Lebensdaten
1668 – 1743
Geburtsort
Gröningen/Bode bei Halberstadt
Sterbeort
Hildesheim
Beruf/Funktion
Philosoph ; Polyhistor
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118599291 | OGND | VIAF: 46829179
Namensvarianten
  • Reimmann, Jacob Friedrich
  • J. F. R.
  • J.F.R.
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Zitierweise

Reimmann, Jacob Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118599291.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Andreas (1635–95), Rektor in G., seit 1674 Pfarrer in Schwaneberg b. Magdeburg, S d. Rektors Petrus u. d. Anna Mohr;
    M Catharina (1645–1711), T d. Oberpredigers Jacobus Becker, aus G., u. d. Anna Müller;
    1693 Brumby b. Schönebeck/Elbe 1693 Anna Margaretha (1674–1750), T d. Pfarrers Mag. Conrad Hävecker, aus Brumby, u. d. Anna Quenstedt;
    7 S (5 früh †), 6 T (3 früh †).

  • Biographie

    Nach der Reifeprüfung in Altenburg begann R. 1688 das Studium der Philosophie und Theologie an der Univ. Jena, das er 1689 aus Geldnot abbrach. Er arbeitete als Hauslehrer in Ahlten und Calbe/Saale; 1692 trat er in den Schuldienst: zunächst als Rektor in Osterwieck (Harz), seit 1693 in Halberstadt. 1704 wurde R. Oberprediger in Ermsleben, 1714 Diakon am Magdeburger Domkapitel, 1717 Superintendent in Hildesheim und dort zugleich Assessor des Konsistoriums und Ephorus des Andreasgymnasiums.

    In Magdeburg und Hildesheim beschäftigte sich R. überwiegend mit kirchengeschichtlichen Studien. Mit seiner „Historia universalis Atheismi“ (1725) ging er über die „Lehr-Sätze von der Atheisterey und Aberglaube“ des Jenaer Pietisten Johann Franz Buddeus (1667–1729) hinaus. R. verehrte die Toleranzideen von Leibniz, mit dem er in regem Austausch stand, und zeigte Sympathien für Speners Pietismus. Er verband wissenschaftlichen Rationalismus mit gläubigem Luthertum und lehnte die Lehre Spinozas ab, die aus seiner Sicht von der Kabbala abhängig war.

    Sein Frühwerk, in dem R. seine breit gelagerte Bücherkenntnis mit der systematischen Sammlung, Ordnung und Kritik von Quellenmaterial verband, ist von literaturgeschichtlichem Interesse geprägt. R. verfaßte eine umfassende Geschichte der Genealogie (1694), beschäftigte sich mit der aristotelischen Analytik (1697) und schrieb eine Geschichte der Logik (1699) sowie der Definition des Tugendbegriffs (1700). 1703 edierte er die Briefe Ciceros „Ad familiares“ mit dt. Kommentar und trat mit seiner „Poesis Germanorum“ hervor, die – als Schulbuch konzipiert – einen Grundriß der Poetik in Deutschland bot. 1708-13 veröffentlichte er sein sechsbändiges Hauptwerk, den deutschsprachigen „Versuch einer Einleitung in die Historiam Litterariam der Teutschen insonderheit“. Die von Daniel Georg Morhof (1639–91) beeinflußte, systematisch gegliederte und kritische Erfassung der Geistes- und Kulturgeschichte zählt zu den frühen Dokumenten einer entstehenden modernen dt. Literaturgeschichtsschreibung.

  • Werke

    u. a. Exercitatio parergica de fatis studii Genealogici apud hebraeos, graecos, romanos, germanos, 1694, ⁴1710;
    Schediasma philosophicum de Logices Aristoteleae, Rameae, Cartesianae et eclecticae insufficientia, 1697;
    Calendarium Logices Historico-Criticum, 1699;
    Meletema philosophicum, 1700;
    Versuch e. Einl. in d. Historie d. Theol. insgemein u. d. Jüd. Theol. insonderheit, 2 Bde., 1717;
    Introductio in Historiam vocabulorum linguae latinae, 1718;
    Idea Compendii Theologici, 1724;
    Historia philosophiae Sinensis, 1727;
    Ilias post Horaerum, 1728;
    Cat. Bibliothecae theologicae systematico-criticus, 1731, erw. 1747;
    Bibliotheca Historiae Literariae Critica, 1739;
    Eigene Lebens-Beschreibung oder Hist. Nachr. v. sich Selbst, 1745;
    W-Verz.:
    Bibliogr. z. dt. Lit.gesch. d. Barockza. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Hzg. August-Bibl., Wolfenbüttel.

  • Literatur

    ADB 27;
    S. v. Lempicki, Gesch. d. dt. Lit.wiss., 1920, S. 98-126, 189-213;
    M. O. Krieg, in: Das Antiquariat 14, 1958;
    F. W. Wentzlaff-Eggebert, Emblematik u. Rhetorik, Zu J. F. R.s „Bekandte u. unbekandte Poesie d. Deutschen“, in: FS f. G. Weydt, 1972, S. 495-97;
    Th. Günther, J. F. R. 1688-1743, Mühsal u. Frucht, 1974 (L);
    M. Mulsow, Polyhistorie u. Litterärgesch. im frühen 18. Jh., J. F. R. (1668-1743), in: Aufklärung 11, 1999, H. 1, S. 123-28;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy;
    BBKL 18.

  • Porträts

    2 Ölgem., anonym bzw. v. J. G. Schmidt, 1731 (beide im 2. Weltkrieg verschollen);
    Kupf. (Stadtarchiv Hildesheim), Abb. in Korb’sches Sippenarchiv Regensburg bzw. Antiquariat H. D. v. Diepenbroick-Grüter, Tecklenburg, Haus Marck.

  • Autor/in

    Theodor Günther , Stefan Jordan
  • Zitierweise

    Günther, Theodor; Jordan, Stefan, "Reimmann, Jacob Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 339-340 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118599291.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Reimmann: Jacob Friedrich R., geb. am 22. Januar 1668 in Gröningen bei Halberstadt, am 1. Februar 1743 in Hildesheim (sowohl er in seiner Selbstbiographie als auch sein Enkel F. H. Theune schreiben stets „Reimmann, nie „Reimann"), Sohn eines Schulmannes, welcher ein dürftiges Einkommen und zahlreiche Kinder besaß, mußte eine Schule aufsuchen, bei welcher er möglichst kostenfrei leben konnte, und kam so zunächst nach Egeln bei Wanzleben, dann nach Aschersleben und schließlich nach Magdeburg. Von da ging er nach Eisleben, wo er eine Hauslehrerstelle übernahm, hierauf besuchte er kurze Zeit das Gymnasium zu Altenburg und wurde dann im Juni 1688 in Jena als Student immatriculirt, wo er philosopische und theologische Vorlesungen hörte und am 10. October 1689 die Magisterdisputation hielt. Dann kam er als Hauslehrer nach Ahlten, von wo er wöchentlich in das nahe gelegene Hannover ging, um dort bei einem Buchhändler sich über Litteratur und die neu erscheinenden Bücher zu unterrichten, und nachdem er in gleicher Stellung einige Zeit in Calbe an der Saale zugebracht hatte, fand er endlich im September 1692 einen festeren Beruf, indem er das Rectorat der Schule zu Osterwick bei Halberstadt übernahm, von wo er in gleicher Eigenschaft im Juli 1693 nach Halberstadt kam. Im November 1702 wurde er zum Inspector der Halberstädtischen Schulen ernannt, und im März 1704 bekam er die Stelle des ersten Predigers in Ermsleben bei Halberstadt; hier hatte er einerseits die Freude, daß ihn (1706) Leibniz besuchte, und andererseits (1710) das Unglück, daß eine Feuersbrunst seine mit vieler Mühe erworbene Büchersammlung und all seine zahlreichen Manuscripte zerstörte. Im April 1714 wurde er Diakonus am Domcapitel zu Magdeburg und im April 1717 Superintendent in Hildesheim. R. hatte ein eigentümliches|Talent für jene Richtung litterargeschichtlicher Forschung, welche auf ausgedehnteste Bücherkenntniß hinweist, wie dies sogleich seine Erstlingsschrift „De fatis studii genealogici apud hebraeos, graecos, romanos, germanos“ (1694) zeigt. Und wenn er in seinem „Schediasma philosophicum de logices Aristoteleae, Rameae, Cartesianae et electivae insufficientia“ (1697) mit scharfer Kritik die Grundfragen der Logik mehr negativ erörtert und hierauf im „Spicilegium philosophicum de definitione unico demonstrationis potissimae medio“ (1699) positiv an einen Kernpunkt der Aristotelischen Analytik anknüpft, so war er zugleich der erste, welcher den Gedanken faßte, die Geschichte der Logik in Betracht zu ziehen, und zu diesem Zwecke schrieb er: „Calendarium logices historico-criticum; critisirender Geschichtskalender von der Logica“ (1699), d. h. einen kurzen chronologischen Abriß der hervorragenden Litteratur. In ähnlicher Weise gab er (1700) eine Geschichte der Definition der Tugend, sowie der Definition des Körpers, und daneben verfaßte er die komische Schrift „Paradoxum grammaticum de ignorantia eruditorum abecedaria in latinorum alphabeto deprehensa“ (1698). Sodann beschäftigte er sich (1702) mit der Geschichte Halberstadts und einer betreffenden handschriftlichen Chronik, hierauf folgte (1703) eine Ausgabe der Briefe Cicero's Ad familiares mit deutschen Anmerkungen (was vor ihm Niemand gewagt hatte), sowie der für jene Zeit interessante Versuch „Poesis canonica et apocrypha; bekannte und unbekannte Poesie derer Teutschen“ (1703). Von 1708 bis 1713 erschien das sechsbändige Hauptwerk „Versuch einer Einleitung in die historiam literariam sowohl insgemein als auch in die historiam literariam der Teutschen insonderheit“, worin er sich als tüchtigen ersten Vorläufer der erst in späteren Jahrzehnten erwachenden Litteraturgeschichte erwies; daneben veröffentlichte er eine Geschichte der Stadt Aschersleben „Idea historiae Ascaniensis civilis, ecclesiasticae, naturalis et literariae“ (1708) und „Versuch einer Einleitung in die historiam literariam antediluvianam“ (1709), sowie unter dem Titel „Bibliotheca acroamatica“ (1712) ein Verzeichniß der Handschriften der Wiener Bibliothek (nach Lambeccius und Nessel). Auch die Geschichte der Theologie behandelte er in einem „Versuch einer Einleitung in die Historie der Theologie insgemein und der jüdischen Theologie insonderheit“ (1717), ja er versuchte sogar eine „Historia vocabulorum linguae latinae“ (1718), während er gleichzeitig eine umfassende Zusammenstellung seines Lieblingsgegenstandes gab: „Idea systematis antiquitatis literariae“ (1718). Als „Conspectus historiae civilis“ veröffentlichte er (1722) 24 Geschichtstabellen, betreffend Orient, Griechen, Römer, Deutsche, worauf die sehr inhaltsreiche „Historia universalis atheismi“ (1725) folgte, worin er die ähnliche Schrift des Buddeus (Tractatus de atheismo) weit übertraf. Im J. 1724 erschien sein vielfach gelobtes „Compendium theolagicum“ und 1727 eine „Historia philosophiae Sinensis“, ferner die merkwürdige Schrift „Ilias post Homerum, h. e. incunabula, omnium scientiarum ex Homero eruta et systematice descripta“ (1728) und endlich „Catalogus bibliothecae theologicae systematico-criticus“ (1731). In den Jahren 1730—32 war er durch den Jesuiten Hasselmann und dessen Controverspredigten in ein widerliches litterarisches Gezänke über das Wesen des Protestantismus u. dgl. verwickelt worden. — Er nimmt immerhin eine ehrenvolle Stelle unter den Polyhistoren jener Zeit ein und bereitete durch sein ausgedehntes Wissen Manches vor, was im Laufe des 18. Jahrhunderts weiter ausgeführt wurde.

    • Literatur

      J. Fr. Reimmann's eigene Lebensbeschreibung oder historische Nachricht von sich selbst, namentlich von seiner Person und seinen Schriften, aus dessen eigenhändigem Aufsatz mitgetheilt von Fr. Heinr. Theune (1745).

  • Autor/in

    Prantl.
  • Zitierweise

    Prantl, Carl von, "Reimmann, Jacob Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 27 (1888), S. 716-717 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118599291.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA