Lebensdaten
1648 – 1714
Geburtsort
Halle/Saale
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
evangelischer Theologe ; Dichter
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118600907 | OGND | VIAF: 24610107
Namensvarianten
  • Clemens Ephorus Albilithanus (Pseudonym)
  • Johann Christlieb (Pseudonym)
  • Galanisantrus (Pseudonym)
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Zitierweise

Riemer, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600907.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hans, gehörte z. Stand d. Halloren;
    M J. Maria Meisner;
    1675 Maria Rosina Luja ( 1712);
    2 S (1 früh †), 3 T.

  • Biographie

    R. besuchte – u. a. durch Gottfried Olearius (1635–1711) gefördert – das Gymnasium in Halle. 1670 immatrikulierte er sich – vermutlich für Theologie und Rhetorik – an der Univ. Jena (Magister 1672), wo der Mathematiker und Astronom Erhard Weigel (1625–99), ein entschiedener Cartesianier, zu seinen Lehrern gehörte. Anschließend unterrichtete er, seit 1673 als Adjunkt, an der phil. Fakultät in Jena und betrieb zunächst phil. und historische, dann auch theol. Studien. Im Nov. 1673 wurde R. Professor für Logik und Metaphysik am Gymnasium Augusteum in Weißenfels. 1678 folgte er dort Christian Weise (1642-1708) auf den Lehrstuhl für Eloquenz und Poesie. 1687 wurde er Hauptpfarrer in Osterwieck bei Halberstadt. 1693 in Helmstedt zum Dr. theol. promoviert, wurde R. Superintendent in Hildesheim, im Okt. 1704 Hauptpastor an St. Jacobi in Hamburg.

    R.s Ruhm zu Lebzeiten beruhte insbesondere auf den rhetorischen Schriften (Lustige Rhetorica, 1681, Neuaufl. u. d. T.: Der verbesserte u. vermehrte Lustredner, 1687; Ueberreicher Schatzmeister aller hohen, Standes, u. bürgerl. Freud- u. Leidkomplimente, 1681, ²1690; Standes-Rhetorica, 1685, Neuaufl. u. d. T.: Neu-aufgehender Stern-Redner, 1689), die dem sich entwickelnden Bürgertum sprachliche Ausdrucksmitttel zur „Vermittlung bürgerlicher Gefühls- und Bewußtseinsinhalte“ (H. Krause) an die Hand gaben. Darüber hinaus verfaßte er während seiner Lehrtätigkeit am Gymnasium mehrere pol.-didaktische Dramen (u. a. Der Regenten bester Hoffmeister oder lustiger Hoff-Parnassus …, 1679) und bis ins 19. Jh. nachgeahmte politische Romane (Der Pol. Maul-Affe, 1679; Die Pol. Colica, 1680; Der pol. Stockfisch, 1681). Nach der Berufung zum Pastor beschäftigte sich R. ausschließlich mit theol. Themen (Gleichnißreden, 1690; Apophthegmat. Vormund oder Orator. Lex., 1687; Weh u. Wohl, 1689). Er gilt neben Johann Beer (1655–1700) und Weise, mit denen er in Kontakt stand, als wichtiger literarischer Vertreter der Frühaufklärung und neben letzterem als der bedeutendste Vertreter des politischen Romans seiner Zeit.

  • Werke

    Weitere W Rhetorica oder kurzweiliger Redner …, 1681;
    Der verbesserte u. fast auff d. dritten Theil vermehrte Lustredner …,1689, ³1717;
    Verblühmtes Christenthum … auf d. Grunde d. Apostel …, 1694, ²1718, neu hg. v. H. Krause, 1983;
    Bloße Furcht u. grünende Hoffnung bey schlafflosen Nächten der bedrängten Christen …,1684, ²1695. – Werke, hg. v. H. Krause. 4 Bde., 1979-87.

  • Literatur

    ADB 28;
    J. J. Rademann, Der im Tode annoch lebende R., 1714;
    R. Becker, Christian Weises Romane u. ihre Nachwirkung, Diss. Berlin 1910;
    A. F. Kölmel, J. R. 1648-1714, Diss. Heidelberg 1914;
    E. Weißbrodt, R.s Pol. Maulaffe (1679), Die Qu. zu K. F. Meyers „Schuß v. d. Kanzel“?, in: ZDP 57, 1932, S. 380 ff.;
    H.-D. Bracker, J. R.s satir. Romane, in: Jb. d. Dt. Schillerges. 19, 1975, S. 138-66;
    W. Huala, Die Romane J. R.s., Vgl. Stud. z. pol. Roman seiner Zeit, Diss. Los Angeles 1975, Neudr. 1981;
    H. Krause, Mutmaßungen über R., Zu Hans-Dieter Brackers Aufs. „J. R.s satir. Romane“, in: Daphnis 6, 1977, S. 147-69;
    ders., Feder contra Degen, Zur lit. Vermittlung d. bürgerl. Weltbildes im Werk J. R.s, 1979 (W, L);
    ders., Das Motiv d. Reise im pol. Roman, in: Daphnis 14, 1985, S. 325-39;
    E. Osterkamp, „Der im Tod annoch lebende R.“, in: Michigan Germanic Studies 11, 1985, S. 185-202;
    L. Tatlock, The Process of recognitation in satire and realism, in: Colloquia Germanica, Internat. Zs. f. german. Sprach- u. Lit.wiss. 18, 1985/86, S. 238-47;
    T. Neukirchen, Inscriptio, Rhetorik u. Poetik d. Scharfsinnigen Inschr. im Za. d. Barock, 2000, S. 204 ff.;
    A. Ch. Beuthner. Hamburg. Staats- u. Gel.-Lex., 1739, S. 301-04;
    H. Schröder, Lex. d. Hamburg. Schriftst., VI, 1873, S. 282-87;
    E. Neumeister, De Poetis Germanicis, Neuausg. mit Bibliogr. v. F. Heiduk, 1978, S. 227, 415 f. (W);
    Zedler (W);
    Killy;
    Dünnhaupt² (W);
    Kosch, Lit.-Lex.³

  • Porträts

    Titelkupf. in: Verblühmtes Christenthum …, neu hg. v. H. Krause, 1983.

  • Autor/in

    Waldemar Fromm
  • Zitierweise

    Fromm, Waldemar, "Riemer, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 597-598 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600907.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Riemer: Johannes R., Theologe und Dichter, am 11. Februar 1648 in Halle geboren, widmete sich in Jena, wo er seine Studien absolvirte, der akademischen Laufbahn. Im Begriffe mit Zöglingen als Hofmeister eine größere Reise anzutreten, wurde er 1678 als Nachfolger Christian Weise's zum Professor der Eloquenz und Poesie an das Gymnasium in Weißenfels berufen. Später wirkte er als Pastor primarius in Osterwieck im Halberstädtischen, wurde 1690 Superintendent in Hildesheim und beschloß, nachdem er als Pastor primarius an die Hamburger Jacobikirche nach dem Tode Job. Balthasar Schupp's gekommen war, nach zehnjähriger erfolgreicher Wirksamkeit daselbst am 10. Sept. 1714 sein Leben. Die Richtungen in Riemer's litterarischer Thätigkeit stehen, wenn man von seinen durchaus bedeutungslosen, wenn auch zahlreichen homiletischen und Erbauungsschriften (An- und Abzugspredigten, Schlaflose Nächte oder Evangelien Postill, Evangelische Gleichniß-Reden u. s. w.) absieht, in enger Verbindung mit der litterarischen Production der Männer, deren Amtsnachfolger er wurde. Auf Christian Weise stützen sich seine dramatischen und erzählenden, auf J. B. Schupp die satirischen Werke. Riemer's „Lustige Rhetorica, in welchem ein gantz neuer Weg zur Rede-Kunst, jedoch mit lauter Verwunder- und Lächerlichen Exempeln gewiesen wird“ (Merseburg 1681), sein „Verbesserter und vermehrter Lust-Redner“ u. s. w. gehen zwar in ihrer Form gleichfalls auf die Poetiken des Zittauer Schulrectors zurück, aber während dieser nur in heiterer Weise belehren will, hat R. noch oft das Reizmittel scharfer Satire von seinem geistlichen Vorgänger im Amte, von Schupp, entlehnt. Dieses mag auch der Grund gewesen sein, warum R. von seinen Zeitgenossen die Autorschaft des unter dem Pseudonym Reinhold Hartmann herausgegebenen „Reime oder ich fresse dich“ allgemein zugeschrieben wurde, während diese meisterhafte litterarische Satire nach Martin Kempe's bestimmten Aeußerungen, unzweifelhaft dem Naumburger Advocaten G. W. Sacer zuzuweisen ist.

    Riemer's Bühnenwerke stehen ganz auf dem Boden Weise’scher Dramatik, die in ihren realistischen Bestrebungen und steter Rücksichtnahme auf „Natürlichkeit“ eine wirksame oppositionelle Strömung gegen die Lohenstein’sche Richtung bedeutet. Wie Weise, so läßt auch R. seine Stücke von seinen Gymnasiasten aufführen, z. B. seine Prosaische Tragikomödie „Der Tyrannische Großvater oder der glückliche Bastard“. Die in Weißenfels 1712 in zweiter Auflage erschienene Sammlung: „Der Regenten bester Hofmeister oder Lustiger Hofparnassus“ enthält neben drei anderen Stücken, unter dem Titel „Der Staatseifer“, auch eine dramatische Bearbeitung des Maria Stuartstoffes. In allen seinen Stücken läßt er sich von der Ueberzeugung leiten, die er im Vorworte zum „Lustigen Hofparnassus" ausspricht, daß „die köstlichsten Prediger vom Theater kämen“. In seinen Lustspielen, die unter dem Titel „Amor der Tyrann“, 1685 erschienen sind, zeigt er sich stofflich von Hofmannswaldau angeregt. Dagegen ist der gleichfalls von Hofmannswaldau beeinflußte „Graf von Gleichen“, der R. zugeschrieben wird, geistiges Eigenthum des unter dem Pseudonym Rathian dichtenden Wolfgang Christoph Raethel.

    Am meisten ist R. durch seine Romane bekannt geworden, in denen er den von Ch. Weise eigenartig aufgefaßten Begriff des „Politischen“ als des im praktischen Leben sich bewährenden, klugen, gewandten und gefälligen Benehmens, gleich seinem Meister für die Erzählung verwendete. R. bereicherte diese „politische“ Litteratur die damals Deutschland überfluthete, mit einer Reihe „politischer" Beiträge, von denen der unter dem Pseudonym „Galanisander“ herausgegebene „Politische Stockfisch“ den größten Erfolg hatte. Dieses später von Thomasius, Holberg u. a. verspottete, aber seiner Zeit vielgelesene Buch ist ein, sclavisch der Weise’schen Manier nachgeäffter, Roman, dessen Episoden inhaltlich, manche ganz, manche theilweise von Bocaccio abhängig sind. Von Riemer's sonstigen sehr zahlreichen litterarischen Leistungen, seien neben seiner „Apophtegmatischer Vormünd“ betitelten Aphorismensammlung, der ältesten deutschen dieser Gattung, noch der von Neumeister — seinem Hamburger Nachfolger im Amte — in seiner Dissertation empfohlene „Schatzmeister aller Leid und Freud Complimenten“ als die einzig erwähnenswerthen hier genannt. R. wußte geschickt sich vorhandenen Richtungen anzuschließen, ohne allzusehr nach Art der unselbständigen Nachahmer die Eigenart der Meister zu übertreiben. Er selbst hat nach keiner Richtung hin vorbildlich gewirkt.

    • Literatur

      Neu vermehrtes Historisches und Geographisches Allgemeines Lexikon, Basel 1744, V. Th., S. 1143 ff.

  • Autor/in

    Max v. Waldberg.
  • Zitierweise

    Waldberg, Max von, "Riemer, Johannes" in: Allgemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 564-565 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600907.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA