
  • Schacht, Horace Greeley Hjalmar
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Zitierweise

Schacht, Hjalmar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118606026.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V William (* 1845), Kaufm.;
    M Constanze (1850–1936), aus Dyrhavegaard b. Kolding, T d. Friedrich Frhr. v. Eggers (1800–56), Mitbes. d. de Bangschen Fideikommisses, dän. Polizeimeister in Schleswig, u. d. Magdalene Evers (1815–87); Ur-Gvm Christian Frhr. v. Eggers (1758–1813, Reichsfrhr. 1806), Prof. d. Rechts- u. Kameralwiss., dän. Legationsrat, Oberpräs. v. Kiel (s. NDB IV);
    Om Hjalmar Frhr. v. Eggers (1839–1905), dän. Lt., Fabrikdir.;
    1) 1903 Luise, T d. N. N. Sowa, Polizeikommissar, 2) 1941 Mauzika (Mancy) Vogler;
    1 S aus 1) Jens (* 1910, im 2. Weltkrieg vermißt), Bankkaufm., 1 T aus 1) Inge (* 1903, Hilger van Scherpenberg, 1899–1969, Dr. iur., Dipl., s. Munzinger; Lex. Widerstand), 2 T aus 2) Cordula, Konstanze.

  • Biographie

    Da es seinem Vater erst spät gelang, beruflich zu reüssieren, wuchs S. in einer von Knappheit und Abstiegsangst geprägten Atmosphäre auf. Seine Schulzeit am Hamburger Johanneum erlebte er als sozial Unterlegener. Ein aus dieser Kindheits- und Jugenderfahrung gespeistes aggressives Selbst- und Sendungsbewußtsein bildete eine Triebkraft seines späteren Aufstiegs. 1895-99 studierte S. in Kiel, Berlin, München, Leipzig und Paris Medizin, Germanistik, Literaturgeschichte, Journalistik und Volkswirtschaftslehre und wurde 1899 in Kiel mit einer Arbeit über den theoretischen Gehalt des engl. Merkantilismus zum Dr. phil. promoviert. 1900 wurde er Assistent in der Zentralstelle zur Vorbereitung von Handelsverträgen, ein Jahr später Geschäftsführer des Handelsvertragsvereins, nach weiteren zwei Jahren Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der Dresdner Bank. 1908 avancierte er dort zum stellv. Direktor. Während des 1. Weltkriegs wegen einer Sehschwäche vom Kriegsdienst freigestellt, war S. vorübergehend in der Militärverwaltung des besetzten Belgien tätig. 1916 wurde er Direktor der Nationalbank für Deutschland, vier Jahre später deren Geschäftsinhaber. Seit der Fusion der Nationalbank mit der Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) 1922 war er Geschäftsinhaber der „Darmstädter und Nationalbank“, deren unangefochtene Führungspersönlichkeit jedoch sein Compagnon Jakob Goldschmidt (1882–1955) war. S. suchte daher eine Veränderung und bot sich im Aug. 1923 dem ihm freundschaftlich verbundenen Reichskanzler Gustav Stresemann für den Staatsdienst an. Dessen prompter Versuch, den seit 1908 amtierenden Reichsbankpräsidenten Rudolf Havenstein (1857–1923) zum Rücktritt zu bewegen, schlug jedoch fehl. Auch Stresemanns Ansinnen, S. anläßlich einer Neubildung des Kabinetts als Finanzminister zu installieren, scheiterte am Widerstand der politischen Rechten, die eine Berufung des linksliberalen DDP-Mitglieds kategorisch ablehnte. Erst in der Endphase der Hyperinflation konnte Stresemann seinen Kandidaten durchsetzen; am 12.11.1923 wurde S. zum Reichswährungskommissar, am 22. Dezember nach dem Tode Havensteins zum Präsidenten des Reichsbankdirektoriums berufen.

    Innerhalb weniger Monate avancierte S. nun zu einer der bekanntesten Personen des politischen Lebens. Obschon er den Modus, in dem die Währung seit dem Okt. 1923 stabilisiert und reformiert wurde, vor seiner Ernennung abgelehnt und bekämpft hatte, bewährte er sich nun als Exekutor eben dieser Politik und schuf damit seinen eigenen Mythos als „Retter der Mark“. Von diesem politischen Kapital zehrte S. während seiner gesamten weiteren Karriere, zunächst zur Durchsetzung seines keineswegs nur währungspolitischen Ziels einer Stabilhaltung der Reichsmark, sodann, daraus abgeleitet, zur Eindämmung der öffentlichen Verschuldung und zur Zurückdrängung des Staates aus dem Wirtschaftsleben. Obschon er sich stets zum unpolitischen Fachmann stilisierte, war S. von Beginn an ein politisch ambitionierter Zentralbankchef, der sich zu keiner Zeit scheute, in das politische Tagesgeschehen einzugreifen und gegenüber der Reichsregierung fordernd aufzutreten; er brachte sogar einen Finanzminister (Rudolf Hilferding) zu Fall.

    Den Anlaß für S.s Rücktritt am 2.4.1930 bot seine Ablehnung des kurz zuvor ratifizierten Young-Planes, den er selbst mit initiiert und ausgehandelt hatte. Die tiefer liegenden Ursachen waren sein inzwischen vollständiges Zerwürfnis mit der Reichsregierung und eine „Witterung für einen kommenden politischen Wetterumschlag“ (Hans Luther); Der einstige Linksliberale, der 1926 die DDP verlassen hatte, intensivierte jetzt seine Verbindung zur DNVP. Im Jan. 1931 begegnete er zum ersten Mal Adolf Hitler, der ihn sofort in seinen Bann zog. Während der Wahlkämpfe 1932 focht er für eine Kanzlerschaft Hitlers. Am 17.3.1933 konnte S. in die Führungsetage der Reichsbank zurückkehren und exekutierte erneut eine Politik, die er noch wenige Wochen zuvor strikt abgelehnt hatte: Er ging zu einer expansiven Geldpolitik über und ermöglichte dem NS-Regime eine Ausweitung der Arbeitsbeschaffungspolitik sowie die sofortige Inangriffnahme der Aufrüstung. Als er am 30.6.1934 zusätzlich das Amt des Reichswirtschaftsministers übernahm, ferner im Mai 1935 das des Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft, hatte er den Zenit seiner politischen Laufbahn erreicht.

    S.s politische Stellung basierte von Beginn an auf dem Wohlwollen Hitlers, der seiner seit 1936 angesichts von Boom, Vollbeschäftigung und innerer Stabilisierung immer weniger bedurfte. Seine sporadische Kritik an einzelnen Maßnahmen des Regimes, wie der zunehmenden Judenverfolgung, blieb nunmehr völlig wirkungslos. Als dem Wirtschaftsminister immer mehr Kompetenzen entzogen und Hermann Göring, dem Beauftragten für den Vierjahresplan, übertragen wurden, wurde S. am 26.11.1937 auf eigenen Wunsch aus dem Amt des Wirtschaftsministers entlassen, am 20.1.1939 auch aus dem des Reichsbankpräsidenten. Anlaß war ein Memorandum, in dem das Reichsbankdirektorium vor einer möglichen Inflation warnte und eine restriktive Geld- und Finanzpolitik einforderte. S. konnte die zunehmende Staatsverschuldung und Geldmengenaufblähung nicht mehr billigen, blieb dem Regime jedoch als Reichsminister ohne Portefeuille weiterhin verbunden. Seine Entlassung aus dem Kabinett (22.1.1943) erbat er erst nach dem Überfall auf die Sowjetunion.

    Aus seiner regimekritischen Haltung machte S. seither kein Hehl mehr, mit der Konsequenz, daß er nach dem Attentat des 20. Juli 1944 verhaftet wurde. Am Attentat selbst war er, obschon seit den ausgehenden Dreißigerjahren mit Widerstandskreisen in Verbindung, nicht beteiligt. Gleichwohl blieb er bis zum Mai 1945 und darüber hinaus als Angeklagter vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, der ihn im Okt. 1946 freisprach, und während mehrerer Entnazifierungsverfahren bis zum 2.9.1948 in Haft. Danach betätigte er sich als Privatbankier, Publizist und Berater verschiedener ausländischer Regierungen.

  • Werke

    Der theoret. Gehalt d. engl. Merkantilismus, Diss. Kiel 1900;
    Die Stabilisierung d. Mark, 1927;
    Das Ende d. Reparationen, 1931;
    Grundsätze dt. Wirtschaftspol., 1932;
    Schacht in seinen Äußerungen, 1937;
    Abrechnung mit Hitler, 1948;
    76 J. meines Lebens, 1953;
    Kl. Bekenntnisse aus 80 J., 1957;
    Magie d. Geldes, Schwund oder Bestand d. Mark, 1966;
    1933, Wie e. Demokratie stirbt, 1968.

  • Literatur

    F. Reuter, S., 1934;
    E. N. Peterson, H. S., For and against Hitler, A Political-Economic Study of Germany 1923-1945, 1954;
    E. R. Beck. Verdict on S., A Study in the Problem of Political „Guilt“, 1955;
    A. E. Simpson, H. S. in Perspective, 1969;
    H. Müller, Die Zentralbank – e. Nebenreg., Reichsbankpräs. H. S. als Politiker d. Weimarer Rep., 1973;
    H. Pentzlin, H. S., Leben u. Wirken e. umstrittenen Persönlichkeit, 1980;
    J. H. ten Cate, H. S. als Reparationspolitiker (1926–1930), in: VSWG 74, 1987, S. 186-228;
    H. James, H. S., Der Magier d. Geldes, in: R. Smelser u. a. (Hg.), Die braune Elite, II, 1993, S. 206-18;
    ders., Die Dt. Bank im Dritten Reich, 2003;
    A. Fischer, H. S. u. Dtld.s „Judenfrage“, 1995;
    J. Weitz. Hitlers Bankier, H. S., 1998;
    Rhdb. (P);
    Wenzel;
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.;
    Hamburg. Biogr. II (P).

  • Autor/in

    Albert Fischer
  • Zitierweise

    Fischer, Albert, "Schacht, Hjalmar" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 489-491 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118606026.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA